Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzte Legislaturperiode stand rechtspolitisch im Zeichen der Bewältigung des Zusammenbruchs eines Systems, das Millionen Menschen unterdrückt, bevormundet und bespitzelt hat. Einen Großteil der Zeit haben die Arbeiten an den Gesetzen zu den Vermögens- und Eigentumsfragen und zur Rehabilitierung der Opfer des SED-Regimes, also am Sachenrechtsänderungsgesetz und dem Schuldrechtsanpassungsgesetz sowie am Ersten und Zweiten SED-UnrechtsBereinigungsgesetz eingenommen.
Heute können wir sagen: Die auf angemessenen Interessenausgleich ausgerichtete Politik der Bundesregierung bewährt sich. Das Sachenrechtsände-
Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
rungsgesetz und das Schuldrechtsanpassungsgesetz gehen den richtigen Weg beim Ausgleich der sehr entgegengesetzten Anliegen der Eigentümer und Nutzer von Wohnungen und Erholungsgrundstükken. Das zeigt auch die Erledigungsquote von inzwischen doch durchschnittlich 50 % der vorliegenden Anträge auf Rückgabe oder auf Investitionen.
Aber um auch künftig Investitionen so wenig Hindernisse wie nur möglich in den Weg zu legen und sie vorrangig bearbeiten zu können, ist auf meinen Vorschlag vom Kabinett die Geltungsdauer des Investitionsvorranggesetzes bis Ende 1998 durch Rechtsverordnung beschlossen worden.
Umfassende Änderungen des Vermögensgesetzes halte ich dagegen nicht für erforderlich; denn meistens verfolgen sie dann doch den Zweck, einmal getroffene Grundentscheidungen wieder umzukehren.
Wir müssen uns aber genauso überlegen, ob die Ende dieses Jahres auslaufende Antragsfrist bei der Rehabilitierung von SED-Opfern nicht verlängert werden sollte.
Ich bin offen, mich über diese Frage hier gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen und der Opposition zu unterhalten. Es kann letztendlich nicht jemand bestraft werden, nur weil er bisher vielleicht noch nicht die nötigen Informationen hatte, um nach diesen Gesetzen einen entsprechenden Antrag zur Rehabilitierung zu stellen.
Die Anpassung des geltenden Rechtes an die soziale Wirklichkeit zum Wohl des Kindes steht im Mittelpunkt der Arbeiten des Bundesjustizministeriums in dieser Legislaturperiode. Haben wir in der letzten Wahlperiode die notwendigen intensiven Vorarbeiten durch die Hinzuziehung von Praktikern aus den verschiedensten Bereichen geleistet, konnte ich in diesem Jahr vor der Sommerpause den Referentenentwurf an die Länder und an die Interessenverbände verschicken. Diese nehmen jetzt Stellung, so daß ich es als realistisch einschätze, zum Ende dieses Jahres einen Regierungsentwurf vorlegen zu können, für dessen Beratung das Parlament dann ausreichend Zeit hat.
Wir werden diese Zeit auch benötigen; denn es geht um sehr wichtige, sensible gesellschaftliche Fragen. Stichworte: Sorgerecht bei Scheidung, gemeinsames Sorgerecht, orientiert am Kindeswohl. Es ist wichtig und notwendig, hier Änderungen mit dem Ziel zu schaffen, daß mehr als bisher die Partner bereit sind, bei Scheidung auch gemeinsam die Verantwortung für ihre Kinder zu übernehmen.
Ein Blick in andere Länder zeigt, daß dort sehr gute Erfahrungen gemacht worden sind und daß das gemeinsame Sorgerecht in über 50 % der Fälle sehr wohl dem Kind zugute kommt und nicht zu den Streitigkeiten unter den dann geschiedenen Partnern führt, die hier jetzt vielleicht befürchtet werden. Ich bin offen, mich hier auch mit den Bedenken sehr intensiv auseinanderzusetzen, die gegen diese Vorschläge erhoben werden. Seien Sie nur von einem überzeugt: Hier wird den Eltern nichts zwangsweise vorgeschrieben oder verordnet; denn das diente letztlich nicht dem Wohl der Kinder. Aber es ist ein Angebot, im Interesse der Kinder zu besseren Regelungen zu kommen.
Um auch im Bereich der nichtehelichen Kinder Benachteiligung zu beseitigen - das ist ja das Hauptziel der Reform -, werden wir das gemeinsame Sorgerecht für nicht verheiratete Partner schaffen. Das ist eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts. Aber natürlich ist es auch in der Sache berechtigt, wenn beide Partner es wollen. Was kann besser für die Kinder sein, als wenn die Partner das Sorgerecht gemeinsam beantragen? Auch das entspricht sehr liberalen und zugleich verantwortungsbewußten Vorstellungen gegenüber den Kindern.
Wir werden das Umgangsrecht erweitern. Gerade unverheiratete Väter müssen hier eine bessere Stellung bekommen. Das sind Benachteiligungen, die wir im Interesse der Kinder und auch der Väter nicht länger hinnehmen sollten.
Die gesetzliche Amtspflegschaft wird aufgehoben - der Entwurf ist ja schon in den Beratungen -, und wir werden uns auch wieder mit der Beseitigung der erbrechtlichen Benachteiligungen von nichtehelichen gegenüber ehelichen Kindern beschäftigen. Ich hoffe, daß wir einen Grundkonsens finden werden, um auch dieses Vorhaben in dieser Legislaturperiode verabschieden zu können.
Ein weiteres Thema - nur wenige Worte dazu - ist ja immer die Belastung der Justiz. Sie hat uns in der letzten Legislaturperiode beschäftigt, und ich habe in diesem Jahr schon zwei Gesetzentwürfe zur Abstimmung mit den Ländern und zur Abstimmung in den Ressorts auf den Weg gebracht. Einmal geht es dabei um das Ordnungswidrigkeitenrecht, wo bei Bagatellverfahren die Justiz teilweise wirklich in übermäßigem Umfang belastet wird, zum anderen um verwaltungsgerichtliche Verfahren, bei denen es sehr wohl noch Handlungsspielräume zur Entlastung der Justiz gibt.
Aber ich möchte eines deutlich machen: Entlastung der Justiz und Erhaltung ihrer Funktionsfähigkeit können letztendlich nicht einseitig zu Lasten des rechtsuchenden Bürgers gehen. Wir kommen hier an Grenzen. Auch im Strafprozeß können wir rechtsstaatliche Garantien nicht allein im Interesse der Entlastung der Justiz aufheben. Daran orientieren sich die Vorstellungen meines Hauses.
Die Zeit erlaubt leider nicht, alle Vorhaben hier kurz anzusprechen, die wir im Justizministerium beraten und in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen: beim Eheschließungsrecht, im Aktienrecht, bei der Bundesnotarordnung.
Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Natürlich wird uns gerade auch die innere Sicherheit in der Rechtspolitik intensiv beschäftigen. Beim Geldwäschetatbestand - das sehen wir jetzt schon - müssen wir uns mit dem Vortatenkatalog beschäftigen, der wohl um manche typische Delikte erweitert werden muß. Aber wir sehen auch, daß für das Geldwäschegesetz, was den Schwellenbetrag und die Zweitagesfrist angeht, die Bestätigung aus der Praxis gekommen ist. Wir haben hier immer gegenüber den Vorschlägen auch der Opposition gekämpft, und ich glaube, es zeigt sich jetzt, daß es der richtige Weg war und daß wir hier keine grundsätzlichen Änderungen vornehmen müssen.
Wir werden uns auch intensiv mit der Bekämpfung der Korruption beschäftigen. Wir werden uns, gerade wenn es um den Strafrahmen geht, auch im Bereich der Angestelltenbestechung nach dem UWG wohl mit der Erhöhung der Strafrahmen auseinandersetzen müssen. Ich glaube, das paßt nicht im Verhältnis zu den Strafrahmen bei Beamtenbestechung, die wir auch unter die Lupe nehmen werden.
Aber ich möchte doch eines hier deutlich machen: Wir sollten nicht meinen, daß wir mit dem Instrument der Kronzeugenregelung gerade auch im Bereich der Korruption nun vielleicht etwas Gutes schaffen, denn es führt zu Mißtrauen gegenüber dem Kollegen und der Kollegin. Es besteht die Gefahr, daß sich gerade hier doch der eine Kollege gegenüber dem anderen in einer Art und Weise verhält, wie wir es im öffentlichen Dienst nicht wollen.
Wir sollten auch sehen, daß die Kronzeugenregelung dazu führt, daß eben Täter ungleich behandelt werden, und deshalb steht nach meiner Einschätzung eines im Vordergrund. Wir werden die Kronzeugenregelung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität verlängern, denn - das sieht jeder ein - zehn Monate Bewährungszeit sind zu kurz. Das behaupten wir auch zu Recht gegenüber anderen Vorschlägen und sagen, Recht, was wir gesetzt haben, muß sich bewähren, und das gilt natürlich auch in diesem Fall für die befristet geltende Kronzeugenregelung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität.
Meine Zeit ist zu kurz, als daß ich jetzt auch noch auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingehen könnte. Ich glaube, daß dazu auch schon vieles Vernünftige in der Vergangenheit gesagt wurde. Ich glaube, wir sollten uns einig sein, die Autorität des Bundesverfassungsgerichts nicht in Frage zu stellen.
Ich meine auch, daß das Bundesverfassungsgericht durch seine Entscheidungstexte allein verstanden werden sollte und nicht unbedingt noch immer der Interpretationen und Erklärungen bedürfen müßte.
Ich bin der Meinung, nach der doch intensiven auch öffentlichen Diskussion über dieses Urteil ist es nicht so gut, sich jetzt in unmittelbarem Zusammenhang mit Fragen der Mehrheitsentscheidungen oder der Wahlverfahren schon im Gesetzgebungsverfahren auseinanderzusetzen. Ich glaube, es ist gerade auch im Interesse der Autorität des Bundesverfassungsgerichts ganz gut, hier Zurückhaltung zu wahren.
Vielen Dank.