Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kümmern Sie sich um Ihren Laden,
damit er es uns rechtzeitig zustellen kann und Sie nicht in eine Situation hineinbringt, in die Sie sich eben selbst mit hineinmanövriert haben, weil Sie nicht sorgfältig genug gewesen sind!
Wir werden morgen auch über den Stand unserer Unterrichtung, wie er war und ist, mit Ihnen reden. Ich mache Ihnen heute keinen konkreten Vorwurf. Wir werden prüfen, ob Sie Ihrer Informationspflicht verantwortlich gerecht geworden sind.
CDU und CSU und auch die F.D.P. - der geschätzte Kollege Koppelin hat das ebenfalls getan - haben sich über kritische Betrachtungen meiner Kollegin Matthäus-Maier zum Verteidigungsetat geäußert und die Krokodilstränen, die alljährlich kommen, ja kommen müssen, vergossen. Nur hat diese Koalition den Verteidigungsetat in den Jahren 1992, 1993 und 1994 selbst kräftig gekürzt
und konzeptionslos in den Etat hineingeschnitten. Einmal waren es sogar über Nacht 1,25 Milliarden DM. Da haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nur noch staunen können, wie Sie hier hineingeschnitten haben. Wir hielten damals - ich erinnere daran - weit weniger für angebracht.
- Wir lenken nicht ab, vielmehr nennen wir die Dinge beim Namen, weil Sie sie immer vergessen, wenn Sie uns angreifen.
Auch Sie sollten zur Kenntnis nehmen - ich habe es getan -, was meine geschätzte Kollegin Ingrid Matthäus-Maier zum Verteidigungsetat gesagt hat. Sie hat nämlich gesagt: Er ist kein Steinbruch. - Das ist für uns auch eine wichtige Aussage dieser Kollegin.
Walter Kolbow
Wir führen in unserer Fraktion eine solche Debatte, wie Sie sie eigentlich auch zu allen anderen Haushalten unter Ihrer Verantwortung führen müssen, Herr Kollege Waigel, nämlich so, daß kein Etat bevorzugt oder benachteiligt ist, daß jeder, auch der Verteidigungsetat, einer kritischen Überprüfung unterzogen werden muß, ob in ihm Luft drin ist oder nicht, wie es Herr Kollege Glos heute morgen im Deutschlandfunk zum Ausdruck gebracht hat.
Das wird auch in der Zeit zwischen jetzt und der letzten Lesung im November geschehen, nicht mehr und nicht weniger.
Sie, Herr Kollege Rühe, versuchen natürlich, möglichst viel Geld für den Verteidigungsetat zu bekommen. Das ist Ihnen nachzusehen. Wenn Sie das nicht täten, wären Sie am falschen Platz, und wenn ich das nicht täte, wäre ich es im übrigen in meiner Fraktion auch.
Aber Sie stellen die Lage dramatisch dar.
- Das werden wir sehen, wenn die Frau MatthäusMaier Finanzministerin ist und ich da oben etwas mitzureden habe.
- Auch das kann ich nachempfinden, denn manches, was Sie in diesen Tagen anhören mußten, Herr Bundesfinanzminister, macht einem dieses Amt auch nicht besonders erstrebenswert. Aber auf der anderen Seite hört man ja, daß Sie Außenminister werden wollen,
daß deswegen Frau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger ihre Position zu wechseln hat und daß somit wieder ein Karussell - Herr Gerhardt muß ja auch untergebracht werden - bei der F.D.P. ins Rollen kommt. Also lenken Sie mich nicht ab, ansonsten erfahren Sie durch mich nicht, was bei Ihnen künftig geschieht.
Tatsache ist, daß wir erkennen mußten, daß unter Ihrer Verantwortung, Herr Verteidigungsminister, im Rahmen des Vollzuges des Bundeshaushalts bereits im Mai das Dezemberfieber ausbrach. Sie wußten nicht, wie Sie das Geld, das in bestimmten Titeln, auch bei der Beschaffung, eingestellt war, ausgeben sollten. Es wurde über eine halbe Milliarde DM in Ihrem Ressort in den Monaten Mai und Juni verhandelt. Ich erinnere an die „Panorama"-Sendung vom Juli, die das deutlich aufzeigte.
Im übrigen befindet sich in Ihrem Etat noch Luft. Die Kämpfe zwischen Ihnen, Herr Rühe, und Herrn Waigel sind ja durch die Medien gegangen, auch die 200 Millionen DM für den Bosnien-Einsatz aus dem Verteidigungsetat herauszustreichen. Angesichts eines solchen Sachverhalts der Kollegin MatthäusMaier einen Vorwurf daraus zu machen, daß sie mit ihrer Einstellung an den Verteidigungsetat herangeht, weil das ja fast die gleiche Summe ist, und dann zu sagen, sie würde ihn nicht kritisch überprüfen, ist nun auch ihrer Aufgabenstellung gegenüber ungerecht.
Wir unterstützen hier natürlich sparsames Haushalten. Aber wir weisen auch darauf hin, daß es in der Bundeswehr über 2 000 Stabsoffiziere ohne Dienstposten gibt, die somit keine Aufgabe haben und deren Gehalt von der Besoldungsgruppe A 13 aufwärts zu Buche schlägt, und daß gleichzeitig in zunehmendem Maße auch noch Wehrübungen von zur Ruhe gesetzten Berufssoldaten genehmigt werden, die auf Grund der verbesserten finanziellen Regelungen für Reservisten - schauen Sie einmal hinein, Herr Waigel! - erhebliche Kosten verursachen. Man fragt sich dann doch, wofür alles noch Geld da ist. Das paßt alles nicht zusammen. Es spiegelt aber die Konzeptionslosigkeit der ganzen Budgetplanung dieser Bundesregierung wider.
Meine Damen und Herren, über mögliche Auslandseinsätze wird viel gesprochen - das ist auch richtig so -, über die schwierige Lage der Soldatinnen und Soldaten, der zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bundeswehr weniger.
Dabei ist es nicht übertrieben, wenn ich hier feststelle - ich habe mich im Sommer bei Truppenbesuchen davon überzeugen müssen -, daß die Stimmung in der Bundeswehr so schlecht ist wie nie zuvor in ihrer Geschichte.
Ich konnte mich davon überzeugen und gebe Ihnen auch gleich einige Belege, die nachvollziehbar sind.
- Herr Kollege Wilz war ja ein paar Tage vor mir bei der Panzerbrigade 12 in Amberg. Mir haben die Soldaten erklärt, was sie ihm z. B. zu W 10 Kompakt gesagt haben. Ich komme darauf gleich zurück.
Walter Kolbow
Bei einem so schlechten Betriebsklima müßte sich der Chef des Betriebes zumindest beim Aufsichtsratsvorsitzenden zum besonderen Rapport melden, wenn nicht gar gehen; denn ein Unternehmen könnte in solch einer psychologischen Situation nicht weiterbestehen.
Wenn Sie nur einen Bruchteil Ihrer Aufmerksamkeit und Ihrer Energie - die unbestreitbar vorhanden ist, Herr Bundesminister -, die Sie insbesondere den außen- und sicherheitspolitischen Interessen widmen, den Soldaten und den zivilen Mitarbeitern zuteil werden ließen, dann wäre es heute wesentlich besser um die Bundeswehr bestellt. Auch ich mache gerne Besuche im Ausland bei wichtigen internationalen Partnern und weiß, daß das wichtig ist. Wägen Sie das aber künftig besser ab, machen Sie die eine oder andere Reise weniger! Dann haben Sie weniger Streit mit dem Außenminister,
und die Soldaten werden es Ihnen danken. Denn dann können Sie ein Minister für die Soldatinnen und Soldaten und die zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden, was Sie bisher, bis zum heutigen Tage, nach dreijähriger Amtszeit, nicht sind.
Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, Ihre Bilanz in der Verteidigungspolitik ist nach einem Jahr Regierungsverantwortung in der neuen Legislaturperiode mehr als dürftig
und entlarvt Ihren öffentlichkeitswirksam vertretenen Anspruch auf Reformen in der Bundeswehr als eine Täuschung. Ihre Reformen erschöpfen sich im strukturellen Umbau der Streitkräfte, im Kästchendenken - und das ist zu wenig. Gefragt ist die Reform unserer Streitkräfte.
War die Koalitionsvereinbarung schon Ihr kleinster gemeinsamer Nenner für diesen Umbau der Bundeswehr, so ist ihre Konkretisierung, insbesondere mit dem sogenannten W-10-Kompakt-Wehrdienst, gründlich mißlungen. Die Verkürzung des Grundwehrdienstes auf zehn Monate bringt mehr Nachteile und schafft mehr Probleme, als sie löst - nicht nur weil die Wehrpflichtigen, die im Anschluß an ihren Wehrdienst studieren wollen, lange Wartezeiten haben, da der Beginn des Studiums nicht übereinstimmt mit dem Ende des Grundwehrdienstes, sondern auch weil W 10 bei der Bundeswehr selbst, nämlich in der Truppe, neue und unnötige Schwierigkeiten mit sich bringt. Die quartalsweise Einberufung ist einfacher zu organisieren als ein zweimonatiger Einberufungsrhythmus.
Die Schwierigkeiten werden ja besonders deutlich an der Tatsache, daß selbst der Herr Bundeskanzler nicht hinter diesem Konzept steht, wie man nach seinem Ausflug nach Eggesin hören konnte. Die „Welt", sicherlich kein sozialdemokratisches Kampfblatt
- bei dem Kruzifix-Urteil hat es Sie allerdings stark enttäuscht -, hat den Bundeskanzler, gefragt nach der Ausgestaltung dieser Wehrform, mit den Worten zitiert: „Wenn Sie mich fragen, ob ich das alles für optimal halte, dann kommt meine klare Antwort: Nein." Deutlicher hätte er seine Meinung nicht ausdrücken können.
Der Kollege Rose, der in seine heutigen grundlegenden Ausführungen zur Verteidigungspolitik einen pflichtgemäßen Oppositionsangriffsaufschwung einbaute, hat sich im „Focus"-Interview auch zu W 10 geäußert. Da hat er wörtlich zum Ausdruck gebracht: „Es besteht Gefahr für die Wehrpflicht." So sehen wir das auch.
Diese Aussagen braucht man nicht zu kommentieren. Sie sprechen für sich. Die Frage muß aber schon erlaubt sein: Warum haben Sie in den Koalitionsverhandlungen - und wer ist da letztlich verantwortlich? - einen solchen Wehrdienst beschlossen und halten unverbrüchlich daran fest?
Sie erheben den Anspruch, die Wehrpflicht zu modernisieren und ihren Stellenwert, der in der Gesellschaft auf einem Tiefpunkt angelangt ist, zu verbessern. Dieser Anspruch hat sich jedoch bereits heute als hohl erwiesen.
Wer nämlich bei den sozial Schwächsten, den Wehrpflichtigen, zum 1. Januar 1996 zusätzlich das Entlassungsgeld und das Weihnachtsgeld weiter kürzen will, wer die wöchentliche Rahmendienstzeit im Wehrdienst auf 46 Stunden verlängern will und wer einen Dienstzeitausgleich erst nach dem siebten Monat finanziell vergüten will, der setzt die Wehrpflicht leichtfertig aufs Spiel.
Außerdem kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, Kolleginnen und Kollegen, daß die Bundesregierung und auch Teile der Koalition im Grunde nichts unversucht lassen, die Wehrpflichtigen gegen die Zivildienstleistenden auszuspielen und umgekehrt. Wie anders wäre es sonst zu erklären, daß erst jetzt das Anerkennungsverfahren für Kriegsdienstverweigerer auf eine „normale" und bei allen Verwaltungen übliche Verfahrensweise gestellt wird, nämlich daß ein Antragsteller nur einmal durch die Behörde aufgefordert werden muß, bestimmte Unterlagen vorzulegen.
Bevor ich die Frau Wehrbeauftragte anspreche, möchte ich eines feststellen: Der jetzige Platz hier im Saal ist kein angemessener für den Wehrbeauftragten oder die Wehrbeauftragte. Es handelt sich doch
Walter Kolbow
um ein Organ des Parlaments, das mitten unter uns Platz finden müßte -
unabhängig davon, was ich jetzt zu sagen habe.
Ich habe die herzliche Bitte, Frau Wehrbeauftragte - wir hatten auch ein persönliches Gespräch -, daß Sie die entstandenen Irritationen - ich formuliere das einmal so - um Ihre Bezeichnung für Zivildienstleistende aus der Welt schaffen. Sie sagen, Sie seien falsch zitiert worden. Ich habe das durch eine entsprechende Äußerung des Chefredakteurs des „Focus", in dem das Interview wohl gestanden hat, auch als relativiert angesehen. Begegnen Sie aber bitte diesem Eindruck; reden Sie mit den jungen Menschen, auch mit den Zivildienstleistenden, selbst wenn Sie „nur" für die Wehrpflichtigen zuständig sind.
Meine Damen und Herren, meine letzten Bemerkungen möchte ich der inneren Führung widmen. Dabei handelt es sich um ein wichtiges Feld im inneren Gefüge unserer Streitkräfte und in der Sinnstiftung des soldatischen Dienstes. Auch hier habe ich zumindest Zweifel, ob dieses Feld bestellt ist. Ich kann mich nämlich des Eindrucks nicht erwehren, als sei die Zeit nach der sozialliberalen Regierungsverantwortung - das ist zugegebenermaßen leider schon lange her - stehengeblieben oder sogar zurückgedreht worden. Schwerwiegende Defizite sind zu beklagen.
Die Vorfälle mit rechtsradikalem Hintergrund nehmen in alarmierender Weise zu. Schon haben sie die Hochschulen der Bundeswehr ergriffen. Die Mißhandlungen von Wehrpflichtigen durch Wehrpflichtige sind keine Einzelfälle. Die zunehmenden Fälle von Drogenmißbrauch in der Bundeswehr fordern nicht nur den Bundeswehr-Verband zu besorgten Stellungnahmen heraus.
Uns macht es durchaus Sorge, wenn wir bei unseren Besuchen in der Truppe darauf aufmerksam gemacht und aufgefordert werden, uns verstärkt darum zu kümmern, daß die „richtigen Leute" für den Nachwuchs der Bundeswehr gewonnen werden und keine Rambo-Typen; ich zitiere aus Gesprächen.
Leisten Sie der Entwicklung einer sich abzeichnenden Veränderung des geistig-politischen Koordinatensystems des personellen Nachwuchses in unseren Streitkräften nach „rechts", Herr Bundesminister, nicht fahrlässig Vorschub.
Das unterstelle ich Ihnen nicht, aber Sie weigern sich doch wider besseres Wissen, die nationalsozialistisch belasteten Namen der Dietl- und der KüblerKaserne zu ändern. Das ist ein Punkt und ein Symbol dafür, wo Sie im Augenblick in Bewältigung dieser Probleme in den Streitkräften stehen, wenn Sie das nicht schnellstens ändern und diese Namen in den Papierkorb der Geschichte werfen.
Wir werden in den nächsten Tagen und Wochen zusammensein und das 40jährige Bestehen der Bundeswehr begehen. Ich weiß, daß wir dann auch zum Ausdruck bringen werden, daß wir im Grundkonsens zur Landes- und Bündnisverteidigung stehen. Bei international notwendigen Einsätzen wird einiges unterschiedlich gesehen werden, aber zu einem sollten wir uns alle zusammenfinden, nämlich anläßlich des 40jährigen Bestehens denjenigen, die in den Streitkräften gedient haben, und denen, die im Augenblick dienen, unseren Dank auszusprechen.
Wir müssen denjenigen, die in unserem Land vor der Frage stehen, ob sie als Wehrpflichtige in die Streitkräfte gehen oder ob sie Ersatzdienst leisten wollen, sagen, daß die Bundeswehr ein konstitutives Element unserer Verfassung ist, die die Soldaten als Staatsbürger in Uniform nicht nur in unserer Gesellschaft, sondern auch in der Weltbürgergemeinschaft der Vereinten Nationen sieht.
Herzlichen Dank.