Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich soll heute das dritte Mal eine kurze Rede halten. Ich möchte aber auf eines aufmerksam machen, nachdem ich heute wiederum erlebt habe, wie Abgeordnete der PDS zum Teil behandelt werden, indem sie da sind und gleichzeitig sozusagen nicht da sind,
indem sie Fragen stellen und gleichzeitig auf ihre Fragen keine Antworten gegeben werden. Ich möchte nur darauf hinweisen: Dies wirkt zurück in die Wahlkreise.
- Ja, es ist so, Herr Kollege Feilcke. Ich komme aus Mecklenburg-Vorpommern, und 20,3 % waren mein schlechtestes Wahlergebnis im letzten Jahr. Mich fragt dieses Fünftel der Bevölkerung: Warum werdet ihr so behandelt?
Wenn mir ein Bonner Taxifahrer, der Rügen sehr gut kennt, sagt, ihr werdet das nächste Mal mit Stimmen überschüttet und gewählt werden, so daß ihr euch nicht wiedererkennt, dann frage ich mich, ob nicht das richtige Gefühl bei einzelnen in der Bevölkerung, aber auch hier, vorhanden ist, daß das so nicht geht. Nehmen Sie mich als Beispiel. Wenn Sie uns überzeugen wollen, dann müssen Sie besser argumentieren.
Wenn Sie das nicht mehr wollen, dann schreiben Sie ein Fünftel bis ein Viertel der Bevölkerung im Osten ab.
Ich möchte versuchen, dies im Zusammenhang mit dem Thema, das hier zur Debatte steht, darzustellen. Vielleicht behagt es Ihnen nicht, wie ich denke oder rede, aber setzen Sie sich damit auseinander, so daß Sie auch Menschen gewinnen und nicht nur ausgrenzen.
Jahrelange Versprechen der Bundesregierung und zentrale Forderungen der Nichtregierungsorganisation werden mit dem Planteil 23, dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit, nicht erfüllt.
Dr. Willibald Jacob
Das Verhältnis zu den Entwicklungsländern, wie es sich auch in anderen Planteilen widerspiegelt, sollten wir so nicht wünschen. Es widerspricht allen Erfahrungen von Mitarbeitern in Entwicklungsdiensten, die um Menschen und menschenwürdige Lebensbedingungen besorgt sind.
Erstens. Die öffentliche Entwicklungshilfe geht bis auf 0,33 % des Bruttosozialproduktes zurück. 0,7 % sind versprochen worden, zuletzt auf dem Weltsozialgipfel in Kopenhagen 1995.
Zweitens. Aus den ärmsten Ländern kommen Einnahmen in Höhe von 1,5 Milliarden DM über Tilgungen und Schuldendienst.
Drittens. Wesentliche Ausgaben werden für infrastrukturelle Großprojekte getätigt, wie z.B. die U-Bahn in Shanghai, gegen alle Bitten, Vorschläge und Forderungen von erfahrenen Mitarbeitern und Experten.
Viertens. Förderungen sind an den Interessen der deutschen Wirtschaft ausgerichtet, indem deutsche Unternehmen z. B. in den Stand versetzt werden, einheimische Betriebe aufzukaufen.
Fünftens. Die Subsumierung der Förderung Osteuropas unter „Entwicklungshilfe" ist genau das, was Kenner seit 1989 befürchtet haben: die radikale Kürzung der Mittel für den Süden.
Die Folgen dieser Politik sind wachsende Arbeitslosigkeit auch in den Entwicklungsländern, Ausgrenzung von Millionen von Menschen und eine Zerstörung ihrer kulturellen Identität. Mehr und mehr Menschen begreifen, daß hier im eigenen Land und in den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas die gleichen ökonomischen Mechanismen wirken: Es entstehen Zonen des Wohlstands in den ökonomischen Zentren und Regionen der Unterentwicklung an den Peripherien. Privatisierung und Deregulierung der Wirtschaft stoßen Menschen in ein Nichts, wie wir es uns kaum vorstellen können. Es ist deshalb nur verständlich, wenn in einer solchen Situation auch konservative Menschen die Notbremse ziehen, weil sie Unterentwicklung und die Zerstörung von kulturellen Identitäten fürchten. Dafür zwei Beispiele:
Erstens. Der Bischof von Honduras und Präsident des lateinamerikanischen Bischofsrates fordert den Erlaß der lateinamerikanischen Auslandsschulden von heute 533 Milliarden Dollar. Einst wurden 96 Milliarden Dollar Kredite aufgenommen.
Zweitens. Der Primas von Polen, Kardinal Glemp, hat bei einem Treffen von 100 000 Jugendlichen in Tschenstochau -