Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Sie haben eben mit Recht bei einigen Zitaten aus dem Bericht der EnqueteKommission immer die Wörter „könnten" und „würden" verwendet. Das Problem ist ja, daß die erneuerbaren Energien, die Biomasse, die Sie angesprochen haben, aber auch Wind, Wärme, Sonne und Wasser, bei einem Überangebot an Energie nicht in den Markt gelangen. Insofern verhindert der zukünftige Einsatz der Kernenergie mit ihren Zwängen und der damit verbundenen Großtechnologie etwas, was sinnvoll wäre und was uns im Klimabereich voranbringen würde.
Ich möchte noch einige weitere Punkte aufgreifen.
Hier wird immer gesagt: Die Opposition kritisiert nur und nennt nicht auch die Erfolge, die vorzuweisen sind; sie werden verschwiegen. Das ist nicht wahr. Als Herr Töpfer und die Bundesregierung auf dem Gipfel in Rio 1992 eine positive Rolle gespielt haben, haben wir das hier durchaus anerkannt. Das ist öffentlich an vielen Stellen gesagt worden. Die Wahrheit ist allerdings: Als Herr Töpfer von Rio zurückkam, stellte sich heraus, daß das Volumen des Umwelthaushaltes reduziert worden war und die Kollegen der anderen Ressorts inzwischen ihr Schäfchen ins trockene gebracht hatten. Das ist nämlich die Realität. Wir können die Umweltpolitik nicht begrüßen, wenn in Wirklichkeit die Strukturen durch den Verkehrsminister, den Wirtschaftsminister usw. bestimmt werden. Gute Absichten genügen nicht. Das gilt auch für Frau Merkel.
Der zweite Punkt. Als die Konferenz von Rio zu Ende ging, wurde das Schlüsselwort „Prompt start" ausgesprochen, auch von Herrn Lippold. Ich frage: Was ist nach den Monaten und Jahren aus dem „Prompt start" geworden? Jetzt werden wir auf den nächsten „Prompt start", den nach Berlin, verwiesen. Daß wir nicht mehr glauben können, daß Sie ernsthaft vorankommen, ist wohl kein Wunder. Wir haben hier zu viele Ankündigungen gehört.
Herr Paziorek, Sie haben hier gesagt: Demnächst kommt die Wärmenutzungsverordnung. Ich weiß es noch ganz genau, weil ich da nachgefragt habe. Darüber sind Jahre ins Land gegangen. Jetzt bringen Sie es dem BDI als Opfer auf dem Altar dar.
Dabei würde das 100 Millionen t CO2-Emissionen pro Jahr einsparen. Seit vielen Jahren ist angekündigt worden: Demnächst kommt es.
So sieht die Realität aus.
Ich möchte doch noch einmal folgenden Punkt aufgreifen: Frau Merkel, Sie haben gesagt, es sei nicht vereinbart, daß die CO2-Emissionen nach dem Jahr 2000 weiter reduziert werden. Das ist ein Irrtum. Vielleicht liegt das daran, daß Sie noch nicht so lange dabei sind. Art. 2 der Klimarahmenkonvention besagt, daß die Treibhausgaskonzentration - das haben weit über 100 Staaten ratifiziert - stabilisiert werden soll, und zwar in einem solchen Zeitraum, daß sichergestellt ist, daß die Ökosysteme nicht irreversibel geschädigt werden. Das heißt also, es muß relativ schnell sein. Wenn Sie die Treibhausgaskonzentrationen konstant halten wollen, dann müssen die Emissionen zurückgehen und dürfen nicht weiter steigen. Das steht in Art. 2 der Klimarahmenkonvention. Insofern ist es einfach ein politischer Fehler, das erneut zu verhandeln und es in die Diskussion zu bringen; denn es ist bereits Bestandteil der Klimarahmenkonvention, und es ist unterschrieben.
Nun möchte ich zu den Punkten kommen, die wir heute noch diskutieren. Die Bundesregierung hat vier dicke Berichte vorgelegt, fast 1 000 Seiten bedrucktes Papier. Wenn das irgendeinen Rückschluß auf die Aktivitäten oder die Fortschritte in der Umweltschutz- oder Klimapolitik erlauben würde, dann würden wir uns in einem umweltpolitischen Paradies befinden. Leider ist das Gegenteil der Fall. Die Masse Papier soll nur die Blöße verdecken.
Lassen Sie mich das am Dritten Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht nachweisen, und lassen Sie mich diesen Bericht bewerten. Herr Friedrich, es stimmt nicht, daß wir über das Thema nicht mehr reden, wie Sie heute morgen gesagt haben, sondern wir beobachten das sehr genau.
Zur Erinnerung: Die Enquete-Kommission in der 11. Legislaturperiode hatte sich mit dem Thema befaßt, und die Koalitionsvertreter wollten der Regierung damals empfehlen, durch freiwillige Vereinbarungen mit den beiden Herstellerfirmen und der Anwenderindustrie über den Ausstieg aus der FCKW-
Produktion und -Anwendung voranzukommen.
Monika Ganseforth
Wir haben davor gewarnt, aber das Rezept kennen wir ja inzwischen. Wir, die Opposition, waren für ein Sofortverbot und hatten - Herr Lennartz hat das erwähnt - einen eigenen Antrag zum Sofortausstieg eingebracht. Wir haben ihn zurückgestellt - denn wir hatten keine Mehrheit - und sind im Interesse der Sache aufeinander zugegangen.
Wir, Koalitions- und Oppositionsseite, haben uns geeinigt und haben einen Kompromiß geschlossen, der zwar Verhandlungen vorsah, aber mit einem kurzen, konkreten Zeitrahmen, kein open end. Das ist das Problem. Man kann mit der Industrie nur dann verhandeln, wenn man nicht nur Maßnahmen im Hintergrund hat, sondern wenn man auch präzise Zeitvorstellungen hat.
Das, was Herr Rexrodt heute über die Zeitvorstellung einer nationalen Energiesteuer gesagt hat, beruhigt mich überhaupt nicht. Das zeigt, daß das auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird und er nichts gelernt hat.
Durch das Verfahren, das wir gemeinsam beschlossen haben, wurde zwar Zeit verloren, denn die Industrie hat das natürlich ausgenutzt, aber am Ende gelang im wesentlichen der Ausstieg. Das haben wir oft genug gesagt. Ich finde, es wäre an der Zeit, daß die Bundesregierung unseren Anteil dabei lobend erwähnt, aber es ist ganz selbstverständlich, daß uns immer nur Kritik vorgeworfen wird.
Nach der Methode, die Sie damals gehabt haben, würden - da bin ich mir ganz sicher, und Herr Schmidbauer, der damals Vorsitzender der EnqueteKommission war, würde das bestätigen - Sie heute noch verhandeln und wären aus der FCKW-Produktion heute noch nicht ausgestiegen.
Sieht man sich den Ozonbericht jetzt an, so ist er alles andere als beruhigend: Die FCKW-Halon-Verordnung ist durchlöchert wie ein Käse. Man muß sich nur die vielen Ausnahmen ansehen. Nicht nur im medizinischen Bereich werden FCKW weiter verwendet, obwohl es Ersatzstoffe gibt. Besonders das Feuerlöschmittel Halon, das ein ganz hohes Ozonzerstörungspotential hat, ein noch viel höheres als die gefährlichen FCKW, wird noch in vielen Bereichen eingesetzt.
Im Bericht steht z. B.: Beim Automobilsport gibt es 96 genehmigte Ausnahmen für Halone, Geltungsdauer bis Ende 1998. Rechenzentren, EDV-Anlagen, Industrieanlagen mit brennbaren Lösemitteln dürfen Halone weiter verwenden. Vor allem bei der Bundeswehr werden Halone als Löschmittel verwandt, besonders in Flugzeugen, Schiffen, Booten und gepanzerten Fahrzeugen. In der Begründung des Berichts heißt es, daß - jetzt zitiere ich - „die Umrüstungsmaßnahmen noch nicht abgeschlossen werden konnten". Dabei sagen Sie immer: Wir sind der Musterknabe, und wir sind an der vordersten Stelle.
Methylbromid, das bromhaltige Pflanzenschutzmittel: Sein Ozonzerstörungspotential ist zigmal größer als das der gefährlichen FCKW. 1992 wurden nach dem Bericht in Deutschland fast 100 Tonnen abgegeben. Ich will gar nicht von den anderen Auswirkungen auf die Umwelt sprechen. In Holland ist das längst verboten. Ich frage Sie: Wann kommen wir, wann kann der Musterknabe endlich dazu kommen, auch Methylbromid zu verbieten?
Das teilhalogenierte FCKW, das sogenannte FCKW light, darf bis zum Jahre 2014, also noch knapp 20 Jahre, verwendet werden und hat ebenfalls ein Ozonzerstörungspotential. Die Bundesregierung hält diesen Zeitrahmen für ausreichend.
Und - wir haben es heute morgen gehört - in der EU haben Sie den Reimporten zugestimmt. Das führt dazu - das können Sie im Bericht nachlesen -, daß EU-weit in der Kälte- und Klimatechnik die FCKW- Anwendung wieder zugenommen hat. Daß es keine guten Nachrichten aus Ländern wie Indien, China und Rußland gibt, ist keine Frage. Dabei geht - und das sagt auch der Bericht - der Ozonabbau immer weiter.
Als Ursache wird in dem Bericht der Ausbruch des Vulkans Pinatubo im Jahre 1991 genannt. Die neueren Messungen zeigen, daß, obwohl die Auswirkungen des Vulkanausbruchs inzwischen abgeklungen sind, sich die Ozonschicht weiter dramatisch verringert.
Der Ozonschwund ist weitergegangen. Über der Antarktis z. B. ist im September des letzten Jahres der Ozonabbau früher aufgetreten als sonst und wies noch niedrigere Werte als in den Vorjahren auf. Aber genauso schlimm ist: Über Zentraleuropa, also über unserer Gegend, wo es bis jetzt noch nicht so schlimm war, beträgt der Verlust, der im Februar dieses Jahres gemessen wurde, 20 %, über Sibirien sogar 35 %. Das kann noch mehr werden, wenn die Sonneneinstrahlung den Abbau vorantreibt.
Ursache ist, daß die Temperatur um 10 bis 12° niedriger ist als normal. Hier zeigt sich, daß sich der Ozonschwund selbst verstärkt; denn das Ozon ist sozusagen die Heizung in der Stratosphäre. Der Ozonschwund führt zu niedrigeren Temperaturen, und die niedrigeren Temperaturen führen zu einem weiteren Ozonabbau. Das ist also eine positive und sehr gefährliche Rückkopplung. Es wird Zeit, Anwendung und Produktion aller ozonzerstörenden Stoffe sofort zu stoppen, global und national, und endlich mit den Ausnahmen aufzuhören.
Ich wollte noch einige andere Punkte erwähnen. Ich sehe, meine Redezeit ist abgelaufen, und ich möchte der Kollegin nichts von ihrer Redezeit abnehmen.
Das Ganze ist ein umfangreiches Thema. Es ist ein Trauerspiel. Sie können unsere Unterstützung nicht per Blankoscheck bekommen. Weisen Sie hier vielmehr etwas vor, dann unterstützen wir Sie gerne. Ich habe heute nichts Brauchbares gehört.
Schönen Dank.