Rede von
Simone
Probst
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Für wirklich tragfähige politische Konzepte ist die Krise bei der DASA eine der größten Herausforderungen.
Der drohende Wegfall von 15 000 Arbeitsplätzen ist alarmierend. Allerdings ist die Strategie der Konzernführung und auch die der Bundesregierung alles andere als überzeugend. Auch die Debatte, die heute und in den letzten Tagen geführt wurde, geht an den Kernpunkten vorbei.
Was soll die Diskussion um Eurofighter, ja oder nein? Ich frage Sie wirklich: Was soll das?
Sicherheitspolitische Entscheidungen müssen als sicherheitspolitische Entscheidungen und nicht als Beschäftigungsprogramme mit unklarer Wirkung getroffen werden.
Nutzen Sie doch nicht die bedrängte Situation der Beschäftigten, um umstrittene Entscheidungen jetzt hopplahopp salonfähig zu machen, vor allem, weil der militärische Sektor der DASA in den letzten Jahren von über der Hälfte auf nur noch gut ein Viertel gesunken ist!
Zwar ist uns auch dieser Anteil ein Dorn im Auge. Wir diskutieren aber nur ein Viertel der gesamten Palette. Das heißt auch, mit der Entscheidung für oder gegen den Eurofighter ist das Problem der DASA nicht gelöst und der Plan Dolores nicht vom Tisch.
Da frage ich mich einfach, was dieser Zirkus der Ministerpräsidenten verschiedenster Couleur in der letzten Woche sollte.
Es ist zwar richtig, daß Rüstungsaufträge vordergründig und kurzfristig Kapazitäten auffüllen können, aber es gehen doch von solchen Aufträgen keine Impulse für neue Produkte und Arbeitsplätze aus.
Vielmehr zeigen neben allen unseren prinzipiellen Bedenken alle Untersuchungen, daß die versprochenen Innovationseffekte der Militärproduktion für die zivile Fertigung längst nicht eingehalten werden können. Es hat sich im Gegenteil gezeigt, daß die Rüstungsindustrie eher eine Sackgasse für technologische Innovation und Kreativität im zivilen Bereich ist.
Nehmen Sie doch das Beispiel Dornier. Dornier hat sich im Bereich der Medizintechnik engagiert und einen Ultraschall-Nierensteinzertrümmerer ent-
Simone Probst
wickelt, sozusagen eines der vielbeschworenen Abfallprodukte. Allerdings konnte sich dieses sogenannte Abfallprodukt nicht gegen andere Anbieter auf dem Markt durchsetzen, weil dem Konzern Dornier die nötige Infrastruktur wie beispielsweise Marketing und Vertrieb fehlt. Hier ist eine große strukturelle Schwachstelle, die geschlossen werden muß, wenn Projekte zur Konversion Erfolg haben sollen.
Es müssen Strukturen geschaffen werden, die die Eigenständigkeit der zivilen Produktion sichern und damit Arbeitsplätze gerade in der Hochtechnologie zu erhalten helfen. Warum gibt es hier so wenige Aktivitäten? Warum liegt hier nur ein Stellenabbauprogramm und nur die Forderung nach neuen Subventionen auf dem Tisch?
Warum findet in einer gerade für die Beschäftigten so prekären Situation keine Marktanalyse statt, welche Produkte mit welchem Know-how hergestellt werden können?
Aus technischer Sicht könnte die DASA viel Nützliches produzieren: umweltfreundliche Antriebssysteme, Motoren für Blockheizkraftwerke, die eine sparsame und dezentrale Energieversorgung erlauben, wesentlich sparsamere Kraftfahrzeuge, Elektrofahrzeuge für den Stadtverkehr, umweltfreundliche Nutzfahrzeuge wie Busse und Lkw, weiterentwikkelte Windenergieanlagen, Solarzellen, Techniken zur Wiederverwertung von Werkstoffen, moderne Meerwasserentsalzungsanlagen, neuartige Batterien und andere Speicher zur Nutzung von Überschußenergien und zum Antrieb von Fahrzeugen, Systeme zur Umweltbeobachtung und zur Telekommunikation.
Dies alles wird nicht vorangetrieben. Vielmehr soll die Airbus AG nach den vorliegenden Plänen mit 7 500 abzubauenden Stellen am stärksten betroffen sein. Das ist nicht nur angesichts der bisher allein für den Airbus geflossenen Subventionen in Höhe von 6,5 Milliarden DM ein Skandal. Es kann doch nicht angehen, daß Unternehmen erst die Subvention kassieren und dann Entscheidungen dieser Tragweite ausschließlich aus konzernstrategischen Erwägungen heraus treffen.
Vielmehr hat die DASA gerade auf Grund der umfangreichen öffentlichen Mittel, die sie in den letzten Jahren erhalten hat, eine standort- und beschäftigungspolitische Verantwortung, vor allem, weil die Deutsche Airbus AG keinesfalls vom Pleitegeier bedroht ist, sondern ein profitables Unternehmen in einem wachsenden Markt ist. 1994 belief sich der Überschuß auf 260 Millionen DM. Ohne die Fehlkalkulation des Daimler-Managements bei der vom Größenwahn geprägten Einverleibung von Dornier und Fokker wäre die DASA vermutlich ein gut laufendes Unternehmen, und die Milliardenverluste müßten nicht von der Airbus wettgemacht werden.
Es kann doch nicht angehen, daß das Management die Verantwortung und die Belegschaft das Risiko trägt, während der Staat durch Subventionen für die Fehlentscheidungen des Managements einstehen muß.
Denn auch eine Veränderung des Dollarkurses fällt ja nicht plötzlich vom Himmel. Hintergrund der jetzt betriebenen Rationalisierungsplane bei der DASA ist das Ziel, die Kapitalrendite bis zum Jahr 1998 auf 12 % und den Gewinn auf 1,1 Milliarden DM zu steigern sowie das Eigenkapital bis zum Jahre 2000 auf 2,6 Milliarden DM zu verdoppeln, und das bei einem angenommenen Dollarkurs von 1,35 DM. Wir wissen, daß er heute bei ungefähr 1,45 DM steht und daß die DASA Währungssicherungsgeschäfte vorgenommen hat, die den Dollarkurs bis 1998 absichern.
Man muß gegenüber dem Konzernvorstand diese Ziele vehement bestreiten und sich nicht zu unvernünftigen Entscheidungen verleiten lassen.
Die Politik darf nicht durch einzelne Konzerne erpreßbar werden. Vielmehr müssen die politischen Rahmenbedingungen verläßlich gesetzt werden und staatliche Gelder an zukunftssichere Arbeitsplätze und Projekte gebunden werden.
Unter dieser Voraussetzung ist es einfach grotesk, auf die geplante Raumstation Alpha zu setzen - ein Projekt, das von großen Finanzierungslücken gekennzeichnet ist, ein Projekt, in der die Art und Weise und der Umfang der Kooperation mit Frankreich und Italien ungeklärt ist. Solch ein Projekt verkörpert doch keine Zukunft, sondern nur neue Abhängigkeiten und Unwägbarkeiten. Schaffen Sie die politischen Rahmenbedingungen, daß die zivile Produktion der DASA gestützt wird. Die Einführung einer Kerosinsteuer ist auch vor diesem Hintergrund längst überfällig.
Wir treten für eine drastische Reduzierung des Flugverkehrs ein; allerdings müssen die Rahmenbedingungen so sein, daß die modernsten und umweltschonendsten Techniken auf dem Markt auch wirklich Chancen haben, Fuß zu fassen.
Eine Kerosinsteuer wird die Nachfrage nach treibstoffsparenden Flugzeugen, wie es der Airbus ist, stark erhöhen. Die technischen Möglichkeiten, die wir haben, müssen doch für den ökologischen Umbau genutzt werden.
Simone Probst
Da frage ich mich, warum, als die DASA das letzte Solarzellenwerk geschlossen hat, das Management und die Belegschaft nicht an die Politik herangetreten sind, wo wir doch wissen, daß das ein Bereich ist, wo wirklich Zukunftschancen der Technologie liegen. Warum wurde da keine Unterstützung eingefordert? Hier müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden: mit einer Energiesteuer, mit einer kostendeckenden Vergütung, damit diese Bereiche nicht abwandern, sondern hier erhalten bleiben,
damit die Arbeitsplätze erhalten bleiben und damit die Rahmenbedingungen verläßlich sind und nicht von Entscheidungen von einer Woche auf die andere abhängig gemacht werden.
Wir unterstützen alle Bemühungen, das Wissen und die Arbeitsplätze im Bereich der Hochtechnologie zu erhalten. Das Wissen und das Know-how sind ein hohes Gut, das nicht unbedacht verspielt werden darf.
Wir teilen die Sorge der Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze. Aber gerade deshalb muß jede weitere Mark an die DASA an glasklare Bedingungen und Spielregeln geknüpft werden. Es ist doch ein Armutszeugnis, wenn wir unseren Gestaltungsspielraum aufgeben, vor allen Dingen auf Grund der Fehlentscheidungen einzelner Konzerne. Es geht hier um Steuergelder, und ich denke, dies ist mitnichten moderne Wirtschaftspolitik.
Vielen Dank.