Rede von
Manfred
Hampel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist noch immer erhebliche Unruhe im Plenum. Ich werde einfach versuchen, so laut zu sein, daß ich die anderen übertöne. Das Mikrophon hilft mir dabei ja.
- Meinst du, daß dann jemand zuhört? Ich bin mir da nicht so sicher.
Meine Damen und Herren, beim Einzelplan des Bundeswirtschaftsministers bin ich in diesem Jahr erstmals Berichterstatter. Vor diesem Hintergrund eine persönliche Anmerkung: Ich hätte mir eine etwas längere Vorlaufzeit zu den Haushaltsberatungen
*) Seite 2124 A
Manfred Hampel
gewünscht. Vielleicht wäre es dann uns, der SPD-Fraktion, gelungen, die Koalition mit einer noch größeren Anzahl guter und durchdachter Anträge zu einer insgesamt produktiveren Wirtschaftspolitik zu bringen. Den Zweifel, ob dies letztlich von Erfolg gekrönt gewesen wäre, muß ich gleich hinzufügen, denn die Erfahrungen, die im Haushaltsausschuß gemacht worden sind, waren mehr als frustrierend: Alle Erhöhungsanträge von uns sind abgelehnt worden,
auch wenn sie, gemessen am Gesamthaushalt, eher als marginal zu bezeichnen waren. Trotzdem - das möchte ich nachdrücklich versichern - werden wir Sozialdemokraten uns auch künftig nicht beirren lassen, ständig und immer wieder neu den Versuch zu starten, die Akzente zu setzen, die für eine positivere Entwicklung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen notwendig und richtig sind.
Die Überwindung der Rezession hat die Massenarbeitslosigkeit bisher nicht spürbar vermindert. Es fehlen ca. 6 Millionen wettbewerbsfähige zukunftsträchtige Arbeitsplätze. Seitens der Bundesregierung ist nichts, aber auch gar nichts zu sehen, was diesen Mißstand mildern könnte; von „beseitigen" wagt ja kaum noch jemand zu sprechen.
Dringend notwendig ist eine Innovationsoffensive, mit der die deutsche Wirtschaft den Anschluß an die wichtigsten Zukunftsmärkte wie z. B. bei der Informations- und Kommunikationstechnologie oder den Bio- und Gentechnologien zurückgewinnen kann. Nur hochqualifizierte Arbeitsplätze sind künftig sichere Arbeitsplätze. Das ist eine Binsenweisheit. Es muß aber endlich angefangen werden, diese auch zum Ziel des politischen Handelns zu machen.
Notwendig ist eine gebündelte Strategie von Finanz-, Wirtschafts- und Technologiepolitik, an der alle gesellschaftlichen Gruppen aus Politik, Wirtschaft und Finanzen beteiligt sind. Bei Karl Schiller würde dies Konzertierte Aktion geheißen haben und sicher schon längst auf dem Weg sein. Bei Günter Rexrodt und Theo Waigel wird einfach weitergewurstelt, solange es halbwegs gutgeht.
Dabei stehen die Alarmsignale schon lange Zeit auf rot. Die anhaltende Konkurswelle zeigt, daß die Rezession auch einen tiefen Einschnitt bei kleineren und mittleren Unternehmen hinterläßt. Eine effizientere Mittelstands- und Existenzgründungsförderung wird somit unumgänglich und notwendig.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zur Verdeutlichung eine kurze ADN-Meldung aus der „Mitteldeutschen Zeitung" vom 23. März 1995 zitieren. Dort heißt es:
Pleiten nehmen zu. Die Zahl der Insolvenzen in Sachsen-Anhalt hat im vergangenen Jahr gegenüber 1993 um 42 % zugenommen.
- Damals war noch die CDU an der Regierung. Wenn Sie sich erinnern: 1993 war die SPD noch nicht an der Regierung.
Es gab 643 Verfahren, teilte das Statistische Landesamt mit. Im Baugewerbe wurden mit 150 Verfahren die meisten Insolvenzen registriert, es folgte der Handel mit 130 Verfahren. Fast die Hälfte der gesamten Insolvenzen betreffen Bereiche, die bislang immer als Träger des Aufschwungs in den neuen Bundesländern bezeichnet wurden.
Der Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung nimmt diese alarmierende Entwicklung schlichtweg nicht zur Kenntnis. Von Konzepten und Strategien, wie dem begegnet werden kann, ist schon gar nicht die Rede. Die Antwort der Bundesregierung ist statt dessen die Kürzung des Titels Zinszuschüsse und Erstattung von Darlehensausfällen im Rahmen des Eigenkapitalhilfeprogramms zur Förderung selbständiger Existenzen um 65 Millionen DM und der Verpflichtungsermächtigung für künftige Haushaltsjahre um 550 Millionen DM.
Die einfache Begründung war, die eingestellten Mittel seien nicht abgeflossen, und alle vorgelegten Anträge seien erfüllt worden. Im Zusammenhang mit der zitierten ADN-Meldung verstehe das, wer will, ich nicht.
Eine leistungsfähige Wirtschaft ist die Grundlage des Wohlstands für ganz Deutschland. Die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu sichern und zu verbessern bleibt somit nach wie vor eine der wichtigsten Aufgaben.
Die Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken und den Strukturwandel durch eine neue Existenzgründungsbewegung zu fördern ist vor diesem Hintergrund eine Maßgabe, die von der Politik unbedingt begleitend unterstützt werden muß. Der Staat muß hierbei wichtige Impulse geben und entsprechende Rahmenbedingungen setzen.
Innovation und Qualifikation sind die Antwort auf die wesentlichen Fragen nach der künftigen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Unsere Anträge dazu, die Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung um 30 Millionen DM, die Förderung von Lehrgängen der überbetrieblichen beruflichen Bildung im Handwerk um 10 Millionen DM und die Förderung der Leistungssteigerung im Handwerk um 12 Millionen DM zu erhöhen, waren - gemessen an der Gesamtaufgabe -
Manfred Hampel
relativ gering, sollten aber als ein Signal für einen Schritt in die richtige Richtung gesetzt werden.
Doch selbst die von uns bewußt so niedrig gehaltenen Erhöhungsanträge wurden von der Koalition abgelehnt.
Davon werden wir Sozialdemokraten uns aber nicht beirren lassen, sondern weiterhin
dafür streiten, daß Innovations-, Qualifikations- und Mittelstandsförderung den Stellenwert bekommt, der für die Gestaltung einer modernen und zukunftssicheren Wirtschaft auch wirklich angemessen ist.
Meine Damen und Herren, die Globalisierung der Märkte und die damit verbundene Verschärfung des weltweiten Wettbewerbs erfordern zusätzliche Maßnahmen und Instrumente zur Sicherung der Marktchancen der deutschen Wirtschaft. Sowohl der Zutritt zu den Wachstumsmärkten in China, Südostasien und Lateinamerika wie auch der Marktzugang zu den GUS-Staaten und zu anderen mittel- und osteuropäischen Staaten gestalten sich insbesondere für mittelständische Unternehmen zunehmend schwierig. In den führenden neuen Wachstumsregionen der Welt ist die deutsche Wirtschaft durch Ausfuhren, Kooperationen und sonstige Formen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit nicht in dem Maße vertreten, wie es ihrem Anteil am gesamten Welthandel entsprechen würde. Großen Nachholbedarf hat die deutsche Wirtschaft insbesondere in den Wachstumsregionen der Zukunft, wie China, Asien-Pazifik und Lateinamerika. Gerade die mittelständischen Unternehmen haben große Schwierigkeiten, den Zutritt zu diesen Überseemärkten zu gewinnen, zumal die Kosten, die Risiken sowie die kulturellen, sprachlichen und sonstigen Zugangsbarrieren in diesen Regionen außerordentlich hoch sind.
In bestimmten Regionen, die von überdurchschnittlichem Wachstum und zugleich von hohen Eintrittsbarrieren geprägt sind, ist darüber hinaus eine ständige Handelspräsenz Deutschlands erforderlich, in deren Rahmen deutsche Unternehmen und Wirtschaftsvereinigungen Dienste und Serviceleistungen in Anspruch nehmen können.
Grundsätzlich hat sich die Messeförderung des Bundes als Hilfestellung für exportorientierte Unternehmen bei der schwierigen und finanziell aufwendigen Erschließung von Auslandsmärkten bewährt. Wie Fachstudien ergeben haben, werden etwa 25 % des deutschen Exports mittelbar und unmittelbar über Messepräsentationen in die Wege geleitet und damit durch die Messeförderung für Auslandsmessen maßgeblich mit bewirkt. Deshalb ist die Verstärkung der Messeförderung des Bundes von zentraler Bedeutung,
um der deutschen Wirtschaft bei der in finanzieller Hinsicht mit hohem Aufwand und hohen Risiken verbundenen Markterschließung behilflich sein zu können.
Insbesondere mittelständische Unternehmen vermögen aber die hohen Kosten nicht aus eigener Kraft zu tragen. Deswegen ist auch die Förderung, die sich auf allgemeine Kosten von Gemeinschaftsständen und Messen beschränkt, entsprechend den für die neuen Bundesländer geltenden Regelungen auf Transportkosten und in begründeten Ausnahmefällen auch auf Reisekosten auszudehnen. Dazu haben wir im Haushaltsausschuß, natürlich erfolglos, die Anträge gestellt, die Mittel der Beteiligung des Bundes an Auslandsmessen und -ausstellungen im Bereich der gewerblichen Wirtschaft und für die Pflege der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland um jeweils 10 Millionen DM aufzustocken, ein lächerlich geringer Betrag.
Es wurde trotzdem abgelehnt.
Die längerfristige Sicherung des Ost-Geschäfts durch Einrichtung von Handelsentwicklungsgesellschaften halten wir Sozialdemokraten weiterhin für dringend notwendig.
Durch häufigen Mangel an Starkwährungen in diesen Staaten ist der Handel nicht in dem Umfang möglich, wie er für den Aufbau der Wirtschaft in diesen Staaten unumgänglich notwendig wäre und wie er auch im Interesse der deutschen Wirtschaft läge. An die Stelle einer Versicherung des Kaufpreises - das sind die Hermes-Bürgschaften - soll künftig die Möglichkeit treten, Sachwerte jeglicher Art als Zahlungsersatz anzunehmen, vorzugsweise Beteiligungen, Grundstücke oder Rohstoffe. Dazu haben wir den Antrag gestellt, einen Leertitel einzustellen, um den Diskussionsprozeß diesbezüglich in Gang zu bringen. Auch wenn dieser Antrag das Schicksal aller anderen teilen mußte, ist der Fairneß halber anzumerken, daß die Koalition Gesprächsbereitschaft für die Beratungen des Haushalts 1996 signalisiert hat.
Vielleicht gelingt es uns gemeinsam, etwas Vernünftiges zustande zu bringen. Dies könnte im übrigen auch den Absatz ostdeutscher Produkte in einem erheblichen Maße befördern.
Meine Damen und Herren, in den von Strukturproblemen geprägten Regionen Deutschlands - dies sind zum überwiegenden Teil die neuen Bundesländer - ist der Wandel zu neuen, wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstrukturen durch eine bessere und effizientere Bündelung der Mittel aus staatlichen Fördermaßnahmen von Bund und Ländern sowie der Europäischen Union zu unterstützen.
Positiv ist anzumerken, daß die Förderrichtlinien für die Gemeinschaftsaufgabe der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur neu gefaßt worden
Manfred Hampel
sind. Die beiden wesentlichsten Elemente sind, daß erstens die Ballungsgebiete aus der Förderung herausfallen und daß den wirklich strukturschwachen Regionen somit entsprechend mehr Fördermittel zur Verfügung stehen und daß zweitens nun auch nichtinvestive Bereiche gefördert werden können. Ebenfalls positiv anzumerken ist die Aufstockung der GA-Mittel um 200 Millionen DM.
Meine Damen und Herren, ein wichtiger Teil der Beratungen im Einzelplan 09 waren die Themen Steinkohleverstromung, Kokskohlehilfe und Werftenhilfe. Im ersten Energiekonsensgespräch wurde ein Kompromiß bei der Steinkohleverstromung erzielt. Wir stellen deswegen keinen Antrag dazu.
Im Haushaltsausschuß wurde seitens des Bundesfinanzministeriums die Erklärung abgegeben, das Artikelgesetz vom 19. Juli 1994 sei ausreichende rechtliche Grundlage, um die Zuwendungsbescheide erteilen zu können. Aus Gründen der Sicherheit für die Bergbauunternehmen sage ich dies hier noch einmal ausdrücklich für das Protokoll.
Zur Finanzierung der Zuschüsse an die Unternehmen des deutschen Steinkohlebergbaus zur Erleichterung des Absatzes von Kohle und Koks an die Stahlindustrie ist in letzter Minute eine Einigung zwischen Bund und Ländern erzielt worden. Ich bin froh, daß es hierbei noch zu einer Einigung gekommen ist. Wir werden dem Antrag der Koalition zustimmen, nicht aber der Finanzierung über die Erhöhung der Nettokreditaufnahme. Diesen Antrag haben wir im übrigen bereits abgelehnt.
Meine Damen und Herren, zum dritten Stichwort: Werftenhilfe. Der deutsche Schiffsbau befindet sich im Jahre 1995 in einer schwierigen und widersprüchlichen Situation. Die weltweite Rezession ist überwunden, die konjunkturellen Aussichten haben sich für die Werften deutlich verbessert. Gleichzeitig steigt aber der internationale Konkurrenzdruck, und es bestehen Wettbewerbsverzerrungen sowohl gegenüber den südostasiatischen Marktführern als auch gegenüber europäischen Konkurrenten.
Das OECD-Abkommen über den Abbau aller direkten und indirekten Subventionen wird die Rahmenbedingungen grundlegend verändern. Der deutsche Schiffsbau und die Schiffsbaupolitik stehen somit vor gravierenden Herausforderungen. Fortbestehende Wettbewerbsverzerrungen und durch andere Staaten gewährte Schiffsbauhilfen zu Lasten der deutschen Schiffswerften erfordern eine Fortführung des Wettbewerbshilfeprogramms bis zum Inkrafttreten des OECD-Abkommens. Die Wettbewerbshilfen sind zu den gleichen Konditionen wie in anderen europäischen Staaten fortzusetzen, damit auch künftig keine Wettbewerbsnachteile für die deutschen Werften entstehen.
- Darauf komme ich noch zu sprechen, Kollege Rossmanith.
Da nach dem OECD-Abkommen ab dem Jahre 1996 keine neuen Fördertatbestände geschaffen werden dürfen, ist im Haushalt 1995 für die Jahre 1996 bis 1998 eine entsprechende Verpflichtungsermächtigung einzustellen. Mit dem durch den Haushaltsausschuß eingestellten Zuschußvolumen von 580 Millionen DM kann lediglich ein Auftragsvolumen von rund 9 Milliarden DM gefördert werden. Bedingt durch die letztmalige Subventionierung ist aber realistischerweise von einem Auftragsvolumen von mindestens 12 Milliarden DM auszugehen, welches ein Zuschußvolumen von über 700 Millionen DM erfordern würde.
Gleichzeitig ist auch im Zinszuschußprogramm zur Finanzierung von Aufträgen an die deutsche Werftindustrie die Höhe dem erhöhten Auftragsvolumen anzupassen. Nach Darstellung des Bundeswirtschaftsministeriums kann mit den derzeit aus dem letzten Zinszuschußprogramm noch zur Verfügung stehenden 270 Millionen DM lediglich ein Auftragsvolumen von 4 Milliarden DM erfüllt werden. Von den Küstenländern und der Industrie wird das angestrebte und auch erreichbare Auftragsvolumen mit 12 Milliarden DM beziffert. Deshalb ist die Aufstokkung der Zinszuschüsse um 400 Millionen DM für die Jahre 1997 und 1998 notwendig.
Einen entsprechenden Antrag für beide Teile der Werfthilfe stellen wir heute zur Abstimmung. Sollte dieser Antrag von der Koalition abgelehnt werden, so würde das Fehlen ausreichender Zinszuschüsse insgesamt auch zu einer Gefährdung des Ziels der zusätzlichen Wettbewerbshilfe einschließlich der jetzt schon eingestellten 580 Millionen DM für ein Auftragsvolumen von 9 Milliarden DM führen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, lassen Sie mich in der Hoffnung schließen, daß die von uns ausgearbeiteten und für die Bewältigung der gemeinsamen Aufgabe so zuträglichen Anträge in künftigen Haushaltsentwürfen nicht mehr so achtlos vom Tisch gefegt werden, wie dies im letzten geschah.
Wir werden jedenfalls nicht damit aufhören, Ihnen auch weiterhin vernünftige Programme zu einer wirtschaftlichen Gesundung Deutschlands zu unterbreiten, deren Umsetzung - daran möchte ich noch einmal ausdrücklich erinnern - in Ihrer Verantwortung liegt, jedenfalls jetzt noch.
Schönen Dank.