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    Plenarprotokoll 13/51 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 51. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. September 1995 Inhalt: Begrüßung des Erzbischofs von Kapstadt, Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu sowie des Abgeordneten Jan Nico Scholten (Niederlande) . . . . . . 4240 B Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 Haushaltsgesetz 1996) (Drucksache 13/2000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 (Drucksache 13/2001) Rudolf Scharping SPD . . . . . . . . . 4217 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 4226 C Peter Dreßen SPD 4231 A Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4235 B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 4240 B Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . 4246 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 4249 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS . . . . 4260 A, 4340 B Günter Verheugen SPD . . . . . . . . 4260 C Eberhard Diepgen, Regierender Bürgermeister (Berlin) 4266 A Thomas Krüger SPD 4268 A Dr. Christa Luft PDS 4269 B Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4271 A, 4278 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . . 4272 C Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 4278 C Andrea Lederer PDS 4279 D Dr. Klaus Rose CDU/CSU 4281 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . 4283 C, 4289 B Jürgen Koppelin F.D.P 4285 A Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 4286 C Freimut Duve SPD 4288 C Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 4289 C Norbert Gansel SPD 4291 B Walter Kolbow SPD 4292 A Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . 4295 D Dietrich Austermann CDU/CSU . 4296 A, 4299 B Walter Kolbow SPD 4297 A Paul Breuer CDU/CSU 4297 D Manfred Opel SPD 4298 D Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 4299 C Dr. Ingomar Hauchler SPD 4300 D Dr. Winfried Pinger CDU/CSU . 4301 D, 4304 A Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4303 B Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU . . . 4304 C Roland Kohn F.D.P. 4305 A Dr. Ingomar Hauchler SPD . . . 4305C, 4308 B Dr. Willibald Jacob PDS 4306 C Michael von Schmude CDU/CSU . . . 4307 D Manfred Kanther, Bundesminister BMI 4309 B Otto Schily SPD . . . . . . . . . . 4312 B Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4316A Ina Albowitz F.D.P. 4318 A Ulla Jelpke PDS 4320 C Horst Eylmann CDU/CSU 4322 A Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 4322 D Dr. Rupert Scholz CDU/CSU . . . . . 4323 B Fritz Rudolf Körper SPD . . . . . . 4326 A Heinz Dieter Eßmann CDU/CSU . 4327 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . 4329 D Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 4331 C Dr. Rupert Scholz CDU/CSU 4332 C Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ CSU 4335 C Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . 4336 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . 4337 D Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 4339 A Manfred Kolbe CDU/CSU 4341 B Nächste Sitzung 4342 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4343* A Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1995 4217 51. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. September 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 6. 9. 95 Andres, Gerd SPD 6. 9. 95 Behrendt, Wolfgang SPD 6. 9. 95 * Blunck, Lilo SPD 6. 9. 95 * Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 6. 9. 95 Frick, Gisela F.D.P. 6. 9. 95 Grießhaber, Rita BÜNDNIS 6. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 6. 9. 95 Hoffmann (Chemnitz), SPD 6. 9. 95 Jelena Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 6. 9. 95 Dr. Jork, Rainer CDU/CSU 6. 9. 95 Dr. Knake-Werner, PDS 6. 9. 95 Heidi Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 6. 9. 95 Angelika 90/DIE GRÜNEN Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 6. 9. 95 Karl-Hans Leidinger, Robert SPD 6. 9. 95 Lemke, Steffi BÜNDNIS 6. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 6. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Lenzer, Christian CDU/CSU 6. 9. 95 Lotz, Erika SPD 6. 9. 95 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lüth, Heidemarie PDS 6. 9. 95 Neuhäuser, Rosel PDS 6. 9.95 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 6. 9. 95 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 6. 9. 95 Hermann Schätzle, Ortrun CDU/CSU 6. 9. 95 Schenk, Christa PDS 6. 9. 95 Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 6.9.95 Irmingard 90/DIE GRÜNEN Schmidt (Aachen), SPD 6. 9. 95 Ursula Schmitt (Langenfeld), BÜNDNIS 6. 9. 95 Wolfgang 90/DIE GRÜNEN Schultz (Everswinkel), SPD 6. 9. 95 Reinhard Dr. Schwaetzer, Irmgard F.D.P. 6. 9. 95 Simm, Erika SPD 6. 9. 95 Dr. Solms, F.D.P. 6. 9. 95 Hermann Otto Thieser, Dietmar SPD 6. 9. 95 Thönnes, Franz SPD 6. 9. 95 Tippach, Steffen PDS 6. 9. 95 Tröscher, Adelheid SPD 6. 9. 95 Vosen, Josef SPD 6. 9. 95 Wieczorek-Zeul, SPD 6.9.95 Heidemarie Zierer, Benno CDU/CSU 6. 9. 95 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Schäuble


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war nicht überraschend, daß Kollege Scharping ein Interesse daran hat, von der Horrorshow, die seine Partei in den letzten Wochen und Monaten geboten hat, abzulenken, und daß er verlangt, man solle das Ganze beenden. Ein bißchen überraschend war, daß er sagt, die Bundesregierung, der Bundeskanzler und die Koalition mögen sich den Fragen der Zukunft zuwenden. Sie haben sich doch in den letzten Monaten nur mit sich selbst beschäftigt und mit niemand anderem.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich will Ihnen ehrlich sagen, Herr Kollege Scharping, ich habe nicht sympathisch gefunden, was der niedersächsische Ministerpräsident Schröder getrieben hat. Das kann auch niemand sympathisch finden. Aber die letzte Dreiviertelstunde hat in mir eher Verständnis geweckt als verringert.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Krokodil, dein Name sei Wolfgang! Zurufe von der SPD)

    - Es hilft ja nichts. Man müßte hier einen Spiegel aufstellen, damit Sie sich in Ihre eigenen Gesichter schauen könnten. Ich will das Thema gar nicht vertiefen.

    (Zuruf von der SPD: Unverschämtheit! - Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    - Verehrte leidgeprüfte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, je länger Sie Zwischenrufe machen, um so länger bleiben wir bei dem Thema. Es hilft nichts.
    Eines, Herr Scharping, geht wirklich nicht. Wenn Sie in der Aussprache zum Bundeshaushalt 1996 beim Einzelplan des Kanzleramtes in der Generalaussprache über deutsche Politik sagen, wir sollten von den Zukunftsfragen unseres Landes reden, Sie aber zum Bereich der Außenpolitik gerade eineinhalb Sätze in sechzig Minuten zustande bringen, dann zeigt das etwas von der Verkommenheit des Denkens über Prioritäten in Ihrer Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Widerspruch bei der SPD)

    - Doch, das zeigt die Verkommenheit des Denkens über politische Prioritäten in unserem Lande. Wenn man sich einmal vor Augen führt, daß, während Sie ein solches Theater aufgeführt haben, entsetzliche Verbrechen in unserer Nachbarschaft in Europa begangen worden sind, daß der Friede in Europa bedroht ist,

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Das hat er doch gesagt!)

    und Sie dazu keine zwei Sätze in sechzig Minuten zustande bringen, dann zeigt das, daß die Prioritäten in der Politik verkommen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Dr. Wolfgang Schäuble
    Wir haben die französische Entscheidung, Atomwaffenversuche wiederaufzunehmen, bedauert und davon abgeraten, dies zu tun.

    (Lilo Blunck [SPD]: Das ist Ihre Antwort?)

    - Das ist meine Antwort. Ja, natürlich! Verehrte Frau Kollegin, regen Sie sich ab! Sie haben mich gefragt, und da mußte ich antworten. Ob Ihnen die Antwort gefällt, ist eine andere Frage. Herr Scharping hat, anstatt Antworten zu geben, nur Fragen an den Bundeskanzler gerichtet. Das ist verständlich. Auch ich würde an seiner Stelle die Hoffnung auf den Bundeskanzler setzen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr arrogant!)

    Herr Kollege Scharping, ich halte wenig von dem Gedanken, in einer Bundestagsresolution zum Ausdruck zu bringen, was wir alle lange und frühzeitig und klar gesagt haben:

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Na ja!)

    daß wir der französischen Regierung von dieser Entscheidung abgeraten haben, daß wir aber zugleich die deutsch-französische Freundschaft davon unberührt halten wollen und daß wir im übrigen begrüßen, daß die französische Regierung und der französische Präsident für den Abschluß und für die Beendigung aller Atomwaffenversuche - sobald wie möglich - eintreten und daß Frankreich angeboten hat, im Rahmen der gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik, wenn wir sie endlich haben - wir müssen sie erst noch schaffen -, auch über den Beitrag der französischen Nuklearstreitmacht für europäische Sicherheit gemeinsam zu reden; auch dies begrüßen wir ausdrücklich.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei aller Enttäuschung über die Entwicklung in den letzten Stunden muß ich sagen: Ich kann mir, nachdem ich die Berichte des UNO-Abrüstungsbeauftragten aus dem Irak in den letzten Wochen zur Kenntnis genommen habe, in der Welt, in der wir leben, für die absehbare Zukunft europäische Sicherheit nicht ohne eine nukleare Komponente vorstellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wer hat denn in den Irak exportiert?)

    - Ach, lenken Sie doch nicht ab!

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist doch unglaublich! Über zehn Jahre hinweg wurde dort aufgerüstet! Gegenruf von der CDU/CSU: Ruhe!)

    - Jetzt ist der Kollege Fischer wach geworden. Dazu bedurfte es einer besonderen Anstrengung.

    (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich will ein Zweites sagen. Ich glaube, wir sollten gerade in diesen Tagen, in denen die klare und entschiedene Haltung der NATO zum erstenmal die Aussichten für eine politische Lösung des elenden Kriegs in Bosnien und im ehemaligen Jugoslawien zu verbessern scheint, anerkennen, daß gerade Frankreich und der französische Präsident einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet hat, daß die Haltung der NATO so klar und so entschieden geworden ist. Ich will mich dafür bedanken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Aber, Herr Kollege Scharping und Herr Kollege Fischer - Sie haben ja einen dreizehnseitigen Brief zu dieser Debatte beigesteuert; das war Dünndruck in jeder Hinsicht -, was ist es denn für eine Haltung, auf der einen Seite jetzt die Entscheidung und die Maßnahmen der NATO zu begrüßen - Sie, Herr Scharping, haben in Ihrer Rede gesagt, die Antwort der NATO sei klar und richtig gewesen; dem ist zuzustimmen -, aber zugleich kein Wort dazu zu sagen, daß Sie in der Debatte und Entscheidung des Deutschen Bundestags am 30. Juni den notwendigen deutschen Beitrag dazu verweigert haben?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir können doch nicht, wie Ihnen, Herr Fischer, aus Ihrer eigenen Fraktion und Partei zu Ihrem Papier vorgehalten worden ist, sagen: Wir kämpfen bis zum letzten Franzosen. So wird der Friede in Europa nicht sicher werden, und so werden wir unserer Verantwortung nicht gerecht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Deswegen, Herr Kollege Scharping, wäre heute die Stunde gewesen, die falsche Verweigerungshaltung Ihrer Partei und Fraktion zum Einsatz und zum Beitrag der Bundeswehr und der deutschen Soldaten zum Frieden in Jugoslawien und in Europa aufzugeben, zu korrigieren und zurückzunehmen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich will an dieser Stelle den Soldaten der Bundeswehr, den Soldaten der Luftwaffe wie auch denen des Sanitätsverbandes in Split und allen anderen, meinen Dank, den Dank meiner Fraktion und den Respekt für ihren Mut und ihre Besonnenheit zugleich ausdrücken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich finde, sie haben gerade mit ihrer klaren, ruhigen und besonnenen Haltung zugleich ein Beispiel gegeben. Ich habe mir bei manchen Fernsehinterviews gedacht: Wenn alle Verantwortlichen von großen Verbänden aus Wirtschaft, Politik und sonstwo bei öffentlichen Äußerungen so besonnen und verantwortlich wären, wie sich die Soldaten der Bundeswehr, Herr Bundesverteidigungsminister, in diesen schwierigen Tagen und Wochen gezeigt haben, stünde es besser um die gesellschaftliche Wirklichkeit in unserem Lande.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Dr. Wolfgang Schäuble
    Ich will genauso der Bundesregierung, dem Bundeskanzler, dem Bundesverteidigungsminister und dem Bundesaußenminister danken, daß sie in diesen schwierigen Wochen mit Ruhe, Besonnenheit, Zurückhaltung und zugleich Entschiedenheit den uns Deutschen möglichen Beitrag zu einer besseren Entwicklung in diesem Elend von Gewalt und Verbrechen geleistet haben und weiter leisten. Dabei unterstützen wir die Bundesregierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das ist die Schicksalsfrage unseres Landes; denn wenn der Friede in Europa nicht gesichert bleibt oder wieder gesichert wird, wenn Gewalt und unsägliche Verletzungen von Menschenrechten Schule machen, dann ist alles andere nichts. Herr Kollege Scharping, Sie haben zum 1. September an den Satz von einem Ihrer Vorgänger im Amt, Willy Brandt, erinnert, daß der Friede nicht alles ist, aber daß ohne Frieden alles nichts ist. Das ist wahr. Aber dann dürfen wir Deutschen unseren Beitrag dazu nicht verweigern, sonst werden wir unserer Verantwortung für den Frieden nicht gerecht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie haben so wundersame Wandlungen gehabt. Ende vergangenen Jahres haben Sie in Ihrem Weihnachtsbrief noch geschrieben, daß ein deutscher Beitrag zwingend notwendig sei. Im Juni haben Sie dann gesagt, daß man mit Luftangriffen den Frieden auf der Erde nicht erreichen könnte. Das war einer dieser Sätze, die anzuhören einem morgens zwischen 9 und 10 Uhr so schwerfällt, wenn sie so aneinandergereiht werden, weil sie so bedeutungsschwer inhaltlos sind. Sie helfen nämlich keinen Schritt weiter. Jetzt haben Sie wieder gesagt, daß genau dieses die klare, richtige und notwendige Antwort war. Nein, wir müssen ohne jeden falschen Eifer unseren Beitrag leisten, weil wir sonst unserer Verantwortung für unsere und unserer Kinder Zukunft nicht gerecht werden. Deswegen ist es im Interesse der Zukunft unseres Landes mindestens genauso wichtig - so schwer das auch sein mag und so groß die Widerstände bleiben mögen -, daß wir in der europäischen Einigung weiter vorankommen. Herr Bundeskanzler, wir setzen wie Herr Scharping alle Hoffnung auf Sie und Ihre Regierung. Wir werden Sie mit allen Kräften dabei unterstützen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir müssen gegen alle Widerstände, gegen alles, was uns auch im einzelnen nicht gefällt, in dem Prozeß der europäischen Einigung unumkehrbar weiter vorankommen, wenn wir die Verantwortung unserer Generation für eine Zukunft in Frieden und Freiheit nicht versagen wollen.
    Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, eine dritte Bemerkung zu dem machen, was wirklich Zukunftsfragen unseres Landes sind. Es ist in diesen Tagen fünf Jahre her, seit wir den Vertrag über die deutsche Einheit unterzeichnet haben. Ich denke, daß wir bei der Vollendung der deutschen Einheit gut vorangekommen sind. Es ist schwieriger geworden, als wir 1990 geglaubt haben. Aber wir sind viel weiter, Herr Kollege Scharping, als wir es alle miteinander 1992 für möglich gehalten hätten. Was ich allerdings schlimm finde, ist, daß es Ihrem Stellvertreter, Herrn Thierse, aus Anlaß der Unterzeichnung des Einigungsvertrags vor fünf Jahren aus der Feder läuft, daß der Einigungsvertrag auch ein Dokument ideologischen Denkens und Resultat erfolgreicher westlicher Lobbyarbeit sei. Wenn man so mit der deutschen Einheit umgeht, dann ist man unfähig, die Einheit in Deutschland zu vollenden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Im übrigen, Herr Kollege Scharping, was Sie heute zu dem notwendigen Beitrag aus Westdeutschland für den Aufbau in den neuen Bundesländern gesagt haben, das haben wir schon lange gesagt. Ich begrüße, daß Sie es auch gesagt haben. Aber ich habe die Pressemeldungen noch in Erinnerung, in denen Sie Anfang des Jahres gesagt haben, daß der Solidaritätszuschlag nicht notwendig sei und daß Sie ihn bekämpfen würden.
    Ich habe diese Meldungen sogar dabei. Aber wir wollen das nicht vertiefen. Wenn Sie jetzt mit uns gemeinsam die notwendigen Lasten nach vierzig Jahren Teilung sowie sozialistischer Diktatur in einem Teil Deutschlands solidarisch zu tragen bereit sind, ist es gut. Es gilt das, was der Bundesfinanzminister Theo Waigel in seiner so vorzüglichen Rede gestern zum Abbau des Solidaritätszuschlags gesagt hat: So rasch wie möglich wird er abgebaut, aber so lange wie nötig bleibt er erhalten, und er muß solidarisch getragen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Daß Ihre Partei den „Geschmack" aufgebracht hat, das einjährige Jubiläum der Zusammenarbeit von Sozialdemokraten mit Kommunisten in Sachsen-Anhalt mit Sekt im Landtagshof in Magdeburg zu feiern, das, so finde ich, gehört nun wirklich zu den unglaublichen Dingen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie feiern das Jubiläum der Zusammenarbeit mit der kommunistischen PDS. Ich finde, eine Schweigeminute der Schande und der Scham wäre eher angebracht gewesen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Schämt euch! Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie müssen jetzt eine Minute schweigen!)

    - Herr Kollege Fischer, Sie sind nicht mehr allein. Dank der Großzügigkeit der Sozialdemokraten brauchen Sie nicht mehr allein zu sitzen. Ich habe Ihnen schon gestern gesagt, jetzt brauchen Sie nicht mehr soviel zu schreien.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Schweigen Sie doch jetzt eine Minute!)

    - Das machen wir während Ihrer Rede. Dort paßt es auch gut.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)


    Dr. Wolfgang Schäuble
    Wenn die so nichtssagend ist wie Ihr Brief, dann ist es auch besser.
    Herr Kollege Scharping, ich habe mir den schönen Satz aus Ihrer Rede gemerkt, daß Deutschland nicht zum Tummelplatz von Gewalttätern werden darf. Aber dann hätte ich mir schon gewünscht, daß Sie ein Wort zu den unglaublichen Vorfällen in Hannover gesagt hätten.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU - Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Ob und wie die Bundesratsbank besetzt ist, das wechselt hin und her. Das nehmen wir mit geziemender Demut hin. Aber ich erwarte schon, daß der Ministerpräsident des Landes, der die Verantwortung dafür trägt, daß der Rechtsstaat und der innere Frieden in unserem Lande in einer unerträglichen Weise Schaden gelitten haben, hierherkommt und zu seiner Verantwortung für die Schädigung unseres freiheitlichen Rechtsstaates steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Tagelang wurden im Fernsehen Bilder gezeigt, übrigens rund um die Welt, wie Hunderte von Polizisten auf Geheiß der Verantwortlichen für die innere Sicherheit im Lande Niedersachsen zugesehen haben, wie Ladengeschäfte geplündert worden sind. In Berichten von Polizisten, die aus anderen Ländern angefordert worden sind, wird beschrieben, wie es ihnen ergangen ist: Sie mußten sich während dieser Tage in Sportgeschäften Eishockeyschoner beschaffen, weil die Ausrüstung der Polizei für diese gewalttätige Auseinandersetzung völlig unzureichend gewesen ist.
    Meine Damen und Herren, das ist keine Sache von Hannover und von Niedersachsen. Wenn der Staat nicht mehr in der Lage ist, das Gewaltmonopol wahrzunehmen, verkommen der innere Frieden und der freiheitliche Rechtsstaat. Das ist eine Frage von gesamtstaatlicher Bedeutung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir treiben Schindluder mit den Polizisten, und wir treiben Schindluder mit den Interessen der Bürger, die darauf vertrauen, daß ihr Staat Frieden, Freiheit, Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum schützt, wenn durch die Entscheidung der Verantwortlichen der innere Frieden und die innere Sicherheit nicht mehr gewahrt werden. Das hätten Sie sagen müssen, Herr Scharping. Denn es ist eine Sache, die Sie als Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands betrifft.

    (Günter Verheugen [SPD]: Aber es gibt auch so etwas wie Gewaltenteilung in diesem Land!)

    - Wenn irgend etwas schiefgeht, wird sofort nach der Bundesverantwortung gerufen. Herr Bundesgeschäftsführer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, was in Hannover geschehen ist, wirkt weit über das Land Niedersachsen hinaus. Deswegen muß vor dem Forum der Nation, im Deutschen
    Bundestag, darüber geredet werden. Es darf sich nicht wiederholen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Niemand kann ja von Herrn Schröder sagen, daß er in den letzten Wochen und Monaten nicht hinreichend in allen Medien präsent gewesen sei. Aber daß er tagelang zu diesen unglaublichen Vorkommnissen trotz Handy und Hillu kein Wort gefunden hat, ist ein unglaublicher Skandal.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Am Ende sagte er nach tagelangem Wegtauchen: Na ja, wenn solche Ereignisse nur durch eine Änderung des geltenden Rechts zu unterbinden sind, muß man das tun. Und ebenfalls erst nach Tagen sagte er, die Menschen in Hannover hätten ein Recht darauf, daß es zu solchen Gewalttätigkeiten nicht kommt, und es sei die Pflicht der Landesregierung, das ihr Mögliche zu tun, diese zu verhindern. Gegen genau diese Pflicht hat sie verstoßen, genau diese Pflicht hat sie sträflich verletzt.
    Meine Damen und Herren, daß Niedersachsen den Verfassungsschutz in einer unverantwortlichen Weise abgebaut hat, daß die Bereitschaftspolizei in Niedersachsen kaum noch funktionsfähig ist, daß die Ausrüstung der niedersächsischen Polizei nichts taugt, daß das niedersächsische Polizeigesetz nicht die notwendigen rechtlichen Möglichkeiten aufwies und man diese jetzt erst schaffen will,

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerungen] [F.D.P.]: In NRW wird es genauso!)

    das alles, Herr Kollege Fischer, ist eine Folge rotgrüner Politik, an der Ihre Partei ja großen Anteil hat.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Da hilft es wenig, hinterher, wenn das Kind im Brunnen liegt, zu sagen, jetzt müßten Korrekturen vorgenommen werden. Herr Kollege Scharping, weil rot-grüne Politik, ob in Niedersachsen oder in Hessen oder wo immer, stets solche katastrophalen Ergebnisse erzielt, ist es ein solches Desaster, daß wir jetzt im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen auch eine rot-grüne Regierung haben.

    (Zuruf von der SPD: Die werden wir auch in Bonn haben! Stefan Heym [PDS]: Reden Sie über die Arbeitslosigkeit!)

    - Ja, ich wollte gerade dazu kommen. Wenn wir über Arbeitslosigkeit, Wirtschaftswachstum, soziale Sicherheit reden, meine Damen und Herren, dann ist das Allerwichtigste, daß es uns weiterhin gelingt, unsere Wirtschaft in Ordnung zu halten. Wir sind ja gegenwärtig in einer wirtschaftlich guten Lage. Sie haben wenig zum Haushalt gesagt; es fiele Ihnen ja auch schwer.

    (Günter Verheugen [SPD]: Aber Sie! Joachim Poß [SPD]: Sie haben schon viel dazu gesagt, nicht? Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sie reden dauernd über den Haushalt!)


    Dr. Wolfgang Schäuble
    Sie hätten ja vielleicht noch sagen können, was Sie von den Rahmendaten der deutschen Finanzpolitik - das hat ja etwas mit dem Haushalt zu tun - halten. Sie werden ja wohl nicht darüber hinwegsehen können, daß wir die niedrigste Preissteigerungsrate seit Jahren haben, daß wir dank der Finanzpolitik der Bundesregierung, des Finanzministers Theo Waigel und der Koalition die niedrigsten Zinsen seit Jahren haben - das alles trotz der gewaltigen und historisch einmaligen Sonderbelastungen nach 40 Jahren deutscher Teilung -, daß OECD wie Weltbank der Finanzpolitik dieser Bundesregierung Gütezeichen verliehen und sie als vorbildlich für alle Industrieländer bezeichnet haben. Dazu haben Sie natürlich nichts gesagt.
    Aber das ist ja das Entscheidende, denn das sind die Rahmendaten, die die Weichen dafür stellen und die Voraussetzungen dafür schaffen, daß wir wirtschaftlich in einer guten Entwicklung sind, daß wir Schwankungen des Dollarkurses verkraften und eine stetige konjunkturelle Aufwärtsentwicklung verzeichnen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das ist noch nicht alles; aber das ist die Voraussetzung dafür, daß wir überhaupt in der Lage bleiben, weiterhin an der Lösung der vorhandenen Probleme zu arbeiten. Wir hätten nicht die Kraft für die Überwindung der Folgen der deutschen Teilung, für den Aufbau der neuen Bundesländer, wenn wir nicht in einer guten wirtschaftlichen Entwicklung wären. Wir haben nicht die Kraft, in einem weltweit härter werdenden Wettbewerb um Arbeitsplätze und den Standort von Investitionen wettbewerbsfähig und konkurrenzfähig zu bleiben, wenn wir nicht eine gute wirtschaftliche Entwicklung haben.
    Aber wir müssen - auch darüber ist zu reden - diese gute wirtschaftliche Entwicklung weiterhin nutzen. Deswegen muß auch die Finanzpolitik genauso fortgesetzt werden, und deswegen unterstützen wir diesen Bundeshaushalt und werden ihn durchsetzen. Wir müssen sie nutzen, um in einer sich so schnell verändernden Welt die Grundlagen für Wohlstand, für soziale Sicherheit und das Ziel „Arbeit für alle" nicht aus den Augen zu verlieren. Daran muß gearbeitet werden.
    Herr Kollege Scharping, es geht nicht, daß man auf der einen Seite Ludwig Erhard zitiert - das war übrigens die beste Passage Ihrer Rede; das ist kein Wunder -

    (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

    und den Wert der Tarifautonomie verteidigt und dann anschließend in derselben Rede für alle Fehlentwicklungen der Tarifpartner die Bundesregierung verantwortlich macht. Entweder wir haben Tarif autonomie, oder wir haben sie nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn wir Tarifautonomie haben - und wir verteidigen sie -, dann müssen wir allerdings die Tarifpartner auch für das in Anspruch nehmen, wofür sie die Verantwortung tragen. Die Tarifpartner tragen in erster Linie die Verantwortung für Vollbeschäftigung in unserem Lande. Das muß gesagt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zuruf von der SPD: Sie verabschieden sich doch davon!)

    - Nein, ich wehre mich doch nur gegen den Widerspruch. Ich weiß nicht, ob Sie nicht lernfähig sind; wahrscheinlich sind Sie es nicht.
    Der schlimmste Fehler, den Bundeskanzler Brandt 1969 insoweit gemacht hat, war die Abgabe einer Vollbeschäftigungsgarantie durch den Staat. Damit hat er nämlich die Tarifpartner von der Verantwortung für die Vollbeschäftigung scheinbar entbunden,

    (Widerspruch bei der SPD)

    und mit dem Elend haben wir es seitdem zu tun.
    In einem freiheitlichen Staat, in einer Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft mit Tarifautonomie muß der Staat das Seine tun, aber er kann die Tarifpartner nicht von ihrer Verantwortung entbinden. Wer so redet wie Sie, treibt die Entwicklung genau in die falsche Richtung.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wie stellt sich die Situation bei den Investitionsentscheidungen dar? Lassen Sie sich die Zahlen doch einmal geben: Wo sind Investitionen in Arbeitsplätze in Deutschland möglich? Wie ist die Gefahr der Abwanderung?
    Wir wissen doch, daß angesichts einer nicht befriedigenden Lage auf dem Arbeitsmarkt die Gefahr, daß weitere Arbeitsplätze abwandern, nicht gebannt ist, weil jeder Investor, jeder Betrieb immer wieder neu prüfen muß: Bin ich überhaupt noch wettbewerbsfähig?
    Deswegen hilft es doch gar nichts: Wir müssen auch bei den Lohn- und Lohnnebenkosten konkurrenzfähig bleiben oder teilweise erst wieder werden. Auch dafür tragen übrigens in allererster Linie die Tarifpartner Verantwortung.
    Wir kommen deshalb nicht darum herum, flexibler zu werden, zu deregulieren und Lohn- und Lohnnebenkosten zu begrenzen und, wo möglich, auch abzubauen.
    Dazu haben Sie zwar Fragen gestellt, aber nicht eine einzige Antwort gegeben. Ich bitte Sie herzlich: Wenn man den Anspruch hat, deutsche Politik mitgestalten zu wollen, darf man sich nicht darauf beschränken, nur Fragen zu stellen, sondern man sollte gelegentlich auch die eine oder andere Antwort geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)




Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Dr. Schäuble, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dreßen?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Schäuble


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Bitte sehr.