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    Plenarprotokoll 13/49 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 49. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. Juli 1995 Inhalt: Erklärung zur Lage in Bosnien 4045 A Erweiterung der Tagesordnung 4045 D Tagesordnungspunkt 1: Vereinbarte Debatte zum Jahressteuergesetz 1996 Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 4046 A Ingrid Matthäus-Maier SPD . . . . . . 4048 B Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . 4052 A Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . . . . . . 4054 B Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . 4054 D Dieter Heistermann SPD . . . . . . . 4057 A Dr. Gregor Gysi PDS 4057 D Hans-Peter Repnik CDU/CSU . . . . 4059 D Klaus-Dieter Kühbacher, Minister (Brandenburg) 4063 C Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . 4065 C Friedrich Merz CDU/CSU 4066 C Joachim Poß SPD 4068 C Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU . . 4070 B Rolf Schwanitz SPD . . . . . . . . . 4071 B Tagesordnungspunkt 2: Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Jahressteuergesetz 1996 (Drucksachen 13/1558, 13/1800, 13/1779, 13/1960) Namentliche Abstimmung . . . . . . . 4072 D Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . 4074 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde betr. beabsichtigte Wiederaufnahme der Atombombenversuche in der Südsee durch Frankreich Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . . 4073 A Rudolf Scharping SPD 4076 B Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . 4077 B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. . . . . . . 4078 B Steffen Tippach PDS . . . . . . . . . 4079 B Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . 4080 A Katrin Fuchs (Verl) SPD . . . . . . . . 4081 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . 4082 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU 4083 B Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . . 4084 B Heinrich Lummer CDU/CSU . . . . . . 4085 B Freimut Duve SPD . . . . . . . . . 4086 B Karl Lamers CDU/CSU 4087 B Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 4088 B Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Drohende Wiederaufnahme der französischen Atombombenversuche im Südpazifik (Drucksache 13/1986) . . . . . . . . . . . . . 4089 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 4089 D Berichtigungen . . . . . . 4089 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4091* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Robert Antretter (SPD) über die in Zusatztagesordnungspunkt 1 a aufgeführten Vorlagen (Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz - § 218 StGB) in der 47. Sitzung am 29. Juni 1995 . . . . . 4092* A Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Erich G. Fritz (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung in der zweiten Beratung über den von den Abgeordneten Hubert Hüppe, Monika Brudlewsky und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des ungeborenen Kindes - Neufassung des Abtreibungsstrafrechts und Regelung der staatlichen Obhut - auf Drucksache 13/395 in der 47. Sitzung am 29. Juni 1995 . . . . . . 4092* D Anlage 4 Erklärung des Abgeordneten Dr. Reinhard Göhner (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den von den Abgeordneten Christina Schenk, Petra Bläss und weiteren Abgeordneten der PDS eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Unantastbarkeit der Grundrechte von Frauen - Ergänzung des Grundgesetzes (Artikel 2) und entsprechende Änderungen des Strafgesetzbuches auf Drucksache 13/397 in der 47. Sitzung am 29. Juni 1995 4092* D Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Reinhard Weis (Stendal) (SPD) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an den Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung des schnellen Einsatzverbandes im früheren Jugoslawien einschließlich der Unterstützung eines eventuellen Abzugs der VN- Friedenstruppen und zu den Entschließungsanträgen der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie zu dem Entschließungsantrag der Gruppe der PDS in der 48. Sitzung am 30. Juni 1995 . 4093* A Anlage 6 Erklärung der Abgeordneten Verena Wohlleben (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entschließungsantrag auf Drucksache 13/1835 zum Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an den Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung des schnellen Einsatzverbandes im früheren Jugoslawien einschließlich der Unterstützung eines eventuellen Abzugs der VN-Friedenstruppen auf Drucksachen 13/1802 und 13/1855 in der 48. Sitzung am 30. Juni 1995 . . . 4093* D Anlage 7 Amtliche Mitteilungen 4093* D 49. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. Juli 1995 Beginn: 14.00 Uhr
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    Berichtigungen 47. Sitzung, Seite VII Anlage 2: Statt Robert Antretter „CDU/CSU" ist „SPD" zu lesen. Seite 3797 C, 11. Zeile: Statt „Gert" ist „Robert" zu lesen. Seite 3917 A, 6. Zeile: „Robert Antretter SPD 29.6. 95" ist zu streichen. Seite 3917 B, letzte Zeile: Statt „Westeuropäischen Union" ist „Parlamentarischen Versammlung des Europarates " zu lesen. Seite 3917 C: Die abgegebene Erklärung des Abgeordneten Robert Antreter (SPD) ist durch die in Anlage 2 abgedruckte zu ersetzen. 48. Sitzung, Seite 4019 B: In der Auflistung der NeinStimmen zur Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung zur deutschen Beteiligung an den Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung des schnellen Einsatzverbandes im früheren Jugoslawien einschließlich der Unterstützung eines eventuellen Abzugs der VN-Friedenstruppen - Drucksache 13/1802 und 13/1855 - ist der Name Karsten D. Voigt (Frankfurt) durch den Namen Ute Vogt (Pforzheim) zu ersetzen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 13.7.95 Andres, Gerd SPD 13.7.95 Antretter, Robert SPD 13.7.95** Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 13.7.95 Böttcher, Maritta PDS 13.7.95 Bulling-Schröter, PDS 13.7.95 Eva Buntenbach, Annelie BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Dr. Däubler-Gmelin, SPD 13.7.95 Herta Dr. Eid-Simon, Uschi BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Engelmann, Wolfgang CDU/CSU 13.7.95 Erler, Gernot SPD 13.7.95 Faße, Annette SPD 13.7.95 Fink, Ulf CDU/CSU 13.7.95 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 13.7.95* Gleicke, Iris SPD 13.7.95 Graf (Friesoythe), SPD 13.7.95 Günter Hasenfratz, Klaus SPD 13.7.95 Hauser (Rednitzhembach), CDU/CSU 13.7.95 Hansgeorg Dr. Hendricks, Barbara SPD 13.7.95 Hermenau, Antje BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Dr. Heuer, Uwe-Jens PDS 13.7.95 Hilsberg, Stephan SPD 13.7.95 Hustedt, Michaele BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Iwersen, Gabriele SPD 13.7.95 Dr. Jacob, Willibald PDS 13.7.95 Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 13.7.95 Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 13.7.95 Kastner, Susanne SPD 13.7.95 Klemmer, Siegrun SPD 13.7.95 Klose, Hans-Ulrich SPD 13.7.95 Köhne, Rolf PDS 13.7.95 Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 13.7.95 Angelika 90/DIE GRÜNEN Kressl, Nicolette SPD 13.7.95 Kriedner, Arnulf CDU/CSU 13.7.95 Kröning, Volker SPD 13.7.95 Kuhlwein, Eckart SPD 13.7.95 Dr. Graf Lambsdorff, F.D.P. 13.7.95 Otto Lamers, Karl CDU/CSU 13.7.95 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lemke, Steffi BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Dr. Lippelt, Helmut BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Lörcher, Christa SPD 13.7.95 Lühr, Uwe F.D.P. 13.7.95 Dr. Luft, Christa PDS 13.7.95 Mante, Winfried SPD 13.7.95 Müller (Berlin), PDS 13.7.95 Manfred Nickels, Christa BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Dr. Pick, Eckhart SPD 13.7.95 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 13.7.95 Hermann Rennebach, Renate SPD 13.7.95 Dr. Rössel, Uwe-Jens PDS 13.7.95 Scheffler, Siegfried SPD 13.7.95 Schmidt-Zadel, Regina SPD 13.7.95 Schmitt (Langenfeld), BÜNDNIS 13.7.95 Wolfgang 90/DIE GRÜNEN Dr. Schnell, Emil SPD 13.7.95 Schönberger, Ursula BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Schütze (Berlin), Diethard CDU/CSU 13.7.95 Schulte (Hameln), SPD 13.7.95 Brigitte Dr. Schulte CDU/CSU 13.7.95 (Schwäbisch-Gmünd), Dieter Schultz (Everswinkel), SPD 13.7.95 Reinhard Schulze, Frederick CDU/CSU 13.7.95 Dr. Schuster, SPD 13.7.95 R. Werner Schwanhold, Ernst SPD 13.7.95 Seuster, Lisa SPD 13.7.95 Dr. Sperling, Dietrich SPD 13.7.95 Terborg, Margitta SPD 13.7.95 Dr. Thalheim, Gerald SPD 13.7.95 Thierse, Wolfgang SPD 13.7.95 Thönnes, Franz SPD 13.7.95 Uldall, Gunnar CDU/CSU 13.7.95 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Voigt (Frankfurt), SPD 13.7.95 Karsten D. Volmer, Ludger BÜNDNIS 13.7.95 90/DIE GRÜNEN Wallow, Hans SPD 13.7.95 Weis (Stendal), Reinhard SPD 13.7.95 Westrich, Lydia SPD 13.7.95 Wettig-Danielmeier, Inge SPD 13.7.95 Wiefelspütz, Dieter SPD 13.7.95 Wolf (München), Hanna SPD 13.7.95 Wonneberger, Michael CDU/CSU 13.7.95 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Robert Antretter (SPD) über die in Zusatztagesordnungspunkt 1 a aufgeführten Vorlagen (Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz - § 218 StGB) in der 47. Sitzung am 29. Juni 1995 Es ist zu begrüßen, daß die embryopathische Indikation abgeschafft und damit klargestellt wird, daß behindertes Leben vom Gesetzgeber nicht als unwert betrachtet wird. Ich kann mich jedoch aus folgenden Gründen auch nicht damit abfinden, daß Behinderung zu einer medizinischen Indikation führen kann. Durch die technischen Fortschritte in der medizinischen Therapie und Diagnostik verwischen sich zunehmend Stadien der menschlichen Existenz, die einst klar definiert waren. Das gilt nicht nur für das Ende des menschlichen Lebens, sondern auch für seinen Beginn. Die neuen Möglichkeiten der Medizin bieten Chancen und bergen Gefahren. Als besonders gefährdet sehe ich das Leben behinderter Menschen, vor allem ungeborener behinderter Kinder, an. Der Ruf nach einem Fürsprecher für das ungeborene Leben muß deshalb heute lauter sein als jemals, weil der „Respekt vor dem Leben" , wie ihn beispielsweise Albert Schweitzer eingefordert hat, insgesamt an Stellenwert zu verlieren droht. Wir müssen feststellen, daß sich bei Teilen der Wissenschaft eine vor allem für die behinderten Menschen gefahrvolle Denkweise breitmacht. Rechts- und Sozialphilosophen formulieren bereits unmißverständlich eine „großzügige" neue Ethik, wonach ungeborene Kinder noch keine „Personen" seien und deshalb auch keinen Anspruch auf verfügbares Lebensrecht hätten. Es verwundert deshalb nicht, daß manche auch bereits wieder von „lebensunwertem Leben" sprechen. Werden wir uns demnächst mit der Vorstellung auseinanderzusetzen haben, es gebe ein abgestuftes Recht auf Leben, etwa für Ungeborene, Behinderte oder Alte, also „unnütze" und deshalb ungewollte Menschen? In einer zunehmend materiell geprägten Leistungs- und Ellbogengesellschaft, in der Egoismus, soziale Kälte und ein menschenverachtender Umgang mit diskriminierten Minderheiten um sich greift, könnten populistische Philosophien dieser Art auf fruchtbaren Boden fallen. Die Folgen wären fatal. Angesichts dieser mehr als bedenklichen Tendenzen muß dem Schutz des Lebens am Beginn, am Ende und wenn es krank ist Vorrang vor allen anderen Zielen gegeben werden. Gerade einige Artikel des noch heute von uns zu beratenden Entwurfs einer Bioethik-Konvention des Europarates belegen auf aktuelle Weise, daß Wachsamkeit angezeigt ist. Keine der Kolleginnen und Kollegen, die sich der Mühe unterzogen haben, den hier vorliegenden Gesetzentwurf zu erarbeiten, möchte ich in die Nähe der aufgezeigten Entwicklung bringen. Aber ich befürchte, daß der Antrag hier - ungewollt - eher entgegenkommt. Deshalb stimme ich dagegen. Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Erich G. Fritz (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung in der zweiten Beratung über den von den Abgeordneten Hubert Hüppe, Monika Brudlewsky und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des ungeborenen Kindes - Neufassung des Abtreibungsstrafrechts und Regelung der staatlichen Obhut - auf Drucksache 13/395 in der 47. Sitzung am 29. Juni 1995 (Seiten 3790 A bis 3792 B) Ich erkläre, daß ich an der namentlichen Abstimmung teilgenommen und mit Ja gestimmt habe. Anlage 4 Erklärung des Abgeordneten Dr. Reinhard Göhner (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den von den Abgeordneten Christina Schenk, Petra Bläss und weiteren Abgeordneten der PDS eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Unantastbarkeit der Grundrechte von Frauen - Ergänzung des Grundgesetzes (Artikel 2) und entsprechende Änderungen des Strafgesetzbuches auf Drucksache 13/397 in der 47. Sitzung am 29. Juni 1995 (Seiten 3790 A bis 3792 B) Ich erkläre, daß ich an der namentlichen Abstimmung teilgenommen und mit Nein gestimmt habe. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Reinhard Weis (Stendal) (SPD) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an den Maßnahmen. zum Schutz und zur Unterstützung des schnellen Einsatzverbandes im früheren Jugoslawien einschließlich der Unterstützung eines eventuellen Abzugs der VN-Friedenstruppen und zu den Entschließungsanträgen der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie zu dem Entschließungsantrag der Gruppe der PDS in der 48. Sitzung am 30. Juni 1995 (Seiten 4013 C bis 4026 A) Ich habe den Antrag der Bundesregierung, die Bundeswehr im Bosnienkonflikt auch mit ECR-Tornados zum Einsatz zu bringen, abgelehnt. Ganz kurz zusammengefaßt spielen folgende Gründe, die allesamt keine Gewissensgründe, sondern reine Sachabwägungen sind, dabei die entscheidende Rolle: Da durch die UN keine formale Anforderung deutscher Unterstützung mit ECR-Tornados für die mit einem UN-Mandat im ehemaligen Jugoslawien stationierten Truppen vorliegt, besteht kein unmittelbarer Handlungszwang, außer dem, den die Bundesregierung im Rahmen der NATO-Kontaktgruppe für Bosnien selbst erzeugt hat. Es wäre also Zeit, den Umfang und die Dauer deutscher Unterstützung auch unter stärkerer Einbeziehung der Opposition zu besprechen. Solche Mitbeteiligung bei der Formulierung des Auftrages deutscher Truppen außerhalb des NATO-Gebietes sieht das Verfassungsgerichtsurteil ausdrücklich vor. Die mir jetzt abverlangte Entscheidung „Ja" oder „Nein" zu einem Einsatz, der wegen der unbegrenzten Dauer und einer nicht vorhersehbaren Entwicklung der Konfliktlage von mir in seinen Konsequenzen nicht einzuschätzen ist, kann ich nicht mit „Ja" beantworten, obwohl ich grundsätzlich eine Mitverantwortung Deutschlands bei der Unterstützung der UN-Mission sehe. Es ist für mich auch nicht akzeptabel, daß für einen Einsatz, der über den reinen Landesverteidigungsfall und Verpflichtungen aus dem NATO-Vertrag hinausgeht, Wehrpflichtige zum Einsatz kommen sollen. Die Bundesregierung verschweigt uns, daß es von seiten der UNPROFOR keine Anforderung von Bundeswehr-Tornados zur Ausschaltung serbischer Flugabwehrraketenstellungen gibt. Die UNPROFOR betrachtet nach Auswertung aller aktiven Kampfhandlungen durch die UNPROFOR sowie der Lufteinsätze der NATO die Lufteinsätze, die nicht unmittelbar auf Reaktion gegen konkrete Verursacher von Angriffen auf die UNPROFOR erfolgten, als konfliktverschärfend. Letztes Beispiel ist die terroristische Geiselnahme im Juni. Die Bundesregierung verschweigt uns auch, daß es zur Unterstützung der UNPROFOR aus der Luft geeignetere Flugzeuge der Amerikaner und Engländer gibt, weil diese langsamer und damit wendiger sind. Lediglich zur Ausschaltung der serbischen Luftabwehr sind die deutschen ECR-Tornados besser geeignet - aber diese konfliktverschärfende Kampfhandlung ist von der UNPROFOR nicht erwünscht. Sie sieht andere, seit dem Frühjahr 1994 nicht mehr ausgeschöpfte Möglichkeiten, Hilfslieferungen und Bewegungsfreiheit der UN-Kontingente zu sichern. Der SPD-Antrag zum Einsatz der Bundeswehr im Bosnienkonflikt zur Unterstützung der UNPROFOR und der NATO-Eingreiftruppe entspricht genau der Vorstellung ehemaliger UNPROFOR-Kommandeure, die auf einem Workshop im Mai 1995 eine Auswertung ihrer Erfahrungen mit dem UN-Engagement im ehemaligen Jugoslawien vornahmen. Sie erwarten von Deutschland vor allem eine großzügige Hilfe durch logistische Unterstützung in den Stäben, Transporttechnik und Feldlazarette, und sie anerkennen so auch die besonderen deutschen Assoziationen mit Jugoslawien, die uns zu Recht größte Zurückhaltung auferlegt. Meines Erachtens ist es parteipolitisches Kalkül des konservativen Lagers, wenn die Haltung der SPD zu dem Einsatz der Bundeswehr mit Kampfpotentialen in diesem UN-Einsatz als Nagelprobe für die Politik- und Regierungsfähigkeit der SPD hochstilisiert wird. Eher ist unsere verantwortungsvolle Zurückhaltung Beispiel für das Gegenteil. Anlage 6 Erklärung der Abgeordneten Verena Wohlleben (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entschließungsantrag auf Drucksache 13/1835 zum Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an den Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung des schnellen Einsatzverbande4s im früheren Jugoslawien einschließlich der Unterstützung eines eventuellen Abzugs der VN-Friedenstruppen auf Drucksachen 13/1802 und 13/1855 in der 48. Sitzung am 30. Juni 1995 (Seiten 4020 A bis 4022 C) In der Abstimmungsliste ist mein Name bei den Nein-Stimmen aufgeführt. Ich erkläre, daß ich mit Enthaltung stimmen wollte. Anlage 7 Amtliche Mitteilungen Folgende Abgeordnete haben den Gesetzentwurf „Schutz des ungeborenen Kindes - Neufassung des Abtreibungsstrafrechts und Regelung der staatlichen Obhut" auf Drucksache 13/395 nachträglich unterschrieben: Klaus Brähmig Klaus-Dieter Grill Wilhelm Josef Sebastian Jürgen Sikora Hans-Otto Wilhelm Die Gruppe der PDS hat mit Schreiben vom 30. Juni 1995 ihren Antrag ,.Verhinderung der Versenkung der Shell-Plattform ,Brent Spar' " - Drucksache 13/1723 - zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Finanzausschuß Drucksachen 12/8208, 13/725 Nr. 61 Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Drucksachen 13/1242, 13/1438 Nr. 5
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    Ich freue mich ja, daß Sie im Urlaub Kraft getankt haben.
    Meine Damen und Herren, es war eine Freude, der sozial- und finanzpolitischen Auseinandersetzung zwischen dem Finanzminister und der finanzpolitischen Sprecherin der SPD, Frau Matthäus-Maier, zuzuhören.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Gehen Sie zur Landtagsbank!)

    Sehr geehrter lieber Finanzminister, man braucht auch einmal Glück. Mit diesem Steuergesetz haben Sie kein Glück. Sie haben heute zwei Tore geschossen; dazu gratuliere ich Ihnen. Aber den Dialog haben Sie mit 5 : 2 mit Pauken und Trompeten verloren.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Sie haben in Ihrer Rede angeboten, die Lastenaufteilung im Verhältnis von 74 % zu 26 % beim Familienleistungsausgleich endlich grundgesetzlich abzusichern. Das höre ich sehr gern. Ich hätte mir gewünscht, die gleiche Aussage hätte es auch in der fraglichen Nacht gegeben, dann wären wir heute mit einem Ergebnis aus dieser Sitzung hinausgegangen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie, Herr Bundesfinanzminister, und mit Ihnen der Vorsitzende des Finanzausschusses haben sich gefreut, daß wir beim Abbau von Steuerprivilegien und bei der Steuervereinfachung einen Schritt aufeinander zugegangen sind. Da frage ich den Finanzausschußvorsitzenden: Wieso bedarf es eigentlich des vertraulichen Kämmerleins des Vermittlungsausschusses, wenn man sich über 4 Milliarden DM Steuersubventionsabbau einigt? Warum erledigen Sie diese Aufgabe nicht im Finanzausschuß des Bundestages?

    (Beifall bei der SPD Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Weil wir den Bürger entlasten wollten, und das haben wir gemacht! Sie wollen doch die Entlastung gar nicht!)

    Nun komme ich zu dem Thema, was Sie wollen und was Sie nicht wollen. Der Bundesrat, die Länderkammer, hat Ihnen zum Thema „Abbau von Steuerprivilegien" 77 Vorschläge gemacht. Sie haben im Vermittlungsverfahren erkennen lassen, daß Sie bei 16 dieser Vorschläge bereit wären, sie anzunehmen. Sie haben überhaupt nicht gelesen, was der Bundesrat dazu gesagt hat, denn Sie haben am 31. Mai dieses Jahres, während wir diese Liste drüben im Bundesrat vorgelegt und beraten haben, Ihre Beratungen hier bereits abgeschlossen. Sie wollen den Ländern überhaupt nicht zuhören und wundern sich, wenn es dann zu einem Vermittlungsverfahren kommt.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Solange Sie da nur Parteipolitik machen, ist das auch begründet!)

    Wenn man den Bundeshaushalt mit großem Vergnügen liest und auch die Kabinettsergebnisse im Hinblick auf den Haushalt 1996 zur Kenntnis nimmt, dann stellt man fest, daß 1995 auf der Ausgabenseite für das Kindergeld Leistungen nach einem Bundesgesetz von 20 580 000 000 DM vorgesehen sind. Was haben Sie für 1996 vorgesehen? 875 000 000 DM! Wo sind denn die übrigen 20 Milliarden geblieben, die Sie bisher auf der Ausgabenseite des Bundes hatten?

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Auf der Einnahmeseite! Im Haushalt kommen erst die Einnahmen und dann die Ausgaben!)

    Sie versuchen, lieber Herr Abgeordneter Thiele, diese 20 Milliarden DM den Ländern und Gemeinden aufzudrücken. - Lieber Herr Thiele, lassen Sie mich bitte einmal ausreden. Sie brauchen mich nicht durch Schreien aus dem Konzept bringen zu wollen. Sie sind doch viel intelligenter, als Sie tun.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Wenn Sie mich ansprechen!)

    Herr Thiele, Sie versuchen, die 20-Milliarden-DM-
    Zahllast des Bundes in 8,5 Milliarden Einnahmeverlust des Bundes, 8,5 Milliarden DM Einnahmeverlust der Länder und 3 Milliarden DM Einnahmeverlust der Gemeinden aufzuteilen.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das ist Gott sei Dank die letzte Rede dieses Finanzministers! So etwas Trostloses!)

    Das ist eine feine Angelegenheit, wenn man Bundespolitik betreibt. Aber zu dem Zweck, daß man es nicht klaglos hinnehmen muß, sondern sich dagegen wehren kann, daß Gesetzgebungsakte ein Bundesleistungsgesetz leerlaufen lassen und daß den Ländern und den Gemeinden durch Einnahmeverzicht eine Zahlpflicht auferlegt wird, hat der Parlamentarische Rat den Bundesrat eingerichtet.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Die Unverfrorenheit kennt hier keine Grenzen! Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Das ist doch die Mehrwertsteuer! Das haben wir doch gemacht!)

    - Das Rechenexempel mit der Mehrwertsteuer - Herr Thiele, das wissen Sie so gut wie ich - basierte auf den Haushaltsausgaben des Jahres 1995, nicht auf der Basis der Erhöhungsbeträge für 1996.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Herr Schleußer war mit diesem Prinzip einverstanden!)

    6 Milliarden DM sind dort nach wie vor im Streit.
    Ich nehme ernst, was der Bundesfinanzminister gesagt hat. Wir werden uns auf der Basis von 74 : 26 und einer grundgesetzlichen Absicherung einigen kön-

    Minister Klaus-Dieter Kühbacher (Brandenburg)

    nen. Ich erwarte aber vom Bundesfinanzminister, daß der Ausgleich für den Ausfall der Gemeinden bei der Einkommensteuer ebenfalls grundgesetzlich abgesichert wird.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Vertrauen Sie den Ländern nicht?)

    Die Gemeinden brauchen hier einen eigenen Anspruch, so wie sie einen eigenen Anspruch auf die Einkommensteuer haben. Das ist der entscheidende Punkt. Wenn man die Einkommensteuer leerlaufen läßt, dann können die Kommunen auch keine Einnahmen erzielen. Also braucht man einen Anspruch.

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Wenn die Kommunen nicht auf die Länder vertrauen!)

    - Das ist die Frage, Herr Minister Waigel. Sie verschieben die Zahllast auf die Länderebene und sagen: Regelt ihr das einmal auf eurer Ebene. - Ich erwarte von Ihnen, daß Sie den Gemeinden das zurückgeben, was Sie ihnen hier im Bundestag per Beschluß weggenommen haben.

    (Beifall bei der SPD Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sie scheinen zu wissen, wie Länder handeln!)

    Meine Damen und Herren, ich habe, nachdem wir uns über einen Abbau von Steuerprivilegien in der Höhe von 4 Milliarden DM geeinigt haben, die herzliche Bitte: Sehen Sie sich die anderen 61 Vorschläge der Länder noch einmal an. Da ist noch eine Menge Masse drin.
    Wenn Sie hier Aussagen zum Kohlepfennig und zu dessen Abbau machen und sagen; es sei eine gute Entscheidung, daß dieser Kohlepfennig künftig nicht mehr erhoben werde, dann müssen Sie auch dafür sorgen, daß die Refinanzierung der Aufgaben allein aus dem Bundeshaushalt bestritten wird und daß wir diese Finanzierungsverschiebungen nicht über einen Umweg mittragen.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Das Verfassungsgericht hat gesagt: Das geht so nicht!)

    Das erwarten die Länder von Ihnen. Wir bieten Ihnen - das sage ich ausdrücklich; Sie haben das im Vermittlungsausschuß schriftlich bekommen - einen fairen und angemessenen Ausgleich auf der Basis 74 : 26 an. Herr Minister Waigel, wir haben das einmal miteinander verglichen. Wir waren in jener Nacht bis auf 1 Milliarde DM bei einem 20-Milliarden-DM-Verschiebevolumen beieinander. Bis auf 1 Milliarde DM! Ich hätte mir gewünscht, wir wären in dieser Nacht fertig geworden. Aber das Ganze geht nur mit einer grundgesetzlichen Absicherung.
    Herr Abgeordneter Thiele, eines muß ich Sie angesichts meiner Erfahrungen mit Verabredungen im Vermittlungsausschuß fragen - hier ist der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident ein guter Zeuge -: Wo ist denn eigentlich der Konversionsfonds geblieben, der uns seinerzeit im Vermittlungsausschuß zugesagt worden ist? Es gibt viele Dinge, die versprochen, aber nicht gehalten worden sind. Deshalb vertraut die Länderseite auf eine grundgesetzliche Absicherung - dann sind wir auf der sicheren Seite -, nicht aber auf die Zusage, die Umsatzsteueranteile für zwei Jahre anders festlegen zu wollen. Schon die Aussage in dem ursprünglichen Gesetz „zwei Jahre" deutet an, daß Sie die Absicht haben, daran herumzuarbeiten.
    Es ist das gute Recht des Finanzministers, die Finanzlage zu beklagen. Wahrscheinlich ist das auch seine Pflicht. Aber wir Länderfinanzminister, verantwortlich auch für die Kommunen, müssen sehen, daß wir nicht die Zahllast dessen tragen, was Sie an den Pulten hier in Bonn leicht in die Öffentlichkeit hinein versprechen.
    Lassen Sie uns uns zusammensetzen, meine Damen und Herren. Dann werden wir innerhalb von 14 Tagen oder drei Wochen wieder eine Sondersitzung haben. Herr Abgeordneter Schäuble, ich hoffe, daß wir uns bei dieser Sondersitzung gemeinsam über das Vermittlungsergebnis freuen.

    (Beifall bei der SPD Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das ist ja eine Zumutung!)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat jetzt Christine Scheel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Christine Scheel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Herr Waigel hatte recht, als er zu Anfang dieser Debatte das Ganze heute als absurdes Theater bzw. Sommertheater bezeichnet hat. Es ist leider so, daß diese Sitzung in der Öffentlichkeit so wahrgenommen wird. Das versteht draußen kein Mensch mehr. Das ist nicht mehr nachvollziehbar, und es dient nicht unbedingt dem Ansehen der politischen Entscheidungsträger. Wenn Sie sich bei verschiedenen Veranstaltungen, egal zu welchem Thema, umhören und man kommt auf die Frage „Was ist mit dem Jahressteuergesetz?", dann heißt es nur: Die spinnen doch in diesem Parlament.
    Doch leider - auch das muß man hier konstatieren - findet hier nicht eine schlechte Komödie statt, sondern es handelt sich regelrecht um eine Tragödie, wenn man daran denkt, wie verunsichert die Steuerpflichtigen und vor allem die Familien sind, die bis heute nicht wissen, was an Entlastungen genau auf sie zukommt.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Wenn ich gefragt werde: „An wem liegt es? Wer hat diese Sondersitzung beantragt?", dann kann ich nur sagen: Es geht jetzt nicht um die Frage „Wer hat die Sondersitzung beantragt?", sondern man muß unter dem Strich feststellen, daß die Regierung in den letzten Jahren nicht in der Lage war, gescheite Zahlen und einen gescheiten Tarif vorzulegen. Man muß einfach sagen: Es liegt an der jahrelangen Verpenntheit dieser Regierung, die die Verantwortung in diesem Land hat.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Christine Scheel
    Wenn man dann noch überlegt, daß zum 1. Januar 1996 das heutige Einkommensteuerrecht im Prinzip hinfällig wird und die Bürgerinnen und Bürger von sich aus entscheiden können, wie hoch sie das Existenzminimum für sich persönlich ansetzen, dann können Sie sich vorstellen, welches Chaos entsteht.
    Ich appelliere wirklich an beide - sowohl an die SPD als auch an die Koalition -, eine vernünftige Einigung inhaltlicher Art zu erreichen, diesem absurden Theater heute ein Ende zu setzen und den Leuten draußen zu sagen: Wir sind bereit, uns auf ein Kindergeld in Höhe von 220 DM, das im Prinzip von beiden als angemessen angesehen wird - 220 DM Kindergeld hat auch die Koalition zugestanden - zu einigen. Daß das steuerfreie Existenzminimum bis 1999 auf 13 000 DM angesetzt wird, ist das mindeste, was man tun sollte.
    Wir fragen uns auch: Warum dann überhaupt die ganze Zeit dieser Wirrwarr? Wir haben festgestellt: Es gibt keinen Mut zur Steuervereinfachung; es gibt keinen Mut zum wahren Subventionsabbau; es gibt keinen Mut zur Streichung von Privilegien, die sich unter dem Strich rechnet. Die knapp 4 Milliarden DM, die ausgehandelt worden sind, sind ja nur ein Bruchteil dessen, was von seiten des Finanzausschusses des Bundesrates und auch von den Beratern des Herrn Dr. Waigel vorgelegt worden ist.
    Es ist äußerst bedauerlich, wenn man den Leuten draußen erzählen muß: Es gibt unter dem Strich nur eine minimale Kindergelderhöhung, gemessen an dem, was im Geldbeutel verbleibt, und wenn man gleichzeitig sagen muß: Die Nicht-Besteuerung von Flugbenzin wird aufrechterhalten; die Nicht-Absetzbarkeit von Schmiergeldern wird nicht angetastet; es werden nur Löcher gestopft, und man hat nicht den Mut aufgebracht, das umzusetzen, was vor ein oder zwei Jahren angekündigt wurde und was zur Steuervereinfachung und zur Steuerregulierung und insgesamt zu einer Steuersenkung geführt hätte.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Dann kommt Herr Dr. Waigel und sagt: Es gibt eine Steuerentlastung von 22,5 Milliarden DM. Wir wissen, Herr Dr. Waigel, daß das ein ungedeckter Scheck ist. Ich finde es äußerst unfair, der Bevölkerung eine Steuerentlastung von 22,5 Milliarden DM netto vorzugaukeln, während sich parallel dazu im Hinblick auf die Haushaltsverhandlungen zeigt, daß für viele Menschen eine Belastung entstehen wird, die sich gewaschen hat: Die Arbeitslosenhilfe soll um 3,7 Milliarden DM gesenkt werden; die Mittel der Bundesanstalt für Arbeit sollen um 8 Milliarden DM reduziert werden, was letztendlich zu einer Belastung der Schwächeren in dieser Gesellschaft und zu einer höheren Belastung der Kommunen führen wird. Geplant ist auch die Seehofersche Kürzung bei der Sozialhilfe. Die Pflegeversicherungsbeiträge und die Rentenversicherungsbeiträge werden steigen. Es wird eine Neuverschuldung von 10 Milliarden DM in Kauf genommen. Unter dem Strich wird es für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen eine Mehrbelastung geben. Das ist eine Politik der Koalition, die im
    Endergebnis ein Minusgeschäft für die Bürger und Bürgerinnen darstellt.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)