Herr Kollege Hauchler, ich bestätige Ihnen, daß der Anteil der deutschen Entwicklungshilfe, gemessen am Bruttosozialprodukt, in der Vergangenheit zurückgegangen ist. Ich bestätige Ihnen auch, daß der Anteil des Einzelplans 23 am Gesamthaushalt zurückgegangen ist. Dies war falsch, aber vor dem Hintergrund der Finanzierungsprobleme der deutschen Einheit erklärlich. Das mußte geändert werden. In dem neuen Haushaltsentwurf vollziehen wir endlich die Wende.
Damit, lieber Herr Kollege Hauchler, komme ich zum zweiten Punkt. Ich halte nichts davon, daß wir in dem von Ihnen beschriebenen Zusammenhang mit ausgestreckten Fingern ausschließlich auf die Bundesregierung zeigen. Wenn Sie der historischen Wahrheit die Ehre geben, werden Sie zugeben, daß der Etat für den Einzelplan 23 in der Vergangenheit bei den Haushaltsberatungen mit niedrigeren Ansätzen aus dem Bundestag herauskam, als von der Bundesregierung im Entwurf vorgesehen war. Damit sage ich: Es liegt in der Verantwortung dieses Hauses, der Abgeordneten in diesem Saal, in den Fachausschüssen dafür Sorge zu tragen, daß dies in der neuen Runde nicht wieder geschieht.
Roland Kohn
Dritter Punkt. Ich habe darauf hingewiesen, daß es noch wichtigere Betrachtungsweisen als die quantitativen gibt, nämlich die inhaltlichen. Nun kann ich dies in der mir zur Verfügung stehenden Redezeit nicht weit ausführen; ich will aber doch einige Stichworte nennen.
Erstens. Für uns Liberale stellt sich die Frage: Was machen wir mit dem Geld, das wir zuvor den Bürgern durch Steuern weggenommen haben? Setzen wir es effektiv, wirksam und wirkungsvoll ein? Meine Zweifel daran beruhen darauf, daß meines Erachtens im Bereich der Entwicklungspolitik zuviel Gelder für konsumtive Zwecke ausgegeben werden.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Niemand wird in Frage stellen, daß in Notsituationen geholfen werden muß. Das sage ich ausdrücklich. Wenn wir aber eine intelligente Entwicklungspolitik betreiben wollen, muß der Grundgedanke sein, daß wir die Strukturen aufbauen, damit in den Ländern der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, in unseren Partnerländern, auf Dauer die Rahmenbedingungen vorliegen, die einen sinnvollen Einsatz unserer Mittel und damit der Mittel der Steuerzahler ermöglichen. Deswegen sage ich: Entscheidend muß das Kriterium der Nachhaltigkeit sein. Darum müssen wir die Strukturen und Rahmenbedingungen verbessern.
Zweitens. Herr Kollege Hauchler, die sozialdemokratische Fraktion hat, vertreten durch Sie, vor wenigen Tagen einen Gesetzentwurf für die Organisierung dieses Bereiches vorgelegt. Wir werden das sehr sorgfältig diskutieren und beraten. Ich will dem nicht vorgreifen, kann Ihnen aber die Frage nicht ersparen, wie denn der Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, mit der Aussage der Sozialdemokratischen Partei im Bundestagswahlkampf zusammenpaßt, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit abzuschaffen. Ich bekomme diese beiden Vorgänge nicht auf einen Nenner. Hier gibt es Erklärungsbedarf. Ich bin gespannt, was Sie im Ausschuß dazu sagen.
Drittens. Ich denke, daß wir in Zukunft einen wichtigen Schwerpunkt im Bereich Osteuropa, der neuen unabhängigen Staaten im Osten, setzen müssen. Hier ergibt sich nicht nur auf Grund der geographischen Nähe für uns eine besondere Verantwortung und Betroffenheit. Ich denke, daß bei den Beratungen hier noch ein Stück weit der Versuch gemacht werden muß, zugunsten dieser Länder umzusteuern.