Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer sich mit dem Haushalt dieses Ministeriums beschäftigt, kommt nach meinem Dafürhalten an einem Thema, das bisher noch keine Rolle spielte, nicht vorbei, nämlich an dem Thema der Aussiedler. Wir haben eine Vereinbarung: 225 000 Aussiedler plus/minus 10 % können derzeit in unser Land kommen. Mittlerweile müssen wir aber feststellen, daß es Regionen in der Bundesrepublik Deutschland gibt, die sich durch eine sehr starke Konzentration von Aussiedlern auszeichnen. Es gibt sogar Städte und Gemeinden, in denen jeder dritte bis vierte Einwohner ein Aussiedler ist. Mein Kollege Günter Graf könnte Ihnen beispielsweise bestens berichten, wie sich eine solche Situation in einem Landkreis wie Cloppenburg vor Ort darstellt.
Diese Situation beschäftigt offensichtlich auch CDU-Politiker vor Ort. So erwägt der Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion in Niedersachsen eine Verfassungsklage gegen den Bund. Oder ein CDU-Staatssekretär verkündet im August zur Aussiedlerproblematik, Zuzüge müßten reguliert und Ansprüche gedrosselt werden. Gemeinden in dieser Region erwägen sogar, keine Bauplätze mehr an Aussiedler zu verkaufen. Selbst Ihre eigenen Leute vor Ort können der Politik, wie Sie sie hier in Bonn machen, nicht mehr zustimmen.
Ob eine Integration gelingt, läßt sich nur, lieber Kollege Waffenschmidt, an einer ausreichenden Zahl von Kindergartenplätzen, Schulplätzen, Arbeitsplätzen und Wohnungen deutlich machen.
Diese Integration ist in vielen Bereichen unserer Republik schon nicht mehr möglich. Um diese Integration geht es, wenn wir hier eine glaubwürdige Politik machen wollen. Aus diesen Gründen will ich deutlich festhalten, daß eine Politik, die eine Integration nicht mehr leisten will und kann und die Randgruppen unserer Gesellschaft schafft, eine Politik ist, wie wir sie uns nicht vorstellen und wie wir sie nicht haben wollen.
Lieber Bruder Waffenschmidt, einladen und nicht um die Menschen kümmern wird den Betroffenen nicht gerecht und entspricht auch nicht einer christlichen Glaubenshaltung.
Es werden jährlich über 150 Millionen DM in diesem Haushalt für die Deutschen in den sogenannten Siedlungsgebieten im Ausland zur Verfügung gestellt. Ziel muß es doch sein, die Menschen zu ermutigen, in ihrer neu anvertrauten Heimat zu bleiben. Maßnahmen vor Ort in diesen Siedlungsgebieten, die die Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland vorbereiten, widersprechen meines Erachtens dem gesamten Projekt mit seiner Zielsetzung. Das kann doch wohl nicht gewollt sein.
Ich will kurz etwas zu einem anderen Thema sagen. In den verschiedensten Bereichen unserer Gesellschaft stellen wir zur Zeit fest, daß die Hemmschwelle zur Anwendung von Gewalt erheblich sinkt. Wir müssen auf der Hut sein und bleiben, was extremistische Einstellungen und Gewalttäter anbelangt. Erschreckend ist jedenfalls für mich der hohe Anteil männlicher Jugendlicher unter 17 und unter 21 Jahren, die an extremistisch orientierten Gewalttaten beteiligt sind, was in der Jugendgeschichte ein bisher einzigartiges Faktum ist.
Es ist richtig, daß in diesem Haus Extremismus und Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen auf eine gemeinsame Ablehnungsfront stoßen. Reicht das aber aus? Reicht es aus, die Jugendlichen wegen ihrer undemokratischen Haltung zu verdammen und wegen ihrer Straftaten zu bestrafen? Ich sage, daß das nicht ausreicht. Wir werden die Gewaltbereitschaft nicht herabsetzen, wenn es uns nicht gelingt, die Ursachen in den verschiedensten Lebensumfeldern zu beseitigen.
Diese Bundesregierung muß sich entgegenhalten lassen, daß ihre praktizierte Politik Mitschuld an einem gesellschaftlichen Klima trägt, in dem Menschen ausgegrenzt und an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt werden.
Deswegen ist es für mich notwendig, sich mit dem Thema Gewalt in den Medien öffentlich auseinanderzusetzen.
Gerade Sie waren es doch, die eine Privatisierung und Ausdehnung unseres Medienmarktes mit einer stetig wachsenden Konzentration zu Lasten der Pluralität betrieben haben. Sie treten den Fehlentwicklungen nicht energisch genug entgegen.
Fritz Rudolf Körper
- Lieber Erwin Marschewski, es wäre besser, du würdest jetzt weiter zuhören.
Die zunehmende Gewaltbereitschaft von Jugendlichen läßt sich zwar ebenso wenig allein auf das Konto der Medien wie auf das Konto der Erziehung verbuchen. Aber zusammen mit Werteverfall, sozialen Problemen, Orientierungslosigkeit und fehlenden Perspektiven tragen die Gewaltdarstellungen im Fernsehen, auf Videos und anderswo dazu bei, daß Kinder und Jugendliche Gewalt leider zunehmend als Mittel der Konfliktlösung sehen. Wenn Sie gerade heute diese negativen Entwicklungen beklagen, so klingt dies auf Grund ihrer bisherigen politischen Entscheidungen wenig überzeugend.
Meine Damen und Herren, wir stehen vor einer schwierigen Aufgabe angesichts der schnellen Veränderungen und politischen Rahmenbedingungen in unserer Politik. Sie muß einerseits die Zukunft gestalten und dafür notwendige Reformen einleiten. Ich nenne nur stichwortartig Reform der öffentlichen Verwaltung, Stärkung der inneren Sicherheit, Kampf gegen das organisierte Verbrechen, sozialverträgliche Regelungen im Asylrecht, sozialverträgliche Steuerung des Ausländerzuzugs, aber auch eine stärkere Kontrolle der Medien, die in einer Zeit ungebremster Medienkonzentration eine überragende Rolle bei der Meinungsbildung erlangt haben und sich in der Verfassungswirklichkeit neben den drei verfassungsgemäßen Gewalten Parlament, Regierung und Rechtsprechung faktisch zu einer vierten Gewalt in unserer Gesellschaft entwickelt haben.
Diese Reformen können andererseits nur auf der Grundlage der geltenden Prinzipien unserer Verfassung gelingen. Diese gilt es zu bewahren und ständig im Bewußtsein der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere der Jugend zu verankern.
Ich nenne kurz drei Beispiele. Die beste Abwehr gegen eine Erosion unserer Verfassung sind nicht politische Reden sondern das gelebte Vorbild. Eine agitatorische Beschimpfung des Bundesverfassungsgerichts - das hat ja heute schon eine Rolle gespielt -, die über das normale und zulässige Maß einer Urteilsschelte hinausgeht, beschädigt nicht nur das Bundesverfassungsgericht, sondern darüber hinaus unseren gesamten Rechtsstaat. Wenn Rechtsbewußtsein schwindet, sollten Sie die Schuld nicht immer bei den anderen suchen.
Mit Bekenntnissen zum Rechtsstaat allein ist nichts getan. Die Kriminalitätsentwicklung verletzt das Rechtsbewußtsein mit erheblichen Folgen. Kann der Staat angesichts der vorhandenen Kriminalität und der Aufklärungsquoten den gesetzlichen Strafanspruch nicht mehr ausreichend durchsetzen, sinkt zwangsläufig das Vertrauen in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung und die
Rechtstreue aller Bürger. Die Folgen von Mißtrauen, ja der Mißachtung gegenüber Staat und Recht sind Erscheinungen der Korruption. Die organisierte Kriminalität findet hier ihren Nährboden.
Was macht die Bundesregierung angesichts dieser Gefahren? Ihre bisherigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Kriminalität, vor allem aber der organisierten Kriminalität, zeigen keinen durchschlagenden Erfolg.
Nach wie vor wird die Bundesrepublik Deutschland als außerordentlich gut geeignete Waschanlage für unrechtmäßig erworbenes Geld angesehen und benutzt. Um diese Geldwäsche wirksam zu bekämpfen, fehlt bisher eine geeignete Gesetzesgrundlage. Hier wie auch hinsichtlich der Möglichkeit eines wirksamen Abhörens im Milieu der organisierten Kriminalität hat die Koalition ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht. Die Zeit ist gekommen, daß dies jetzt erfolgt.
Wir stimmen darin überein, daß das staatliche Gewaltmonopol die Voraussetzung war und ist für die Befriedung unserer Gesellschaft. Seine Beseitigung würde längerfristig das allgemeine Staatsverständnis ebenso wie das Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger zum Staat gravierend verändern.
Schon heute gewährleistet der Staat mit seinen Sicherheitskräften die innere Sicherheit nicht mehr alleine. Das private Sicherheitsgewerbe expandiert. Rechtlich ist das staatliche Gewaltmonopol bisher zwar erhalten geblieben, fraglich ist allerdings, inwieweit seine weitere schrittweise Aushöhlung angesichts der tatsächlichen Entwicklungen und eines öffentlichen Gewöhnungseffektes gestoppt werden kann. Für das private Sicherheitsgewerbe halten wir eine gesetzliche Grundlage für notwendig. Wir werden entsprechende Initiativen einleiten.
Herr Minister, Sie können mit unserer Aufmerksamkeit für Ihre Politik in Ihrem Bereich rechnen - bei Ihren Taten, aber auch bei Ihren Versäumnissen. Und davon gibt es leider doch einige.
Schönen Dank.