Rede von
Dr.
Jürgen
Rüttgers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wer wissen will, wie altes bildungspolitisches Denken aussieht, wer wissen will, wie die Flucht vor der eigenen Verantwortung dokumentiert wird, wer wissen will, wie versucht wird, von eigenen Versäumnissen abzulenken, dem empfehle ich, morgen die Rede von Frau Kollegin Brunn nachzulesen.
Meine Damen und Herren, ich muß ehrlich gestehen, daß ich von dieser Debatte erwartet habe, daß versucht wird, auf die Notwendigkeiten - -
- Herr Catenhusen, es wird nicht intelligenter, wenn es lauter wird.
Ich habe erwartet, daß wir hier darüber debattieren, wie wir insgesamt die Situation unserer Studentinnen und Studenten, wie wir insgesamt die Situation unserer Meisterinnen und Meister, wie wir insgesamt die Situation derjenigen, die an den Hochschulen tätig sind, verbessern.
Ich bin immer wieder erstaunt - um nicht zu sagen: erschüttert -, wenn ich feststelle, daß sich anscheinend in manchen Köpfen derart ritualisierte Vorstellungen von bildungspolitischen Debatten eingeschliffen haben, daß man nicht mehr in der Lage ist, vorurteilsfrei ein Problem anzugehen, daß man nicht mehr in der Lage ist, Vorschläge fair und realistisch zu prüfen, daß man noch nicht einmal in der Lage ist, zu erkennen, was man selber will.
- Frau Kollegin Odendahl, ich erinnere mich noch sehr gut an die guten Ratschläge des Kollegen Glotz zu Beginn meiner Amtszeit, mit der Forderung, BAföG um 4 % zu erhöhen.
Ich kann mich noch sehr gut erinnern, daß ich gesagt habe: Jawohl, ich schlage dies vor. Daraufhin wurde von seiten der Kultusministerin aus Schleswig-Holstein gesagt: Wir fordern eine rückwirkende Erhöhung. Als ich dann in der Kultusministerkonferenz entgegnet habe: „Das finde ich einen prima Vorschlag; bringen Sie den einmal bei Ihrem eigenen Finanzminister durch; sorgen Sie einmal dafür, daß in Deutschland irgendwann jemand den Vorschlag macht, daß soziale Transferleistungen rückwirkend gezahlt werden" - das gilt auch für BAföG -, da war die Diskussion plötzlich beendet, und sofort wurde die Forderung mit 6 % nachgeschoben.
Meine Damen und Herren, ich habe gemäß dem Auftrag des Deutschen Bundestages hier einen Bericht vorgelegt, der versucht, ein Gesamtkonzept zur Ausbildungsförderung aufzuzeigen. Mir ging es darum, auch auf diesem Weg eine Möglichkeit zu schaffen, über verschiedene vernetzte Problembereiche zusammen zu diskutieren, dafür zu sorgen, daß es erste Schritte bei der notwendigen Reform im Studium gibt, daß es konkrete Schritte bei der Stärkung der beruflichen Bildung gibt.
Dann höre ich hier eine Rede von Frau Ministerin Brunn, die zwar einerseits für sich reklamiert, daß sie die Hauptverantwortung in diesem Bereich trage, aber andererseits nichts anderes zu sagen hat, als vom Bund mehr Geld zu fordern.
Meine Damen und Herren, wer so argumentiert, versündigt sich an denjenigen, die heute an den Hochschulen studieren. Er trägt dazu bei, daß überhaupt nichts passiert. Er führt eine Debatte auf dem Rücken derjenigen, die unsere Hilfe jetzt dringend brauchen.
Meine Damen und Herren, Ausbildung ist ein Standortfaktor ersten Ranges. Deshalb nützt es überhaupt nichts, wenn wir in diesem Zusammenhang die Debatte auf die Frage der BAföG-Erhöhung fokussieren. Ich will dazu gleich noch ein paar Worte sagen.
Ich finde es viel wichtiger, daß gestern die Gewerkschaften, Vertreter der Wirtschaft und der Politik zusammengesessen haben, um über konkrete Maßnahmen zur Stärkung der beruflichen Bildung zu diskutieren. Ich finde es wichtig, daß da Einvernehmen bestand, daß wir die Gleichstellung von beruflicher und allgemeiner Bildung anstreben. Ich finde es wichtig, daß dort Übereinstimmung bestand,
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
daß wir damit einen Beitrag leisten wollen, die Überlastung der Hochschulen zu vermindern.
Dieses umfassende Verständnis, mit dem wir dort gestern diskutiert haben, ist eine gute Grundlage, die konkrete Situation der Studentinnen und Studenten, der Meisterinnen und Meister und derjenigen, die an der Hochschule arbeiten, zu verbessern.
Meine Damen und Herren, einer der Ansatzpunkte ist die Stärkung der beruflichen Bildung. Deutschland wird auf Dauer nicht alleine vom Blaupausenexport leben können. Es ist notwendig, daß wir ein wichtiger, ein attraktiver Produktionsstandort bleiben. Dafür brauchen wir qualifiziert ausgebildete Facharbeiter.
Deshalb ist es ganz wichtig, dafür zu sorgen, daß die leider festzustellende nachlassende Ausbildungsbereitschaft im dualen System gestoppt wird, daß wir wieder ein Klima bekommen, in dem man stolz darauf ist, möglichst viele junge Leute auszubilden. Deshalb bin ich den Gewerkschaften und der deutschen Wirtschaft dafür dankbar, daß wir gestern eine neue Lehrstelleninitiative beschlossen haben.
Ich begrüße die Selbstverpflichtung der Wirtschaft, in den kommenden zwei Jahren 10 % mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.