Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kennzeichnend für den Haushalt des Bundeswirtschaftsministers ist seit der Vereinigung die Tatsache, daß wir etwa die Hälfte unserer Ausgaben für die neuen Länder ausgeben. Das ist auch 1995 so. Wir werden die Ausgaben für die neuen Länder im Jahr 1995 sogar noch einmal steigern. Wir werden auch die Ausgaben für den Mittelstand steigern. Die Ausgaben für kleine und mittlere Unternehmen, für Forschung und Entwicklung, für die Berufsausbildung und für die erneuerbaren Energien werden erhöht. Es gibt dagegen erhebliche Ausgabenrückgänge in Bereichen, wo Aufgaben aus der Vereinigung auslaufen, beispielsweise das sehr aufwendige Programm zur Errichtung von Wohnungen für abziehende russische Soldaten.
Wir werden aus bestimmten Gründen, z. B. weil der Airbus nicht mehr so gefördert wird, weniger Geld für die Entwicklung von Großflugzeugen ausgeben. Wir werden weniger Geld für die Werften ausgeben, obwohl wir für das Jahr 1996 noch einmal aus eigener Initiative eine kräftige Aufstockung der Werfthilfen mit dem Ziel vornehmen, die Zeit bis zur Gültigkeit des OECD-Abkommens zu überbrücken.
In diesem Jahr bleiben die Ausgaben für die Kohle in etwa gleich. Ich darf in diesem Zusammenhang sagen, daß es in den letzten Stunden gelungen ist, in sehr komplizierten Verhandlungen die Detailregelungen für die Kokskohle zu treffen und das Aufteilungsverhältnis zwischen Bund und Ländern festzulegen. Dabei - das darf ich auch anmerken - kann das Saarland dankbar sein, daß wir eine Lösung gefunden haben, die - ich sage es einmal sehr höflich - den besonderen Bedingungen dieses Bundeslandes Rechnung trägt.
Aber mit der Kokskohlenregelung besteht keineswegs Klarheit über die Kohlefinanzierung in der Zukunft. Wir haben gesagt: Wir stehen prinzipiell zum Artikelgesetz. Wir haben uns aber mit Blick auf die Absenkung nach 2000 vorbehalten
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
- hören Sie zu, Herr Fischer - möglicherweise schon im Jahre 1999 in eine Absenkung einzusteigen, um den Neigungswinkel zu verringern. Das muß nicht so sein, das wollen wir aber.
Mir ist es schleierhaft, wie sich eine Partei wie die GRÜNEN, die für ökologisch sinnvolle, für regenerative Energien eintritt, so auf die Finanzierung und Subventionierung der Kohle festlegt. Das ist unverständlich.
Das ist nichts anderes als billiger Populismus. Sie sind auch seit langem so weit, daß Sie und Ihre Leute Populismus betreiben, Herr Fischer. Das zahlt sich für Sie nicht aus.
Es geht uns beim Energiemix darum sicherzustellen, daß Kohlefinanzierung und die Verwendung der anderen Energieträger einschließlich der Kernenergie zu einem Paket zusammengeschnürt werden. Eines ist für uns nicht verhandelbar - das sage ich noch einmal mit aller Deutlichkeit -: Es wird dabei bleiben, daß wir die Option für die friedliche Nutzung der Kernenergie im nächsten Jahrhundert offenhalten.
Es muß dazu kommen, daß Sie mit Ihrem ausstiegsorientierten Vollzug aufhören. Die Entsorgungsprobleme bestehender Kernkraftwerke müssen konstruktiv und im Geist der Gesetze gelöst werden; nichts anderes.
Ich möchte persönlich den Berichterstattern für den Haushalt des Bundeswirtschaftsministers, Frau Hermenau, Herrn Rossmanith, Herrn Dr. Weng und Herrn Hampel danken. Ich möchte auch den vielen Mitarbeitern in den Ministerien und im Parlament für die Arbeit danken, die hier geleistet worden ist.
Lassen Sie mich ein paar Worte zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sagen, die nun zwei neue Aspekte erhalten hat, und zwar Risikoaspekte. Sie sind zum einen durch die Turbulenzen an den Finanzmärkten und zum anderen durch die Tarifabschlüsse in einigen Bereichen bedingt.
Es verdient in diesem Zusammenhang festgehalten zu werden, daß wir in einer kräftigen Wachstumsphase sind. Die Wachstumsraten werden durch die Investitionen bestimmt, die ihrerseits durch eine hohe Kapazitätsauslastung, damit verbundene Erweiterungsinvestitionen, durch die Nachfrage aus dem Ausland und durch eine erstaunlich stabile Inlandsnachfrage bedingt sind. Wichtig und gut bei dieser Entwicklung ist, daß wir spannungsfreies Wachstum haben, d. h. relative Preisstabilität.
Es ist uns gelungen, den Aufschwung Ost in Gang zu bringen. Allerdings sind wir, was den Aufschwung Ost angeht, erst auf halbem Wege. Deshalb haben sich diese Koalition und dieser Wirtschaftsminister auch dafür eingesetzt, daß wir die Förderung für die neuen Länder über das Jahr 1996 fortsetzen, und zwar gestrafft, vereinfacht und im wesentlichen auf das verarbeitende Gewerbe konzentriert.
Wir bleiben 1995 - Frau Hermenau sprach das bereits an - im Einzelplan 09 bei 500 Millionen DM für die Förderung von Forschung und Entwicklung insgesamt. Wir wollen das auch in den kommenden Jahren weiterführen. Das wird konzentriert und vornehmlich auf die Förderung in den neuen Ländern ausgerichtet sein.
Aber, meine Damen und Herren, es gibt Risiken. Sie will ich bei einer solchen Debatte nicht verschweigen. Sie bestehen darin, daß es eine Veränderung bei der Bewertung der D-Mark oder - anders ausgedrückt - der Währungen vieler Länder, die unsere wichtigsten Handelspartner sind, gegeben hat. Bezogen auf die Währungen der wichtigsten 18 Handelspartner, hat die D-Mark in den letzten Monaten eine Aufwertung von 7 % erfahren. 40 % unserer Exporte gehen in Länder, bei deren Währung es eine erhebliche Abwertung gegeben hat. Das hat Auswirkungen auf einige Branchen, insbesondere den Maschinenbau, und auf die Konkurrenzsituation befreundeter Länder, beispielsweise Italiens.
Ich will diese Entwicklung - das sage ich mit aller Deutlichkeit - nicht bagatellisieren. Dennoch müssen wir eines sehen: In den Finanzmärkten liegt ganz eindeutig ein Überausschlag, eine Überreaktion auf bestehende Unsicherheiten in anderen Ländern vor. Die ökonomischen Fundamentaldaten, insbesondere in den USA, in Japan und vielen europäischen Nachbarländern, spiegeln die tatsächliche ökonomische Situation nicht wider. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt, daß sich die Währungsrelationen in mittlerer Sicht immer an den ökonomischen Fundamentaldaten orientieren. Deshalb gehe ich davon aus - ohne daß ich das weiß; das kann man nicht wissen -, daß es eine Rückbewegung, eine Rückorientierung bei den Devisenkursen mit einer Entlastung für unsere Exporteure geben wird.
Nicht in Ordnung bringen, Herr Jens - das darf ich auch noch einmal sagen -, kann man diese Dinge mit einer Steuer. Herr Jens, ich habe Sie - wenn ich es mir erlauben darf, das zu sagen - immer im Verdacht, daß Sie ein Mann sind, der in seinen ökonomischen Vorstellungen außerordentlich harmonieorientiert ist und der diese Dinge regeln will. Wenn der Markt sie nicht regelt, sind Sie ganz schnell bereit mit irgendwelchen Vorstellungen, wie man das mit Hilfe eines Gesetzes oder unter Einbeziehung der Bundesbank oder wie auch immer machen könnte. Ich sage Ihnen: Das geht nicht. Der Markt entscheidet. Wenn Sie die Devisenbewegungen durch Erhebung einer Kapitalbewegungssteuer kanalisieren wollen, wird es am Ende dahin kommen, daß die Währungsausschläge noch viel größer werden, als sie es heute
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
schon sind. Sie können niemals mit Hilfe einer Steuer gegen den Markt operieren. Das ist das ökonomische Einmaleins im dritten Semester, Herr Kollege Jens. Das darf ich Ihnen sagen.
Meine Damen und Herren, ich will das nicht bagatellisieren, aber auch nicht dramatisieren. Die Stärke der D-Mark ist auch Ausdruck des Vertrauens in unsere Wirtschaft und in unsere Stabilitätspolitik. Keiner sollte vergessen, daß von einer stabilen D-Mark auch Entlastungseffekte für den Verbraucher durch die billigeren und günstigeren Importe ausgehen.
Lassen Sie mich ein zweites Thema anschneiden, eines, welches ebenfalls mit Risiken zu tun hat, das ist die Tarifentwicklung. Ich bin froh darüber, daß die relativ schnell zum Abschluß gelangten Tarifverhandlungen dazu geführt haben, daß im großen und ganzen Streiks abgewendet werden konnten und daß eine Phase der Unsicherheit vermieden werden konnte. Aber ich sage: In einigen Bereichen sind die Abschlüsse an der Grenze des betriebswirtschaftlich Machbaren und des volkswirtschaftlich Vertretbaren,
vor allem in der Metallindustrie. Ich hätte mir gewünscht, daß in diesem Bereich endlich das kommt, was für unsere Volkswirtschaft unverzichtbar ist, nämlich mehr Mobilität und Flexibilität am Arbeitsmarkt.
Meine Damen und Herren, der Arbeitsmarkt der Zukunft wird ein ganz anderer sein als heute. In 10 oder 15 Jahren werden wir Vereinbarungen über die Arbeitszeit, über die Tarifhöhe und anderes mehr sehr viel individueller treffen können, als das heute der Fall ist. Je schneller wir uns in Richtung auf einen mobilen und flexiblen Arbeitsmarkt bewegen, um so besser. In der Metallindustrie ist in bezug darauf nichts herausgekommen. Ich hoffe, das wird anderswo nachgeholt. Die Chemieindustrie könnte dafür ein gutes Beispiel sein.
Trotz der dämpfenden Effekte auf Grund der Devisenentwicklung und der Tarifabschlüsse sehe ich keine wirklich ernsthafte Gefahr für die Fortsetzung des Aufschwungs. Wir gehen davon aus, daß wir die 3 % Wachstum, die wir prognostiziert haben, erreichen können.
Was die Abschlüsse angeht, meine Damen und Herren - das sage ich insbesondere mit Blick auf die Opposition -: Lassen Sie uns nicht in eine Situation kommen, in der die Unternehmen wie folgt überlegen: Ich habe in meinem Unternehmen einen bestimmten Fonds X - DM oder Prozente; das kann man so oder so ausdrücken - für Lohn und Gehalt. Wenn die Abschlüsse wesentlich über diesen Fonds hinausgehen, dann wird man eben dazu kommen, daß man die Arbeitnehmerschaft reduziert und Leute entläßt, um innerhalb dieses Fonds bleiben zu können.
Ich sage nicht, daß das gut oder wünschenswert ist. Aber das ist die Realität, das ist die Denkweise - sogar notwendigerweise - in vielen großen Betrieben. Deshalb muß man vorsichtig sein und den Einkommenseffekt, auf den Sie sich ja immer - zu großen Teilen zu Recht - berufen, und den Kosteneffekt der Löhne und Gehälter gegeneinander abwägen. Das ist in der Vergangenheit sehr sinnvoll gemacht worden, und dabei müssen wir bleiben.
Meine Damen und Herren, ich mache keinen Hehl daraus, daß es uns nicht gelungen ist, die Entwicklung am Arbeitsmarkt so zu beeinflussen, wie wir uns das wünschen. Die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor zu hoch. Keiner hat ein überzeugendes Rezept - das ist keine Entschuldigung; aber das ist nun leider einmal so festzustellen -, wie wir dieses Problem ohne einen langen, komplizierten Prozeß, den wir in unserem Standortprogramm vorgegeben haben, lösen können.
Wir wollen aktuelle und akute Probleme lösen, beispielsweise über ein Programm zur Langzeitarbeitslosigkeit, beispielsweise durch Selbstverpflichtungen der Industrie, Lehrstellen für alle in Ost und in West zur Verfügung zu stellen, notfalls auch mit Unterstützung durch öffentliche Mittel. Wir wollen die Probleme zukunftsorientiert angehen,
indem wir in Bildung und Wissenschaft und indem wir in mehr Selbständigkeit sehr viel investieren werden. Ich denke bei der Meisterförderung an die Kosten für den Lebensunterhalt und die Bezuschussung der Lehrgangskosten. Das alles wird zukunftsorientiert gemacht.
Das wird nicht ausreichen; das sind aber richtige Schritte. Wenn Sie prinzipiell andere und bessere Schritte anbieten können, dann sagen Sie das, meine Damen und Herren von der Opposition. In der Vergangenheit war das nicht der Fall. Sie können sagen: Hier geben wir ein bißchen mehr und da ein bißchen weniger. Bei der Werfthilfe, bei Subventionen für die Kohle oder für sonstetwas, da kommen Sie. Aber eine prinzipiell anders orientierte Wirtschaftspolitik, der im übrigen bescheinigt wird, daß sie in der Europäischen Union und darüber hinaus vorbildlich ist, haben Sie, wenn Sie ehrlich sind, nie geliefert. Sie können sie auch nicht liefern, weil es zu unserer Politik keine Alternative gibt.
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
- Das ist so, Herr Fischer. Von Ihnen habe ich zur . Wirtschaftspolitik noch nie etwas gehört. Ökologische Marktwirtschaft ist im übrigen in vielen Parteien verankert und verwurzelt. Da haben wir mit dem Setzen auf Selbstverpflichtungen und mit der Tatsache, daß wir Kosten und Preise für den Umweltschutz in den marktwirtschaftlichen Prozeß einfügen wollen, allemal ein besseres Konzept als Sie, die Sie mit der Keule des Ordnungsrechts alles erschlagen wollen.
Meine Damen und Herren, wir haben die Rezession aufgefangen. Wir haben den Aufschwung Ost in Gang gebracht.