Rede von
Rainer
Haungs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sie werden von mir nicht erwarten, daß ich auf diese Frage antworte: Es ist mir nicht bekannt.
Ich werfe den Tarifvertragsparteien, in diesem Falle der Gewerkschaft, vor, daß eine so komplizierte Flexibilisierungsregelung mit diesen 18 % bei der Menge der mittelständischen Firmen völlig unpraktikabel ist.
Ich ermuntere deshalb auf Grund der Analyse, daß die getroffene Regelung von vielen nicht genutzt wird, dazu, zu sagen: Wer auf der einen Seite hohe Lohnabschlüsse macht, muß auf der anderen Seite das Erarbeiten von Leistungen durch Flexibilisierung vorwärtstreiben. Das heißt, die Regelung, nach der Sie mich gefragt haben, hat sich in der Praxis der letzten zwei Jahre nicht bewährt. Alle Praktiker sagen Ihnen, daß die Unternehmen, die in der Mehrzahl jetzt gut beschäftigt sind, nur durch eine Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit und der Tagesarbeitszeit den Kundenwünschen gerechter werden können.
Sie wissen, Herr Tauss, da Sie sich mit diesem Thema beschäftigen, daß der zweite Gewerkschaftsvorsitzende Riester durchaus höchst intelligente Vorschläge hat, wie man diese Dinge umsetzen könnte.
Rainer Haungs
- Nein, sie sind in diesen Tarifverhandlungen nicht zum Zuge gekommen. Aber aus der Tatsache, daß er andere, intelligentere Vorschläge hat, können Sie durchaus die Konsequenz ziehen, daß sich die vorhandenen schematischen Regelungen in der Praxis nicht bewährt haben.
Ich wiederhole, daß wir auf unserem guten Weg, zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen beizutragen, durch diesen Tarifabschluß keinen Fortschritt erzielt haben und daß dies zweifellos eines der Risiken ist, denen wir uns heute ausgesetzt sehen.
Das zweite Risiko besteht im Wechselkurs. Natürlich freuen wir uns, daß die D-Mark als internationaler Stabilitätsanker, als Reservewährung, als Symbol unserer Wirtschaftskraft hohes Vertrauen genießt.
Frau Fuchs stellte vorhin die etwas philosophische Frage: Wie schön ist diese Welt? Aus der Sicht des Auslands um uns herum ist die ökonomische Welt bei uns, ausgedrückt durch den hohen Wert der D-Mark, schon ziemlich schön. Ich habe im „Economist" gelesen, daß die angelsächsische Welt bereits danach fragt, ob wir am Beginn eines zweiten Wirtschaftswunders sind.
- Ich lese selbstverständlich deutsche und andere Zeitungen. Im Gegensatz zu Ihrem oft zitierten früheren Wirtschaftsminister Schiller zitiere ich die ausländischen Zeitungen sogar auf deutsch.
Aber weil Kollege Hampel heute zu Recht an Herrn Schiller erinnert hat, wollte ich ihn auch daran erinnern, daß er doch feststellen kann: Eine Erinnerung an die vergangene Konzertierte Aktion ist heute nicht unbedingt zielführend, weil beim Bundeskanzler seit längerem
Gesprächsrunden zwischen Wirtschaft, Gewerkschaft, Verbänden und Unternehmern stattfinden. Alle, die durchaus sehr gern daran teilnehmen, empfinden diese Runden nicht als Symbolrunden, sondern als zeitgemäße Form einer aktuellen Wirtschaftspolitik.
Kommen wir zum wahrscheinlichen Fortgang der Konjunktur. Ich gehe davon aus, daß der deutsche Außenhandel auch 1995 trotz der Probleme mit dem höheren Kurs der D-Mark ein Wachstumsmotor ist. 1994 hat die deutsche Wirtschaft einen Ausfuhrüberschuß von 73,9 Milliarden DM erwirtschaftet, 12 Milliarden DM mehr als 1993.
Weiterhin negativ bleibt leider die Leistungsbilanz, auf die ich auch noch eingehen will. Wenn wir jetzt nach der Umstellung der Statistik der Deutschen Bundesbank ein Defizit von 31,6 Milliarden
DM ausweisen, ist dies nach wie vor ein Urteil darüber, daß der Wirtschaftsstandort Deutschland zwar auf dem Weg der Besserung ist, aber noch weiterhin gestärkt werden muß.
Das Defizit in der Dienstleistungsbilanz macht uns deutlich, daß die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gerade in unserer Dienstleistungswirtschaft dringend erforderlich ist. Hierzu tragen Deregulierung, Privatisierung, Öffnung von Monopolen, so etwa im Telekommunikations- und Energiebereich, bei. Es wurde im Verlauf dieser Debatte darauf hingewiesen.
Aber auch die Attraktivität des Tourismusstandortes Deutschland muß und kann gesteigert werden, denn das Verhältnis der Zahl deutscher Ferienreisender
im Ausland im Vergleich zu der Zahl der ausländischen Touristen bei uns ist, wie Sie alle wissen, in hohem Maße unausgeglichen.
Meine Damen und Herren, wir stellen uns bei der Wirtschaftspolitik immer die Frage, wie es möglich sein kann, daß in Zukunft auch mehr ausländische Unternehmen bei uns am Wirtschaftsstandort Deutschland investieren. Wir wissen, daß in den Jahren 1990 bis 1993 deutsche Unternehmen 76,8 Milliarden US-Dollar im Ausland investiert haben, wir in Deutschland aber lediglich 9,9 Milliarden US-Dollar an ausländischen Direktinvestitionen empfangen haben. Damit liegen wir weit hinter vergleichbaren Industrieländern, Wettbewerbsländern wie England und Frankreich. Es ist ein schwacher Trost, daß in dieser Bilanz nur noch Japan schlechter abschneidet. Neue Arbeitsplätze, meine Damen und Herren, werden in ausreichendem Maße nur gesichert, wenn in Deutschland auch genügend investiert wird. Ausländische Direktinvestitionen bringen auch im Dienstleistungsbereich neues Know-how und mehr Wettbewerb in die deutsche Wirtschaft.
Deshalb werden wir die von uns begonnene Standortdebatte weiterführen. Wir gehen davon aus, daß auch von dem neuen Rat für Forschung, Technologie und Wissenschaft beim Bundeskanzler Impulse für den technischen Fortschritt ausgehen, die von uns allen - so nehme ich an - übereinstimmend gefordert werden und die dann zu neuen wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen führen sollen.
Meine Damen und Herren, die Analyse, die vorhin vorgetragen wurde, diese Regierung mache es den Unternehmern leicht, in Deutschland Gewinne zu erwirtschaften, halte ich für völlig verfehlt und falsch.
Wenn Sie mit Unternehmern, wenn Sie mit Betriebsräten, wenn Sie mit all denjenigen reden, die Verantwortung in der Wirtschaft haben, dann wird Ihnen sehr schnell klarwerden, daß der internationale Standortwettbewerb in den letzten Jahren an Intensität zugenommen hat. Deshalb müssen wir alles
Rainer Haungs
tun, um investitionsfreundliche, attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu gehört auch, daß wir im weltweiten Wettbewerb um mehr Investitionskapital aktiv werden.
Dazu gehört auch - ich hoffe, daß Sie dies nicht behindern -, daß wir in einem ersten Schritt die Gewerbekapitalsteuer abschaffen, die Gewerbeertragsteuer mittelstandsfreundlich gestalten und das Ziel haben, hier noch weitere Schritte zu tun.