Rede von
Joachim
Gres
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch fünf Jahre nach der Vereinigung Deutschlands läßt uns die DDR-Vergangenheit nicht los. Die unselige Rolle der SED/PDS in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft der DDR, die Auswirkungen des real existierenden Sozialismus auf die Menschen in der DDR, die kriminogenen und teilweise kriminellen Strukturen im Zusammenhang mit den vielfältigen Devisenbeschaffungsoperationen der DDR, schließlich das langjährige Zusammenwirken zwischen MfS und dem Bereich Kommerzielle Koordinierung, dies alles macht uns in der Tat zu schaffen. Insbesondere deswegen, weil die SED/PDS in der Wendezeit - und möglicherweise noch nach der Vereinigung Deutschlands - vor allem eines betrieben hat: die Sicherung der Beute.
Ganz offenbar wurde Vermögen versteckt, in dunkle Kanäle geleitet und mit Hilfe von alten Seilschaften in konspirativer Weise den Behörden vorenthalten. Dies mußte und muß aufgeklärt werden. Aufgeklärt werden muß natürlich auch das Zusammenwirken mit solchen Personen, die in den Zeiten des Umbruchs eine Gelegenheit für dunkle Geschäfte gesehen haben.
Meine Damen und Herren, zur Aufarbeitung all dieser Umstände hat der Deutsche Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode zwei Untersuchungsausschüsse und eine Enquete-Kommission eingesetzt, die der Öffentlichkeit umfangreiche Berichte vorgelegt haben. Der Bericht des KoKo-Untersuchungsausschusses der letzten Wahlperiode war der umfangreichste Untersuchungsbericht, den der Deutsche Bundestag jemals verabschiedet hat. Der Bericht stellt umfassend einen Teil der Strukturen des Wirtschaftssystems der ehemaligen DDR dar. Durchgreifende Kritik an Bundesregierung oder Bundesbehörden ist in diesem Bericht nicht festgehalten.
Die SPD beantragt, zur Durchleuchtung dieser DDR-Vergangenheit jetzt erneut einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, und hat den uns heute vorliegenden Antrag formuliert. Grundsätzlich, meine Damen und Herren von der SPD, sind hiergegen keine Bedenken anzumelden.
Ich warne jedoch vor der Erwartung, ein Untersuchungsausschuß dieses Hauses könnte jemals wirklich lückenlos alle Bereiche und alle Facetten des Systems der DDR - und seien es auch nur ihre Unternehmen im In- und Ausland einschließlich der konspirativen Zusammenarbeit mit dem MfS - aufdekken.
Ich will, Herr Beucher, ferner zitieren, was der KoKo-Untersuchungsausschuß der 12. Wahlperiode in seinem Schlußbericht hierzu gesagt hat:
Es wird empfohlen, daß der 13. Deutsche Bundestag unter Berücksichtigung der dann vorliegenden weiteren Erkenntnisse der Treuhandanstalt und der UKPV bzw. deren Nachfolger sowie der Gerichte und Staatsanwaltschaften prüft, inwieweit es sinnvoll ist, einen Untersuchungsausschuß zur Aufklärung der bisher noch nicht erledigten Teile des Untersuchungsauftrages und weiterer im Verlauf des Untersuchungsverfahrens deutlich gewordener Fragenkomplexe einzusetzen.
Wir wissen alle, daß sich um den hier in Rede stehenden Themenkreis seit einigen Jahren verschiedene andere Gremien und Institutionen durchaus mit Erfolg kümmern. Da ist zum einen die unabhängige UKPV, die mittlerweile fast lückenlos die ehemaligen Parteifirmen der SED erfaßt hat. Da sind zum anderen die zahlreichen Strafverfahren und Zivilverfahren vor deutschen und ausländischen Gerichten wegen Veruntreuung, Bilanzfälschung oder veruntreuender Vermögensverschiebungen ins Ausland, wobei ich hier, Herr Beucher, nur anmerke, daß uns diese laufenden Verfahren in erhebliche praktische Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Untersuchungsauftrages bringen werden.
Da sind im übrigen Enquete-Kommissionen und Untersuchungsausschüsse auf Länderebene. Da ist die große Fülle von Untersuchungen von Historikern und anderen Wissenschaftlern über die DDR-Wirtschaftsgeschichte. Hinzu kommen die Vorlagen und Prüfergebnisse von Bundesrechnungshof und Rechnungsprüfungsausschuß, die sich mit der Treuhand und damit verbundenen Fragen befassen.
Wenn man dann hinzunimmt, unter welchem massiven Arbeitsdruck wir im Parlament sind und welche personellen Ressourcen durch einen Untersuchungsausschuß gebunden werden, ist die Frage angezeigt, ob die Tätigkeit eines neuen Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages parallel zu all den von mir erwähnten Gremien und Institutionen sinnvoll ist.
Diese Frage ist um so berechtigter, als die SPD den Untersuchungsauftrag nicht so präzise formuliert und begründet hat, wie das aus Gründen einer justitiablen Umsetzung geboten ist, von Praktikabilitätsgesichtspunkten ganz abgesehen. Der SPD-Antrag ist trotz aller Verbesserungen, die er im Geschäftsordnungsausschuß erfahren hat, nach wie vor von einer Weite, die auch rechtliche Bedenken hinsichtlich seiner Bestimmtheit aufwirft.
Was ich vermisse, ist, daß die SPD darlegt, daß die für den KoKo-Ausschuß empfohlene Prüfung irgendwann stattgefunden hätte und mit welchem Ergebnis. Offensichtlich hat die SPD ein Interesse, von dieser Prüfung abzusehen, und möchte - aus welchen
Joachim Gres
fraktionsinternen Gründen auch immer - möglichst schnell und ohne Rücksicht auf' die Arbeit der genannten Institutionen die Einsetzung eines KoKoNachfolge-Untersuchungsausschusses erreichen.
Ich bedaure sehr, daß sich die SPD nicht in der Lage sah, ihrem Antrag eine Begründung zu geben. Rechtliche Bedenken gibt es - ich sage es jetzt ganz vorsichtig -, wenn ich die Maßstäbe des Steinberger Gutachtens aus dem Transnuklear-Untersuchungsausschuß anlege, vor allem im Hinblick auf private Unternehmen und Privatpersonen, die gegebenenfalls vernommen werden sollen.
Man sollte bei der Formulierung von Untersuchungsaufträgen noch sorgfältiger sein, als es geschehen ist. Bekanntlich geht es - das hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gesagt - bei der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses um Ausübung öffentlicher Gewalt.
Wir wollen auf diese Bedenken hier hinweisen. Wir wollen aber dem Verlangen der SPD, auch wenn es sich nicht um ein Minderheitenrecht im Sinne von Art. 44 GG, sondern um einen Fraktionsantrag handelt, letztlich nicht im Wege stehen.
Wir hoffen, daß alle im Untersuchungsausschuß so einsichtig sein werden, daß mit der Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht die Arbeit derjenigen gefährdet werden darf, die wie UKPV und BVS bzw. die Treuhandanstalt hinter SED-Vermögen und DDR-Vermögen herspüren.
Es sollte bei allen Instrumenten, über die der Untersuchungsausschuß verfügt, nicht der Versuch gemacht werden, in einer kombinierten Rolle von UKPV, BVS, Bundesrechnungshof, Rechnungsprüfungsausschuß, Staatsanwaltschaft, Strafgerichten und Zivilgerichten deren Arbeit zu wiederholen.
Ein Untersuchungsausschuß ist ein politisches Gremium und keine buchhalterische Veranstaltung. Ein Untersuchungsausschuß ist auch nicht Oberdetektiv, Staatsanwalt und Richter in einer Person. Ein Untersuchungsausschuß soll eine Entscheidung des Parlaments vorbereiten. Dies sollten wir vor Augen haben.
Wir sollten uns auch vor Augen halten, gegenüber der Öffentlichkeit vertreten zu müssen, weshalb dieser enorme Kostenaufwand erforderlich ist, wie ihn fraglos dieser Untersuchungsausschuß mit dem Einsatz der EDV-Anlage zur Folge haben wird.
Wegen der nicht ausgeräumten Bedenken, die ich vorgebracht habe, können wir dem Antrag der SPD nicht zustimmen. Da wir uns aber dem Wunsch der SPD nach Aufarbeitung eines Ausschnitts aus der deutsch-deutschen Vergangenheit nicht verschließen wollen und um nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, wir oder die Bundesregierung hätten irgend etwas zu verbergen, werden wir uns nach Abwägung aller Umstände bei dem Antrag der Stimme enthalten und im übrigen in dem dann gewählten Ausschuß konstruktiv mitarbeiten.
Vielen Dank.