Rede von
Anke
Fuchs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist interessant, wenn man Graf Lambsdorff und dann den Wirtschaftsminister hört, dann stelle ich für mich fest: So schön, wie Herr Waigel heute morgen die Welt gemalt hat - Herr Weng hat dem applaudiert -, ist die Welt offensichtlich nicht.
Wir fragen die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien: Wie steht es mit einem Haushaltssicherungsgesetz? Wann haben wir damit zu rechnen? Welche globalen Minderausgaben sehen Sie vor, und welche Sperren haben wir uns zu vergegenwärtigen? Wir wollen in dieser Woche eine Antwort auf diese Ankündigung von Graf Lambsdorff.
Herr Minister Rexrodt hat gemeint, wir Sozialdemokraten hätten keine Alternativen zu seiner Politik, und er wisse gar nicht, was wir vorgetragen hätten. Ich denke, wir schicken ihm das alles einmal zu. Dann muß ich das jetzt hier nicht alles wiederholen.
Der Kernunterschied zu dem, was Graf Lambsdorff vorgetragen hat, ist in der Tat, daß unsere Wirtschaftspolitik nicht allein darauf gerichtet ist, daß Unternehmer Gewinne machen, sondern unsere Wirtschaftspolitik ist beschäftigungsorientiert und darauf gerichtet, daß Menschen in unserem Land Arbeit finden.
Deswegen geht es in der Tat in dieser Debatte auch um die Frage: Wie halten wir es eigentlich mit der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft? Ich glaube, wir brauchen darüber eine inhaltliche Debatte; denn die Bedrohung mit anderen planwirtschaftlichen Instrumentarien ist vorbei. Jetzt ist die soziale und ökologische Marktwirtschaft das einzige internationale Modell. Um so mehr müssen wir jetzt sehen, mit welchen inhaltlichen neuen Vorgaben wir die Herausforderungen weltweit bestehen wollen. Das bedeutet mehr als nur Gewinne für die unternehmerische Wirtschaft. Das heißt auch, neue Verbündete in der Gesellschaft für ein neues Verständnis einer ökologischen und sozialen Marktwirtschaft zu finden.
Es bleibt dabei: Wir werden uns mit Massenarbeitslosigkeit nicht abfinden. Der Wirtschaftsminister hat es gerade getan.
- Herr Ost sagt auch: Wir kriegen das nicht hin. Offensichtlich nehmen Sie Arbeitslosigkeit in Kauf. Dann macht ihr eine Veranstaltung beim Bundeskanzler, da sagt ihr: 3 Milliarden DM mehr für die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. - Ganz schön, aber im Haushalt werden erst einmal 3 Milliarden DM für die Bundesanstalt für Arbeit gestrichen. Das andere wird von irgendwo genommen. So betreibt man keine seriöse Politik. Das ist Symbolpolitik, nicht bestimmt von der Sorge, die Arbeitslosigkeit abzubauen.
Herr Minister Rexrodt, wir werden ja die Energiekonsensgespräche führen. Wir kommen nicht sehr viel weiter, wenn wir erst einmal Bekenntnisse abgeben. Sie sagen, Sie wollen die Kernenergie. Für Sozialdemokraten ist aber das Ausstiegsziel nicht verhandelbar. Wir wollen den Ausstieg aus der Kernenergie. Es macht überhaupt keinen Sinn, wenn Sie von uns ein Bekenntnis zur Weiterführung der Kernenergie verlangen. Dann wären die Gespräche zu Ende.
Aber wir wissen ja, daß wir so gar nicht aufeinander zuzugehen brauchen, denn es gibt Regelungsbedarf, es gibt das Stichwort Restlaufzeiten, es gibt das Stichwort Entsorgungsprobleme. Ich bin zuversichtlich, daß wir hier aufeinander zugehen können.
Im Zusammenhang mit der Energiepolitik stellt sich die schwierige Frage nach der Kohlefinanzierung. Ich muß den GRÜNEN sagen: In den Ausschüssen haben Sie alle diese Bemühungen negativ begleitet. Heute kommen Sie mit einem Antrag, mit dem Sie meinen uns überholen zu können. Herr Fischer, das ist fast unter Ihrem Niveau. Das ist taktisch so dumm, daß ich mich frage, was Sie eigentlich wollen. Die Sozialdemokraten stehen zu dem jetzt gefundenen Kompromiß. Deswegen werden wir Ihrem Antrag auch nicht zustimmen. Ich sage das nur, damit Sie in dieser Frage Klarheit haben.
Mein Thema sind die Innovationen. Dabei geht es um eine beschäftigungsorientierte Wirtschaftspolitik und um ein Bündnis für eine Neujustierung dessen, was wir soziale ökologische Marktwirtschaft nennen. Das hat sehr viel mit Innovationspolitik zu tun.
Schauen wir uns in dieser Beziehung einmal die Haushalte an. Das sogenannte Zukunftsministerium liegt bei gerade einmal 3,3 % des Bundeshaushalts. Ich habe gelernt, daß im Forschungsbereich eine Erhöhung um lediglich 4 Millionen DM vorgesehen ist. Innovationen, Zukunftsorientierung, Forschung und Entwicklung bei regenerativen Energien, Ausbildungsförderung, Hochschulen - das sind die Themen, die gerade auch in der von mir definierten so-
Anke Fuchs
zialen ökologischen Marktwirtschaft eine große Rolle spielen. Hier müssen Sie doch powern, meine Damen und Herren, und sich nicht mit 4 Millionen DM abspeisen lassen.
Es fehlt dieser Innovationsschub. In Richtung des Umgangs miteinander und der Suche nach Verbündeten in der Gesellschaft ist im Zusammenhang mit der ökologischen Marktwirtschaft eine Menge zu tun, um Verkrustungen abzubauen, Bürokratien aufzugeben. Auch das meine ich, wenn ich die Frage stelle: Wie können wir die Bankenmacht einschränken? Wie können wir für mehr Wettbewerb eintreten?
Diese inhaltlichen Diskussionen müssen wir einmal führen, und zwar nicht unter dem Motto, unser System ist perfekt, wir lassen alles so laufen wie bisher; sondern erforderlich ist eine Neubesinnung angesichts neuer Herausforderungen, die auf uns zukommen. Andernfalls werden wir nicht einerseits Innovationsschübe auslösen und andererseits zugleich dafür sorgen, daß Menschen in unserem Lande Arbeit finden und auf Grund ihrer sozialen Absicherung keine Angst vor der Zukunft haben, sondern erklären: Wir gehen diesen Schritt mit, aber er muß sozialverträglich begleitet werden.
Ich denke, von daher müssen Machtkonzentration und Verbürokratisierung aufgelöst werden. Das bedeutet auch, daß wir mehr Mitbestimmung in den Betrieben benötigen, daß wir in der Gesellschaft eine Diskussion über Innovationen benötigen, daß wir Qualifizierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten auch als einen Teil innovativer Wirtschaftspolitik begreifen, damit diese Bereiche nicht immer wieder auseinanderfallen, je nachdem, wer gerade zuständig ist. Es geht hier um eine Gesamtschau unserer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung.
Ich will zwei Bereiche kurz antippen, und zwar zunächst das Haushaltssicherungsgesetz. Ich gebe den Ball von Graf Lambsdorff zu Ihnen, Herr Waigel, und bin gespannt, wie Sie ihn auffangen. Wir werden dazu in dieser Woche von Ihnen sicher einiges hören. Wir sind gespannt darauf.
Das andere Thema, das für mich in dem von mir vorgetragenen Sinne auch zur Wirtschaftspolitik gehört, betrifft den Bereich Umwelt und Klimaschutz. Wir haben hierzu, wie Sie wissen, unser Programm vorgelegt. Hier geht es, was die wirtschaftliche Entwicklung anlangt, für uns auch um eine Chance, Exportschlager zu behalten, indem wir sagen: Ökologie und Ökonomie gehören zusammen - das haben wir alle miteinander gelernt -, Arbeit und Umwelt sind kein Gegensatzpaar. Die angeblichen Jobkiller der Vergangenheit führen heute dazu, daß in diesen Bereichen zukunftsträchtige neue Arbeitsplätze entstehen.
Also fördern wir sie, bekennen wir uns dazu.
Gehen wir nicht so kleinkariert mit diesen neuen Themen um.
Dafür brauchen wir allerdings die ökologische Steuerreform. Wir brauchen - das ist auch die Antwort auf das, was Sie, Herr Minister Rexrodt, vorgetragen haben - eine steuerliche Entlastung der Arbeit und eine Belastung des Faktors Umwelt. Darüber miteinander nachzudenken, um zu einem Konzept zu kommen, das die Vor- und Nachteile ausbalanciert und Gestaltungsraum schafft, ist der Sinn unseres Vorschlages einer ökologischen Steuerreform. Ich freue mich ja, daß sich Herr Rexrodt der Kohlefinanzierung per Steuer verschließt, dafür aber um so mehr - so habe ich das verstanden - für eine Klima-/ CO2-Steuer ist. Man höre und staune: Herr Rexrodt hat heute für seine Partei wiederholt, daß er durchaus für eine Klima-/CO2-Steuer ist.
Also machen wir uns doch einmal gemeinsam auf den Weg: Was heißt das nun? Das auf europäischer Ebene zu versuchen, ist erst einmal gescheitert. Also versuchen wir es noch einmal. Ab welchem Termin darf man es denn als endgültig gescheitert betrachten? Wann kommen Sie denn mit dem nationalen Alleingang? Ich glaube, die konzeptionelle Notwendigkeit liegt auf der Hand. Deshalb dürfen wir mit diesem Thema nicht zu lange warten. Wir werden Sie immer wieder ermahnen und natürlich auch eigene Vorstellungen einbringen.
Nun zum großen Bereich der Telekommunikation. Ich bin nicht mit Ihnen einig, Graf Lambsdorff, Herrn Bötsch so zu loben. Ich glaube, er hat schon eine Menge an Vertrauen verschenkt, und zwar durch die Art und Weise, mit der Sie, Herr Bötsch, mit Personalproblemen der Telekom umgegangen sind. Das schadet der Telekom und gefährdet den Börsengang.
In diesem Bereich werden neue Arbeitsplätze entstehen. Es wird darauf ankommen, daß wir uns der Verantwortung bewußt werden, inwieweit wir ein weltweites Netz und globale Dienstleistungen anbieten können. Die Telekom muß sich im weltweiten Wettbewerb behaupten können und zu einem führenden „global player" entwickeln. Deswegen sind wir dagegen, daß man vorzeitig und unreguliert in Märkte eingreift, die zukünftig für die Telekom von hervorragender Bedeutung sind.
Deshalb sage ich: Keine einseitigen Regulierungsmaßnahmen zu Lasten der Telekom! Ich bin, wieder im Gegensatz zu Ihnen, Herr Lambsdorff, der Meinung: Wir brauchen Auflagen für flächendeckende Bereitstellung von Diensten und Netzen
Anke Fuchs
und gegebenenfalls Ausgleichszahlungen für die, die sich an dieser Art des Wettbewerbs nicht beteiligen können. Und wir wollen - sicher gemeinsam mit Ihnen, Herr Lambsdorff - nicht hinnehmen, daß sich Energieversorgungsunternehmen im Verbund mit kapitalkräftigen Konzernen des In- und Auslands als potentielle Wettbewerber der Telekom formieren und dann Investitionen im Telekommunikationsbereich mittels der riesigen Einnahmen aus den Monopolen der Energiewirtschaft quersubventionieren. So habe ich mir die Zusammenarbeit nicht vorgesetllt.
Wir sind, wie Sie wissen, gesprächsbereit. Wir brauchen ein Regulierungsgesetz, auch wenn der Beginn nicht ermutigend war.
Zum Abschluß will ich noch einmal sagen: Das, was hinter diesem Thema steckt, ist mehr als all das, was wirtschaftlich und technisch regulierungsbedürftig ist. Wir dürfen nicht den Fehler machen, Multimedia in der Zukunft als Patentrezept zu begreifen, so als ob damit alle Probleme gelöst seien. Wir neigen alle dazu - ich will mich da gar nicht ausschließen -, daß wir ganz euphorisch an einem neuen Thema arbeiten und auf der Hälfte der Strecke merken, daß wir ein bißchen zu viel erwartet haben. Deshalb: Ja, es werden neue Arbeitsplätze entstehen, aber es werden auch Arbeitsplätze wegfallen.