Rede von
Norbert
Geis
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden zur Vergewaltigung in der Ehe, Frau Kollegin DäublerGmelin, einen Gesetzentwurf vorlegen. Er wird im Augenblick noch abgestimmt. Die Beratungen der Verhandlungsführer innerhalb der Fraktionen der Koalition sind abgeschlossen. Ich denke, daß wir in Kürze auch im Ausschuß darüber beraten können.
Ich glaube auch, daß es richtig ist, daß wir uns in einer solchen Stunde, bei einer solchen Debatte, mit der Kritik beschäftigen sollten, die in den letzten Wochen und Monaten am Bundesverfassungsgericht geübt worden ist, wobei es nicht nur um das Kreuz-Urteil vom 10. August dieses Jahres geht, wenngleich dieses Urteil eine große Empörung hervorgerufen hat. Der Kirchenpräsident von Hessen-Nassau nannte dieses Urteil in Teilen seiner Begründung skandalös. Ich glaube aber nicht, daß wir die Kritik und die Kritik an der Kritik auf dieses Urteil beschränken dürfen. Das würde den Blickwinkel verkürzen. Vielmehr müssen wir einfach wahrnehmen, daß aus der Mitte des Verfassungsgerichtes selbst und vor allen Dingen auch von den Lehrstühlen kritische Anmerkungen kommen. Wir kennen sie alle. Ich glaube, daß man diesen Anmerkungen nachgehen muß.
Wir müssen - das ist Aufgabe der Rechtspolitik - uns mit dieser Frage befassen, gerade weil uns genauso wie Ihnen die Kontrollfunktion des Bundesverfassungsgerichtes im Rahmen unseres politischen Systems ungemein wichtig erscheint und weil das Verfassungsgericht diese Kontrollfunktion in den vergangenen 40 Jahren in einer hervorragenden Weise ausgeübt hat und zu Entscheidungen gekommen ist, die hohes Ansehen genießen und große Zustimmung nicht nur bei der Bevölkerung in unserem Land, sondern auch im Ausland gefunden haben. Das Bundesverfassungsgericht und die Richter haben ein hohes Ansehen. Viele der Ostblockländer, die frei geworden sind, suchen den Kontakt zu uns, weil sie eine solche Institution wie das Bundesverfassungsgericht haben wollen. Es muß im Rahmen dieser Kritik erlaubt sein - es ist auch richtig -, daß wir vielleicht mit dafür Sorge tragen, daß das Bundesverfassungsgericht den Rahmen, den es in der Verfassung und im Bundesverfassungsgerichtsgesetz gesteckt bekommen hat, nicht allmählich überschreitet und also nicht zum Gesetzgeber wird, wie das ja nicht nur von politischer Seite gerügt wird, sondern aus den Reihen des Bundesverfassungsgerichtes selber angemerkt worden ist. Es ist die Befürchtung geäußert worden, es könnte allmählich zu einer „Veränderung unserer Verfassungsstruktur" kommen. Ein Richter am Bundesverfassungsgericht hat dies so geäußert.
Wir müssen in dieser Diskussion mit dafür Sorge tragen, daß diese Kontrollfunktion erhalten bleibt, daß Gesetzgebung und Rechtsprechung getrennt bleiben und daß das Bundesverfassungsgericht eine ganz herausgehobene Stellung hat und nicht zu einer Superrevisionsinstanz der Fachgerichte wird. Ich meine, wir sollten diese Diskussion in aller Ruhe aufnehmen.
: Davon war nicht viel zu spüren in
der letzten Zeit!)
- Sie sollten meine Äußerungen einmal nachlesen. Dann hätten Sie das, was Sie jetzt gesagt haben, vielleicht nicht geäußert. Man muß nicht alles glauben, was in den Zeitungen steht.
Sie, Frau Justizministerin, haben einen weiteren wichtigen Punkt angesprochen, das Kindschaftsrecht. Es ist wahr, Frau Däubler-Gmelin, wir müssen mit diesem Gesetzgebungsvorhaben so schnell wie möglich klarkommen. Es ist eine längst fällige Reform; das sehen wir genauso. Aber ich gebe zu: Wir tun uns da ein wenig schwerer, weil uns die Erhaltung der Familie - auch wenn das bei Ihnen sicher auch der Fall ist - in ganz besonderer Weise am Herzen liegt.
Es geht natürlich nicht nur in den rechtlichen Rahmen für die Familie, sondern es geht dabei auch um die finanzielle Unterstützung. Ich weise aber darauf hin, daß in diesem Bundeshaushalt 7 Milliarden DM mehr für die Familien ausgegeben werden, während der Haushalt gleichzeitig um 7 Milliarden DM gekürzt wird. Das darf man bei einer solchen Debatte ja einmal anmerken.
Bei dem Kindschaftsrecht geht es um die Frage, wie wir die Dinge regeln, die nach einer Scheidung in bezug auf die Kinder entstehen. Zu den Vorstellungen des Bundesjustizministeriums gibt es inzwischen Gegenvorschläge. Ich meine, man muß diejenigen, die jetzt kritisieren, auch darauf hinweisen, daß es zunächst einmal nicht um die Frau geht - die sich natürlich unter Umständen schwertut, in einem Scheidungsverfahren einen entsprechenden Antrag zu stellen, um dann als Störenfried zu erscheinen -, sondern daß es zunächst um die Kinder geht. Ich meine, der Ansatz, den das Justizministerium, den Sie, Frau Ministerin, gefunden haben, ist nicht so falsch. Ich möchte aber einräumen: Man muß dieser Frage im einzelnen nachgehen. Wir wollen die Kritik
nicht beiseiteschieben, sondern wir wollen uns mit ihr auseinandersetzen.
Es geht auch um das gemeinsame Sorgerecht nichtverheirateter Eltern, die zusammenleben. Auch wir meinen, die elterliche Sorge kann auf einen übereinstimmenden Antrag hin gemeinsam erteilt werden.
Und es geht um das Umgangsrecht des nichtehelichen Vaters mit dem Kind. Hier kommt es uns darauf an, daß nicht in eine bestehende gute Familienbeziehung, in die das Kind vielleicht inzwischen eingebettet ist, von außen her - durch ein Umgangsrecht, das
Norbert Geis
nur mit Gewalt durchgesetzt wird - eingegriffen wird. Wir müssen versuchen, auch hier eine Lösung zu finden, die vor allen Dingen im Interesse des Kindes liegt.
Es geht um das Erbrecht des nichtehelichen Kindes. Die Frage hier ist, ob die neuen Überlegungen den Betroffenen wirklich Vorteile bringen. Wir wollen dies in aller Ruhe miteinander besprechen und erwägen.
Es geht um die Amtsvormundschaft, die ja auch Teil dieses Gesetzgebungsvorhabens ist. Wir sind der Meinung, man sollte den Betroffenen erst einmal einen Zeitraum zur Verfügung stellen - das kann ein Jahr, das können zwei Jahre sein -, in denen sie ihre Dinge selbst regeln können. Aber wenn dann der Vater nicht feststeht, dann, so meinen wir, soll der Staat im Interesse des Kindes von Amts wegen und auf Grund der verfassungsgerichtlichen Entscheidung einschreiten. Aber auch in diesem Punkt wollen wir miteinander reden.
Ein Wort noch zu einem anderen Thema - weil diese Diskussion nicht im Rahmen dieses Kindschaftsrechtes aufgekommen ist -: Wir wenden uns gegen jede Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften mit der Ehe. Das hat nichts miteinander zu tun, das ist etwas ganz anderes und gehört auch nicht in diese Debatte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns natürlich auch mit dem Vermögensgesetz, mit dem, was jetzt vom Bundesrat auf uns zukommt, zu beschäftigen; mein Kollege Kolbe wird dies noch ausführlicher betrachten. Wir waren Ende August in Dresden und haben eine Anhörung zum SED-Unrechtsbereinigungsgesetz durchgeführt. Wir haben uns die Kritik zu diesem Gesetz angehört. Ich bin mit Ihnen, Frau Ministerin, der Meinung: Wir sollten zumindest - und das ganz schnell, weil es am Ende des Jahres ausläuft - die Antragsfristen - vielleicht für beide, für das Erste und das Zweite SED-Unrechtsbereinigungsgesetz; sicherlich trifft das auch auf Zustimmung in den Reihen der SPD - verlängern.
Ich möchte noch etwas zur inneren Sicherheit sagen. Sie hat in der heutigen Debatte schon eine ausgiebige Rolle gespielt, auch jetzt in der Justizdebatte.
Wir streben die Verlängerung der Kronzeugenregelung an und fragen uns natürlich, ob es nicht allmählich angezeigt ist, diese Kronzeugenregelung so wie in Italien und anderen Ländern auf Dauer einzurichten. Auf jeden Fall bitten wir darum, vielleicht einen längeren Zeitraum einzuräumen. Bei terroristischen Straftaten haben wir schon jetzt eine vier Jahre lang geltende Kronzeugenregelung. Wir bitten um Verständnis dafür, daß wir fordern, vielleicht einmal einen längeren Zeitraum ins Auge zu fassen.
Wir halten natürlich an der Abhörung von Gangsterwohnungen fest, weil wir meinen, daß dies ein wichtiger Punkt in der Kriminalitätsbekämpfung ist.
Unsere Hauptstoßrichtung gilt natürlich der Bestechung und der Korruption. Dabei geht es um die Frage, ob wir nicht auch Tatbestände anders formulieren sollten, zumindest was den Strafrahmen angeht. Vielleicht sollten wir dazu übergehen - wenigstens einmal darüber nachdenken -, eine schwere Korruption im Beamtenbereich als Verbrechenstatbestand zu qualifizieren. Das würde nach dem Disziplinarrecht automatisch dazu führen, weil es eine mindestens einjährige Freiheitsstrafe gibt, daß der Täter seine Stellung als Beamter verlieren würde.
Ich sehe den Hinweis, zum Schlußsatz zu kommen. - Wir werden an der Justizentlastung nicht vorbeikommen. Wir sind im Gespräch mit den Ländern. Ich sehe aber das skeptische Gesicht von Herrn Kleinert, und ich weiß, wie schwierig sie ist. Wir werden aber darüber diskutieren müssen.
Frau Kollegin, wir werden die Kleinkriminalität nicht dadurch beseitigen, daß wir sie einfach aus dem Strafgesetzbuch streichen. Wir dürfen sie auch nicht zu Lasten des Arguments beseitigen, wir wollten die Justiz entlasten; denn die Justiz ist für die Sicherung des Rechtsstaates da. Ich kann einen rechtswidrigen Zustand zu Lasten des Rechtsstaates nicht mit dem Argument beseitigen wollen, daß ich die Justiz durch die Entlastung unterstützen würde.