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ID1304905600

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    Plenarprotokoll 13/49 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 49. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. Juli 1995 Inhalt: Erklärung zur Lage in Bosnien 4045 A Erweiterung der Tagesordnung 4045 D Tagesordnungspunkt 1: Vereinbarte Debatte zum Jahressteuergesetz 1996 Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 4046 A Ingrid Matthäus-Maier SPD . . . . . . 4048 B Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . 4052 A Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . . . . . . 4054 B Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . 4054 D Dieter Heistermann SPD . . . . . . . 4057 A Dr. Gregor Gysi PDS 4057 D Hans-Peter Repnik CDU/CSU . . . . 4059 D Klaus-Dieter Kühbacher, Minister (Brandenburg) 4063 C Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . 4065 C Friedrich Merz CDU/CSU 4066 C Joachim Poß SPD 4068 C Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU . . 4070 B Rolf Schwanitz SPD . . . . . . . . . 4071 B Tagesordnungspunkt 2: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Jahressteuergesetz 1996 (Drucksachen 13/1558, 13/1800, 13/1779, 13/1960) Namentliche Abstimmung . . . . . . . 4072 D Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . 4074 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde betr. beabsichtigte Wiederaufnahme der Atombombenversuche in der Südsee durch Frankreich Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . . 4073 A Rudolf Scharping SPD 4076 B Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . 4077 B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. . . . . . . 4078 B Steffen Tippach PDS . . . . . . . . . 4079 B Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . 4080 A Katrin Fuchs (Verl) SPD . . . . . . . . 4081 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . 4082 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU 4083 B Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . . 4084 B Heinrich Lummer CDU/CSU . . . . . . 4085 B Freimut Duve SPD . . . . . . . . . 4086 B Karl Lamers CDU/CSU 4087 B Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 4088 B Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Drohende Wiederaufnahme der französischen Atombombenversuche im Südpazifik (Drucksache 13/1986) . . . . . . . . . . . . . 4089 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 4089 D Berichtigungen . . . . . . 4089 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4091* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Robert Antretter (SPD) über die in Zusatztagesordnungspunkt 1 a aufgeführten Vorlagen (Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz - § 218 StGB) in der 47. Sitzung am 29. Juni 1995 . . . . . 4092* A Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Erich G. Fritz (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung in der zweiten Beratung über den von den Abgeordneten Hubert Hüppe, Monika Brudlewsky und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des ungeborenen Kindes - Neufassung des Abtreibungsstrafrechts und Regelung der staatlichen Obhut - auf Drucksache 13/395 in der 47. Sitzung am 29. Juni 1995 . . . . . . 4092* D Anlage 4 Erklärung des Abgeordneten Dr. Reinhard Göhner (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den von den Abgeordneten Christina Schenk, Petra Bläss und weiteren Abgeordneten der PDS eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Unantastbarkeit der Grundrechte von Frauen - Ergänzung des Grundgesetzes (Artikel 2) und entsprechende Änderungen des Strafgesetzbuches auf Drucksache 13/397 in der 47. Sitzung am 29. Juni 1995 4092* D Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Reinhard Weis (Stendal) (SPD) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an den Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung des schnellen Einsatzverbandes im früheren Jugoslawien einschließlich der Unterstützung eines eventuellen Abzugs der VN- Friedenstruppen und zu den Entschließungsanträgen der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie zu dem Entschließungsantrag der Gruppe der PDS in der 48. Sitzung am 30. Juni 1995 . 4093* A Anlage 6 Erklärung der Abgeordneten Verena Wohlleben (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entschließungsantrag auf Drucksache 13/1835 zum Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an den Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung des schnellen Einsatzverbandes im früheren Jugoslawien einschließlich der Unterstützung eines eventuellen Abzugs der VN-Friedenstruppen auf Drucksachen 13/1802 und 13/1855 in der 48. Sitzung am 30. Juni 1995 . . . 4093* D Anlage 7 Amtliche Mitteilungen 4093* D 49. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. Juli 1995 Beginn: 14.00 Uhr
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    Berichtigungen 47. Sitzung, Seite VII Anlage 2: Statt Robert Antretter „CDU/CSU" ist „SPD" zu lesen. Seite 3797 C, 11. Zeile: Statt „Gert" ist „Robert" zu lesen. Seite 3917 A, 6. Zeile: „Robert Antretter SPD 29.6. 95" ist zu streichen. Seite 3917 B, letzte Zeile: Statt „Westeuropäischen Union" ist „Parlamentarischen Versammlung des Europarates " zu lesen. Seite 3917 C: Die abgegebene Erklärung des Abgeordneten Robert Antreter (SPD) ist durch die in Anlage 2 abgedruckte zu ersetzen. 48. Sitzung, Seite 4019 B: In der Auflistung der NeinStimmen zur Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung zur deutschen Beteiligung an den Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung des schnellen Einsatzverbandes im früheren Jugoslawien einschließlich der Unterstützung eines eventuellen Abzugs der VN-Friedenstruppen - Drucksache 13/1802 und 13/1855 - ist der Name Karsten D. Voigt (Frankfurt) durch den Namen Ute Vogt (Pforzheim) zu ersetzen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 13.7.95 Andres, Gerd SPD 13.7.95 Antretter, Robert SPD 13.7.95** Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 13.7.95 Böttcher, Maritta PDS 13.7.95 Bulling-Schröter, PDS 13.7.95 Eva Buntenbach, Annelie BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Dr. Däubler-Gmelin, SPD 13.7.95 Herta Dr. Eid-Simon, Uschi BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Engelmann, Wolfgang CDU/CSU 13.7.95 Erler, Gernot SPD 13.7.95 Faße, Annette SPD 13.7.95 Fink, Ulf CDU/CSU 13.7.95 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 13.7.95* Gleicke, Iris SPD 13.7.95 Graf (Friesoythe), SPD 13.7.95 Günter Hasenfratz, Klaus SPD 13.7.95 Hauser (Rednitzhembach), CDU/CSU 13.7.95 Hansgeorg Dr. Hendricks, Barbara SPD 13.7.95 Hermenau, Antje BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Dr. Heuer, Uwe-Jens PDS 13.7.95 Hilsberg, Stephan SPD 13.7.95 Hustedt, Michaele BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Iwersen, Gabriele SPD 13.7.95 Dr. Jacob, Willibald PDS 13.7.95 Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 13.7.95 Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 13.7.95 Kastner, Susanne SPD 13.7.95 Klemmer, Siegrun SPD 13.7.95 Klose, Hans-Ulrich SPD 13.7.95 Köhne, Rolf PDS 13.7.95 Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 13.7.95 Angelika 90/DIE GRÜNEN Kressl, Nicolette SPD 13.7.95 Kriedner, Arnulf CDU/CSU 13.7.95 Kröning, Volker SPD 13.7.95 Kuhlwein, Eckart SPD 13.7.95 Dr. Graf Lambsdorff, F.D.P. 13.7.95 Otto Lamers, Karl CDU/CSU 13.7.95 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lemke, Steffi BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Dr. Lippelt, Helmut BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Lörcher, Christa SPD 13.7.95 Lühr, Uwe F.D.P. 13.7.95 Dr. Luft, Christa PDS 13.7.95 Mante, Winfried SPD 13.7.95 Müller (Berlin), PDS 13.7.95 Manfred Nickels, Christa BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Dr. Pick, Eckhart SPD 13.7.95 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 13.7.95 Hermann Rennebach, Renate SPD 13.7.95 Dr. Rössel, Uwe-Jens PDS 13.7.95 Scheffler, Siegfried SPD 13.7.95 Schmidt-Zadel, Regina SPD 13.7.95 Schmitt (Langenfeld), BÜNDNIS 13.7.95 Wolfgang 90/DIE GRÜNEN Dr. Schnell, Emil SPD 13.7.95 Schönberger, Ursula BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Schütze (Berlin), Diethard CDU/CSU 13.7.95 Schulte (Hameln), SPD 13.7.95 Brigitte Dr. Schulte CDU/CSU 13.7.95 (Schwäbisch-Gmünd), Dieter Schultz (Everswinkel), SPD 13.7.95 Reinhard Schulze, Frederick CDU/CSU 13.7.95 Dr. Schuster, SPD 13.7.95 R. Werner Schwanhold, Ernst SPD 13.7.95 Seuster, Lisa SPD 13.7.95 Dr. Sperling, Dietrich SPD 13.7.95 Terborg, Margitta SPD 13.7.95 Dr. Thalheim, Gerald SPD 13.7.95 Thierse, Wolfgang SPD 13.7.95 Thönnes, Franz SPD 13.7.95 Uldall, Gunnar CDU/CSU 13.7.95 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Voigt (Frankfurt), SPD 13.7.95 Karsten D. Volmer, Ludger BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Wallow, Hans SPD 13.7.95 Weis (Stendal), Reinhard SPD 13.7.95 Westrich, Lydia SPD 13.7.95 Wettig-Danielmeier, Inge SPD 13.7.95 Wiefelspütz, Dieter SPD 13.7.95 Wolf (München), Hanna SPD 13.7.95 Wonneberger, Michael CDU/CSU 13.7.95 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Robert Antretter (SPD) über die in Zusatztagesordnungspunkt 1 a aufgeführten Vorlagen (Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz - § 218 StGB) in der 47. Sitzung am 29. Juni 1995 Es ist zu begrüßen, daß die embryopathische Indikation abgeschafft und damit klargestellt wird, daß behindertes Leben vom Gesetzgeber nicht als unwert betrachtet wird. Ich kann mich jedoch aus folgenden Gründen auch nicht damit abfinden, daß Behinderung zu einer medizinischen Indikation führen kann. Durch die technischen Fortschritte in der medizinischen Therapie und Diagnostik verwischen sich zunehmend Stadien der menschlichen Existenz, die einst klar definiert waren. Das gilt nicht nur für das Ende des menschlichen Lebens, sondern auch für seinen Beginn. Die neuen Möglichkeiten der Medizin bieten Chancen und bergen Gefahren. Als besonders gefährdet sehe ich das Leben behinderter Menschen, vor allem ungeborener behinderter Kinder, an. Der Ruf nach einem Fürsprecher für das ungeborene Leben muß deshalb heute lauter sein als jemals, weil der „Respekt vor dem Leben" , wie ihn beispielsweise Albert Schweitzer eingefordert hat, insgesamt an Stellenwert zu verlieren droht. Wir müssen feststellen, daß sich bei Teilen der Wissenschaft eine vor allem für die behinderten Menschen gefahrvolle Denkweise breitmacht. Rechts- und Sozialphilosophen formulieren bereits unmißverständlich eine „großzügige" neue Ethik, wonach ungeborene Kinder noch keine „Personen" seien und deshalb auch keinen Anspruch auf verfügbares Lebensrecht hätten. Es verwundert deshalb nicht, daß manche auch bereits wieder von „lebensunwertem Leben" sprechen. Werden wir uns demnächst mit der Vorstellung auseinanderzusetzen haben, es gebe ein abgestuftes Recht auf Leben, etwa für Ungeborene, Behinderte oder Alte, also „unnütze" und deshalb ungewollte Menschen? In einer zunehmend materiell geprägten Leistungs- und Ellbogengesellschaft, in der Egoismus, soziale Kälte und ein menschenverachtender Umgang mit diskriminierten Minderheiten um sich greift, könnten populistische Philosophien dieser Art auf fruchtbaren Boden fallen. Die Folgen wären fatal. Angesichts dieser mehr als bedenklichen Tendenzen muß dem Schutz des Lebens am Beginn, am Ende und wenn es krank ist Vorrang vor allen anderen Zielen gegeben werden. Gerade einige Artikel des noch heute von uns zu beratenden Entwurfs einer Bioethik-Konvention des Europarates belegen auf aktuelle Weise, daß Wachsamkeit angezeigt ist. Keine der Kolleginnen und Kollegen, die sich der Mühe unterzogen haben, den hier vorliegenden Gesetzentwurf zu erarbeiten, möchte ich in die Nähe der aufgezeigten Entwicklung bringen. Aber ich befürchte, daß der Antrag hier - ungewollt - eher entgegenkommt. Deshalb stimme ich dagegen. Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Erich G. Fritz (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung in der zweiten Beratung über den von den Abgeordneten Hubert Hüppe, Monika Brudlewsky und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des ungeborenen Kindes - Neufassung des Abtreibungsstrafrechts und Regelung der staatlichen Obhut - auf Drucksache 13/395 in der 47. Sitzung am 29. Juni 1995 (Seiten 3790 A bis 3792 B) Ich erkläre, daß ich an der namentlichen Abstimmung teilgenommen und mit Ja gestimmt habe. Anlage 4 Erklärung des Abgeordneten Dr. Reinhard Göhner (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den von den Abgeordneten Christina Schenk, Petra Bläss und weiteren Abgeordneten der PDS eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Unantastbarkeit der Grundrechte von Frauen - Ergänzung des Grundgesetzes (Artikel 2) und entsprechende Änderungen des Strafgesetzbuches auf Drucksache 13/397 in der 47. Sitzung am 29. Juni 1995 (Seiten 3790 A bis 3792 B) Ich erkläre, daß ich an der namentlichen Abstimmung teilgenommen und mit Nein gestimmt habe. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Reinhard Weis (Stendal) (SPD) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an den Maßnahmen. zum Schutz und zur Unterstützung des schnellen Einsatzverbandes im früheren Jugoslawien einschließlich der Unterstützung eines eventuellen Abzugs der VN-Friedenstruppen und zu den Entschließungsanträgen der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie zu dem Entschließungsantrag der Gruppe der PDS in der 48. Sitzung am 30. Juni 1995 (Seiten 4013 C bis 4026 A) Ich habe den Antrag der Bundesregierung, die Bundeswehr im Bosnienkonflikt auch mit ECR-Tornados zum Einsatz zu bringen, abgelehnt. Ganz kurz zusammengefaßt spielen folgende Gründe, die allesamt keine Gewissensgründe, sondern reine Sachabwägungen sind, dabei die entscheidende Rolle: Da durch die UN keine formale Anforderung deutscher Unterstützung mit ECR-Tornados für die mit einem UN-Mandat im ehemaligen Jugoslawien stationierten Truppen vorliegt, besteht kein unmittelbarer Handlungszwang, außer dem, den die Bundesregierung im Rahmen der NATO-Kontaktgruppe für Bosnien selbst erzeugt hat. Es wäre also Zeit, den Umfang und die Dauer deutscher Unterstützung auch unter stärkerer Einbeziehung der Opposition zu besprechen. Solche Mitbeteiligung bei der Formulierung des Auftrages deutscher Truppen außerhalb des NATO-Gebietes sieht das Verfassungsgerichtsurteil ausdrücklich vor. Die mir jetzt abverlangte Entscheidung „Ja" oder „Nein" zu einem Einsatz, der wegen der unbegrenzten Dauer und einer nicht vorhersehbaren Entwicklung der Konfliktlage von mir in seinen Konsequenzen nicht einzuschätzen ist, kann ich nicht mit „Ja" beantworten, obwohl ich grundsätzlich eine Mitverantwortung Deutschlands bei der Unterstützung der UN-Mission sehe. Es ist für mich auch nicht akzeptabel, daß für einen Einsatz, der über den reinen Landesverteidigungsfall und Verpflichtungen aus dem NATO-Vertrag hinausgeht, Wehrpflichtige zum Einsatz kommen sollen. Die Bundesregierung verschweigt uns, daß es von seiten der UNPROFOR keine Anforderung von Bundeswehr-Tornados zur Ausschaltung serbischer Flugabwehrraketenstellungen gibt. Die UNPROFOR betrachtet nach Auswertung aller aktiven Kampfhandlungen durch die UNPROFOR sowie der Lufteinsätze der NATO die Lufteinsätze, die nicht unmittelbar auf Reaktion gegen konkrete Verursacher von Angriffen auf die UNPROFOR erfolgten, als konfliktverschärfend. Letztes Beispiel ist die terroristische Geiselnahme im Juni. Die Bundesregierung verschweigt uns auch, daß es zur Unterstützung der UNPROFOR aus der Luft geeignetere Flugzeuge der Amerikaner und Engländer gibt, weil diese langsamer und damit wendiger sind. Lediglich zur Ausschaltung der serbischen Luftabwehr sind die deutschen ECR-Tornados besser geeignet - aber diese konfliktverschärfende Kampfhandlung ist von der UNPROFOR nicht erwünscht. Sie sieht andere, seit dem Frühjahr 1994 nicht mehr ausgeschöpfte Möglichkeiten, Hilfslieferungen und Bewegungsfreiheit der UN-Kontingente zu sichern. Der SPD-Antrag zum Einsatz der Bundeswehr im Bosnienkonflikt zur Unterstützung der UNPROFOR und der NATO-Eingreiftruppe entspricht genau der Vorstellung ehemaliger UNPROFOR-Kommandeure, die auf einem Workshop im Mai 1995 eine Auswertung ihrer Erfahrungen mit dem UN-Engagement im ehemaligen Jugoslawien vornahmen. Sie erwarten von Deutschland vor allem eine großzügige Hilfe durch logistische Unterstützung in den Stäben, Transporttechnik und Feldlazarette, und sie anerkennen so auch die besonderen deutschen Assoziationen mit Jugoslawien, die uns zu Recht größte Zurückhaltung auferlegt. Meines Erachtens ist es parteipolitisches Kalkül des konservativen Lagers, wenn die Haltung der SPD zu dem Einsatz der Bundeswehr mit Kampfpotentialen in diesem UN-Einsatz als Nagelprobe für die Politik- und Regierungsfähigkeit der SPD hochstilisiert wird. Eher ist unsere verantwortungsvolle Zurückhaltung Beispiel für das Gegenteil. Anlage 6 Erklärung der Abgeordneten Verena Wohlleben (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entschließungsantrag auf Drucksache 13/1835 zum Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an den Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung des schnellen Einsatzverbande4s im früheren Jugoslawien einschließlich der Unterstützung eines eventuellen Abzugs der VN-Friedenstruppen auf Drucksachen 13/1802 und 13/1855 in der 48. Sitzung am 30. Juni 1995 (Seiten 4020 A bis 4022 C) In der Abstimmungsliste ist mein Name bei den Nein-Stimmen aufgeführt. Ich erkläre, daß ich mit Enthaltung stimmen wollte. Anlage 7 Amtliche Mitteilungen Folgende Abgeordnete haben den Gesetzentwurf „Schutz des ungeborenen Kindes - Neufassung des Abtreibungsstrafrechts und Regelung der staatlichen Obhut" auf Drucksache 13/395 nachträglich unterschrieben: Klaus Brähmig Klaus-Dieter Grill Wilhelm Josef Sebastian Jürgen Sikora Hans-Otto Wilhelm Die Gruppe der PDS hat mit Schreiben vom 30. Juni 1995 ihren Antrag ,.Verhinderung der Versenkung der Shell-Plattform ,Brent Spar' " - Drucksache 13/1723 - zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Finanzausschuß Drucksachen 12/8208, 13/725 Nr. 61 Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Drucksachen 13/1242, 13/1438 Nr. 5
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    Rede von Dr. Wolfgang Gerhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist wie im wirklichen Leben: Es gibt unter Freunden manchmal Situationen, in denen man seine Meinung klar sagen muß. Die Entscheidung der französischen Regierung, zwischen dem September dieses Jahres und dem Mai 1996 acht Nukleartests im Südpazifik durchzuführen, ist nicht nur aus der Sicht der F.D.P. falsch, sondern im wahrsten Sinne des Wortes unbegreifbar und der Weltöffentlichkeit auch gar nicht mehr zu vermitteln.

    (Beifall bei der F.D.P. und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Im Mai dieses Jahres haben sich die Unterzeichnerstaaten auf eine unbegrenzte Verlängerung des Nichtverbreitungsvertrages geeinigt. Sie haben sich auch zum Abschluß eines umfassenden Nuklearteststoppvertrages spätestens 1996 bekannt. Wenn dann der französische Staatspräsident eine solche Entscheidung trifft, muß er wissen, daß das diese Verhandlungen wirklich nicht erleichtert. Er muß die internationale Reaktion spüren. Manchmal zeigt sich die Größe eines Staatsmanns nicht im Festhalten an einer Entscheidung, sondern in der souveränen Fähigkeit, diese auch zu korrigieren.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wir verletzen keine freundschaftlichen Gefühle und keine Zuneigungen gegenüber unseren französischen Nachbarn, wenn wir sagen, diese Entscheidung paßt nicht mehr in die Zeit. Sie ist auch mit dem Hinweis auf das Mururoa-Atoll nicht zu mildern. Es gibt kaum noch eine nationale Entscheidung in dieser Dimension, von der nicht auch andere betroffen wären. Die ganze Welt ist vom Mururoa-Atoll betroffen, im übrigen auch durch Testgebiete in Gobi, in Sibirien und vielen anderen Orten dieser Welt.

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU und der SPD Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat der Bundeskanzler das dem chinesischen Staatspräsidenten gesagt?)

    - Herr Kollege Fischer, auch wenn der chinesische Staatspräsident hier ist: Andere Staatsmänner können durchaus erfahren, daß wir Sachverhalte anders beurteilen. Der Bundesregierung steht im Umgang mit anderen Staaten nichts anderes zur Verfügung als das kluge Wort, die Verhandlung und die beeindruckende Argumentation.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Diese Möglichkeiten hat die Bundesregierung wahrgenommen. Ich habe überhaupt keinen Zweifel, daß der Herr Bundeskanzler und der Herr Bundesaußenminister dies in Gesprächen deutlich gemacht haben.
    Vorsorglich und nicht mit dem Hinweis, man könnte sich nicht einigen - die französischen Freunde können unsere Haltung durchaus erfahren -, will ich sagen: Ich bezweifle, daß eine Beschlußfassung des deutschen Parlaments größere Wirkung als das intensive Gespräch und freundschaftliche Bewertung mit Argumenten hat.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Es gibt - das ist mir bei der Bewertung französischer Politik unbegreiflich - noch genügend Atomwaffenarsenale auf dieser Welt. Die Menschheit kann sich mit diesem Potential noch mehrmals vernichten. Es geht nicht um Verbesserung, sondern es geht eher um Verschrottung und geordnete Vernich-

    Dr. Wolfgang Gerhardt
    tung dieser Potentiale. Auch deshalb sind diese Tests so unbegreiflich.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Jede Nation hat ihre Geschichte, jede Nation hat ihr eigenes Gefühl für große Entscheidungen. Wir haben andere Erlebnisse als unsere französischen Nachbarn. Wir hätten die Fähigkeit zu solchen Entscheidungen kraft unserer Entwicklung überhaupt nicht. Deshalb meine ich, daß eine offene Politik unter befreundeten Staaten in dieser Situation ohne Probleme unseren französischen Nachbarn signalisieren sollte: Wir bitten um erneute Prüfung. Wir appellieren an die Fähigkeit, diese Entscheidung zu korrigieren. Wir möchten mit unseren französischen Nachbarn eine Politik fortsetzen, die wir begonnen haben und die die internationale Völkergemeinschaft braucht. Wir hätten die Franzosen gerne auf unserer Seite. Wir appellieren an den französischen Staatspräsidenten, seine Entscheidung noch einmal zu überprüfen.
    Mehr kann man im politischen Umgang mit Nachbarn nicht tun. Das ist aber wichtig genug. Das ist der Appell, den ich für die F.D.P. an unsere französischen Nachbarn richte.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster hat der Abgeordnete Steffen Tippach das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Steffen Tippach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bereits vor drei Wochen hat der Bundestag auf Antrag der PDS in einer Aktuellen Stunde genau wie jetzt zu diesem Thema debattiert. Kollege Lummer hat damals eine sehr wichtige Bemerkung gemacht - ich zitiere -:
    ... der Zusammenhang zwischen der unbefristeten Verlängerung des Nichtverbreitungsvertrags und den Tests ist offenkundig.
    Recht hat er.
    Als wir vor wenigen Monaten in diesem Haus über die Haltung der Bundesrepublik bei der Konferenz zur Überprüfung des Nichtverbreitungsvertrages diskutierten, war die PDS die einzige Partei des Bundestages, die - übrigens in Übereinstimmung mit zahlreichen Nichtatomwaffenstaaten der Welt - auf eine befristete Verlängerung gedrängt hat. Wir haben damals gesagt: Es gibt berechtigte Zweifel an dem tatsächlichen Willen der Atommächte zur atomaren Abrüstung. Es muß einen realen Druck geben, damit diese glaubhaft eingeleitet wird. Genau das ist Sinn und Zweck einer Befristung. Wir sind von allen Parteien und der Bundesregierung massiv angegriffen worden, was denn das solle, ob wir zu den Verbündeten etwa kein Vertrauen hätten usw.
    Wie richtig unsere Befürchtungen, daß die Atommächte die unbefristete Verlängerung als Freibrief für eine weitere atomare Aufrüstung verstehen, waren, haben zuerst China und jetzt Frankreich gezeigt, die dem Geist des NPT mit erheblicher Arroganz in den Hintern getreten haben. Die Verbindlichkeit des Nichtverbreitungsvertrages gilt also offensichtlich nur für diejenigen, die bisher sowieso nichts zu verbreiten hatten. Während dort, wo es liebevolle Feindbilder zu pflegen gilt und eine vermeintliche oder tatsächliche Verletzung des NPT vermutet wird - siehe Irak, Iran oder Nordkorea -, zu politischer Isolation, Boykotten und militärischer Intervention gegriffen wird, reicht Außenminister Kinkels Empörung im Fall einer verbündeten Atommacht gerade einmal für ein schelmisches „Du, du! ", sozusagen für den kleinsten Mißfallensgrad auf der nach oben offenen Kinkel-Skala.

    (Heiterkeit bei der PDS)

    Ich möchte noch zu einem anderen Aspekt der merkwürdig konfliktscheuen Haltung der Bundesregierung kommen. Hinter den Tests steht letztlich die Frage nach der zukünftigen Außenpolitik der EU, nämlich ob sich die EU als Atommacht präsentieren wird oder nicht. Die Atomtests und die Reaktion der Bundesregierung sind auch als ein Ausblick auf die künftige Außenpolitik der EU zu werten. Die jetzt gegebenen Antworten lassen befürchten, daß die EU Atommacht werden soll und daß das von der Bundesregierung auch so gewollt wird, wahrscheinlich auch deshalb, weil die BRD über diesen Weg die atomare Option offenhalten will.
    Das ist es, was die Verteidigung der Tests durch die Bundesregierung erklärt. Hier geht es nicht urn die Freundschaft mit Frankreich, die nicht gefährdet werden darf, hier geht es nicht um die nationale Entscheidung Frankreichs, die zu respektieren sei. Im Falle der „Brent Spar" war die Bundesregierung gegenüber dem Freund Großbritannien um den Erhalt der Freundschaft keineswegs so zimperlich besorgt. Hier geht es um das künftige Gesicht der EU als atomare Weltmacht und auch um den alten Traum von der Atommacht Deutschland, realisiert über die EU.

    (Vorsitz : Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

    Daß es gerade um das zukünftige Gesicht der EU geht, belegt der französische Botschafter, wenn er die Atomtests u. a. mit dem Argument rechtfertigt - ich zitiere -:
    ... weil unsere Abschreckungsfähigkeit auch ein wichtiger Bestandteil der Sicherheit und der Verteidigung Europas ist. Wenn wir unsere Abschreckungsfähigkeit bewahren, dann brauchen wir die Zukunft in diesem Bereich nicht zu belasten. Die französischen und britischen Atomarsenale spielen in Zukunft für die Verteidigung Europas eine bedeutende Rolle.
    Soll dies der Weg sein, auf dem die gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik entwickelt wird?
    Interessanterweise hat der Kollege Lamers die Gelegenheit benutzt, um von der Notwendigkeit einer „europäischen Atomwaffenkomponente" zu sprechen. Er hat die Franzosen damit offensichtlich er-

    Steffen Tippach
    muntern wollen, in der Modernisierung ihrer Massenvernichtungswaffen fortzufahren, und zugleich den deutschen Anspruch angemeldet, künftig über diese Waffen mitverfügen zu wollen.
    Dazu sagen wir entschieden nein. Wir wollen die Atomwaffen in Europa und weltweit abschaffen. Ein vereintes Europa braucht nicht den Wahnwitz neuer Atomwaffen, es braucht keine nukleare Abschrekkung, und es braucht keine Atomtests. Friedliche Kooperation mit den Nachbarregionen, Entwicklungszusammenarbeit und Abrüstung - das muß auf der Tagesordnung stehen.
    Danke.

    (Beifall bei der PDS)