Ja. - Ich meine, es kann doch wohl nicht angehen, daß Sie sich hier hinstellen und so tun, als sei das alles in Ordnung und alles andere liefe nicht.
Ich weiß, es paßt Ihnen nicht, wenn man Ihnen sagt, was Sie daherschwätzen, daß Sie hier so und da so reden. Aber dieses Haus ist ja dazu da, daß man das einmal ganz deutlich zum Ausdruck bringt.
Wenn morgen die SPD auf ihrer Klimakonferenz in Berlin weitgehend unter sich ist, kann sie mit Freunden gegenseitig Artigkeiten austauschen. Sie und die drei Exoten, die sie eingeladen hat und die in der Masse untergehen, können sich gegenseitig auf die Schultern klopfen und sagen: Was sind wir doch für hervorragende Kerle! Es wäre gut, wenn einmal Herr Scharping hier hinkommen würde; aber bislang bleibt er bei diesen Fragen außerhalb des Parlaments. Ich sage das ganz deutlich; das muß einmal so gesagt werden.
Ich gebe natürlich denen recht, die sagen, daß das Problem, vor dem wir stehen, vornehmlich von den Industrieländern, von den Ländern des Nordens, verursacht worden ist. Die Kohlendioxidemissionen der letzten 100 Jahre kommen weit überwiegend aus dem Norden. Die Kohlendioxidemissionen und auch die anderen Emissionen - wollen wir uns da nichts vormachen! - sind Emissionen der Industrieländer.
Dr. Klaus W. Lippold
Aber das heißt nicht, daß man die Schwellenländer völlig aus der Verantwortung entlassen darf. Wir alle wissen, daß zwar die Pro-Kopf-Mengen gering sind, aber eine geringe Pro-Kopf-Menge mit einer in die Milliarden gehenden Bevölkerung bedeutet, daß die absolute Tonnage der Emissionen hoch ist. Dabei wissen Sie wie wir, daß in absehbarer Zeit die Emissionen bei den Schwellenländern die Emissionen der Industrieländer deutlich übersteigen werden. Wer heute darauf verzichtet, in einer differenzierten Art - mit differenzierter Betrachtung und differenzierter Verantwortung, wie wir es früher einmal gemeinschaftlich festgehalten haben - auch die Entwicklungs- und Schwellenländer ins Boot zu holen, der wird sie später nicht mehr hineinbekommen. Wir werden dann keine Problemlösung anbieten können, wenn ein Teil der Welt emittiert und wir meinen, wir könnten dies alles allein durch unseren Beitrag zurückschrauben. Ich bin der Meinung, daß das nicht geht.
Deshalb ist es auch richtig, wenn wir uns jetzt hier intern zunächst einmal damit befassen, wie wir bessere Wege, neue Instrumente finden. Alle sprechen von ökonomischen, von marktwirtschaftlichen Instrumenten. Nur ist es immer so, daß das gerade in Diskussion Stehende nicht das Geeignete ist. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das, was wir mit der Selbstverpflichtung machen, ist ein marktwirtschaftliches Instrument. Warum jammern Sie eigentlich immer, wenn wir marktwirtschaftliche Instrumente nehmen, die vom Betroffenen auch darstellbar sind? Muß denn Umweltschutz eine Politik sein, die den anderen bis aufs Blut quält, nur damit sie als Umweltschutzpolitik verkauft werden kann?
Warum kann man denn nicht kooperativ vorgehen und Kräfte freisetzen, die dort vorhanden sind? Das ist ein Stück ökologisch orientierter sozialer Marktwirtschaft, an dem wir festhalten müssen.
Das Instrument Öko-Audit gehört doch mit dazu. Da sprechen Sie immer nur vom Ordnungsrecht. Wir denken doch mittlerweile in verschiedenen parteiübergreifenden Zirkeln völlig anders und sagen, daß wir das Verhältnis von Öko-Audit und Ordnungsrecht prüfen müssen, um festzustellen, was sich hier denn tut und ob man noch unbedingt den alten Weg gehen muß. Ich sage, daß wir hier auf einem guten, auf einem richtigen Weg mit neuen Instrumenten sind.
Jetzt sage ich Ihnen noch eines: Ich möchte ja wirklich nicht wissen, wie Sie heute morgen hier gestanden hätten, wenn es Ihnen gelungen wäre - nicht erst seit der Veröffentlichung gestern, sondern auf Ihrer Konferenz -, eine bindende Verpflichtung der Industrie zu erhalten, die vorher nicht abgegeben worden wäre. Sie wären hier mit Jubelstürmen angetreten und hätten gesagt, daß das etwas sei. Jetzt ist dies nicht von Ihnen, sondern von der Bundesregierung erreicht worden, und jetzt soll das Instrument auf einmal nichts mehr wert sein.
Ich sage es einmal ganz deutlich so: Als die SPD zu ihrer Kanzlerzeit - es gab ja einmal Zeiten, als die SPD noch Kanzler in dieser Republik gestellt hat - zu Gesprächen mit der Wirtschaft auf Schloß Gymnich zusammenkam und dort auch Probleme des Umweltschutzes besprach, wurde vereinbart, daß der Katalysator gestoppt wird und es in den nächsten Jahren keine Umweltregelungen geben wird, die die Wirtschaft betreffen. Da wurde nicht von einer Selbstverpflichtung mit Reduktionsergebnissen gesprochen wie hier. Bei Ihrem Gespräch mit der Wirtschaft Stillstand, bei unserem Gespräch mit der Wirtschaft Fortschritt! Das ist eine Politik, die ich für richtig halte.
Erinnern Sie sich einmal an Gymnich! Sie haben seinerzeit im Umweltausschuß dem Kollegen Baum Vorwürfe gemacht und ihn gefragt, warum es mit der Umweltpolitik nicht so schnell weitergegangen sei. Darauf hat der Kollege Baum, den ich sehr schätze - und zwar schon zu seinen Regierungszeiten; man muß ja als Oppositionsmensch auch einmal anerkennen, wenn einer Gutes in der Regierung tut -, gesagt: Wenn die damalige Regierung - damals hatten Sie die Mehrheit - mich so hätte wirken lassen, wie ich gewollt hätte, dann hätte ich auch das umsetzen können, was Sie schon längst einfordern. - Man kann also nicht in der eigenen Regierungszeit blokkieren, hinterher sagen, es gehe nicht schnell genug, und dann den anderen die Schuld zuweisen, die auf dem besten Wege sind, ihre internationale Vorreiterrolle zu unterstreichen und fortzuschreiben.
Dem dient das Maßnahmenpaket im Inneren: von der Selbstverpflichtung über das Energieeinsparförderprogramm im Altbau - daß das der richtige Ansatz ist, könnten Sie auch einmal erwähnen - bis hin zu den Maßnahmen in den Bereichen Verkehr, Industrie und Haushalte. Wir machen es übrigens nicht, indem wir die Haushalte bestrafen, sondern wir geben Anreize. Das ist der richtige Weg.
Lassen Sie mich ein Letztes sagen, weil Sie ja bedauerlicherweise von Joint implementation, von der gemeinschaftlichen Umsetzung von Klimaschutz, Abstand nehmen wollen. Wenn ich es richtig sehe, heißt das ja unter dem entsprechenden Punkt Ihrer Konferenz „moderner Ablaßhandel". Damit diskreditieren Sie das Instrument und verstärken Sie die Befürchtungen, die andere Länder haben müssen.
- Hören Sie doch erst einmal zu! - Nur, wer die Kriterienkataloge liest, wie Schwellenländer und Entwicklungsländer gemeinschaftlich andenken, in welcher Form Joint implementation möglich ist, der wird feststellen, daß dieses weitgehend deckungsgleich
Dr. Klaus W. Lippold
ist mit den Vorstellungen der Enquete-Kommission, daß dieses wiederum weitgehend deckungsgleich ist mit der Denke der Bundesregierung und daß wir jetzt noch einige Punkte, insbesondere das Vorziehen, die Frage der Anrechenbarkeit und, und, und abhandeln können, um hier einen positiven Schritt weiterzugehen.
Was spricht denn dagegen, wenn wir über Joint implementation auch die Entwicklungsländer, die durch die Konvention bislang nicht zum Handeln verpflichtet sind, dazu bewegen, mit uns gemeinschaftlich etwas zu tun, mit Technologietransfer, mit angepaßten Technologien, die wir zur Energieeinsparung, die wir zur Ressourcenschonung dorthin bringen? Was spricht denn dagegen? Ohne Joint implementation würde dort nichts geschehen. Mit Joint implementation können wir fruchtbare Ansätze schaffen, nicht nur Pilotprojekte, sondern auch Förderung in der Fläche. Das hilft dann auch den Menschen in den dritten Ländern; denn über die umweltfreundliche Energie, die wir dann schaffen können, über regenerative und andere Energien, die wir schaffen, können wir einen Beitrag dazu leisten, daß die dringend notwendige Steigerung des Lebensstandards in diesen Ländern in einer umweltgerechten Form erfolgen kann - nicht umweltunverträglich, sondern umweltverträglich.
Und warum sollen wir dazu nicht ein Mittel nehmen, das Fortschritt im Umweltschutz mit Fortschritt in der Entwicklung und mit dem Kampf gegen die Armut in diesen Ländern verbindet? Das ist Politik aus einem Guß. Das ist konzeptionelle Politik. Das ist aber etwas anderes, als wenn sich jemand vor den Bundestag stellt, einen kleinen Solarbohrer bewegen will und dann feststellen muß, daß er mit diesem kleinen Solarbohrer keine dicken politischen Bretter bohren kann,
weil das eben nicht klappt in der derzeitigen Situation. Das heißt, bei Ihnen stimmt gar nichts, nicht die Politik und noch nicht einmal Ihre Demonstrationsprojekte hier vor dem Bundestag. Sie sollten beides ändern, nicht nur das eine.