Rede von
Carl-Dieter
Spranger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angemessene deutsche Leistungen in der Entwicklungszusammenarbeit sind ein wichtiges Signal dafür, daß Deutschland seine Verantwortung in der Welt erkennt und ihr gerecht werden will. Unsere Entwicklungspolitik genießt weltweit Anerkennung, weil sie auf einer modernen und schlüssigen Konzeption beruht. Als Politik der Zukunftssicherung dient die Entwicklungspolitik nicht nur der Unterstützung unserer Partnerländer, sondern auch unseren eigenen Interessen.
Moderne Entwicklungspolitik ist mehr als Überlebenshilfe für die Schwachen in unserer Welt. Sie darf nicht als Almosen, das der Beruhigung unseres Gewissens dient, mißverstanden werden. Moderne Entwicklungspolitik erhebt den Anspruch, zu globalen Strukturveränderungen beizutragen.
Auch im Rahmen unserer auswärtigen Beziehungen spielt die Entwicklungspolitik eine zunehmend wichtige Rolle. Vorhaben zum Schutz der Menschenrechte, zur Förderung von politischer Teilhabe, zur Rechtsstaatlichkeit sind Beispiele aktiver deutscher Friedenspolitik.
Dort, wo sich Demokratie und Soziale Marktwirtschaft nachhaltig festigen, wird die Gefahr bewaffneter Auseinandersetzungen, die in aller Regel auch für uns zu Sicherheitsrisiken und finanziellen Folgelasten führen, geringer. Ich glaube, die zentrale Rolle der Entwicklungspolitik für unsere Zukunft ergibt sich aus dieser Beschreibung sehr deutlich.
Die Kürze der Zeit gibt mir nur die Möglichkeit, einige Anmerkungen zu regionalen und sektoralen Schwerpunkten für den Haushalt 1996 zu machen.
Was die regionale Situation anbelangt, bleibt Afrika südlich der Sahara weiterhin die größte Empfängerregion. Abgesehen von der besonderen humanitären Verpflichtung dürfen wir einen Kontinent, von dem erhebliche globale Risiken ausgehen, nicht vernachlässigen.
Als Schwerpunktbereich schält sich zunehmend auch die Mittelmeerregion und der Nahe Osten heraus. Diese für uns wegen der engen Nachbarschaft zu Europa und der Wanderungsbewegung besonders bedeutsamen Regionen bedürfen auch angesichts der Gefahr des islamischen Extremismus und des Terrorismus, die eine friedliche Entwicklung bedrohen, unserer besonderen Aufmerksamkeit.
Bundesminister Carl-Dieter Spranger
Bei meinem Besuch im Nahen Osten vor wenigen Tagen haben alle Gesprächspartner deutlich gemacht, wie wichtig der wirtschaftliche Aufbau und die soziale Absicherung der Menschen für den Friedensprozeß sind. Hier leistet die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wirklich Pionierarbeit. Sie will über konkrete grenzüberschreitende Vorhaben z. B. bei der Wasserversorgung und der Verkehrsinfrastruktur die Partner des Friedensprozesses bei der gemeinsamen Lösung von Existenzfragen für die ganze Region unterstützen. Unsere Zusammenarbeit hier will mithelfen, den Frieden für die Menschen erlebbar zu machen. Das ist auch im Hinblick auf unsere Geschichte ein politisches Werk von großer Symbolkraft.
Schließlich legen wir besonderen Wert auf die Zusammenarbeit mit den Ländern Mittel- und Osteuropas und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Mit einem Gesamtvolumen von knapp 400 Millionen DM ist nunmehr der größte Teil der Osthilfe im Haushalt des BMZ verankert und wird wirkungsvoll und rasch, wie alle Partner bestätigen, eingesetzt und umgesetzt.
Unsere Entwicklungspolitik setzt an den richtigen Stellen an. Das ist an sich seit langem unbestritten. Die Kritik der SPD an der Entwicklungspolitik der Bundesregierung, die im Vorfeld dieser Debatte laut wurde, ist nicht einmal mehr als Selbstzweck verständlich. Ihre Behauptungen, Herr Kollege Hauchler, die Mittel für Armutsbekämpfung und Grundversorgung, Bildung und Bevölkerungspolitik würden 1996 zurückgefahren, sind falsch und leicht widerlegbar.
Der Anteil der grundbedürfnisorientierten Vorhaben stieg von 42 % 1991 auf 54 % 1996. Die beachtlichste Steigerung wurde gerade in dem konzeptionell besonders schwierigen Teil der selbsthilfeorientierten Armutsbekämpfung erreicht, nämlich von 8 % 1991 auf nunmehr 18,5 %. Ich sage ganz offen: Damit dürfte die Grenze des bei der gegenwärtigen Personal- und Mittelausstattung des BMZ Möglichen erreicht sein.
Für Bildung und Ausbildung haben wir die Ansätze von 165 Millionen DM auf 429 Millionen DM erhöht, also ebenfalls mehr als verdoppelt. In der Familienplanung werden inzwischen bilateral und multilateral dreimal so viele Mittel wie 1990 bereitgestellt: Von damals 74 Millionen DM gelang ein Zuwachs auf 207 Millionen DM. Wenn man also die Entwicklungspolitik wirklich voranbringen will, wie ich es auch manchen Äußerungen von Kollege Hauchler entnehme, dann sollte man diese unbestreitbaren Leistungen der Bundesregierung nicht in Abrede stellen, sondern anerkennen.
Die gesellschaftliche Basis, die diese Politik mitträgt, wird immer breiter. Wann hat es das schon gegeben, daß die deutschen Kirchen, die Gewerkschaften und zahlreiche Nichtregierungsorganisationen unterschiedlichster politischer Neigung von einem großen Konsens in der deutschen Entwicklungspolitik sprechen und die Entwicklungspolitik der Bundesregierung einmütig unterstützen, wie es auf der von German Watch initiierten Pressekonferenz im August deutlich wurde? Unsere Bemühungen, seit 1991 mit einer überzeugenden Konzeption und einem vertrauensvollen, engen Meinungsaustausch eine neue Qualität des Zusammenwirkens zu schaffen, tragen nun Früchte.
Die Entwicklungspolitik hat heute eine Lobby, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, an einer langfristigen Politik der globalen Zukunftssicherung lokal, regional, national und international zu arbeiten.
Ich darf Sie, meine Damen und Herren, bitten, sich dieser Lobby anzuschließen. Unterstützen Sie die Bundesregierung in ihrem Bemühen, die finanzielle Basis für diese über unsere Zukunft mitentscheidende Politik zu verstärken!