Rede von
Dr.
Christian
Ruck
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Mache ich! - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Vorrednern der Opposition möchte ich nur für die Öffentlichkeit eines klarstellen: Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland mit das großzügigste und
Dr. Christian Ruck
beste System der studentischen Ausbildungsförderung.
Ich glaube, das sollte man auch dann sagen, wenn die Opposition so tut, als würden wir auch in diesem Punkt kurz vor dem Zusammenbruch stehen.
Frau Odendahl, ich würde nie behaupten, daß wir nicht noch besser sein könnten. Auf Ihre Bitte, daß wir die Erhöhungen rechtzeitig vornehmen, kann ich Ihnen nur sagen: Wir sind wirklich bemüht, die Anpassung heuer rechtzeitig durchzukriegen, und zwar so schnell, wie es mit Ihnen und Ihrer Partei geht.
Im übrigen: Selbst bei genauerer Betrachtung kann ich keinen fundamentalen und unüberbrückbaren Gegensatz zwischen den Vorstellungen der Bundesregierung und der Koalition einerseits und den Gesetzesentwürfen der SPD bzw. des Bundesrates andererseits erkennen,
wenn es um das 17. Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes geht.
Das ist erstens kein Wunder, Frau Odendahl, denn Ihr Entwurf ist ja eigentlich
das, was die Regierung im letzten Jahr vorgelegt hat.
Zweitens ist es auch gut so, denn bei soviel Gemeinsamkeiten können wir hoffen, daß wir uns diesmal zugunsten der betroffenen Studenten, Eltern und Ehepartner auf konkrete Leistungsverbesserungen einigen können. Auch wir wollen doch, Frau Odendahl, gemeinsam eine Änderung der Härteverordnung, etwa mit Blick auf den studentischen Wohnraum in den neuen Bundesländern; auch wir wollen eine Anhebung der Sozialpauschalen, eine Förderung auch über das 30. Lebensjahr hinaus für Meister, die sich für ein Studium qualifiziert haben; auch wir wollen eine deutliche Verbesserung der beruflichen Aufstiegsförderung und, Frau Odendahl, vor allem die Anhebung der Bedarfssätze und der Freibeträge um 4 %.
- Entschuldigen Sie, Herr Kollege Feilcke,
aber Sie müssen zugeben, daß auch Sie ab und zu lieber mit Kolleginnen reden als mit Kollegen.
Deswegen bitte ich um Verzeihung.
Allerdings ist auch mir und uns allen klar, daß die angestrebte Erhöhung weniger ist, als zum Aufholen des Kaufkraftverlustes des BAföG seit 1971 notwendig wäre. Ich bitte auch die betroffenen Studenten um Verständnis dafür,
daß wir bei der durch die Wiedervereinigung und die gerade bestandene Wirtschaftskrise angespannten Haushaltslage des Bundes auch im Zukunftsministerium jede Mark zweimal umdrehen müssen. Dies gilt im übrigen auch für die von der Opposition geforderte rückwirkende Geltung einer Anhebung des BAföG.
- Ja, aber nicht alles, was Sie erklären, findet meine intellektuelle Zustimmung.
Ich freue mich ausdrücklich, daß Bundesminister Rüttgers dabei ist, endlich einen alten Wunsch der CSU und vieler Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause in die Tat umzusetzen, nämlich mit dem Wiedereinstieg in die berufliche Aufstiegsförderung einen weiteren entschiedenen Schritt zur vielbeschworenen Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Ausbildung zu tun. Es war ungerecht und es ist ungerecht, daß in der beruflichen Bildung ein Geselle fünfstellige Beträge aufwenden muß, um seinen Meister zu machen,
während die Studenten ihre teure akademische Ausbildung frei Haus und - eventuell inklusive BAföG - bekommen.
Auch vor diesem Hintergrund ist das Vorhaben von Bundesminister Rüttgers mutig und verdient unser aller Unterstützung, trotz der angespannten
Dr. Christian Ruck
Haushaltslage binnen Jahresfrist eine neue Ära in der beruflichen Ausbildungsförderung einzuläuten und gleichzeitig für bedürftige Studenten eine spürbare Leistungsverbesserung durchzusetzen.
Ausdrücklich zu würdigen ist auch der Teil des Berichts der Bundesregierung, der sich mit einem möglichen Reformbedarf des BAföG-Systems kritisch auseinandersetzt. Dies gilt zum einen für liebgewordene Förderregelungen, die aber eventuell mittlerweile durch den politischen Erfolg überflüssig geworden sind, z. B. für die spezielle Förderung im Bereich der Landwirtschaft. Zum zweiten gilt es, offensichtliche Ungerechtigkeiten auszuräumen, etwa durch die Einführung der Förderung der Absolventen von Berufsakademien.
Der vorliegende Bericht stößt ferner mögliche strukturelle Reformpunkte an, die - dem ist ja auch nicht zu widersprechen - auch in Anhörungen o. ä. durchaus kritisch zu diskutieren sind. Ich denke dabei an die Frage der Neuordnung der Förderhöchstdauer sowie an die Reduzierung der Förderung von Zweitstudien und Fachrichtungswechseln.
Lassen Sie mich dazu folgendes sagen: Dringlich erscheint mir besonders ein Ende im Chaos der Förderungshöchstdauer. Es ist ja zumindest teilweise auch die Meinung der Länder, daß wir hier nur mit einer generellen Reform der Studienzeiten weiterkommen. Das berühmte Eckwertepapier der bildungspolitischen Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat zu dieser Reform 1993 fundierte Vorschläge für die einzelnen Hochschularten und Fächergruppen gemacht. Diesen Vorstellungen des Eckwertepapiers sind meines Wissens bisher keine besseren oder besser akzeptierten gefolgt. Dies gilt auch für die Idee, das Universitätsstudium zukünftig in ein berufsqualifizierendes Studium für alle Studenten und ein Studium zur Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu untergliedern,
An dieser Zweiteilung und dem Grobraster an Regelstudienzeiten muß sich meiner Ansicht nach auch das zukünftige BAföG orientieren. Das hat, Frau Ministerin, auch nichts mit mehr Bürokratie zu tun. Ein solches Vorgehen hätte allerdings für manche BAföG-Empfänger und nicht nur für diese eine deutliche Umstellung zur Folge.
Nach der jüngsten Absolventenstatistik des Wissenschaftsrates schließt derzeit nur jeder zehnte Student an einer Universität in den alten Bundesländern innerhalb der vorgeschlagenen Regelstudienzeit von neun bis zehn Semestern ab. Eine der hauptsächlichen Ursachen dafür sei die inhaltliche Überfrachtung der Lehrpläne. Auffällig ist dabei, daß die tatsächliche Studiendauer nicht nur zwischen den einzelnen Studiengängen stark unterschiedlich ausfällt, sondern daß auch innerhalb derselben Studiengänge zwischen den einzelnen Universitäten große
Unterschiede bestehen. So werden Psychologen z. B. in Aachen und Regensburg durchschnittlich in 11,3 Semestern fertig; in Düsseldorf dagegen brauchen sie dafür 17,6 Semester.
Den Gründen dieser seltsamen Erscheinung gilt es natürlich nachzugehen, bevor man sich endgültig für stringentere Regelstudienzeiten und im Gefolge dann auch für Förderungshöchstdauern beim BAföG entscheidet.
Bei den Zweitstudien ist, glaube ich, wieder eine Rückbesinnung auf den ursprünglichen Sinn des BAföG nötig, nämlich die Förderung einer zielstrebig durchgeführten Ausbildung. Dies sollte auch für den Fachrichtungswechsel gelten. Ich bin auch der Meinung, daß wir hier nicht mit einer Kahlschlagorgie alle Zweitstudien usw. ablehnen; das sage ich ausdrücklich nicht. Aber wir sollten bei einer Wechselquote von inzwischen 20 % schon einmal der Frage nachgehen, ob hier alles sein muß, was sein könnte.
Und im übrigen, was ich auch immer höre: Ich halte es für dringend notwendig, daß wir gerade bei dem Punkt Zweitstudien und bei dem Punkt Fachrichtungswechsel der Studienberatung einmal auf die Finger sehen. Ich höre, daß die Studienberatung teilweise katastrophal ist.
Vielleicht sollte man auch daran denken, zu sagen: Nach zwei Semestern ist eine Studienberatung durch die betroffenen Professoren obligatorisch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die notwendige Diskussion um Reformen im BAföG-System - dies wird auch an den einzelnen genannten Punkten deutlich - muß eingebettet sein in die Reform des gesamten Ausbildungssystems. Ich persönlich zweifle etwas an der These, daß wir in Deutschland im Vergleich zum zukünftigen Bedarf unserer Gesellschaft zu viele Studenten haben, und werde darin bestärkt auch durch manche Gutachten. Aber eines ist sicher: Wir haben für die Studenten zuwenig Platz;
viele Studenten wären besser an einer Fachhochschule aufgehoben;
viele Studenten halten zu lange an ihrem Studentendasein fest. Zur Lösung dieser Probleme allein das Verhalten der Studenten ändern zu wollen - z. B. mit Förderungshöchstdauer, Studienstandsnachweisen, obligatorischer Beratung oder gar Studiengebühren, deren bürokratischer Aufwand eventuell höher sein könnte als der Ertrag -, dies ginge ins Leere.
Dr. Christian Ruck
In vielen Fällen genauso dringlich ist eine Verbesserung der Lehre durch ein Prüfungs- und Bewertungsverfahren auch für Professoren oder durch eine Entschlackung der überbordenden Lehrinhalte.
Aus weiten Teilen der Studentenschaft sind immer wieder die Klagen zu hören, daß man gern schneller studieren würde, wenn sich manche Professoren besser um ihre Studenten kümmerten.
Meine Damen und Herren, in Zeiten knapper Finanzmittel - dies ist auch eine Anregung mancher Kollegen wie Martin Mayer von der CSU und Jochen Feilcke - ist auch unabdingbar, daß die Hochschulen endlich mehr Entscheidungskompetenz und Finanzautonomie bekommen, um selbst und vor Ort über die beste und effizienteste Verwendung der zugewiesenen Mittel entscheiden zu können.
Lassen Sie mich in dem Zusammenhang auch noch einen Satz zu der bekannten Klage der Länder, der Hochschulbau sei unterfinanziert, sagen. Ich hätte gern auch für Bayern mehr Geld, und zwar für Fachhochschulen und Universitäten. Aber ich schließe mich ausdrücklich einem Vorschlag des Kollegen Hollerith an: Wir müssen alle zuerst einmal der Frage nachgehen, warum im ohnehin schon teuren öffentlichen Bauwesen der Universitätsbau der allerteuerste ist. Hier gibt es viele ungeahnte Spielräume, um mehr Geld lockerzumachen.
Meine Damen und Herren, zum gleichfalls großen Reformbedarf der beruflichen Bildung und Ausbildung hat mein Kollege Richwien schon das Nötige gesagt. Lassen sie mich daher abschließend unseren Zukunftsminister Rüttgers und sein Ministerium ermuntern, die im Bericht enthaltenen Vorhaben durchzuziehen. Ich wünsche ihm und uns allen, daß wir heuer auch mit der Verwirklichung der Maßnahmen des Eckwertepapiers gemeinsam mit den Bundesländern einen ordentlichen Schritt weiterkommen. Dann bekämen unsere Studenten nicht nur im Herbst mehr Geld für ihren Lebensunterhalt; auch der Forschungs- und Wissenschaftsstandort Deutschland hätte noch hellere Zukunftsperspektiven.
Vielen Dank.