Rede von
Dr.
Uwe-Jens
Rössel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Entwurf des Bundeshaushaltes 1995 folgt wieder einmal dem altbewährten Strickmuster der Bundesregierung, das da heißt: „Der Bund bestellt, die Kommunen, ihre Einwohnerinnen und Einwohner, müssen zahlen."
Nun ist die kommunale Finanzausstattung Streitgegenstand, seit es in Deutschland Gemeinden als staatlich verfaßte Einheiten gibt. Dieser Streit hat sich jedoch so zugespitzt, daß der Bestand kommunaler Selbstverwaltung und damit eine Grundfeste der Demokratie überhaupt gefährdet ist.
Besorgniserregend ist in der Tat, daß die Pro-KopfVerschuldung der ostdeutschen Kommunen nach gut viereinhalb Jahren staatlicher Einheit auf dem besten Wege ist, das Niveau der Westkommunen nach 46 Jahren Bundesrepublik zu erreichen.
Vielen Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland droht der finanzielle und damit auch der soziale und wirtschaftliche Kollaps. Tagtäglich belegen das bei mir eingehende Briefe von Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern. In einem bisher nicht gekannten Ausmaß wurden und werden kommunal betriebene Kindertagesstätten, Jugendfreizeiteinrichtungen und Schwimmbäder geschlossen bzw. müssen ihren Betrieb stark einschränken.
Die großen Finanzprobleme der Kommunen beeinträchtigen zunehmend auch deren Investitionstätigkeit. Im Altbundesgebiet entwickeln sich die kommunalen Investitionen seit Jahren rückläufig, in Ostdeutschland besteht seit zwei Jahren eine Stagnation.
Die Kommunen können damit ihrer Verantwortung als größter öffentlicher Auftraggeber und bedeutender Arbeitgeber kaum noch gerecht werden. In so mancher Region im Osten - ich nenne beispielsweise meinen Wahlkreis Mansfelder Land/Sangerhausen - sind die Kommunen angesichts der weitgehend weggebrochenen industriellen Kerne noch als einziger größerer Arbeitgeber verblieben.
Dr. Uwe-Jens Rössel
Für die zunehmende Verschuldung der Kommunen trägt neben hausgemachten Ursachen ganz offensichtlich auch der Bund und tragen auch die Länder ein gerüttelt Maß an Verantwortung. Zirka 80 % der Bundesgesetze werden auf der kommunalen Ebene realisiert.
Der Bund hat in den zurückliegenden Jahren Leistungsgesetze mit erheblichen finanziellen Auswirkungen erlassen sowie den Städten, Gemeinden und Landkreisen zusätzliche Aufgaben zugewiesen - ich nenne die Verwirklichung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz -, ohne ihnen gleichzeitig eine ausreichende Finanzausstattung zu gewähren.
Die PDS unterstützt in diesem Zusammenhang das Vorhaben der kommunalen Spitzenverbände, wegen derartiger Bonner Praktiken in Kürze das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anzurufen.
Im Ergebnis der Steuerrechtsänderungen 1991 bis 1996 nahm bzw. nimmt der Bund zusätzlich 183 Milliarden DM ein. Dagegen gingen bzw. gehen den Kommunen durch diese Steuerrechtsänderungen im gleichen Zeitraum insgesamt 4,4 Milliarden DM an eigenen Einnahmen verloren.
Augenscheinlich sind auch rigide Verschlankungskonzepte für Rathäuser und Landratsämter oder explodierende Gebühren für Müll, Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung usw., sprunghaft steigende Beiträge für den Anschluß von Haushalten an die Kanalisation, wie sie in Ostdeutschland derzeit auf der Tagesordnung sind, wenig geeignet für eine dauerhafte Stabilisierung der Kommunalhaushalte. Ich meine, 20 DM für 1 m3 Abwasser ist in der Tat ein handfester Skandal.
Die PDS fordert von der Bundesregierung, endlich zu einer solchen Finanzausstattung der Städte, Gemeinden und Kreise beizutragen, die in der Tat kommunale Selbstverwaltung und kommunale Finanzautonomie sichern könnte.
Wir haben heute einen Antrag eingereicht, in dem wir fordern, die kommunale Investitionspauschale für die Städte, Gemeinden und Landkreise mit dem Bundeshaushalt 1995 wieder aufzulegen. Unser Antrag enthält zugleich die Finanzierungsgrundlage für diesen Vorschlag.
Ich bitte Sie im Interesse der ostdeutschen Kommunen, ihrer Einwohnerinnen und Einwohner, um Unterstützung für unseren Antrag. Er dient der weiteren Verbesserung der kommunalen Infrastruktur. Er dient den Bürgerinnen und Bürgern in den neuen Bundesländern.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.