Rede von
Thomas
Rachel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich denke, für beide Seiten, Staat und Industrie, müssen die bisherigen finanziellen Aufwendungen und die technischen Erfolge eine Verpflichtung sein. Der Staat, der mit Milliardenbeträgen geholfen und gefördert hat, kann von der betroffenen Industrie erwarten, daß der Gesichtspunkt des Erhalts hochwertiger Arbeitsplätze in Deutschland
ein entscheidendes Kriterium ist.
Klar ist auch, daß die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit in erster Linie Sache des Unternehmens ist. Das Unternehmen muß über die angemessene Standortstruktur entscheiden.
Für den politischen Bereich stellt sich die Frage der politischen Rahmenbedingungen und der konkreten Beschaffungsentscheidungen:
Erstens. Wir müssen darüber sprechen, wie wir der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie eine faire Chance im internationalen Wettbewerb geben können. So ist es ein Problem, daß die amerikanische Konkurrenz große militärische Aufträge kostenmindernd für die Zivilproduktion nutzen kann.
Zweitens. Die Zeit nationaler Alleingänge ist vorbei. Um uns auf dem Weltmarkt mit hartem Wettbewerb behaupten zu können, brauchen wir europäische Strukturen. Die Luft- und Raumfahrtindustrie ist entweder europäisch, oder sie ist irrelevant. Die Kooperationspartner, beispielsweise die Koreaner oder die Chinesen, fragen nicht nach einem deutschen oder nach einem französischen Partner, nein, sie wollen einen europäischen Kooperationspartner. Deshalb kann das Motto für uns nur heißen: gemeinsam entwickeln, gemeinsam produzieren, gemeinsam beschaffen, gemeinsam nutzen, gemeinsam exportieren.
Als Unionsfraktion unterstützen wir die Bundesregierung bei ihren Bemühungen, die Rahmenbedingungen bei der Förderung der Luftfahrt innerhalb der Europäischen Union zu verbessern. Das ist ein wichtiges Anliegen.
Drittens. Der Bund hat ein Luftfahrtforschungsprogramm für 1995 bis 1998 mit jeweils 600 Millionen DM von seiten des Bundes und der Industrie aufgelegt. Ich sage, weil darüber diskutiert wird, auch deutlich: Es gibt kein anderes deutsches Forschungsprogramm, das in seinem Volumen und in seinen Schwerpunkten so auf die Wünsche der Industrie abgestimmt ist wie gerade dieses Programm.
Natürlich kann man über die Fortsetzung des Programms nach 1998 nachdenken. Aber ich sage auch ganz klar: Jetzt ist es erst einmal an der Zeit, die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen, bevor der Ruf nach neuen Geldern des Bundes laut wird.
Bei der Verteidigung ihrer Luft- und Raumfahrtinteressen sind sich die Bundesländer einig, zumindest soweit es um die gemeinsame Inanspruchnahme der Bundeskasse geht.
Angesichts der Tatsache, daß der Bund hier schon eine ganze Menge erbracht hat, möchte ich die Bundesländer schon einladen, eigene finanzielle Beiträge zur Absicherung des Luftfahrtforschungsprogramms einzubringen. Dabei darf es keinen Standortegoismus der Bundesländer zu Lasten des Ganzen geben.
Viertens. Der Staat ist ein wichtiger Abnehmer im Bereich Luft- und Raumfahrt. Insofern hat die Industrie und haben die Menschen, die dort beschäftigt sind, einen Anspruch auf langfristige Planungssicherheit und Berechenbarkeit. Wir müssen Klarheit bei den Beschaffungen haben.
Ich nenne das europäische Jagdflugzeug Eurofighter 2000, für dessen Entwicklung durch Techniker und Ingenieure unserer Luftfahrtindustrie schon 5,6 Milliarden DM investiert wurden. Ich nenne Future Large Aircraft, ich nenne den Hubschrauber Tiger und den NATO-Hubschrauber 90. Darüber muß das Parlament entscheiden. Luftfahrtpolitik bedarf keiner abstrakten Entscheidung, sondern einer sehr konkreten.
Wenn man aus verteidigungspolitischen Gründen zu dem Ergebnis kommt, daß wir ein neues Jagdflugzeug brauchen, dann sollten wir es kaufen, und zwar nicht im Ausland.
Aber was bietet uns die SPD? Schröder ist dafür, Matthäus dagegen und Scharping unentschieden. Die SPD ist auch in dieser Frage nicht handlungsfähig.
Thomas Rachel
Ich bin der Meinung, die Beschäftigten in der Industrie und auch die Bundeswehrpiloten haben einen Anspruch darauf, klaren Wein eingeschenkt zu bekommen. Mit diesem müden Gebräu der SPD kann man keine Zukunft gestalten.
Meine Damen und Herren, die Forschungsminister werden im Oktober in Toulouse darüber entscheiden, ob wir als Europäer uns an der Internationalen Raumstation Alpha beteiligen. Statt getrennte nationale Wege zu gehen, wollen Amerikaner, Japaner, Kanadier und Europäer erstmalig gemeinsam eine Raumstation bauen, sie im Weltall stationieren und mit Astronauten Forschung betreiben. Das ist ein faszinierendes Projekt. Rund tausend Arbeitsplätze könnten damit im Bereich der deutschen Raumfahrt gesichert werden.
Was sagen die Grünen? Sie lehnen die deutsche Beteiligung an Alpha und auch die bemannte Raumfahrt ab.
Bei den Haushaltsberatungen haben sie die Streichung der Mittel beantragt. Ich kann nur sagen: Das ist konkrete Zukunftsverweigerung.
Die in der Raumfahrt führenden Nationen der Welt werden in ungeahnter Kooperation einige hundert Kilometer von der Erdkugel entfernt über nationale, politische und sprachliche Grenzen hinweg zusammenarbeiten. Sollte Deutschland da abseits stehen? Ich meine: Nein. Das ist ein einzigartiges Vorhaben, das wissenschaftliche und wirtschaftliche Nutzung sowie außenpolitischen Nutzen miteinander verbindet. Meiner Meinung nach sollten wir mitmachen.
Die Raumfahrt hat eine tiefergehende Bedeutung, als es auf den ersten Blick vielleicht ersichtlich ist. Das Bild von der Erdkugel ist wahrscheinlich das wertvollste Apollo-Vermächtnis, das es gibt. Die Aufnahmen von der Erde aus dem Weltall haben die Vorstellungen unserer Welt zutiefst verändert. Die Einmaligkeit und die Verwundbarkeit unseres Erdballs sind deutlich geworden.
Raumfahrt leistet wichtige Beiträge zur Lösung von Zukunftsaufgaben. Das Abschmelzen der polaren Eiskappen und das Ansteigen der Ozeane als Folge des Treibhauseffektes werden mittels Radarsensoren aufgezeichnet. Satelliten messen Meeresströmungen, Wellenhöhen und auch Windgeschwindigkeiten. Satelliten haben durch die kontinuierliche Beobachtung des Ozonlochs dazu beigetragen, einen entscheidenden Bewußtseinswandel in der Öffentlichkeit zu bewirken.
Gleichzeitig gibt es auch eine wirtschaftliche Bedeutung. Die ARIANE-Rakete hat am zivilen Raketen- und Satellitenmarkt einen Anteil von 60 %. Der ROSAT Satellit, 1990 gestartet, hat im Universum 120 000 neue Röntgenquellen entdeckt. D1- und D2-Missionen waren erfolgreich. In diesem Moment ist
ein deutscher ESA-Astronaut, Thomas Reiter, zusammen mit russischen Kosmonauten in der Raumstation MIR und betreibt gemeinsam mit ihnen Schwerelosigkeitsforschung. Ich finde, das ist eine hervorragende Leistung.
Wenn man sich vor Augen führt, daß der Bundesforschungsminister allein in diesem Jahr 1,6 Milliarden DM für Weltraumforschung und -technik zur Verfügung stellt, bleibt mir eigentlich nur noch ein Spruch übrig, den ich aus der Fernsehreklame kenne, der Spruch eines bekannten Autoherstellers in Deutschland: „Die tun was!"
Die Raumfahrtindustrie muß ihr Geld verstärkt auch auf den Märkten gewinnen und darf nicht nur auf Aufträge des Staates hoffen. In den nächsten Jahren wird es neue Nutzungsfelder geben: Satellitennavigation, neue Formen der Telekommunikation, Erderkundung zum Nutzen der Landwirtschaft, Katastrophenschutz. Wir haben heute nur einen Anteil von 2 % am Weltmarktvolumen von 43 Milliarden DM. Es wird ein jährliches Wachstum von 16 % auf 186 Milliarden DM erwartet. Diese Märkte wollen erorbert werden, und zwar zum Wohle deutscher Arbeitsplätze.
Lassen Sie mich einen abschließenden Gedanken formulieren: Raumfahrt ist jenseits aller Nutzanwendung und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung auch eine forschungspolitische Aufgabe, die das Selbstverständnis der Wissenschaft im tiefsten berührt. In neue, unbekannte Räume und Welten vorzudringen, physisch und psychisch, ist seit jeher ein Streben der Menschen gewesen. Raumfahrt kann zu tieferem Verständnis der Materie und auch der Geschichte unserer Welt beitragen.
Was für uns vor Jahren noch Zukunft war, ist heute Gegenwart. Wir müssen jetzt gemeinsam die Gegenwart von morgen erfinden.
Herzlichen Dank.