Ich bin gern bereit, das zur Kenntnis zu nehmen. Ich bin aber ebenso in der Lage - ich habe es mir nämlich mitgeschrieben -, Sie noch einmal zu zitieren. Wörtlich haben Sie gesagt: aus Gründen der Sicherung für die Bergbauunternehmen. Dies halte ich für einen falschen Ansatz.
Meine Damen und Herren, wenn man dieser Debatte ganze Strecken lang gefolgt ist, muß man den Eindruck gewinnen, Wirtschaftspolitik bestände ausschließlich darin, Subventionen zu fordern, zu gewähren, zu streichen oder nicht zu geben.
Und wenn wir da angekommen sind, ist allerdings gestaltende Wirtschaftspolitik überhaupt nicht mehr möglich.
Die wirtschaftlichen Grunddaten zeichnen ein erfreuliches Bild für Deutschland. Der konjunkturelle Aufschwung setzt sich mit einem Wachstum von 3 % fort. Die Umstrukturierung in den neuen Bundesländern macht beachtliche Fortschritte. Ich will gar nicht alles im einzelnen aufzählen.
Ich fand es übrigens bemerkenswert, mit Herrn Metzger heute morgen seit langer Zeit einmal wieder jemanden zu erleben, der ohne ein Stück Papier ans Rednerpult gekommen ist. Ich werde versuchen, mich in Zukunft auch mal wieder daran zu halten.
Ich will also gar nicht alles im einzelnen aufzählen. Wir wissen aber eines: Trotz dieser positiven Grunddaten - die deutsche Wirtschaft wird ja, wenn man sich die internationalen Kapitalmärkte ansieht, positiv beurteilt - haben wir es mit einem dicken Problem zu tun. Das ist die viel zu hohe Arbeitslosigkeit, die nach wie vor nicht ausreichend abgebaut ist.
Tun wir eigentlich in Deutschland alles, um diesem Übel rasch und nachhaltig zu begegnen, um es nach Möglichkeit zu beseitigen? Tragen die jüngsten Tarifverhandlungen dem Rechnung? Sie tun es nicht.
- Nein, natürlich nicht, Frau Fuchs. Der vereinbarte Lohnzuwachs - darüber sind sich alle im klaren - ist zu hoch, und vor allen Dingen ist mehr Flexibilität nicht zustande gekommen.
Ich bin ja mit Frau Hermenau völlig einig, daß mehr Teilzeitarbeit, mehr Jobsharing notwendig wäre. Wo ist das denn in den Tarifverhandlungen alles geblieben? Nichts davon ist zustande gekommen.
Im Gegenteil, wieder einmal wird flächendeckend dem bayerischen Metallabschluß gefolgt, über alle Branchen hinweg. Was übrigens die Verhandlungstaktik anlangt, finde ich, daß die Arbeitgeber diesmal erheblich stärker zu kritisieren sind als die IG Metall. Die haben ihr Ziel durchgesetzt und erreicht. Warum man ihnen dazu auf diese Weise verholfen hat, bleibt für mich ein Geheimnis.
Die Bauindustrie fordert gleichzeitig mit einem Abschluß von 3,8 % - das finden wir alles in den Mieten und im Wohngeld wieder, und dann zahlt es wieder der Steuerzahler - die Verabschiedung einer europäischen Entsenderichtlinie oder eines nationalen Entsendegesetzes, alles unter dem Motto „Deutsche Bauarbeiter bauen deutsche Häuser". Wer hat sich je angemaßt, die deutsche Textilindustrie vor Billigimporten schützen zu wollen? Niemand. Wollen wir demnächst den Import billiger Fertighäuser aus dem EU-Land Finnland verbieten?
Täusche sich keiner, meine Damen und Herren: Gesetzlich garantierte Mindestlöhne und mehr Allgemeinverbindlichkeitserklärungen in anderen Branchen werden so sicher folgen wie das Amen in der Kirche.
Dr. Otto Graf Lambsdorff
Eine Entsenderichtlinie ist der Vorgeschmack auf das, was wir heute unter dem Stichwort Sozialklauseln oder Umweltklauseln im GATT diskutieren: alles Protektionismus durch die Hintertür, vielleicht auch schon durch die Vordertür.
Hat die Bundesregierung ihrerseits alles getan, um beste Voraussetzungen für den Abbau der strukturellen Arbeitslosigkeit zu schaffen?
- Nein, das ist wahr. Es steht eine nachhaltige Deregulierung auf dem Arbeitsmarkt und auf den Gütermärkten nach wie vor aus. Zwar wird bei uns in Technologieräten über die Informationsgesellschaft gesprochen. Aber wer kann eigentlich verantworten, daß seit Monaten die wichtigste Führungsposition der Deutschen Telekom unbesetzt ist?
- Verehrter Herr Fischer, ich habe gefragt: Wer kann es verantworten? Und ich meine, man kann es nicht verantworten.
Ich will Herrn Bötsch aber auch gleichzeitig loben, und ich hoffe, Sie schließen sich dem an.
- Sicher war es Kritik. Die habe ich auch öffentlich geäußert. Ich hoffe, daß jetzt bei der Post nicht mehr der Hase beim Pfeffermann liegt.
Meine Damen und Herren, die heute bekanntgewordenen Vorschläge des Bundespostministers in den Fragen der Deregulierung der Bundespost sind ausgesprochen akzeptabel und begrüßenswert
- jawohl - und gehen endlich in die richtige Richtung, die Sie eben jahrelang verhindert haben. Von der Postreform I bis heute haben Sie alles verhindert, was notwendig war.
- Ich bin strikt für die Einschränkung dieser Wettbewerbsposition, für die Änderung des Kartellgesetzes, für die Aufhebung der Demarkationslinien und für die Änderung der Konzessionsgebiete. Darüber brauchen wir uns nicht zu streiten. Wenn Sie das mit durchsetzen, vor allen Dingen in Europa, wo es mal wieder gescheitert ist, weil die Electricité de France ihr Monopol nicht aufgeben will, könnten wir vielleicht ein paar Schritte weiterkommen.
Meine Damen und Herren, gerade die Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte zeigt doch, daß sich die Wirtschaftspolitik zunehmend internationalisiert. Hier sind Entwicklungen feststellbar, die wir mit Sorgfalt in ihrer Konsequenz beachten müssen.
Rüstungsexporte werden ein Thema der diesjährigen Haushaltsdebatte sein. Das ist wohl bekannt. Es ist generell zu kritisieren, daß Rüstungsgüter zunehmend auf Kredit verkauft werden. Ich fürchte, daß sich in Zukunft der Druck auf die Bundesregierung zur Genehmigung von Waffenlieferungen verstärken wird. Das ist die unselige Folge davon, daß sich in unseren Köpfen und in denen unserer Partner eine neue Idee festsetzt: Der Wettbewerb zwischen den Unternehmen sei einem Wettbewerb zwischen den Staaten gewichen.
Koppelungsgeschäfte zwischen Rüstungs- und zivilen Gütern, do ut des und die Orientierung an beschäftigungspolitischen Zielen führen zu einer schleichenden Korrumpierung der nationalen Politik, sich für spezifische Unternehmen einzusetzen. Jeder kennt seit vielen Jahren die Beispiele. Ich habe seit Jahren davor gewarnt, ziemlich laut und ziemlich ergebnislos. Mit Ende des Kalten Krieges scheint sich dieser Trend international verstärkt zu haben. Einzelne Länder haben kaum eine Chance, sich abzukoppeln.
Wenn dieser zweifelhafte Trend schon nicht auf zuhalten ist, dann muß zumindest der gleiche Eifer von Politikern und Diplomaten erwartet werden, wenn es um einen Mittelständler geht, der im Ausland Interessen hat.
Strategische Wirtschaftspolitik zugunsten der wenigen Großen würde endgültig zu einer Verquickung von Konzernen und nationalen politischen Interessen führen.
Ist hier eine Besserung, eine größere Wettbewerbsorientierung zu erwarten, wenn die neue Welthandelsorganisation ihre Arbeit aufnimmt? Der Start der WTO ermutigt nicht zu großen Hoffnungen. Der Personalpoker und der folgende halbherzige Kompromiß haben dieser Organisation leider geschadet. Allein gut daran ist - ich will das ausdrücklich sagen -, daß mit Renato Ruggiero ein ausgewiesener Freihändler an der Spitze der WTO steht. Die Kritik der Vereinigten Staaten an ihm war völlig unberechtigt. Da wurde der Kandidat schlechtgemacht, um den eigenen Bewerber zu fördern.
Meine Damen und Herren, kann man heute, Ende März 1995, davon ausgehen, daß die Projektion der Bundesregierung über die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands noch gültig ist? Ist 1995 ein Wachstum von 3 % realistisch? Die Lohnabschlüsse sind höher als in der Projektion vorausgesetzt. Welche Wirkung werden die Wechselkursänderungen, der Fall des Dollar und wichtiger EWS-Währungen
Dr. Otto Graf Lambsdorff
auf Außenhandel, Wachstum und Preisentwicklung haben?
Angesichts der starken Empfindlichkeit der nationalen Volkswirtschaften auf die Entwicklungen der internationalen Kapitalmärkte werden aktuell Modelle erörtert, die 01 auf die aufgewühlten Wogen gießen sollen.
Die Rückkehr zu Kapitalverkehrskontrollen wäre sicherlich falsch, um Wechselkurse zu stabilisieren. Herr Waigel sagt gar nichts anderes. Liberalisierte Kapitalmärkte sind die Voraussetzung für die effiziente Verwendung des Kapitals. Sie sind ein unverzichtbarer Teil des europäischen Binnenmarktes.
Herr Tobin hat 1978 - Herr Jens, Sie haben es aufgegriffen - eine Steuer auf internationale Kapitaltransaktionen vorgeschlagen. Sie ist falsch, auch wenn Sie sie befürworten. Glaubt man etwa, 150 Staaten zu einer einheitlichen Besteuerung bestimmter Kapitaltransaktionen zwingen zu können? Nicht einmal eine einheitliche Zinsbesteuerung haben wir im Europa der Zwölf zustande gebracht. Das alles ist blanke Theorie, mit der niemandem geholfen ist. Das bewirkt nichts.
Auch internationale Zinsveränderungen - immer wieder Aufforderung an die Bundesbank, aus Ihrer Reihe ganz besonders - würden die Wechselkurse nicht dauerhaft in den Griff bekommen. Die Erfahrung haben wir nach dem Plaza-Abkommen, nach dem Louvre-Abkommen gemacht. Das ist alles nur kurzzeitige Hilfe. Solide Wirtschafts-, Finanz- und Lohnpolitik, verläßliches und verantwortungsvolles Handeln der Staaten und ihrer Regierungen sind das Rezept, um Wechselkurse zu stabilisieren. Alles andere ist kurzfristig und ohne Bestand.
- Verehrter Herr Fischer, dazu gehören in der Bundesrepublik Deutschland, unserer föderalen Ordnung, die Länderhaushalte. Da kümmern Sie sich einmal um Hessen, woher Sie kommen und wo Sie Schaden angerichtet haben, um sich hierher abzusetzen, und schreien Sie hier nicht.
Meine Damen und Herren, was für die große internationale Währungsordnung gilt, gilt auch für die kleinere Europäische Währungsunion. 1997 wird es die Europäische Währungsunion nicht geben. Diese Vorhersage wage ich. Mit dem Datum 1999 sollten wir uns nicht unter Druck setzen lassen, denn es geht nicht um ein Datum, es geht um die Einhaltung der Bedingungen.
Wenn die Konvergenz - das sagt die F.D.P. noch einmal deutlich - der Finanz- und Wirtschaftspolitik nicht gegeben ist, dann ist es gefährlich, diese Konvergenz erzwingen zu wollen. Wir wollen nicht den großen Deckel der europäischen Währung über unsere Probleme stülpen, denn dann platzt eines Tages der ganze Topf.
Und wir sollten uns - ich kann das leider nicht ausführen - vor dem Täuschungsversuch einer Parallelwährung hüten. Das wäre ein Täuschungsversuch gegenüber den Bürgern.
- Bitte sehr. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ja, bitte.