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    Plenarprotokoll 13/51 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 51. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. September 1995 Inhalt: Begrüßung des Erzbischofs von Kapstadt, Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu sowie des Abgeordneten Jan Nico Scholten (Niederlande) . . . . . . 4240 B Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 Haushaltsgesetz 1996) (Drucksache 13/2000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 (Drucksache 13/2001) Rudolf Scharping SPD . . . . . . . . . 4217 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 4226 C Peter Dreßen SPD 4231 A Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4235 B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 4240 B Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . 4246 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 4249 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS . . . . 4260 A, 4340 B Günter Verheugen SPD . . . . . . . . 4260 C Eberhard Diepgen, Regierender Bürgermeister (Berlin) 4266 A Thomas Krüger SPD 4268 A Dr. Christa Luft PDS 4269 B Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4271 A, 4278 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . . 4272 C Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 4278 C Andrea Lederer PDS 4279 D Dr. Klaus Rose CDU/CSU 4281 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . 4283 C, 4289 B Jürgen Koppelin F.D.P 4285 A Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 4286 C Freimut Duve SPD 4288 C Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 4289 C Norbert Gansel SPD 4291 B Walter Kolbow SPD 4292 A Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . 4295 D Dietrich Austermann CDU/CSU . 4296 A, 4299 B Walter Kolbow SPD 4297 A Paul Breuer CDU/CSU 4297 D Manfred Opel SPD 4298 D Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 4299 C Dr. Ingomar Hauchler SPD 4300 D Dr. Winfried Pinger CDU/CSU . 4301 D, 4304 A Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4303 B Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU . . . 4304 C Roland Kohn F.D.P. 4305 A Dr. Ingomar Hauchler SPD . . . 4305C, 4308 B Dr. Willibald Jacob PDS 4306 C Michael von Schmude CDU/CSU . . . 4307 D Manfred Kanther, Bundesminister BMI 4309 B Otto Schily SPD . . . . . . . . . . 4312 B Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4316A Ina Albowitz F.D.P. 4318 A Ulla Jelpke PDS 4320 C Horst Eylmann CDU/CSU 4322 A Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 4322 D Dr. Rupert Scholz CDU/CSU . . . . . 4323 B Fritz Rudolf Körper SPD . . . . . . 4326 A Heinz Dieter Eßmann CDU/CSU . 4327 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . 4329 D Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 4331 C Dr. Rupert Scholz CDU/CSU 4332 C Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ CSU 4335 C Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . 4336 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . 4337 D Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 4339 A Manfred Kolbe CDU/CSU 4341 B Nächste Sitzung 4342 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4343* A Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1995 4217 51. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. September 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 6. 9. 95 Andres, Gerd SPD 6. 9. 95 Behrendt, Wolfgang SPD 6. 9. 95 * Blunck, Lilo SPD 6. 9. 95 * Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 6. 9. 95 Frick, Gisela F.D.P. 6. 9. 95 Grießhaber, Rita BÜNDNIS 6. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 6. 9. 95 Hoffmann (Chemnitz), SPD 6. 9. 95 Jelena Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 6. 9. 95 Dr. Jork, Rainer CDU/CSU 6. 9. 95 Dr. Knake-Werner, PDS 6. 9. 95 Heidi Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 6. 9. 95 Angelika 90/DIE GRÜNEN Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 6. 9. 95 Karl-Hans Leidinger, Robert SPD 6. 9. 95 Lemke, Steffi BÜNDNIS 6. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 6. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Lenzer, Christian CDU/CSU 6. 9. 95 Lotz, Erika SPD 6. 9. 95 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lüth, Heidemarie PDS 6. 9. 95 Neuhäuser, Rosel PDS 6. 9.95 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 6. 9. 95 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 6. 9. 95 Hermann Schätzle, Ortrun CDU/CSU 6. 9. 95 Schenk, Christa PDS 6. 9. 95 Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 6.9.95 Irmingard 90/DIE GRÜNEN Schmidt (Aachen), SPD 6. 9. 95 Ursula Schmitt (Langenfeld), BÜNDNIS 6. 9. 95 Wolfgang 90/DIE GRÜNEN Schultz (Everswinkel), SPD 6. 9. 95 Reinhard Dr. Schwaetzer, Irmgard F.D.P. 6. 9. 95 Simm, Erika SPD 6. 9. 95 Dr. Solms, F.D.P. 6. 9. 95 Hermann Otto Thieser, Dietmar SPD 6. 9. 95 Thönnes, Franz SPD 6. 9. 95 Tippach, Steffen PDS 6. 9. 95 Tröscher, Adelheid SPD 6. 9. 95 Vosen, Josef SPD 6. 9. 95 Wieczorek-Zeul, SPD 6.9.95 Heidemarie Zierer, Benno CDU/CSU 6. 9. 95 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rupert Scholz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Budget des Innenministeriums und auch mit dem Budget des Justizministeriums beraten wir zwei Haushalte, die für die Prägung des inneren Zustandes und der rechtsstaatlichen Sicherheit unseres Landes entscheidend sind. Ebenso wie der gesamte Bundeshaushalt sind auch diese beiden Einzelhaushalte von den notwendigen Einsparungen bekanntlich nicht verschont geblieben. Dabei handelt es sich um Einsparungen, die zur Konsolidierung der Bundesfinanzen, zur Eindämmung der Staatsverschuldung und damit insgesamt zur Senkung der Staatsquote unabdingbar sind. Wir stehen also auch hier vor einer Politik der knappen Kassen. Das ist aber zugleich - wie immer bei notwendigen Beschränkungen - eine Chance für eine Besinnung auf das Wesentliche und das wirklich Wichtige der Innen- und Rechtspolitik aus der Sicht unserer Bürger.
    Unser Gemeinwesen hat sich, wie inzwischen nahezu jeder Bürger spürt, vielfältig und buchstäblich übernommen. Wir haben lange Zeit - im Zeichen unseres großen wirtschaftlichen Erfolgs, des großen Wohlstands, den wir uns über Jahrzehnte erwirtschaftet hatten - auch in dem Bewußtsein gelebt, daß der Staat, staatliche Zuständigkeiten, Verteilungsstaatlichkeit und staatliche Transferpolitik nahezu grenzenlos möglich sind. Jedermann weiß heute aber, daß das nicht der Fall ist, daß wir buchstäblich an die Grenzen des Machbaren, namentlich an die des Finanzierbaren gestoßen sind. Deshalb ist heute Besinnung angesagt.
    In diesem Sinne birgt das Datum der so knapp gewordenen Staatshaushalte auch eine besondere Chance zur Wiederbesinnung, zur Erneuerung und zur Reform unseres Gemeinwesens überall dort, wo es notwendig geworden ist. Die auch in vorangegangenen Beiträgen schon deutlich gewordenen Reformen in diesem Sinne heißen vor allem Notwendigkeit und Bekenntnis zum schlankeren Staat.
    Der Bundesinnenminister hat bereits darauf hingewiesen, daß wir auf Beschluß der Bundesregierung in den kommenden Tagen den Sachverständigenrat „Schlanker Staat" konstituieren werden. Mitglieder dieses Sachverständigenrates sind angesehene Persönlichkeiten aus der Wissenschaft, den Bundesländern, den Kommunen, der Wirtschaft, auch den Gewerkschaften, Herr Schily, den Parteien und der Bundesregierung. Die Einsetzung des Sachverständigenrates ist Teil der Initiativen der Koalition, um staatliches Handeln im normativen, administrativen und gerichtlichen Bereich auf das notwendige Maß zu beschränken.
    Aber darüber hinaus - Herr Schily, das entgegen Ihrer Kritik an der Bundesregierung - hat die Koalition in diesem Jahr bereits eine ganze Reihe von Initiativen ergriffen, um Überreglementierungen und Überbürokratisierungen zu bekämpfen. So wurden z. B. auf der Basis der Schlichter-Kommissionen Vorschläge zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren erarbeitet, die Überprüfung der ca. 230 Bundesstatistiken begonnen und die gesetzespolitischen Eckpunkte zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vorgestellt. Alle diese und weitere Initiativen, die sich mit dem Thema „schlanker Staat" befassen, werden durch diesen Sachverständigenrat fachlich und politisch begleitet, gefördert und mit zusätzlichen Impulsen versehen werden.

    Dr. Rupert Scholz
    Eine wirklich effektive Verschlankung des Staates muß - hier erhoffe ich mir wiederum wesentliche Impulse von der Arbeit des Sachverständigenrates - bei einer substantiellen Aufgabenkritik beginnen. Ich freue mich, daß die Aufgabenkritik auch in dem SPD-Papier, auf das Sie Bezug genommen haben, Herr Schily, so zentral genannt wird.

    (Fritz Rudolf Körper [SPD]: Das ist eben ein gutes Papier!)

    - Das Papier ist sehr gemischt. Aber wir diskutieren noch darüber; dann werden wir feststellen, was wirklich drinsteht. Das ist ein Punkt, der positiv ist.

    (Fritz Rudolf Körper [SPD]: Nicht nur der!) Ich freue mich, auch Sie einmal loben zu können.


    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Wie ein Lehrer!)

    Meine Damen und Herren, eines steht jedenfalls fest: Bund, Länder und Gemeinden müssen sich endlich und ernsthaft fragen, ob alle Aufgaben, die sie in den vergangenen Jahrzehnten in die eigene öffentliche Regie genommen haben, wirklich nur in staatlich-öffentlicher Verantwortung wahrgenommen werden können. Es ist ernsthaft zu fragen, was an Privatisierung möglich ist. Da ist mir z. B. Ihr Ansatz, Herr Schily, in der Abwägung von Privatisierung - ja oder nein - zu eng und methodisch nicht richtig angesetzt.
    Wichtig ist bei alledem aber auch eines: Wir brauchen in unserer Bevölkerung das Bewußtsein für eine solche Reduzierung staatlicher Zuständigkeiten. Mancher in unserem Lande ist nämlich im Lichte - ich sage es bewußt ironisch - „allzu gut gemeinter" staatlicher Überregulierungen, auch staatlicher Übervorsorge, bequem geworden. Solche Bequemlichkeit verträgt sich nicht mit der geforderten Rückkehr zu mehr gesellschaftlicher Eigenverantwortung und, verbunden hiermit, mit der Bereitschaft zu mehr eigenverantwortlichem Mut, Wagnis und Innovationsbereitschaft.

    (Vorsitz : Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch)

    In diesem Sinne ist das Thema „schlanker Staat" nicht nur ein Thema des Staates, sondern ein gesellschaftspolitisches Thema von zentraler Bedeutung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Jedermann bei uns bekennt sich - zumindest verbal - inzwischen zum Subsidiaritätsprinzip. Aber wenn es zur Sache geht, wird es meistens nicht mehr sehr ernst genommen.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Leider wahr!)

    Aber wir müssen das Subsidiaritätsprinzip wirklich ernst nehmen. Wir müssen uns besinnen, daß das Subsidiaritätsprinzip fordert: Der Staat hat sich prinzipiell auf die hoheitlichen Kernaufgaben zu konzentrieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es geht ganz entscheidend erstens um Subsidiarität, zweitens - damit im übrigen verbunden - um Solidarität, nämlich die Solidarität auf der Grundlage gesellschaftlicher Eigenverantwortung, und drittens um Konzentration. In diesem Sinne werden wir uns in den kommenden Jahren in vielfältiger Hinsicht um eine neue Philosophie der Staatstätigkeit bemühen müssen.
    Es wird nicht mehr so weitergehen, daß wir dem Grundsatz „möglichst viel staatliche Zuständigkeit" folgen, nein, wir werden den Grundsatz „multum, non multa" verfolgen müssen.

    (Dr. Wilfried Penner [SPD]: Aber „in dubio pro reo" bleibt?)

    - Sie, lieber Herr Penner, sehen sich offenkundig schon wieder als Angeklagten. Sie haben das Recht natürlich immer.
    Der Bürger fragt sich heute an zentraler Stelle: Wo und wie ist der Staat für mich da? Die Antwort muß lauten, daß der Staat vor allem seine genuinen Staats- und Hoheitsaufgaben kraftvoll wahrnimmt. Das ist ein entscheidender Aufgabenbereich der Innen- und Justizpolitik.
    Der Staat muß vor allem seine rechtsstaatliche Verantwortung wirklich und wirksam wahrnehmen. Unsere Bürger sind nicht nur an der Einhaltung der liberalen Freiheitsrechte interessiert, sie sind ebenso an der vom Staat und seinem Gewaltmonopol zu gewährleistenden Rechtssicherheit interessiert. Liberalität ist ohne Rechtssicherheit niemals denkbar. Liberalität verfällt in schlichte und unverantwortliche Libertinage, wenn der Staat seine genuine Verantwortung für die Rechtssicherheit nicht wahrnimmt. Deshalb steht die CDU/CSU-Fraktion mit dem Bundesinnenminister für eine aktive und verantwortliche Rechtsstaatspolitik,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    die die Rechtssicherheit der Bürger ebenso kontinuierlich wie verstärkt in den Vordergrund stellt.
    Verbrechensbekämpfung und innere Sicherheit behalten ihren zentralen Rang und sind zu stärken. Da geht es ganz entscheidend darum - heute wurde bereits mehrfach darauf Bezug genommen -, daß das auch in den Ländern geschieht. Vorkommnisse wie die Chaostage in Hannover sind unerträglich und dürfen sich niemals wiederholen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wohlgemerkt: Wenn man schon Hannover zitiert - das ist heute ja ein bleibendes Thema -, erinnere ich daran, daß es nicht nur die Chaostage sind, in denen eine verfehlte Politik unter dem scheinbar legitimierenden Stichwort sogenannter Deeskalation gemacht wird. Ich erinnere auch an den Fall „Castor", wo entgegen klaren gesetzlichen Vorgaben, klaren verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen das Chaos durch

    Dr. Rupert Scholz
    die Landesregierung in Hannover buchstäblich mit befördert und ermutigt wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU Norbert Geis [CDU/CSU]: So ist es! Das war nicht zum ersten Mal! Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Halt grün-rot! Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie haben keine Ahnung!)

    Die CDU/CSU-Fraktion und die Koalition werden auch die Politik der SPD und der Grünen zur Entkriminalisierung sogenannter Kleinkriminalität nicht akzeptieren. Was heißt das eigentlich: Entkriminalisierung von Kleinkriminalität? Es bedeutet im Grunde die Förderung von Einstiegskriminalität. Herr Schily, Sie haben auf die Kinder hingewiesen: Ihr Vergleich mit der Bestechung. Sie hätten an etwas ganz anderes denken müssen. Was ist denn mit dem Ladendiebstahl, den Sie „entkriminalisieren" wollen? Das ist Einstiegskriminalität.

    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sehr wahr! Otto Schily [SPD]: Nein, das wollen wir gar nicht!)

    Wir hatten im letzten Jahr im Einzelhandel rund 131 000 Ladendiebstähle mit einem Gesamtschaden von 2,35 Milliarden DM. Das ist nicht erträglich. Wer eine solche kriminelle Einstiegsentwicklung fördert, der vergeht sich am Rechtsbewußtsein und - ganz entscheidend - auch an unseren Kindern, denen rechtzeitig deutlich gemacht werden muß, daß das nicht Recht, sondern Unrecht ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Das gleiche gilt für Ihre Politik bezüglich der Freigabe von Drogen. Wer in Mißdeutung des Bundesverfassungsgerichtsurteils meint, er könne Drogen weitgehend - den sogenannten Eigenverbrauch - entkriminalisieren, vergeht sich vor allem an unserer Jugend, an den jungen Menschen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Beispiele lassen sich fortsetzen.

    Wo sind die entscheidenden Aufgaben? Der Bundesinnenminister hat auf entscheidende und zentrale Aufgaben hingewiesen. Es geht ganz maßgeblich darum, eine verantwortliche Politik der inneren Sicherheit bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, und zwar in wachsamer Orientierung am Wandel der tatsächlichen Gefährdungslagen, vor denen wir stehen, wirklich nach vorn zu bringen.
    Die Bekämpfung der organisierten Kriminalität muß sich an ihrer Internationalität orientieren. Sie muß sich an der Nutzung moderner technischer Möglichkeiten und am gesamten Spektrum dessen, was hier heute in der Konfrontation auftritt, orientieren, und zwar durch wirksame Prävention und wirksame, abschreckende Repression. Dazu gehört natürlich die akustische und optische Überwachung von Gangsterwohnungen.
    Wir brauchen - darauf hat der Bundesinnenminister weiter hingewiesen; wir werden das in Angriff nehmen - an allererster Stelle eine Bekämpfung der Korruption und müssen sie gesetzlich verankern. 1994 wurden hier über 7 000 Straftaten registriert. Die Dunkelziffer ist, wie ich fürchte, noch sehr, sehr viel höher. Das wird kaum zu bestreiten sein, das wissen wir alle.
    Dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht natürlich bei der Kronzeugenregelung.
    Vor allem bedarf der Gesamtkomplex der Geldwäsche einer gründlichen gesetzgeberischen Überprüfung. Meine Fraktion hat dazu vor wenigen Tagen eine Expertenanhörung durchgeführt. Angesichts der enormen und ständig zunehmenden Gewinne aus der organisierten Kriminalität brauchen wir eine effektive, für die Betroffenen buchstäblich schmerzhafte Gewinnabschöpfung, um den Lebensnerv der organisierten Kriminalität zu treffen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Strafandrohungen allein reichen aber nicht aus. Die Verbrechensgewinne müssen abgeschöpft werden. Der Zugriff auf sogenanntes bemakeltes Vermögen muß im Interesse einer wirksamen Verbrechensbekämpfung erleichtert werden. Hier tut sich allerdings - auch das müssen wir sehr wohl beachten - das geltende Recht im Lichte der Eigentumsgarantie des Art. 14 des Grundgesetzes nicht ganz leicht. Beim Thema der Beweiserleichterungen, die unter den Aspekten der effektiven Verbrechensbekämpfung sicherlich wünschenswert sind, werden wir sehr behutsam vorzugehen haben.
    Ein letztes Beispiel, das ich nennen will, ist die Novellierung des Gesetzes über das Bundeskriminalamt. Der entsprechende Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt dem Bundestag inzwischen vor. Der Gesetzentwurf enthält differenzierte Regelungen für die vielfältigen Aufgaben des Bundeskriminalamts als Zentralstelle für die Verbrechensbekämpfung, als Strafverfolgungsbehörde sowie in den Bereichen des Personen- und Zeugenschutzes.
    Außerdem wird mit der Aufnahme von bereichsspezifischen Datenschutzregelungen für die Tätigkeit des Bundeskriminalamts dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts - ich sage sehr bewußt: endlich - Rechnung getragen. Die Umsetzung dieser Rechtsprechung ist überfällig, der sogenannte Übergangsbonus läuft allmählich aus oder ist, wie es der Hessische Verwaltungsgerichtshof kürzlich ausgeführt hat, möglicherweise bereits abgelaufen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Rückführung staatlicher Tätigkeitsbereiche kann und muß also, richtig verstanden, eben nicht einen geschwächten Staat, der die Erwartungen und Ansprüche der Bürger nicht erfüllt, bewirken. Im Gegenteil, der Staat ist dort zu stärken, wo es um die zentralen Aufgaben geht, deren Erfüllung der Bürger von uns erwartet, insbesondere in der Rechts- und Sicherheitspolitik.
    In diesem Sinne will die Koalition mit dem Haushalt 1996 auch insoweit entscheidende Weichen stellen, um den Bürger einerseits von überflüssiger Bürokratie und Überreglementierung zu entlasten, ihm auf der anderen Seite aber das Vertrauen in die in-

    Dr. Rupert Scholz
    nere Sicherheit und die Geltung des Rechts wieder stärker zu vermitteln. Die Koalitionsfraktionen werden diese Ziele mit allem Nachdruck anstreben, und wir werden diese Ziele in dieser Legislaturperiode gemeinsam erreichen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Fritz Rudolf Körper.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Rudolf Körper


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer sich mit dem Haushalt dieses Ministeriums beschäftigt, kommt nach meinem Dafürhalten an einem Thema, das bisher noch keine Rolle spielte, nicht vorbei, nämlich an dem Thema der Aussiedler. Wir haben eine Vereinbarung: 225 000 Aussiedler plus/minus 10 % können derzeit in unser Land kommen. Mittlerweile müssen wir aber feststellen, daß es Regionen in der Bundesrepublik Deutschland gibt, die sich durch eine sehr starke Konzentration von Aussiedlern auszeichnen. Es gibt sogar Städte und Gemeinden, in denen jeder dritte bis vierte Einwohner ein Aussiedler ist. Mein Kollege Günter Graf könnte Ihnen beispielsweise bestens berichten, wie sich eine solche Situation in einem Landkreis wie Cloppenburg vor Ort darstellt.
    Diese Situation beschäftigt offensichtlich auch CDU-Politiker vor Ort. So erwägt der Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion in Niedersachsen eine Verfassungsklage gegen den Bund. Oder ein CDU-Staatssekretär verkündet im August zur Aussiedlerproblematik, Zuzüge müßten reguliert und Ansprüche gedrosselt werden. Gemeinden in dieser Region erwägen sogar, keine Bauplätze mehr an Aussiedler zu verkaufen. Selbst Ihre eigenen Leute vor Ort können der Politik, wie Sie sie hier in Bonn machen, nicht mehr zustimmen.

    (Beifall bei der SPD Otto Schily [SPD]: Da sollte der Herr Waffenschmidt ein bißchen mehr zuhören!)

    Ob eine Integration gelingt, läßt sich nur, lieber Kollege Waffenschmidt, an einer ausreichenden Zahl von Kindergartenplätzen, Schulplätzen, Arbeitsplätzen und Wohnungen deutlich machen.
    Diese Integration ist in vielen Bereichen unserer Republik schon nicht mehr möglich. Um diese Integration geht es, wenn wir hier eine glaubwürdige Politik machen wollen. Aus diesen Gründen will ich deutlich festhalten, daß eine Politik, die eine Integration nicht mehr leisten will und kann und die Randgruppen unserer Gesellschaft schafft, eine Politik ist, wie wir sie uns nicht vorstellen und wie wir sie nicht haben wollen.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Lieber Bruder Waffenschmidt, einladen und nicht um die Menschen kümmern wird den Betroffenen nicht gerecht und entspricht auch nicht einer christlichen Glaubenshaltung.

    (Beifall bei der SPD)

    Es werden jährlich über 150 Millionen DM in diesem Haushalt für die Deutschen in den sogenannten Siedlungsgebieten im Ausland zur Verfügung gestellt. Ziel muß es doch sein, die Menschen zu ermutigen, in ihrer neu anvertrauten Heimat zu bleiben. Maßnahmen vor Ort in diesen Siedlungsgebieten, die die Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland vorbereiten, widersprechen meines Erachtens dem gesamten Projekt mit seiner Zielsetzung. Das kann doch wohl nicht gewollt sein.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will kurz etwas zu einem anderen Thema sagen. In den verschiedensten Bereichen unserer Gesellschaft stellen wir zur Zeit fest, daß die Hemmschwelle zur Anwendung von Gewalt erheblich sinkt. Wir müssen auf der Hut sein und bleiben, was extremistische Einstellungen und Gewalttäter anbelangt. Erschreckend ist jedenfalls für mich der hohe Anteil männlicher Jugendlicher unter 17 und unter 21 Jahren, die an extremistisch orientierten Gewalttaten beteiligt sind, was in der Jugendgeschichte ein bisher einzigartiges Faktum ist.
    Es ist richtig, daß in diesem Haus Extremismus und Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen auf eine gemeinsame Ablehnungsfront stoßen. Reicht das aber aus? Reicht es aus, die Jugendlichen wegen ihrer undemokratischen Haltung zu verdammen und wegen ihrer Straftaten zu bestrafen? Ich sage, daß das nicht ausreicht. Wir werden die Gewaltbereitschaft nicht herabsetzen, wenn es uns nicht gelingt, die Ursachen in den verschiedensten Lebensumfeldern zu beseitigen.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese Bundesregierung muß sich entgegenhalten lassen, daß ihre praktizierte Politik Mitschuld an einem gesellschaftlichen Klima trägt, in dem Menschen ausgegrenzt und an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt werden.

    (Beifall bei der SPD - Günter Graf [Friesoythe] [SPD]: Das sind die Ursachen!)

    Deswegen ist es für mich notwendig, sich mit dem Thema Gewalt in den Medien öffentlich auseinanderzusetzen.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

    Gerade Sie waren es doch, die eine Privatisierung und Ausdehnung unseres Medienmarktes mit einer stetig wachsenden Konzentration zu Lasten der Pluralität betrieben haben. Sie treten den Fehlentwicklungen nicht energisch genug entgegen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS Norbert Geis [CDU/CSU]: Vorsicht, Vorsicht! Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sie haben auch einmal Marx angebetet und heute nicht mehr!)


    Fritz Rudolf Körper
    - Lieber Erwin Marschewski, es wäre besser, du würdest jetzt weiter zuhören.
    Die zunehmende Gewaltbereitschaft von Jugendlichen läßt sich zwar ebenso wenig allein auf das Konto der Medien wie auf das Konto der Erziehung verbuchen. Aber zusammen mit Werteverfall, sozialen Problemen, Orientierungslosigkeit und fehlenden Perspektiven tragen die Gewaltdarstellungen im Fernsehen, auf Videos und anderswo dazu bei, daß Kinder und Jugendliche Gewalt leider zunehmend als Mittel der Konfliktlösung sehen. Wenn Sie gerade heute diese negativen Entwicklungen beklagen, so klingt dies auf Grund ihrer bisherigen politischen Entscheidungen wenig überzeugend.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir stehen vor einer schwierigen Aufgabe angesichts der schnellen Veränderungen und politischen Rahmenbedingungen in unserer Politik. Sie muß einerseits die Zukunft gestalten und dafür notwendige Reformen einleiten. Ich nenne nur stichwortartig Reform der öffentlichen Verwaltung, Stärkung der inneren Sicherheit, Kampf gegen das organisierte Verbrechen, sozialverträgliche Regelungen im Asylrecht, sozialverträgliche Steuerung des Ausländerzuzugs, aber auch eine stärkere Kontrolle der Medien, die in einer Zeit ungebremster Medienkonzentration eine überragende Rolle bei der Meinungsbildung erlangt haben und sich in der Verfassungswirklichkeit neben den drei verfassungsgemäßen Gewalten Parlament, Regierung und Rechtsprechung faktisch zu einer vierten Gewalt in unserer Gesellschaft entwickelt haben.

    (Beifall des Abg. Günter Graf [Friesoythe] [SPD])

    Diese Reformen können andererseits nur auf der Grundlage der geltenden Prinzipien unserer Verfassung gelingen. Diese gilt es zu bewahren und ständig im Bewußtsein der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere der Jugend zu verankern.
    Ich nenne kurz drei Beispiele. Die beste Abwehr gegen eine Erosion unserer Verfassung sind nicht politische Reden sondern das gelebte Vorbild. Eine agitatorische Beschimpfung des Bundesverfassungsgerichts - das hat ja heute schon eine Rolle gespielt -, die über das normale und zulässige Maß einer Urteilsschelte hinausgeht, beschädigt nicht nur das Bundesverfassungsgericht, sondern darüber hinaus unseren gesamten Rechtsstaat. Wenn Rechtsbewußtsein schwindet, sollten Sie die Schuld nicht immer bei den anderen suchen.

    (Beifall bei der SPD)

    Mit Bekenntnissen zum Rechtsstaat allein ist nichts getan. Die Kriminalitätsentwicklung verletzt das Rechtsbewußtsein mit erheblichen Folgen. Kann der Staat angesichts der vorhandenen Kriminalität und der Aufklärungsquoten den gesetzlichen Strafanspruch nicht mehr ausreichend durchsetzen, sinkt zwangsläufig das Vertrauen in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung und die
    Rechtstreue aller Bürger. Die Folgen von Mißtrauen, ja der Mißachtung gegenüber Staat und Recht sind Erscheinungen der Korruption. Die organisierte Kriminalität findet hier ihren Nährboden.
    Was macht die Bundesregierung angesichts dieser Gefahren? Ihre bisherigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Kriminalität, vor allem aber der organisierten Kriminalität, zeigen keinen durchschlagenden Erfolg.
    Nach wie vor wird die Bundesrepublik Deutschland als außerordentlich gut geeignete Waschanlage für unrechtmäßig erworbenes Geld angesehen und benutzt. Um diese Geldwäsche wirksam zu bekämpfen, fehlt bisher eine geeignete Gesetzesgrundlage. Hier wie auch hinsichtlich der Möglichkeit eines wirksamen Abhörens im Milieu der organisierten Kriminalität hat die Koalition ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht. Die Zeit ist gekommen, daß dies jetzt erfolgt.
    Wir stimmen darin überein, daß das staatliche Gewaltmonopol die Voraussetzung war und ist für die Befriedung unserer Gesellschaft. Seine Beseitigung würde längerfristig das allgemeine Staatsverständnis ebenso wie das Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger zum Staat gravierend verändern.
    Schon heute gewährleistet der Staat mit seinen Sicherheitskräften die innere Sicherheit nicht mehr alleine. Das private Sicherheitsgewerbe expandiert. Rechtlich ist das staatliche Gewaltmonopol bisher zwar erhalten geblieben, fraglich ist allerdings, inwieweit seine weitere schrittweise Aushöhlung angesichts der tatsächlichen Entwicklungen und eines öffentlichen Gewöhnungseffektes gestoppt werden kann. Für das private Sicherheitsgewerbe halten wir eine gesetzliche Grundlage für notwendig. Wir werden entsprechende Initiativen einleiten.
    Herr Minister, Sie können mit unserer Aufmerksamkeit für Ihre Politik in Ihrem Bereich rechnen - bei Ihren Taten, aber auch bei Ihren Versäumnissen. Und davon gibt es leider doch einige.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)