Rede von
Dr.
Friedbert
Pflüger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Voigt, daß Sie Gespräche über diese Frage führen, glaube ich Ihnen gerne. Ich glaube auch gern, daß das der Kollege Duve, der Herr Gansel, Herr Schloten und noch ein paar Kollegen machen.
Aber die Reaktion Ihrer Fraktion auf das Angebot Frankreichs war absolut indiskutabel und unter Freunden fast eine Unverschämtheit.
Es geht im Grunde um eine einzige Frage. Wir wollen keine Verfügung über Atomwaffen. Aber wollen wir die Nichtverfügung mit Mitsprachemöglichkeiten koppeln, oder wollen wir ohne Mitsprachemöglichkeiten sein? Frau Wieczorek-Zeul, Sie können hundertmal sagen, Sie wollten eine nuklearfreie Welt.
Die Nuklearwaffen sind da. Da müssen Sie erst einmal Herrn Schirinowski und Saddam Hussein und all die anderen überzeugen, die heute an Nuklearwaffen arbeiten.
Auch ich will nukleare Abrüstung. Jeder, der in dem entsprechenden Unterausschuß ist, weiß auch, daß ich mich mit aller Entschiedenheit für nukleare Abrüstung einsetze. Aber solange es Massenvernichtungswaffen auf der Welt gibt, bin ich froh darüber, daß wir eine minimale Abschreckungskapazität im Westen aufrecht erhalten, und zwar sowohl in Amerika als auch in Frankreich.
Es können mir kein Pazifist und kein noch so gutgläubiger Idealist auf der Welt garantieren, daß nicht in fünf Jahren, vielleicht sogar schon in zwei oder drei Jahren, im Kreml irgendein Diktator regiert, der über 25 000 Nuklearwaffen verfügt. Keiner von uns will das; aber wer kann das ausschließen?
Weil wir das nicht ausschließen können, will ich, daß wir neben dem Prozeß der Abrüstung, den wir hoffentlich weiterführen, auch in der Lage bleiben, jeder Form von Erpressungsversuchen zu widerstehen.
Dr. Friedbert Pflüger
Wichtig ist, daß wir das Ganze nicht nur als eine deutschfranzösische Angelegenheit betrachten, sondern daß wir all diese Frage sehr schnell auch mit unseren anderen europäischen Partnern, etwa in der EPZ oder in der WEU besprechen. Wichtig ist vor allen Dingen, daß wir es auch mit Amerika besprechen.
So halte ich etwa die Idee für völlig richtig, die Frage der Erweiterung der französischen Nuklearwaffen einmal in der Nuklearen Planungsgruppe der NATO mit Amerika und mit Frankreich zu besprechen. Vielleicht ergibt sich hier eine Möglichkeit, auf diese Art und Weise Frankreich wieder näher an die militärische Integration der NATO heranzuführen.
Jedenfalls ist eines für uns klar: Diese französischen Nuklearwaffen können genauso wie die britischen Nuklearwaffen niemals ein Ersatz, sondern nur eine Ergänzung des amerikanischen Nuklearschirms darstellen.
Nun wird immer wieder der Vorwurf gemacht, das würde dazu führen, daß in Amerika der Isolationismus bestärkt würde. Ich glaube, daß das Gegenteil der Fall ist. Wir haben es ja in der Debatte um die konventionelle Verteidigung Europas erlebt. Seit Jahren hatten die Amerikaner gefordert, Europa müsse mehr Verteidigungslasten tragen, weil Europa sonst bei amerikanischen Kongreßabgeordneten überhaupt nicht mehr als ein Ort zu vertreten wäre, an dem sich Amerika engagiert.
Das heißt, die Amerikaner wollen nicht, daß wir uns in irgendeiner Weise gegen sie aussprechen; aber sie wollen einen europäischen Pfeiler der Verteidigung. Was wir auf der konventionellen Ebene mit der WEU und dem Eurocorps haben, warum sollten wir das nicht auch im Nuklearbereich haben?
Ich finde - das hat Kollege Fischer vorhin zu Recht erklärt -: Es wäre völlig falsch, die Frage der europäischen Nuklearwaffen sozusagen in das Zentrum der europäischen Politik geraten zu lassen.
Aber es ist genauso falsch, Herr Kollege Fischer, eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik zu betreiben, zu planen und so zu tun, als ob es die französischen und britischen Nuklearwaffen nicht gäbe. Das ist Die-Decke-über-den-Kopf-Ziehen und so tun, als ob wir in einer anderen Welt lebten. Aber wir leben in dieser Welt und nicht in einer anderen, Herr Kollege Fischer.
Die Fraktion der CDU/CSU setzt sich entschieden dafür ein, daß der begonnene Prozeß der nuklearen Abrüstung weiter vorankommt. Wir begrüßen es deshalb, daß die Franzosen auf eine früher geplante atomare Bombe verzichtet haben. Die Franzosen werden demnächst das Plateau d'Albion, also ihre landgestützten Interkontinentalraketen, gänzlich aufgeben. Wir erleben überall auf der Welt im Moment einen Prozeß der Abrüstung, an der Spitze übrigens Deutschland, etwa im Bereich der konventionellen Abrüstung. Die Haushälter haben sich gerade darüber geeinigt, daß wir in unserem Haushalt den Posten für die Abrüstungshilfe an Moskau erheblich erhöhen: von 13 Millionen DM auf 18 Millionen DM. Das ist in Zeiten knapper Kassen eine gewaltige Leistung.
Wir in Deutschland sind die ersten gewesen, die den KSE-Vertrag zur Abrüstung erfüllt haben. Das heißt, Sie können uns wirklich nicht vorwerfen, wir würden keine Abrüstung betreiben. Wir wirken auch auf die Amerikaner und die Russen ein, START II, die große Abrüstungsvereinbarung, endlich zu ratifizieren.
Aber wir sagen auch: Wir müssen, solange es Aggressoren auf dieser Welt gibt, die über Nuklearwaffen oder biologische bzw. chemische Waffen verfügen, in der Lage sein, uns zu verteidigen. Das aber, was uns bei dem Ganzen am wenigsten gefällt, ist die Rolle des moralischen Oberlehrers, Frau Wieczorek und Herr Fischer.