Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich in meinen Ausführungen einzig und allein dem Thema Treuhandnachfolge widmen, weil sich bei uns immer mehr der Eindruck verfestigt, daß die Koalition dieses Thema sehr tief hängen möchte. Ich denke, die Aufgaben, die dort noch zu leisten sind, sind für die neuen Bundesländer von solch immenser Bedeutung, daß man sie nicht einfach nur im Bereich der Verwaltung belassen kann. Vielmehr wird sich das Parlament auch künftig sehr intensiv mit diesen Fragen noch befassen müssen.
Die Treuhandanstalt hat zwar am 31. Dezember 1994, wie es so schön heißt, ihren Kernauftrag erfüllt. Das bedeutet jedoch nicht, daß ihre Aufgaben abschließend bearbeitet sind. Es bleibt ein erheblicher Rest. Ihn aufzuarbeiten wird sicherlich noch einige Jahre dauern. Im Bereich der Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft und der BVVG gehe ich davon aus, daß es bestimmt zwei oder drei Jahrzehnte dauern kann. Das ist ein Zeitraum, der auf jeden Fall einer parlamentarischen Begleitung bedarf.
Beendet wurde - das ist richtig - die Kreditfinanzierung der Treuhandanstalt. Die Aufgaben sind nunmehr über den Haushalt des Bundesfinanzministers zu planen und abzurechnen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir einen kurzen Rückblick auf die 12. Legislaturperiode, als wir im Treuhandausschuß und im Haushaltsausschuß die Treuhandnachfolge beraten haben. Das ursprüngliche Vorhaben der Bundesregierung, alle nachfolgenden Aufgaben der Treuhand - bis auf einen kleinen Rest hoheitlicher Aufgaben - zu privatisieren, konnte abgewehrt werden, sicher nicht nur, weil wir Sozialdemokraten dies so wollten, sondern auch weil alle vernünftigen Gründe für die jetzige Lösung sprechen.
Der eigentliche Nachfolger der Treuhandanstalt ist die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben. In ihr sind alle Bereiche des Vertragsmanagements, der Reprivatisierung und Abwicklung sowie der hoheitlichen Aufgaben zusammengefaßt. Die Beteiligungsmanagementgesellschaft Berlin sollte mit der Betreuung der Management-KGen, der Auslauf- und der Sanierungsgesellschaften sowie der sanierungsfähigen, aber noch nicht privatisierbaren Unternehmen befaßt sein. Inzwischen hat die Bundesregierung Veränderungen vorgenommen, auf die im weiteren noch einzugehen sein wird.
Der Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft ist der Bestand der gewerblichen Immobilien und der Wohnraumbestand ehemaliger Kombinate und staatlicher Einrichtungen übertragen worden. Die TLG ist als Besitzgesellschaft geführt. Das heißt, sie verfügt über das Eigentum an den zu verwertenden ehemaligen Liegenschaften der Treuhandanstalt. Sie ist 100%ig in Bundesbesitz; deswegen ist vor allem eine Einflußnahme und eine Kontrolle des Parlaments nötig, zumal sie im Bundeshaushalt nicht als Titel geführt wird und deswegen die Gefahr besteht, daß sie außen vor bleibt.
Ein gleiches gilt für die BVVG. Sie ist nur noch zu einem geringen Teil im Bundesbesitz; sie wird zum überwiegenden Teil von drei öffentlich-rechtlichen Banken gehalten.
Soweit im Telegrammstil die Nachfolge der Treuhand.
Alle Fraktionen und Gruppen waren sich in der 12. Legislaturperiode einig, daß eine Aufgabe dieser Größenordnung angesichts der erheblichen wirtschaftspolitischen Bedeutung für die neuen Bundesländer einer parlamentarischen Kontrolle bedarf und ein parlamentarisches Gremium damit befaßt sein muß. Weiterhin waren sich alle einig, daß dieses parlamentarische Gremium ein Unterausschuß des Haushaltsausschusses sein sollte. In der 13. Legislaturperiode hat die Koalition mit ihrer Mehrheit dies bisher verhindert.
Im Haushaltsausschuß wurde statt dessen eine Arbeitsgruppe „Aufbau Ost" gebildet, die sich mit den Fragen im Zusammenhang mit der Treuhandnachfolge befassen sollte. Die ersten Erfahrungen mit dieser Arbeitsgruppe sind mehr als frustrierend. Es entstand oftmals der Eindruck, die Koalition betrachte
Manfred Hampel
dieses Gremium als eine Art Kaffeekränzchen. Während der Beratungen zum Haushalt 1995 war sicher nicht die Zeit, sich dieser Frage ausgiebig zu widmen. Da aber in dieser Woche die abschließenden Beratungen stattfinden, fordere ich Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, nachdrücklich auf, das Thema eines parlamentarischen Gremiums für die Treuhandnachfolge unverzüglich auf die Tagesordnung zu setzen und ein Arbeitsgremium zu schaffen, das diesen Namen wirklich verdient.
Nun zu den Haushaltsberatungen 1995, zum Einzelplan 08, Kap. 20, in dem die Treuhandnachfolge etatisiert ist. Sollte eine Wertung getroffen werden, so wäre dies mit den Worten „ungeordnet", „durcheinander" und „konfus" sicher treffend dargestellt.
Noch ganz kurz vor dem Berichterstattergespräch wurden umfangreiche Veränderungen im Entwurf durchgeführt. Ich will Ihnen zugestehen, daß dies ein erster Haushalt war, Vergleichszahlen nicht vorliegen und die daraus resultierende Unsicherheit relativ groß ist, auch jetzt noch. Von den ursprünglich im Rahmen des Föderalen Konsolidierungsprogramms vorgesehenen 10,5 Milliarden DM - es ist heute schon darauf eingegangen worden - waren für die Treuhandnachfolge im Entwurf nur noch 5,6 Milliarden DM etatisiert, die in den Haushaltsberatungen auf 5,1 Milliarden DM zusammengeschrumpft worden sind.
Ob damit die zu lösenden Aufgaben zu bewältigen sind, ist doch sehr zu bezweifeln. Ich denke, nur wenn auf wesentliche Teile des Erhalts der Sanierung und Modernisierung von sanierungsfähigen Unternehmen verzichtet würde, könnte dieser Ansatz gehalten werden. Dies können und werden wir Sozialdemokraten jedoch nicht hinnehmen.
Es sind schon genug Industriebetriebe vernichtet worden. Jedes jetzt noch existierende, erhaltenswerte Unternehmen muß die Chance zum Überleben bekommen. Auch wenn es der bloßen Anzahl nach so viele nicht mehr sind, sind es doch noch immer oftmals die. größten Unternehmen in ihrer Region, und diese können nicht auch noch geopfert werden.
Sorgen bereitet mir in diesem Zusammenhang auch die Zuordnung der sanierungsfähigen Unternehmen in die BVS mit der Maßgabe, sie kurzfristig zu privatisieren. Ich weiß nicht, woher der Bundesfinanzminister die Hoffnung nimmt, daß ein Unternehmen, dessen Privatisierung über einen Zeitraum von vier Jahren nicht gelungen ist, nunmehr in einem Jahr, in diesem Jahr, einen Käufer finden soll. Sollte dies kurzfristig nicht möglich sein, so fordere ich Sie, Herr Bundesfinanzminister, auf, solche Unternehmen umgehend, wie ursprünglich vorgesehen, in die BMG zu überführen, damit unter ihrem Dach die notwendige Sanierung und Modernisierung erfolgen können.
Denn nicht ohne Grund sind diese Betriebe einmal als sanierungsfähig, aber derzeit nicht privatisierbar eingestuft worden und sollten deshalb der BMGB zur Sanierung und Modernisierung überantwortet werden, eben um sie privatisierungsfähig zu machen. Entweder war die damalige Einschätzung falsch oder die heutige. Hinhaltender Zweckoptimismus in dieser Sache ist sicher nicht angebracht und beläßt die Unternehmen weiterhin zwischen Bangen und Hoffen mit all den negativen Auswirkungen auf ihre Existenzgrundlage.
Herr Waigel, beenden Sie diesen Zustand recht bald, aber nicht mehr durch Schließung weiterer Unternehmen; davon haben wir in den neuen Bundesländern leider mehr als genug hinnehmen müssen.
Am 17. Februar haben wir im Berichterstattergespräch das Kap. 20 im einzelnen behandelt. In der Bereinigungssitzung am 8 März verfügte die Koalition eine Kürzung um 500 Millionen DM bei der BVS und eine qualifizierte Sperre von 1,4 Milliarden DM über das gesamte Kap. 20. Ich frage mich, weshalb wir überhaupt ein Berichterstattergespräch geführt haben. Die konkreten Kürzungen liegen jetzt im Ermessen der BVS. Bedenken, daß vor allem zu Lasten Dritter, also Finanzausstattung und Investitionen von Unternehmen, gekürzt wird und nicht im eigenen Haus, sind sicher nicht ganz aus der Luft gegriffen. Wenn wir Abgeordneten schon über Kürzungen verfügen, sollten wir auch den Mut haben, genau die Titel und die Höhe festzulegen, und dies nicht der Verantwortung der Betroffenen überlassen.
Damit dies möglich wird, fordere ich den Bundesfinanzminister auf, im Entwurf des Haushalts 1996 die BVS als eigenständiges Kapitel, in dem die Personal-und Sachtitel entsprechend der Haushaltssystematik aufgeführt sind
- er kann das im Protokoll nachlesen -, vorzulegen. Was in allen anderen Einzelplänen für alle Bundesanstalten und Bundesämter gilt, muß auch für die BVS möglich sein.
Schließlich ist der Wirtschaftsplan der BVS schon derzeit in dieser Systematik angelegt. Die qualifizierte Sperre von 1,4 Milliarden DM ist ebenfalls recht fragwürdig; zumal nicht klar ist, wer mit welchem Inhalt welche Entsperrung vorlegen muß. Als allgemeine Sparaufforderung, ohne den Adressaten zu nennen, wird das Instrument „qualifizierte Sperre" ausgehöhlt.