Rede von
Ina
Albowitz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den vielfachen Begehrlichkeiten von Behörden, Institutionen und auch Bürgern an die öffentlichen Kassen steht die Verpflichtung des Gesetzgebers zu strikter Sparsamkeit gegenüber. Es liegt auf der Hand, daß in dieser Konstellation reichlich Konfliktstoff liegt.
Im Vergleich zum Haushaltsjahr 1995 ist der Entwurf für den Einzelplan des Bundesministers des Innern leicht angestiegen. Ein direkter Vergleich fällt schwer, weil der Etat durch die Umsetzung des Haushalts der zivilen Verteidigung die Daten verändert.
Dramatisch ist allerdings nach einer ersten Bewertung des Haushalts des Innenministeriums, daß die Personalausgaben des Bundes und des Bundesministers des Innern im besonderen eine Quote von 42,9 % ausmachen. Die öffentliche Hand gab 1994/ 1995 rund 260 Milliarden DM für Personalkosten aus. Wenn wir dazu noch an Versorgungsleistungen und Pensionszahlungen denken, ist dringender Handlungsbedarf geboten. Insoweit sind die Koalitionsfraktionen und der Bundesminister des Innern aufgefordert, die Verschlankung des bürokratischen Systems zu einem Hauptthema zu machen. Wir laden die Opposition gerne dazu ein, Herr Schily, sich daran zu beteiligen.
Das öffentliche Dienstrecht muß reformiert werden und zu einem effizienten und effektiven Zweig einer modernen Dienstleistungsgesellschaft weiterentwikkelt werden. Wir wollen einen von alten Zöpfen befreiten, zukunftsfähigen, modernen Staat, und wir sagen jedem den Kampf an, der versucht, nach dem alten bayerischen Grundsatz zu handeln: Es muß etwas geschehen, aber es darf nichts passieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe schon angesprochen, daß gerade der Haushalt des Innenministeriums immer das Ziel vielfacher Begehrlichkeiten aller Seiten ist. Mehr als viele andere Politikbereiche muß die Innenpolitik schwierige gesellschaftliche Probleme bewältigen, und sie muß den Wünschen und Sorgen der Bürger Rechnung tragen. Das Grundbedürfnis nach Freiheit in Sicherheit, nach Geborgenheit in Kultur und nach Entfaltungsmöglichkeiten in der demokratischen Bürgergesellschaft muß politisch gestaltet und auch finanziert werden.
Aber nicht zuletzt bietet die Innenpolitik in jedem Jahr erneut die Chance, das Staatsverständnis der Regierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen zu dokumentieren und zu manifestieren.
Die innere Sicherheit, heute offensichtlich eines der Hauptthemen in dieser Debatte, ist ein besonders wichtiger Bereich. Gerade dort zeigt sich das Demokratieverständnis eines Staates. Nur wenn sich der Bürger darauf verlassen kann, daß seine individuellen Freiheitsrechte vom Staate geschützt und von den Mitmenschen auch geachtet werden, kann er sich frei entfalten.
Der innere Frieden wird nach liberaler Auffassung aber gerade dadurch gesichert, daß das richtige Maß zwischen der Achtung der Freiheit des einzelnen und der Bekämpfung der ihn bedrohenden Kriminalität gewahrt wird. Für uns Liberale gibt es daran nichts zu rütteln.
Ich betone diese Grundforderung noch einmal ganz besonders, weil gerade in letzter Zeit so unerträglich oft vom Ende des politischen Liberalismus schwadroniert wurde. Diese Versuche werden fehlschlagen, meine Damen und Herren, denn gerade in Fragen der inneren Sicherheit werden die echten Liberalen - Liberale sind offensichtlich immer alle ein bißchen - dringend gegen konservatives Staatsdenken, sozialistische Bevormundung oder grüne Heilslehren gebraucht.
- Das paßt schon dazu. Das vertiefe ich gleich noch, Herr Kollege. Es ist ja auch gut, daß wir unterschiedliche Ansätze haben. Daran zeigt sich die Vielfalt dieser Koalition.
Der Haushaltsansatz zeigt das Bemühen der Bundesregierung, angesichts knapper Haushaltsvorgaben Kräfte zu bündeln, Aufgaben zusammenzufassen und einzelbehördliche Effektivität zu steigern, um das richtige Maß zwischen Freiheit und Kriminalitätsbekämpfung zu finden.
Für das BKA wird ein Mehrbedarf gegenüber 1995 in Höhe von knapp 56 Millionen DM eingesetzt. Der größte Teil entfällt auf die Erhöhung der Personalkosten zur Bekämpfung von Rauschgiftkriminalität und organisierter Kriminalität sowie auf Tarif- und Besoldungserhöhungen.
Aber auch die verstärkten Bemühungen, den politischen Extremismus, den Nuklearterrorismus bzw. internationale Bandenkriminalität zu bekämpfen, erfordern eine angemessene Reaktion des Gesetzgebers. Hierauf entfällt ein erheblicher Teil der neuen Planstellen.
Ähnliches gilt für den Bundesgrenzschutz, für den ein Mehrbedarf in Höhe von rund 204 Millionen DM gegenüber 1995 vorgesehen ist. Der Grenzschutz hat
Ina Albowitz
durch Übertragung der Aufgaben von Bahnpolizei und Luftsicherheit sowie die Schwerpunktsetzungen im grenzpolizeilichen Bereich tiefgreifende Änderungen erfahren und erfährt sie weiterhin.
Insbesondere besteht das Erfordernis der größtmöglichen Flexibilität und Mobilität als Reaktion auf hochmobile, grenzüberschreitende Kriminalität. Der BGS hat gerade nach dem Wegfall der inneneuropäischen Grenzen erheblich an Bedeutung gewonnen. Die deutschen Außengrenzen und Flughäfen sind leider immer noch ein beliebter Tummelplatz für Rauschgifthändler, Schlepperbanden und Menschenhändler, und ich befürchte, daß die Aufgaben eher noch größer werden.
Die Polizei des Bundes muß mit einer nahezu unveränderten Stellenplanung eine immer größer werdende Zahl von Aufgaben wahrnehmen. Ich habe schon die warnenden Hinweise vor einer personellen und aufgabenmäßigen Überforderung im Ohr. Wir sollten sie ernst nehmen.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, letztes Wochenende konnte man der Presse entnehmen, daß Sie, Herr Bundesminister, die Novellierung des Staatsangehörigkeitsrechts endlich in Angriff nehmen wollen. Wir haben immer wieder die Erfüllung der Koalitionsvereinbarungen beim Staatsbürgerschaftsrecht angemahnt. Ihr Vorschlag, Ausländern schon nach zehn Jahren die Einbürgerung zu ermöglichen, geht in die richtige Richtung. Wir warten deshalb sehr interessiert auf Ihre konkreten Vorschläge.
Dasselbe gilt auch für Johannes Gersters Einlassungen zur Kinderstaatszugehörigkeit. Uns - ich mache überhaupt kein Hehl daraus - ist dieser Vorschlag sympathischer als die Vereinbarung der Koalition, zumal alle Fachleute inzwischen große Schwierigkeiten mit dieser Regelung voraussagen.
Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, unsere Kollegin Cornelia Schmalz-Jacobsen, hat mehrfach auf diese Probleme hingewiesen.
Die Integration von ausländischen Mitbürgern, Herr Innenminister, ist keine Gefälligkeitspolitik, sondern sie dient dem inneren Frieden in diesem Land und betrifft deutsche und nichtdeutsche Mitbürger.
Unser Staatsbürgerschaftsrecht ist nicht mehr zeitgemäß. Deshalb fordert meine Fraktion den Bundesinnenminister mit Nachdruck zum Handeln auf.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die klassische Kulturförderung sind für 1996 rund 700 Millionen DM etatisiert. Davon sollen 60 Institutionen Zuwendungen erhalten. Damit hat die institutionelle Förderung einen Anteil von rund 90 %. Dieser Anteil ist uns zu hoch.
Eine effektive Kulturpolitik hängt auch davon ab, daß statt Institutionen verstärkt Projekte gefördert werden. Dies gibt auf der einen Seite dem Staat die Möglichkeit relativ spontaner Schwerpunktsetzungen, andererseits ermöglicht es größere Flexibilität auf der Seite der Kulturschaffenden. Daran müssen wir arbeiten.
Rund 330 Millionen DM des Kulturhaushaltes fließen in die neuen Länder und in die östlichen Stadtbezirke von Berlin. Insgesamt erhält Berlin rund 325 Millionen DM. Dazu kommen noch die Mittel in Höhe von rund 60 Millionen DM für die Kulturförderung im Rahmen des Hauptstadtvertrages.
Auch im Jahre 1996 wird das Leuchtturmprogramm Ost mit 20 Millionen DM gefördert. Hierdurch kann das Fortbestehen einiger herausragender Einrichtungen gesichert werden.
Flankiert wird dies von einem Zuwachs der Förderung im Bereich der Gedenkstätten, wo nunmehr auf rund 42 Millionen DM aufgestockt werden soll.
Meine Damen und Herren, die Kulturförderung des Bundes hat grundlegende Bedeutung für die Akzeptanz der Demokratie in der Bevölkerung. Vor dem Hintergrund, daß der Finanzierungsrahmen durch die Plafondierung eine gewisse Sicherheit bis 1999 gibt, wird der Gesetzgeber auch dieser Aufgabe gerecht. Allerdings ist meine Fraktion der Meinung, daß gerade bei der Kulturförderung viel Raum sein muß für private Initiativen, für Mäzenatentum im positiven Sinne und für Kultursponsoring.