Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es zunächst einmal für wichtig, daß eine Bruchlandung der deutschen Luft- und Raumfahrt vermieden wird. Wir müssen auf diesem Sektor in der technologischen Tradition bleiben, in der wir uns befinden. Wir müssen Kompetenz in diesem High-Tech-Bereich bewahren. Was hier Facharbeiter, Ingenieure und Wissenschaftler in vielen Bereichen erforschen, wirkt auch in andere Bereiche unserer
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Wirtschaft hinein. Denken Sie an ABS, den Airbag, an medizinische Geräte sowie an neue Forschungs- und Entwicklungslinien, auch Produktionslinien in der Energietechnik und in der Sensorik sowie an die vielen anderen Bereiche.
Erstens. Die Luft- und Raumfahrtindustrie ist eine Schlüsseltechnologie, genauso wie die Biotechnik und die Gentechnik. Sie ist eine Zukunftsindustrie. Einen Fadenriß in dieser Zukunftstechnologie können wir uns im Interesse des Standortes Deutschland nicht leisten.
Das war auch der Grund dafür, daß wir in diese Industrie erhebliche Forschungsmittel investiert haben, zweistellige Milliardensummen. Diese Linie haben wir trotz schwieriger Gesamtsituation des Haushalts im Jahre 1995 fortgesetzt. Unser Luftfahrtforschungsprogramm für die Jahre 1995 bis 1998 hat ein Volumen von 600 Millionen DM. Wir haben versucht, die betroffenen Länder ins Boot und damit in dieses Programm zu holen. Außer Bayern - das muß zugegeben werden - haben sich alle anderen Länder in vornehmer Zurückhaltung geübt.
Nun wünscht die Industrie eine Weiterführung dieser Förderung. Darüber müssen wir reden. Ich sage ausdrücklich: Darüber können wir auch reden. Ich werde dieses Thema sowohl mit dem Kollegen Rüttgers, der dazu hier heute noch sprechen wird, als auch mit der EG-Kommission erörtern.
- Wir reden immer mit der Luft- und Raumfahrtindustrie.
Wir veranstalten keine Show, sondern reden mit den Leuten Tacheles und gerade über Forschung und Entwicklung sehr konstruktiv. Erkundigen Sie sich, meine Damen und Herren!
Zweitens. Wir wollen, daß die Luft- und Raumfahrtindustrie nicht kaputtgeredet wird. Wir haben sehr erfolgreiche, sehr kompetente Unternehmen in Deutschland und Europa, die sich aus eigener Kraft am Weltmarkt behaupten müssen. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Krise, über die hier debattiert wird, in erster Linie eine DASA-Krise ist. Es sind die Unternehmen, die Verantwortung für die Wettbewerbsfähigkeit, für Gewinne und Verluste tragen. Ich habe es wiederholt öffentlich und nichtöffentlich gesagt: Aus dieser Verantwortung können und werden wir die DASA nicht entlassen. Das weiß die DASA auch.
Die Unternehmen müssen ihre Kostenprobleme in den Griff bekommen. Wir können nicht dafür sorgen, daß sie mit dem Dollar klarkommen. Es sind unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Diese Hausaufgaben liegen bei der DASA und nirgendwo anders.
Wir haben schließlich im Jahre 1989 der Fusion von Daimler und MBB zugestimmt, damit die Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland endlich privatwirtschaftlich-unternehmerisch geführt wird.
Meine Damen und Herren, über den Erwerb von Dornier und Fokker wird viel gesprochen, und es wird vieles kritisiert. Ich bin auch nicht ganz sicher, ob die Verträge, die Daimler-Benz mit Fokker und Dornier geschlossen hat, wirklich im Interesse der Unternehmen und dieser Industrie und optimal waren. Vielleicht sind sie weit davon entfernt. Der guten Ordnung und der Fairneß halber muß aber eines gesagt werden: Wir wollten mit dieser Fusion u. a. - Graf Lambsdorff ist darauf schon eingegangen -, daß in Deutschland ein gleichwertiger und gleichgewichtiger Partner in der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie entsteht, einer, der mitspielen kann, wenn es um Entscheidungen, auch um Produktionsentscheidungen, auch um Arbeitsplätze in Deutschland geht.
Ich mache einmal ein Fragezeichen, ob wir, wenn wir eine auch in der Spitze in kleine Unternehmen zersplitterte Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland hätten - als Zulieferer haben wir sie -, im Wettbewerb mitspielen könnten. Vielleicht würde sich eine solche Debatte dann erübrigen, weil wir gar keine leistungsfähige Luft- und Raumfahrtindustrie mehr hätten.
Auch das muß man berücksichtigen.
Wir haben die Zustimmung zur Fusion damals aber nicht gegeben, um bei den ersten Turbulenzen doch wieder an Bord gezerrt zu werden. Dies findet nicht statt. Noch einmal: Die Unternehmen und - Sie gestatten das - auch die Ministerpräsidenten der Länder müssen einsehen, daß wir diese Industrie nicht ständig mit Subventionen in der Luft betanken können.
Drittens. Die Bundesregierung wird sich weiter für schnelle, klare und verläßliche Entscheidungen in allen Beschaffungsfragen einsetzen, auch bei den militärischen Aufträgen.
In der Vergangenheit war es auch nicht die Regierungsmehrheit, Frau Fuchs, sondern die Opposition und ihre Ministerpräsidenten in den Ländern, die mit ihrem Zickzackkurs in diesen Fragen für Verwirrung und Verunsicherung gesorgt haben.
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Ihre Partei war das. Wenn sich die Führung der Opposition heute hinstellt und keinen Entscheidungsbedarf sieht, wie Herr Scharping, der nicht mehr da ist,
dann beweist das nur, wie weit Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, wenn es um klare Politik für die Arbeitsplätze in Deutschland geht. Meine Damen und Herren, spielen Sie sich nicht auf, sondern treffen Sie Entscheidungen, die im Interesse der Arbeitsplätze liegen.
Wer blumenreich versichert, daß er sich für die Beschäftigung in dieser Branche einsetzt, der muß nach Abwägung - auch wir sind mit diesem Diskussionsprozeß noch nicht am Ende - zu schnellen und klaren Beschaffungsentscheidungen ja sagen und sich hier nicht aufspielen.
In Hamburg und in Hannover hat man diesen Zusammenhang eigentlich besser erkannt als bei Ihnen.
Viertens. Die Beschaffungsaufträge sichern Technologie und Beschäftigung am Standort Deutschland vor allem auch in den vielen Ausrüstungs- und Zulieferbetrieben. Es sind vor allem die kleinen und innovativen, die mittelständischen Betriebe, die sich um ihre Existenz und die Existenz der Arbeitsplätze Sorgen machen. Wenn ich das, was die Opposition, insbesondere Frau Probst von den Grünen, zu Technologie und Raumfahrt von sich gegeben hat, Revue passieren lasse, so sind diese Sorgen nur zu berechtigt.
Wir haben - Graf Lambsdorff hat das schon gesagt - vorige Woche eine Diskussion über den Mittelstand gehabt und ein Loblied auf den Mittelstand gesungen.
Heute müssen Sie den Beweis antreten, daß Sie dies nicht nur aus tagespolitischer Opportunität heraus tun.
Fünftens. Die Zukunft der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie erfordert tragfähige und leistungsfähige Kooperationen und Kooperationsstrukturen in Europa. Das wird zu manchen Veränderungen führen. Die Unternehmen müssen ihre Bemühungen um eine möglichst enge europäische Zusammenarbeit fortsetzen und tragfähige Konzepte entwickeln, beispielsweise im Regionalflugzeugbau. Da stehen Entscheidungen von großer Tragweite auch für die DASA an.
- Die Bundesregierung kauft Flugzeuge, so wie sie das unter fiskalischen, technischen und Arbeitsplatzaspekten für richtig hält. Wir müssen abwägen. Wenn wir das nicht täten, dann würden wir von Ihnen zu Recht vorgeführt.
Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, daß auf europäischer Ebene entsprechende Entscheidungen getroffen werden, und zwar bald. Ich sage noch einmal: Es wird sich manches ändern, und manches wird sehr zu denken Anlaß geben, wenn wir gerade im Zivilflugzeugbau einen großen wirklich europäischen Konzern haben, bei dem ich nicht sicher bin, daß er aus Deutschland heraus geführt wird. Dennoch müssen wir diesen Weg gehen.
Ich hoffe, daß es gelingt, über den europäischen Beitrag in der Zivilluftfahrt, bei der Raumstation und auch bei den Ariane-Programmen noch im Oktober Einigkeit herbeizuführen.
- Dieses Jahres.
Die Bundesregierung wird die legitimen Wirtschaftsinteressen der deutschen Unternehmen auf den Märkten weltweit vertreten. Der DASA-Vorstand bemüht sich, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu sichern. Dafür ist eine schonungslose Analyse der Engpässe und auch der Kostensenkungspotentiale unverzichtbar. Ebenso müssen die Kooperationsformen untersucht werden. Anfang Oktober dieses Jahres soll die Analyse abgeschlossen sein.
Der DASA-Vorstand vermittelt immer wieder, daß die Plane im Zusammenhang mit Dolores nie in der Unternehmensspitze besprochen, diskutiert oder beschlossen seien. Aber es bleibt dabei, daß die Pläne in dieser Phase in die Öffentlichkeit gelangen und daß sie in weiten Bereichen, insbesondere bei den Arbeitnehmern, für Unruhe sorgen. Das ist ein unverantwortlicher Vorgang. Wer auch immer ihn zu verantworten hat: Dies kann so nicht hingenommen werden, gerade im Interesse der Ruhe in den Unternehmen und im Interesse der Arbeitnehmer selbst.
Ich möchte mich heute an Spekulationen über unveröffentlichte Sanierungskonzepte nicht beteiligen. Ich kann nur den Rat geben, daß sich die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer im Betrieb zusammensetzen und ein vernünftiges Konzept erarbeiten.
Parallel zu den Bemühungen der DASA arbeitet Herr Lammert, der Koordinator für die deutsche Luft- und Raumfahrt in meinem Haus, an einem um-
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
fangreichen Bericht über die politischen Handlungsfelder, die es gibt und auf die ich in der zur Verfügung stehenden Zeit natürlich nur kurz eingehen konnte.
Die Arbeitsplätze in der Luft- und Raumfahrtindustrie werden auch in Zukunft weitgehend von staatlichen Aufträgen abhängen, insbesondere im militärischen Bereich, nur zu kleinen Teilen im zivilen Bereich. Ich füge hinzu: Um den zivilen Bereich mache ich mir mittel- und langfristig keine übergroßen Sorgen. Wenn es der DASA gelingt, die Kostenstrukturen zu verbessern und wenn wir den Prognosen über den Zuwachs in der Weltluftfahrt vertrauen, die alle realistisch sind und die in der Vergangenheit immer übertroffen wurden, dann muß in absehbarer Zeit mit Sicherheit, mit Zwangsläufigkeit ein großer Nachfrageschub auf die Unternehmen zukommen. Das wird vieles erleichtern. Wir müssen die Krise, die Obergangszeit, durch Schulaufgaben, die die DASA zu machen hat, aber auch durch Klarheit bei uns, einschließlich bei der Beschaffungsproblematik, meistern.
Ich stehe wie in der Vergangenheit - das gilt auch für Herrn Lammert - für flankierende politische Gespräche mit allen Betroffenen zur Verfügung. Für den 13. Oktober 1995 habe ich zu einer weiteren Gesprächsrunde mit der Wirtschaft und den Ministerpräsidenten nach Bonn eingeladen. Die Entscheidungen über die innere Struktur und die Standorte der DASA in Deutschland bleiben in der Verantwortung der DASA, in der Verantwortung der Unternehmensleitung. Wenn Sie so wollen, sind die Gesprächspartner in diesem Feld primär die Ministerpräsidenten.
In diesem Sinne hoffe ich, daß das parteiübergreifende Bekenntnis zu einer leistungs- und wettbewerbsfähigen Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland in privatwirtschaftlicher Verantwortung weiter Bestand hat und daß diese Zukunftsindustrie, dieser High-Tech-Bereich, für unser Land erhalten bleibt.
Schönen Dank.