Rede von
Rainer
Haungs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf deutschen Baustellen arbeiten immer mehr ausländische Arbeitnehmer zu anderen Bedingungen als ihre deutschen Kollegen. Führte dies in Boomzeiten schon zu Schwierigkeiten, wird es gerade heute, bei nachlassender Konjunktur, zu einem arbeitsmarktpolitischen Problem, daß deutsche Bauarbeiter vermehrt in die Arbeitslosigkeit gehen, während die Zahl der ausländischen Bauarbeiter stetig ansteigt. Soweit der Sachverhalt, der von niemandem bestritten wird.
Der berechtigte Stein des Anstoßes, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, liegt jedoch sicherlich nicht in der legalen Beschäftigung europäischer Arbeitnehmer auf deutschen Baustellen, sondern in der Grauzone des Zusammenwirkens deutscher Großunternehmen mit ausländischen Subunternehmern, soweit diese nicht wirklich selbständig für einen Generalunternehmer arbeiten, sondern oft in einem Scheinverhältnis mit miserablen Arbeitsbedingungen nur der Mischkalkulation für deutsche Großunternehmen dienen. Dann wird der Wettbewerb zu Lasten kleiner und mittlerer Unternehmen verzerrt. Auch dies ist zweifellos ein unbestrittener Sachverhalt.
Den kleinen und mittleren Bauunternehmern steht die Mischkalkulation mit Subunternehmern in der Regel nicht zur Verfügung.
Insoweit ist es legitim und das Ziel unseres Gesetzentwurfes, einen fairen Interessenausgleich zwischen freiem Binnenmarkt und berechtigtem Schutz vor dessen Mißbrauch zu finden.
Im übrigen - und hier muß ich leider einigen Vorrednern widersprechen - gilt für mich grundsätzlich nicht: gleicher Lohn für gleiche Arbeit, sondern: gleicher Lohn bei gleicher Produktivität unabhängig vom Unternehmensstandort. Auf dieser Basis sind auch schon viele Tarifverträge abgeschlossen worden; das will ich der Kollegin sagen, die da „Ach du lieber Gott! " stöhnt.
Wir haben mit dem Entsendegesetz eine Lösung gesucht, die weder gegen den Geist der Europäischen Verträge verstößt noch an den auftretenden Schwierigkeiten im Baubereich vorbeigeht. Das Risiko eines solchen Gesetzes - einige Kolleginnen und Kollegen haben darauf hingewiesen - darf dabei nicht übersehen werden. Es darf nicht zugelassen werden, daß es im gemeinsamen Binnenmarkt, der für einzelne betroffene Branchen oder Unternehmen Anpassungsschwierigkeiten mit sich gebracht hat, mit einem solchen Gesetz zu einer Signalwirkung und damit zu einer Weckung von Begehrlichkeiten bei anderen Branchen kommen kann.
Ich weiß nicht, ob einige der Vorredner, denen ich aufmerksam zugehört habe, diese Schwierigkeit und Gefahr so sehen wie wir, die wir einer europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik verpflichtet sind.
Die in der letzten Woche geführte Diskussion um den Gesetzentwurf zeigt jedoch, daß dies in Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann. Die geforderte Ausweitung des Kreises der Begünstigten beispielsweise oder eine Verlängerung des Zeitraums auf mindestens fünf Jahre erhöht die Anspruchshaltung anderer Branchen, bei Wettbewerbsschwierigkeiten jederzeit gesetzliche Schutzbestimmungen einfordern zu können.
Dies ist das Gegenteil einer offenen, in der Europäischen Union und der Weltwirtschaft verflochtenen Arbeitsteilung, und es widerspricht allen unseren Erfahrungen, die uns in der Vergangenheit zu Wohlstand und sozialer Sicherheit geführt haben.
Rainer Haungs
Der Gesetzentwurf der Opposition, liebe Kolleginnen und Kollegen, zielt meines Erachtens genau in diese Richtung, die von mir kurz skizziert wurde, nämlich in die falsche Richtung der Ausweitung auf andere Branchen, der Aushöhlung des Geistes des Binnenmarktes, in Richtung eines trügerischen, kurzfristigen Schutzes, der mit Sicherheit den nächsten Sturm nicht überleben wird.
Der Gesetzgeber wird somit mit dem Entsendegesetz einen Rahmen vorgeben, der von den Tarifpartnern mit Leben erfüllt werden muß. Dies dürfte ja wohl der Sinn der Tarifautonomie sein. Wenn dies von den Tarifpartnern abgelehnt wird, bezieht sich ihre Ablehnung dabei nicht auf die gesetzlichen Möglichkeiten - insofern gebe ich dem Kollegen Louven völlig recht -, sondern auf die konkrete Umsetzung durch die Tarifpartner. Es ist ein Angebot des Gesetzgebers.
- Ich habe vor, in meinen Ausführungen diese spannende Frage Ihnen und den anderen interessierten Kollegen zu beantworten.
Die Kritik der Arbeitgeber habe ich als nachvollziehbar, in Teilbereichen auch als gerechtfertigt bezeichnet. Es ist an der Zeit, für die Baubranche festzustellen, daß sich ihre Vorstellungen einer vor Wettbewerbsdruck geschützten Überleitungsphase im Gespräch, im Dialog, in der Verhandlung mit den anderen Arbeitgeberverbänden nicht umsetzen lassen. Dies hat die Branche zum Teil selbst verschuldet:
Eine hinausgezögerte Anpassung an den Binnenmarkt, auch gefördert durch die jahrelange Hochkonjunktur am Bau, das Festhalten an einem starren Lohnniveau und die Betonung einer scheinbaren Sondersituation im Vergleich zum produzierenden Gewerbe haben zu einer aktuellen Isolierung geführt. Dies ist mit Sicherheit nicht Schuld der Politik.
Aber wir haben rechtzeitig - auch in der Diskussion über das Schlechtwettergeld - darauf hingewiesen, daß unzeitgemäße Arbeitszeitregelungen, daß mangelnde Flexibilität, daß fehlende Tariföffnungen in einer Branche, die bisher dem europaweiten Wettbewerb nicht so ausgesetzt war wie andere Branchen, zu diesen Schwierigkeiten führen können und jetzt auch führen.
Textil- und Metallindustrie, zwei Bereiche, die seit Jahren mit einer verschärften weltweiten Arbeitsteilung und mit internationalen Kostennachteilen zu kämpfen haben, mußten sich an den Wettbewerb anpassen, und sie sind in einem schmerzlichen Prozeß dabei.
Von ihnen zu verlangen, einer anderen Branche ohne eigene Anpassungsbemühungen auf lange Zeit einen Schutzzaun bei gleichartigen Konkurrenzbedingungen zu geben, dies grenzt an eine Zumutung. Es ist nicht nur ökonomisch falsch, sondern auch sozial ungerechtfertigt. Mir kann niemand erklären, warum ein Hilfsarbeiter in der Baubranche mehr verdienen soll, als der Ecklohn in vielen anderen Industriebranchen ist. Ich habe einige genannt. Ich habe mir die gesamten Tariflöhne - da ich sie nicht so gut auswendig kenne wie Sie, Herr Kollege Gilges - aus den Bereichen Textil, Bekleidung, Leder, Holzindustrie usw. aufschreiben lassen. Es führt kein Weg daran vorbei, daß das, was Sie gesagt haben, wohl richtig ist - ich habe auch nicht daran gezweifelt -, daß der Ecklohn in der Baubranche irgendwo zwischen 22 und 23 DM liegt. Aber wir können auch nicht daran zweifeln, daß der jetzige tarifliche Eingangslohn für Ungelernte bei über 20 DM liegt. Es ist sozial ungerechtfertigt, dann, wenn der Ecklohn in anderen Branchen bei 15, 16 oder 17 DM liegt, hier eine solche Regelung zu treffen, und deshalb habe ich es als nachvollziehbar bezeichnet und gesagt, daß ich ein gewisses Verständnis für die Entscheidung der BDA habe.