Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine sehr verehrten Herren! Herzlichen Dank für die Glückwünsche.
Ich spreche hier als Ministerpräsident eines Landes, in dem 40 % der Arbeitsplätze der Luft- und Raumfahrtindustrie und 41 % der Arbeitsplätze der DASA beheimatet sind. Ich spreche, Herr Kollege Lambsdorff, hier im Deutschen Bundestag, weil die Verantwortung des Bundes und dessen Zuständigkeit - ich glaube, das bestreitet keiner von uns - eindeutig ist.
Die Länder können ergänzende Beihilfen und ergänzende Unterstützungen geben. Aber ob wir die Luft- und Raumfahrtindustrie generell als eine strategische Industrie in der Konkurrenz zu den Vereinigten Staaten von Amerika oder zu Japan unter den gegebenen Bedingungen politisch erhalten wollen, ist eine Angelegenheit der Bundesregierung, des Bundestages, des Bundesrates, eine Angelegenheit des Bundes schlechthin. Wir können nur ergänzende Beihilfen geben. Ich wollte das sehr deutlich zum Ausdruck bringen.
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, ich halte nichts davon, in dieser Debatte Mittelstandsförderungen sozusagen als Gegensatz zu diesen industriepolitischen Entscheidungen zu sehen.
Wir brauchen beides. Für bestimmte strategische Industrien spielt der Verlust von Arbeitsplätzen eine enorme Rolle, weit über das persönliche Schicksal des betroffenen Arbeitnehmers hinaus, weit über unseren Industrie- und unseren Technologiestandort hinaus, wie einige deutlich zum Ausdruck gebracht haben.
Ich sehe z. B., daß auf vier Arbeitsplätze innerhalb der DASA ein mittelständischer, zum Teil auch ein kleinbetrieblicher Arbeitsplatz aus der Zulieferung kommt. Ich muß allerdings auch sehen, Herr Lambsdorff, daß eine Verlagerung der industriellen Arbeitsplätze zu einem bestimmten Teil in den Dollarraum droht, weil die Luftfahrtindustrie im Gegensatz zur deutschen Industrie ihren Absatz zu rund 70 % in Dollar fakturiert, während die gesamte deutsche Industrie' zu 70 % in D-Mark fakturiert. Insoweit hat
dieser Bereich natürlich ein spezifisches Problem. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die uns heute zuschauen, erwarten, daß wir ihnen Mut machen und daß wir Dolores mit allen Mitteln und all den Möglichkeiten, die wir haben, verhindern.
Halten wir uns vor Augen: Wir haben 1990 noch etwa 90 000 Arbeitsplätze in der Luft- und Raumfahrtindustrie gehabt, am Ende des letzten Jahres waren es noch 67 000. Auf die DASA bezogen, sind wir Mitte 1995 auf unter 50 000 gefallen und liegen bei noch 49 000. Wenn weitere 15 000 wegfielen - das muß man sehen - , dann wären wir bei 34 000. Wenn man darüber hinaus im militärischen Beschaffungsbereich - ich werde darüber noch etwas sagen - zu der Entscheidung käme, daß der Eurofighter spät oder überhaupt nicht kommt, dann bedeutete das noch einmal - zumindest nach den unbestrittenen Berechnungen der DASA - 8 000 Arbeitsplätze weniger in der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie. Die Zahl der Arbeitsplätze würde auf unter 30 000 fallen. Dann können Sie die Luft- und Raumfahrtindustrie als strategische Industrie für Deutschland vergessen. Es werden andere dieses Geschäft betreiben, in welcher Formation auch immer. Das ist die eigentliche Frage, die wir hier beantworten müssen.
Meine Damen, meine Herren, ich will auch einmal deutlich sagen: Ich glaube, daß die Verfassungsorgane mehr Verständnis füreinander haben sollten.
Sie kennen meine Meinung; Sie wissen, worauf ich anspiele. Ich habe mein Verfassungsverständnis deutlich gemacht. Ich will aber nicht auf ein Nebengleis kommen.
Mit den Problemen befassen sich auch die Ministerpräsidenten. Das berührt doch die norddeutschen Kolleginnen und Kollegen genauso; der Kollege Voscherau ist heute hier. In Hamburg, in Niedersachsen und in Bremen sind rund 20 000 Arbeitsplätze betroffen. Wenn so etwas passiert, dann sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zunächst einmal bei uns. Sie stehen vor den Rathäusern, sie stehen vor den Staatskanzleien, und sie sagen: „Helft uns! Zuständigkeiten interessieren uns nicht. Ihr seid verantwortlich für die politischen Rahmenbedingungen! Nun schaut auch mal, daß die Rahmenbedingungen so gesetzt werden, daß wir unsere Arbeitsplätze behalten können!"
Deswegen ist es gut und richtig, daß sich auch die Ministerpräsidenten in dieser Frage miteinander unterhalten und versuchen, aus ihrer spezifischen Verantwortung heraus einen schnelleren oder größeren Konsens zu finden, der in der parteipolitischen Auseinandersetzung nicht so ohne weiteres oder nicht so schnell zu finden ist.
Die Ministerpräsidenten haben dazu bereits 1993 einen Beitrag geleistet, indem sie einmütig drei Dinge festgehalten haben:
Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber
Erstens. Wir sind uns einig, daß wir nicht Standortinteressen gegeneinander sozusagen ausreizen. Wir sehen die DASA als ein globales Unternehmen. Natürlich hat jeder seine spezifischen Interessen.
- Ja, als ein deutschlandweites Unternehmen, wenn ich es einmal so sagen darf.
Aber es ist doch entscheidend, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir uns nicht mehr auseinanderdividieren lassen. Wie war es noch vor vier oder fünf Jahren? Da ist uns Bayern noch vorgeworfen worden, wir hätten uns über den Tisch ziehen lassen, weil wir den Schwerpunkt der militärischen Produktion jetzt in Bayern hätten. Die Klugen säßen doch in Norddeutschland, weil sie die zivile Produktion hätten. Das ist lange diskutiert worden; aber Gott sei Dank gehört das - auch auf Grund der Diskussion unter den Ministerpräsidenten - der Vergangenheit an.
Wir wissen und sind uns einig, daß wir diese Dinge nur zusammen sehen können und müssen und daß natürlich die DASA ohne militärisches Standbein letzten Endes die strategische Bedeutung nicht erhalten kann.
Nun muß man doch fairerweise sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Ich kritisiere genauso wie Sie. Ich habe heute hier sehr viele Reden gehört, die ich fast schon als Bewerbungen für den DASA-Vorstand angesehen habe; denn da sind ja wunderbare Vorstellungen entwickelt worden.
Halten wir uns doch einmal vor Augen: 1990, also noch vor knapp fünf Jahren, betrug der Anteil der DASA an der militärischen Produktion über 60 %.
- Ich stelle das nur einmal fest. Ich will die Debatte nicht bis zu Adam zurückführen.
Aber fünf Jahre später beträgt der Anteil der militärischen Produktion bei der DASA noch ganze 26 %. Möglicherweise geht er noch weiter zurück.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen uns nun klar fragen: Wenn wir die notwendigen Beschaffungsentscheidungen politisch zu hart gegensätzlich diskutieren und wenn wir nicht zu einer Entscheidung kommen - über die Beschaffungsentscheidungen zu Jager 90 und Eurofighter ist in Spanien, ist in Italien und ist in England bei weitem nicht eine solche Diskussion wie bei uns in Deutschland geführt worden -, führt das auch zu gewissen Unsicherheiten insgesamt. Das ist überhaupt nicht zu bestreiten.
Für mich ist die entscheidende Frage: Wie können wir - wenn ich das so sagen darf - die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Unternehmens DASA, das hoffentlich morgen oder übermorgen mit in ein europäisches Unternehmen integriert wird - auch dies ist keine Frage -, gegenüber Boeing erhalten?
Da muß ich deutlich sagen: Sie haben zu 65 % Staatsaufträge, bekommen natürlich enorme verdeckte Subventionen - das ist überhaupt keine Frage.
- Natürlich, ich muß doch von den Realitäten ausgehen.