Herr Kollege, das ist überhaupt kein Widerspruch. Ich schlage Ihnen vor, Sie diskutieren weiter über die Vergangenheit und ich über die Zukunft. Das ist die richtige Aufgabenverteilung,
Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus - und die Teilnehmer des gestrigen Gespräches - -
- Nein, Frau Kollegin Odendahl, ich finde es schlichtweg langweilig. Diskutieren Sie von mir aus darüber, was wir früher falsch gemacht haben und was man hätte anders machen können.
- Ja, das ist noch gar nicht so lange her. Sie haben das Geld nicht heranschaffen können. Sie erheben nur dauernd neue Forderungen. Frau Brunn will in diesem Bereich mehr Geld haben, ihr Ministerpräsident kommt in Kohlesachen und will Geld haben. Nachher haben Sie aber unter dem Strich nicht das Geld, etwas konkret zu bewegen. Deshalb ist das Ganze stinklangweilig, um es einmal so zu sagen, stinklangweilig!
Mir ist es wichtiger, wenn wir es in diesem Jahr schaffen, 600 000 Jugendlichen eine Lehrstelle zu verschaffen. Deshalb ist auch richtig und wichtig - ich wiederhole dies hier -, daß die Bundesregierung gestern angekündigt hat, im öffentlichen Dienst eine Trendumkehr bei den Ausbildungsstellen einzuleiten. Dann werden wir darüber diskutieren müssen, meine Damen und Herren, ob wir in diesem Zusammenhang vielleicht von kooperativem Föderalismus sprechen können. Zwar ist es wahr, daß wir im Bund die Ausbildungsstellen um 7 % abgebaut haben, Frau Kollegin Odendahl, Länder und Kommunen aber um 16 %. Wenn wir im gleichen Maße unsere Anstrengungen wieder steigern, dann werden wir am Ende des Jahres einmal sehen, wie es bei Ländern und Kommunen aussieht. Wenn es dort in gleicher Weise geschieht, würde es mich für die jungen Leute sehr freuen.
Meine Damen und Herren, es ist bekannt, daß im Bereich der Ausbildung das Handwerk vorbildlich ist. Es ist schön festzustellen, daß in diesem Bereich die neu abgeschlossenen Lehrverträge 1994 um 1,9 % gesteigert werden konnten. Es ist sehr schön, festzustellen, daß mit der wirtschaftlichen Belebung in den neuen Ländern ein Zuwachs von sogar 20,1 % festzustellen war. Diese Zahlen belegen, daß auch das sogenannte Meister-BAföG wichtig ist.
Die Attraktivitätssteigerung des dualen Systems bedarf einer Förderung derjenigen, die den Mut zur Selbständigkeit haben. Wir werden in den kommenden Jahren im Bereich des Handwerks 200 000 Betriebe haben, die einen Nachfolger suchen. Wir werden im Bereich der mittelständischen Wirtschaft weitere 500 000 Betriebe haben, die einen Nachfolger suchen. Deshalb ist es richtige Struktur- und Bildungspolitik, daß wir jetzt ein eigenständiges Gesetz konzipieren, mit dem die staatliche Förderung der Aufstiegsfortbildung eingeführt wird.
Meine Damen und Herren, es geht darum, daß wir engagierte Menschen unterstützen, den Weg in die Selbständigkeit zu gehen, und sie ermutigen, eine berufliche Existenz zu gründen. Deshalb ist es richtig, daß wir bei der Heranbildung künftiger Meister, Techniker und anderer mittlerer Führungskräfte in den verschiedenen Bereichen der Wirtschaft, im Ge-
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
sundheitswesen und im sozialpflegerischen Bereich Unterstützung gewähren. Wir haben Ihnen mit dem Ihnen vorliegenden Bericht die grundlegende Konzeption dafür vorgestellt.
Meine Damen und Herren, es ist neben dieser arbeitsmarktpolitischen und strukturpolitischen Bedeutung ein wesentlicher Schritt zur Herstellung der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung. Ich glaube, daß wir den Trend zugunsten von Gymnasium und Hochschule und zu Lasten der beruflichen Bildung korrigieren müssen. Mich macht schon eine Zahl sehr nachdenklich: Im Jahre 1994 kamen in den alten Ländern auf 100 Studienanfänger 196 Jugendliche mit einem Ausbildungsvertrag. Das waren 1986 noch 325. Deshalb halte ich es für ganz notwendig, daß wir in diesem Jahr noch dieses Gesetz verabschieden.
Ich sage allerdings deutlich, daß die Forderungen etwa aus dem Bereich des Handwerks in einer Größenordnung von 1 Milliarde DM nicht werden erfüllt werden können. Ich habe eben auf die Notwendigkeit der Fortsetzung der Konsolidierungspolitik hingewiesen. Jetzt ist es wichtig, das Machbare zu tun und nicht das Ganze auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben. Mit derselben Philosophie habe ich den Vorschlag gemacht, die Bedarfssätze und die Freibeträge noch in diesem Jahr um je 4 % zu erhöhen.
Meine Damen und Herren, es ist wahr, man kann sich natürlich noch mehr vorstellen. Es ist wahr, daß es natürlich durch die Entscheidungen oder NichtEntscheidungen - wie Sie denn wollen - in den letzten Jahren zu Einkommensverlusten bei den BAföG- Beziehern gekommen ist. Aber es wird der Sache eben nicht gerecht, und es ist unangemessen, wenn man sich dann hier hinstellt und mit Zahlen operiert, was das denn in kleinen Prozentzahlen und was das denn in kleinen Beträgen bedeutet, wenn man gleichzeitig, Frau Kollegin Brunn, verschweigt, daß dies im Jahr 1995 immerhin noch 96,5 Millionen DM und im Jahre 1996 295,5 Millionen DM Mehrkosten für den Bund in diesem Bereich ausmacht.
Meine Damen und Herren, da gibt es wiederum nur die Möglichkeit, sich dem Machbaren zu stellen und zu sagen, was geht und was nicht geht. Ich kann mir mehr vorstellen, aber wer das Machbare jetzt verhindert, der fällt den Studentinnen und Studenten in den Rücken. Ich gehe davon aus, daß es im Interesse der Studenten keine weitere Nullrunde geben darf.
Wenn ich jetzt von der SPD höre, daß man mit dem Vermittlungsausschuß droht, dann sage ich Ihnen als jemand, der viele Jahre in diesem Gremium gearbeitet hat, daß mich das vom Verfahren her überhaupt nicht schreckt. Ich sage Ihnen auch, meine Damen und Herren, daß Sie sich sehr genau werden überlegen müssen, ob Sie mit Ihren Forderungen diesen Weg gehen. Sie wissen genau, daß wir uns hier im Parlament schon sehr anstrengen müssen, das Gesetz rechtzeitig zu verabschieden. Sie wissen auch, daß dies parallel zu den Haushaltsplanberatungen 1996 erfolgen müßte. Und Sie kennen auch die großen Belastungen, die im finanziellen Bereich hier auf den Bund zukommen und die wir versuchen müssen zu schultern.
Ich habe deshalb im Gespräch mit den Kultusministern der Länder Mitte Februar dafür geworben, angesichts der drängenden Probleme alte Rituale einzustellen. Ich hoffe sehr, daß die SPD sich ihrer Verantwortung bewußt ist.
Die Rechnungen, die Frau Brunn hier gemacht hat, sind Luftbuchungen.
Wenn ich von irgend jemandem höre, daß er das Geld, das im letzten Jahr nicht ausgegeben worden ist, das 1994 vielleicht im Haushalt drin war, jetzt in 1995 ausgeben will, dann empfehle ich einen Schnellkurs im Haushaltsrecht. Der sollte nämlich wissen, daß dies in der Jährlichkeit des Haushalts nicht mehr da ist.
Und derjenige, der jetzt glaubt, weitere, überproportionale Erhöhungen über das hinaus, was ich aus dem Haushalt finanzieren kann, hier fordern zu müssen, der sollte wissen, daß er erklären muß, zu wessen Lasten er dies geben will bzw. wo er es wegnehmen will: etwa aus dem Hochschulbau, etwa aus den Hochschulsonderprogrammen, etwa aus den Informations- und Kommunikationstechnologien, etwa aus der Biotechnologie, etwa aus der Umwelttechnologie?
Meine Damen und Herren, sich hier hinzustellen, eine Forderung aufzustellen, ohne dazu etwas zu sagen, das ist eine Politik der ungedeckten Schecks. Die kenne ich zwar aus Nordrhein-Westfalen, aber ich möchte sie hier nicht einführen.
Meine Damen und Herren, wir haben mit diesem Bericht - das ist der dritte Schwerpunkt - Vorschläge für eine strukturelle BAföG-Reform vorgelegt. Frau Kollegin Brunn, ich finde, Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen: Das lehnen wir alles ab, das kommt überhaupt nicht in Frage. Wir sind für Hochschulreform zuständig, hier trage ich die Verantwortung, und ich warne davor, das mit dem BAföG zu verknüpfen. Frau Brunn, wenn Sie sich hier im Hause der Debatte entziehen, dann werden Sie in der nordrhein-westfälischen Öffentlichkeit darlegen müssen, welche konkreten Schritte aus dem Eckwerte-Papier in den verschiedenen Ländern umgesetzt worden sind. Auch das ist ein Punkt, den ich nicht zu akzeptieren bereit bin: sich in der Vorbereitung eines gemeinsamen Gespräches zwischen Bund und Ländern auf Inhalte zu verständigen - natürlich steht in diesem Eckwerte-Papier die entsprechende Passage über die Regelstudienzeiten drin -, und zwei Jahre später, wenn man nicht den Mut gehabt hat, da zu widersprechen, oder weil man es sich inzwischen anders überlegt hat, hierher zu kommen und zu sagen, das war ja alles gar nicht so gemeint.
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
Wer so Bildungspolitik betreibt, der vergißt eine wesentliche Tatsache, nämlich daß Bildungspolitik immer mit Menschen zu tun hat, und zwar mit realen Menschen, die jetzt an der Hochschule sind, mit Menschen, die nicht darauf warten können, bis in irgendwelchen Kommissionen irgendwelche Konsense bis zum letzten Punkt durchdiskutiert worden sind.
Und deshalb, Frau Kollegin, nicht nur bei BAföG, sondern auch bei der Hochschulreform kommt es darauf an, die Umsetzung zu machen.
Und dann erklären Sie mir bitte - ich bin ganz gespannt, wenn Sie gleich reden -, warum, wenn Sie derselben Meinung sind wie Frau Brunn - das war nicht immer der Fall, und Sie als Fachfrau sind auch jemand, der die Debatte seit langem kennt -, Sie eine strukturelle Reform des BAföG nach gleichen Kriterien ablehnen. Warum soll bei Einvernehmen zwischen Bund und Ländern über bestimmte Punkte, die da lauten Einführung von Regelstudienzeiten leistungsabhängige Finanzierung von Hochschulen, Stärkung der Leitung von Hochschulen - ich muß zugeben, das hat Frau Kollegin Brunn eben gesagt; das muß man dann fairerweise zugeben -, das BAföG-System als zweites Finanzierungssystem von Hochschule nach anderen Kriterien geordnet sein als das, was wir im Bereich der Hochschulstrukturreform gemeinsam anstreben?
Weil dies so ist, haben wir Ihnen verschiedene Punkte für diese BAföG-Strukturreform vorgelegt. Sie orientieren sich an den Eckwerten. Es geht auch darum, daß wir uns darüber werden unterhalten müssen, wie die Förderung von Zweitstudien in Zukunft geregelt werden soll. 1992 haben dies 4 000 Studenten mit einem Gesamtaufwand von 38,5 Millionen DM im Bereich der Förderung miterlebt. Es wird auch darüber zu diskutieren sein, wie wir mit der Förderung nach einem Fachrichtungswechsel verfahren.
Es gibt die 13. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes. Danach beträgt die Quote der Studienfachwechsler in den alten Ländern derzeit 20 %.