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    Plenarprotokoll 13/13 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 13. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. Januar 1995 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 773 A Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung des Antrags der PDS: Krieg in Tschetschenien (Drucksache 13/172) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Lage in Tschetschenien (Drucksache 13/228) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Beendigung des Krieges in Tschetschenien (Drucksache 13/239) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Lage in Tschetschenien (Drucksache 13/263) Andrea Lederer PDS (Erklärung nach § 31 GO) 773B Ulrich Irmer F D P. 773 D Tagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Zweite Beschlußempfehlung und Schlußbericht des 3. Untersuchungsausschusses der 12. Wahlperiode (Drucksache 13/229) Gerhard Scheu CDU/CSU 774 B Anni Brandt-Elsweier SPD 777 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 778 C Dr. Dieter Thomae F.D.P. 780B Dr. Ruth Fuchs PDS 781 D Wolfgang Friedrich Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 782 D Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD 784 C Horst Seehofer, Bundesminister BMG 787 C Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Schlußberichts der Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre" zum Thema: Mehr Zukunft für die Erde — Nachhaltige Energiepolitik für dauerhaften Klimaschutz (Drucksache 12/8600) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Klimaschutz — Erste Vertragsstaatenkonferenz zur Klimarahmenkonvention vom 28. März bis 7. April 1995 sowie Umsetzung des nationalen CO2-Minderungsprogramms (Drucksache 13/232) Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 791 C Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 793 B Monika Ganseforth SPD 794 C Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 797 B Birgit Homburger F.D.P. 799 D II Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1995 Rolf Köhne PDS 803 A Dr. Peter Paziorek CDU/CSU 804 D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 805 D, 806 B Horst Kubatschka SPD 806 D Dr. Liesel Hartenstein SPD 807 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU 809 C Dr. Winfried Wolf PDS 810 C, 816 B Dr. Ursula Eid-Simon BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 811 A Brigitte Adler SPD 812 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU 813 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD 813 D Dr. Liesel Hartenstein SPD 815 B Horst Kubatschka SPD 817 A Dr. Norbert Lammert, Parl. Staatssekretär BMWi 818 D Nächste Sitzung 820 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 821* A Anlage 2 Anzahl der 1994 in Deutschland tätigen Saisonarbeitskräfte; Gewinnung deutscher Arbeitsloser für derartige Tätigkeiten MdlAnfr 53, 54 — Drs 13/213 — Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU SchrAntw PStSekr Horst Günther BMA 821* C Anlage 3 Stand der Verhandlungen über ein Sozialversicherungsabkommen mit der Tschechischen Republik MdlAnfr 55 — Drs 13/213 — Simon Wittmann (Tännesberg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Horst Günther BMA 822* A Anlage 4 Verhandlungen über ein Sozialversicherungsabkommen mit der Tschechischen Republik MdlAnfr 56 — Drs 13/213 — Ludwig Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Horst Günther BMA 822* B Anlage 5 Amtliche Mitteilungen 822* C Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1995 773 13. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. Januar 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Austermann, Dietrich CDU/CSU 20. 01. 95 Barthel, Klaus SPD 20. 01. 95 Beucher, Friedhelm SPD 20. 01. 95 Julius Borchert, Jochen CDU/CSU 20. 01. 95 Braun (Auerbach), Rudolf CDU/CSU 20. 01. 95 Braune, Tilo SPD 20. 01. 95 Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 20. 01. 95 Großmann, Achim SPD 20. 01. 95 Haack (Extertal), SPD 20. 01. 95 Karl-Hermann Häfner, Gerald BÜNDNIS 20. 01. 95 90/DIE GRÜNEN Hartenbach, Alfred SPD 20. 01. 95 Dr. Hauchler, Ingomar SPD 20. 01. 95 Dr. Hendricks, Barbara SPD 20. 01. 95 Heym, Stefan PDS 20. 01. 95 Hilsberg, Stephan SPD 20. 01. 95 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 20. 01. 95 Dr. Jacob, Willibald PDS 20. 01. 95 Kanther, Manfred CDU/CSU 20. 01. 95 Knoche, Monika BÜNDNIS 20. 01. 95 90/DIE GRÜNEN Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 20. 01. 95 Angelika 90/DIE GRÜNEN Kraus, Rudolf CDU/CSU 20. 01. 95 Lehn, Waltraud SPD 20. 01. 95 Dr. Leonhard, Elke SPD 20. 01. 95 Dr. Maleuda, Günther PDS 20. 01. 95 Johannes Matthäus-Maier, Ingrid SPD 20. 01. 95 Odendahl, Doris SPD 20. 01. 95 Ostertag, Adolf SPD 20. 01. 95 Dr. Pfaff, Martin SPD 20. 01. 95 Dr. Scheer, Hermann SPD 20. 01. 95 Schindler, Norbert CDU/CSU 20. 01. 95 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 20. 01. 95 90/DIE GRÜNEN Schmidt-Zadel, Regina SPD 20. 01. 95 Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 20. 01. 95 90/DIE GRÜNEN Schumann, Ilse SPD 20. 01. 95 Seibel, Wilfried CDU/CSU 20. 01. 95 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 20. 01. 95 Vergin, Siegfried SPD 20. 01. 95 Wallow, Hans SPD 20. 01. 95 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 20. 01. 95 Gert Welt, Jochen SPD 20. 01. 95 Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Horst Günther auf die Fragen des Abgeordneten Hans-Joachim Fuchtel (CDU/ CSU) (Drucksache 13/213 Fragen 53 und 54): Wie viele Saisonarbeitskräfte in welchen Bereichen waren 1994 in Deutschland tätig? Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung, wie angesichts der Arbeitslosigkeit für diese Tätigkeit im Lande lebende Arbeitslose gewonnen werden können? Über die Zahl der als Saisonarbeitskräfte in Deutschland Beschäftigten liegen keine Angaben vor. Bei der Erfassung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten werden Saisonarbeitnehmer nicht gesondert ausgewiesen. Ein Merkmal „saisonabhängige Beschäftigung" in der Statistik ließe sich auch nicht hinreichend scharf von anderen befristeten Beschäftigungsverhältnissen trennen. Wenig aussagefähig für die Beantwortung Ihrer Frage wären auch Gesamtzahlen über die Beschäftigten in Wirtschaftszweigen mit typischen jahreszeitlichen Aktivitätsschwankungen. In der Regel handelt es sich auch hier - wie etwa im Falle der Landwirtschaft oder des Hotel- und Gaststättengewerbes - um Bereiche, in denen es neben saisonabhängiger Beschäftigung auch kontinuierlich Arbeitende gibt. Schließlich sind Beschäftigungen versicherungsfrei, wenn sie nach ihrer Eigenart auf längstens zwei Monate begrenzt sind, was für eine Vielzahl von Saisonbeschäftigungen typisch ist. Ihre zweite Frage beantworte ich wie folgt: In Abstimmung mit dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat die Bundesanstalt für Arbeit im Zusammenhang mit der gesetzlich notwendigen Arbeitsmarktprüfung vor Zulassung osteuropäischer Saisonarbeitnehmer nach § 1 Abs. 3 Arbeitserlaubnisverordnung den Arbeitsämtern mit Erlaß vom 17. Mai 1993 eine Reihe von Hinweisen und Anregeungen zur stärkeren Gewinnung inländischer Arbeitsuchender, - auch durch berufsübergreifende und überregionale Bewerbergewinnung - gegeben. Nach Erfahrungsberichten der Arbeitsämter haben die entsprechenden Aktivitäten zu einer erweiterten Inanspruchnahme der Arbeitsvermittlung und auch - mit Einschränkungen für den Bereich der Landwirtschaft - zu beachtenswerten Vermittlungserfolgen inländischer Arbeitsuchender geführt. Um die Vermittlung in niedriger entlohnte Beschäftigungen einschließlich der saisonalen Beschäftigungen weiter zu verstärken, beabsichtigt die Bundesregierung, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Arbeitslosenhilfe gezielt und zeitlich befristet in pauschalierter Form für die Zeit der Beschäftigung weiter gewährt werden kann. 822* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1995 Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Horst Günther auf die Frage des Abgeordneten Simon Wittmann (Tännesberg) (CDU/CSU) (Drucksache 13/213 Frage 55): Wie weit sind die Verhandlungen um ein Sozialversicherungsabkommen mit der Tschechischen Republik, und worin liegen die Schwierigkeiten für ein solches Abkommen? Die mit der ehemaligen Tschechoslowakei im Jahre 1991 begonnenen Gespräche im Bereich der sozialen Sicherheit konnten zunächst wegen des Trennungsprozesses der ehemaligen Tschechoslowakei weder mit dieser noch mit der Tschechischen Republik weitergeführt werden. Erst im Juli des vergangenen Jahres konnte eine erste Runde der Sachverständigengespräche über ein Abkommen über soziale Sicherheit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik durchgeführt werden. Die Bundesregierung ist wegen der intensiven nachbarlichen Beziehungen am Abschluß eines umfassenden Sozialversicherungsabkommens interessiert, um den sozialen Schutz der Arbeitnehmer und Versicherten bei Aufenthalt im anderen Staat sicherzustellen. Ein weiterer Gesprächstermin ist für Mai diesen Jahres in Aussicht genommen. Da im Rahmen eines Abkommens über soziale Sicherheit u. a. die beiderseitigen Sozialversicherungssysteme koordiniert werden, wird die Verhandlungsdauer entscheidend durch den Fortgang der Umstrukturierungen im Bereich der sozialen Sicherheit in der Tschechischen Republik beeinflußt. Weiterhin ist von Bedeutung, ob und in welcher Weise die mit der Einbeziehung der Krankenversicherung verbundenen Fragen zufriedenstellend geregelt werden können. In diesem Zusammenhang spielt insbesondere die Erstattung der Kosten für die medizinische Betreuung der sich im anderen Vertragsstaat vorübergehend aufhaltenden Versicherten eine Rolle. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Horst Günther auf die Frage des Abgeordneten Ludwig Stiegler (SPD) (Drucksache 13/213 Frage 56): Wie ist der Stand der Verhandlungen zum Abschluß eines bilateralen Sozialversicherungsabkommens mit der Tschechischen Republik, und bis wann kann mit ersten konkreten Ergebnissen gerechnet werden, nachdem die Bundesregierung am 2. März 1994 mitgeteilt hat, daß ein Gesprächstermin vereinbart werden würde? Mit der Tschechischen Republik wurde im Juli letzten Jahres eine erste Sachverständigenrunde über den Abschluß eines Abkommens über soziale Sicherheit geführt. Dabei konnte grundsätzliches Einvernehmen erzielt werden, daß ein solches Abkommen die Bereiche der Renten-, Unfall- und möglichst auch der Krankenversicherung erfassen soll. Die Sachverständigengespräche werden Ende Januar in Prag fortgesetzt. Ein weiterer Gesprächstermin ist für Mai dieses Jahres in Aussicht genommen. Die Bundesregierung ist wegen der engen nachbarschaftlichen Beziehungen zur Tschechischen Republik daran interessiert, möglichst bald zu einem Abschluß eines Sozialversicherungsabkommens zu gelangen. Wegen der Komplexität der zu behandelnden Fragen wird mit einer Verhandlungsdauer von etwa zwei Jahren zu rechnen sein. Anlage 5 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 678. Sitzung am 16. Dezember 1994 beschlossen, der Bundesregierung wegen der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 1992 (Jahresrechnung 1992) aufgrund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes Entlastung gemäß Artikel 114 des Grundgesetzes und § 114 der Bundeshaushaltsordnung zu erteilen. Der Bundesrat hat mit Schreiben vom 10. Januar 1995 mitgeteilt, daß er zum Ausführungsgesetz zu dem Übereinkommen vom 13. Januar 1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (Ausführungsgesetz zum Chemiewaffenübereinkommen — CWÜAG) (Bundesratsdrucksache 649/94) (Neu) folgenden Beschluß gefaßt hat: Der Bundesrat hat in seiner 672. Sitzung am 8. Juli 1994 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 26. Mai 1994 verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 84 Abs. 1 des Grundgesetzes zuzustimmen. (Siehe dazu Amtliche Mitteilung im Stenographischen Bericht der 242. Sitzung vom 7. September 1994, Seite 21537, Anlage 3 Nr. 8). Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 12/210 Nrn. 26 bis 28 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/4947 Nr. 3.5 Drucksache 12/4833 Nr. 2.2 Ausschuß far wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 12/8537 Nr. 78
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    Rede von Wolfgang Lohmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich Frau Brandt-Elsweier und Herrn Dr. Thomae selbstverständlich in dem ausdrücklichen Dank für die Arbeit anschließen, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen und des Ausschusses, alle Abgeordneten des Ausschusses und insbesondere der Vorsitzende, man kann sagen: rund um die Uhr und tatsächlich bis an die Grenzen der physischen und psychischen Belastbarkeit geleistet haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Meine Damen und Herren, unser Ausschuß hatte sich mit einem Sachverhalt zu befassen, der bei uns allen zunächst Bestürzung und anschließend Empörung ausgelöst hat. Wir alle hätten uns sicher gewünscht, unsere politische Arbeit tun zu können, ohne mit dem schlimmen Schicksal konfrontiert zu werden, das Menschen zugefügt worden ist, weil von Beteiligten nicht sorgfältig und nicht rechtzeitig gehandelt worden ist. Die Tragweite, die diese Ereignisse für die betroffenen Bluter und ihre Angehörigen hatten und haben, kann man sich allenfalls vorstellen. Viele derjenigen, die heute hier auf der Besuchertribüne anwesend sind, wissen das aber mit Sicherheit besser als wir.
    Es dürfte nach aller Lebenserfahrung leider richtig sein, daß derjenige, der mit einem derartigen Schicksal persönlich konfrontiert wird, mit diesem schockierenden Faktum letztlich allein fertigwerden muß.



    Wolfgang Friedrich Lohmann (Lüdenscheid)

    Auch aus diesem Grunde habe ich meine Zweifel, ob eine Entschuldigung des Deutschen Bundestages, wie von Ihnen, Herr Kollege Schmidbauer, gefordert, dem Ernst der Sachlage wirklich gerecht würde. Es ist nun einmal so: Vermeintlich große Gesten gehören schnell der Vergangenheit an und tragen zur Lösung der anstehenden Probleme hier und jetzt und bald nichts bei. Aber ich gebe zu: Über derartige Dinge kann man mit gutem Grund unterschiedlicher Meinung sein.
    Gerade vor diesem Hintergrund bin ich heute mehr denn je überzeugt davon, daß politischer Streit und ideologische Polemik, wie sie bei der Rede von Herrn Beck vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute deutlich geworden sind, der Thematik keinesfalls angemessen sind. Er war allerdings an der Arbeit des Untersuchungsausschusses — ich habe ja eben von der Belastung gesprochen, die diese Arbeit mit sich gebracht hat — nicht beteiligt. Auch die in den Ausschuß entsandten Kolleginnen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN haben in der Regel durch Abwesenheit geglänzt.
    Ich möchte deshalb grundsätzlich sagen, daß die Beratungen im Gesundheitsausschuß möglichst frei von Polemik und Ideologie geführt werden sollten, weil das den Betroffenen am ehesten helfen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Der von der Fraktion der SPD, Herr Schmidbauer, eingebrachte Antrag wird meines Erachtens diesem Maßstab leider nicht voll gerecht. Die CDU/CSU- Fraktion hat ja von Anfang an gesagt, daß der Ausschußbericht, seine Empfehlungen und auch Ihr Sondervotum Gegenstand der Diskussion im Gesundheitsausschuß sein müssen. Dort muß seriös und sachlich fundiert beraten werden. Ich bedaure es deswegen ausdrücklich, daß wir uns hier und heute Ihrem Antrag nicht anschließen können, weil Sie in einer Art vorauseilendem Gehorsam diesen Antrag zu früh eingebracht haben.
    Ich möchte für unsere Fraktion noch einmal betonen, daß wir nicht nachlassen werden, uns um die Lösung der anstehenden Fragen zu bemühen, und daß der Ausschußbericht und seine Empfehlungen Basis für unsere Arbeit sind, die das Ziel verfolgt, schnell weiterzukommen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch daran, daß auf unsere Initiative und gegen Ihren Widerstand, meine Damen und Herren von der SPD, der Untersuchungsausschuß überhaupt erst eingesetzt worden ist.

    (Klaus Kirschner [SPD]: Was? Das ist ja was ganz Neues!)

    Ich bin heute mehr denn je davon überzeugt, daß der von Ihnen, Herr Kollege Kirschner, der Sie gerade dazwischenrufen, vorgeschlagene Weg, nämlich die Einsetzung einer unabhängigen Expertenkommission, bei weitem nicht so effizient gewesen wäre wie der von uns vorgeschlagene und durchgesetzte Untersuchungsausschuß.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie weit die Expertenkommission heute wäre und wie wir alle gemeinsam, unterstellt, sie wäre wirklich bis heute ebenfalls zu einem Ergebnis gekommen, möglicherweise mit einem solchen Ergebnis umgegangen wären. Deswegen ist der Weg, den wir beschritten haben, nach meiner Auffassung richtiger.

    (Klaus Kirschner [SPD]: Es kommt darauf an, welche Konsequenzen Sie daraus ziehen, Herr Kollege Lohmann!)

    Auf unsere Initiative und ebenfalls gegen Ihren Widerstand, Herr Kollege Kirschner, wurde das Bundesgesundheitsamt aufgelöst und in überschaubare, effiziente Institute neu gegliedert. Auf unsere Initiative, meine sehr verehrten Damen und Herren, wurde in der 5. Novelle zum Arzneimittelgesetz die Sicherheit von Blut und Blutprodukten bereits jetzt deutlich verbessert. Es ist ebenfalls auf unsere Initiative und auf die des Herrn Ministers zurückzuführen, daß bereits bei den Haushaltsberatungen 1994 die Soforthilfe für die HIV-infizierten Bluter installiert werden konnte, um die teilweise tatsächlich unerträgliche Situation der Betroffenen zu lindern.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich gehe auch davon aus, daß bereits während der laufenden Haushaltsberatungen dieses Jahres die noch offene Frage der sogenannten Stichtagsregelung einer zufriedenstellenden Lösung zugeführt werden kann.
    Die Regierungsfraktionen und die von ihr getragene Bundesregierung werden diesen Weg gemeinsam fortsetzen. Unser Ziel ist dabei ein dreifaches: Die Sicherheit von Blut und Blutprodukten wird weiter kontinuierlich verbessert, für die Betroffenen wird über die Soforthilfe hinaus eine angemessene Entschädigungsregelung erarbeitet, und die als unzureichend erkannte Arzneimittelhaftung wird deutlich ergänzt und ausgeweitet. Ich bitte Sie deshalb sehr, meine sehr verehrten Damen und Herren der anderen Fraktionen, gemeinsam mit uns diese Ziele anzusteuern.

    (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Plus Länder!) — Dazu komme ich gleich.

    Der dringende Handlungsbedarf insbesondere im Hinblick auf das zweite Ziel, nämlich die Frage einer angemessenen Entschädigung für die Betroffenen, muß von uns allen anerkannt werden. Es muß fundiert diskutiert werden. Wir wollen doch nicht mit dem Untersuchungsausschußergebnis, auf dessen Basis wir alle gemeinsam stehen, die Beratungen im Gesundheitsausschuß vorwegnehmen. Ich meine schon, daß der Weg, der jetzt angestrebt wird, der richtige ist.
    Meine Damen und Herren, der Ausschußvorsitzende hat juristisch tiefgründig und fundiert vieles gesagt, was nicht wiederholt werden muß. Trotzdem meine ich, noch ein paar Bemerkungen zum Ablauf machen zu sollen.
    Bereits zu Beginn des Untersuchungszeitraumes, also ab dem 1. Oktober 1980, hätte — wir wissen das — schon wegen der Gefahr einer tödlich endenden



    Wolfgang Friedrich Lohmann (Lüdenscheid)

    transfusionsbedingten Hepatitis nur noch inaktiviertes PPSB zur Anwendung gelangen dürfen. Fast alle HIV-Infektionen hätten — das allerdings wußten wir erst später — durch den Einsatz von PPSB vermieden werden können.
    Zu dem in der Hämophilie-Behandlung bei weitem am häufigsten angewandten Gerinnungsfaktorkonzentrat Faktor VIII stellte der Ausschuß fest, daß spätestens im Laufe der ersten Jahreshälfte 1983 hinreichende Erfahrungen mit einem virusinaktivierten Konzentrat sowie ausreichende Erkenntnisse über Ursache und Übertragbarkeit von Aids durch Blut und Blutprodukte vorlagen. Zu dieser Zeit war aber leider ein großer Teil der Hämophilen bereits infiziert.
    Es war und ist zunächst Aufgabe der Industrie und der Ärzte, auf die Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Aidsgefahr zu reagieren. Daß Industrie und Ärzte über entsprechende Kenntnisse verfügten, ist uns angesichts der Zusammenarbeit der Beteiligten auf internationaler Ebene, beispielsweise der Industrie, u. a. durch die Beiziehung von Materialien aus den USA, inzwischen zur Gewißheit geworden.
    Allerdings können und dürfen wir trotz grundsätzlicher Eigenverantwortlichkeit von Industrie und Ärzten nicht übersehen, daß das Bundesgesundheitsamt notwendige Maßnahmen zum Schutz der Patienten vor HIV-verunreinigten Blutprodukten nicht zeitgerecht und nicht im erforderlichen Umfang angeordnet hat. Dazu wäre es eindeutig verpflichtet gewesen.
    Die Verantwortlichkeit der Länder haben wir auf Grund der verfassungsrechtlichen Grenzen eines Untersuchungsorgans des Bundestages nicht im einzelnen untersuchen können. Gleichwohl bin ich davon überzeugt, daß auch die Länder in der Verantwortung stehen. Insofern hat der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Hämophiler doch recht, wenn er in einem offenen Brief, der vorgestern in den „Aachener Nachrichten" veröffentlicht wurde, den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau, auffordert — ich zitiere —, „ entsprechend auf seinen Landesgesundheitsminister Franz Müntefering (SPD) einzuwirken". In dem Artikel heißt es weiter:
    Der habe erneut in der Öffentlichkeit erklärt, er halte wenig von der Staatshaftung gegenüber den Opfern der Transfusionsmedizin, weil damit zwei Klassen von Kranken entstünden.
    Herr Breuer schreibt in seinem Brief:
    Diese Ansicht ist ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen, die im Vertrauen auf unser Gesundheitssystem todkrank gemacht wurden oder bereits verstorben sind.
    Recht hat er, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir sind uns alle darüber einig, daß aus diesen erdrückenden Tatsachen die gebotenen Konsequenzen gezogen werden müssen. Wir werden das Thema Arzneimittelsicherheit konsequent weiterverfolgen. Wir müssen jetzt aber zuallererst dafür sorgen, daß als Konsequenz aus den aufgedeckten Versäumnissen eine angemessene Entschädigung für die Betroffenen
    gefunden und durchgesetzt wird. Dazu ist schon viel gesagt worden.
    Wir setzen zuerst auf eine freiwillige Beteiligung der Betroffenen. Aber wir fordern die Bundesregierung, wie auch im Ausschußbericht gesagt, prinzipiell auf, alle Möglichkeiten für den Fall auszuschöpfen, daß als freiwillige Lösung ein solcher Fonds für alle Beteiligten nicht zustande kommt. Für diesen Fall muß mit gesetzgeberischen Maßnahmen gehandelt werden.
    Ich danke Ihnen allen, daß Sie mitgeholfen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Kollege Horst Schmidbauer (SPD).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Horst Schmidbauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mehr als 2 000 Menschen zahlen für diesen Medizinskandal mit ihrem Leben. Seit zehn Jahren warten sie auf Gerechtigkeit. Seit zehn Jahren warten sie auf eine gerechte Entschädigung. Seit zehn Jahren warten sie auf eine Entschuldigung. Es wäre gut, wenn sich wenigstens das Parlament bei den Opfern entschuldigte. Weder die Hersteller noch der Bundespräsident, noch der Bundeskanzler waren bislang für eine solche Geste zu haben. Ich frage mich: Ist eine solche Geste, wie sie der französische Staatspräsident vollzog, nicht auch bei uns angebracht?
    Die Frage ist: Wie war es möglich, daß über einen Medizinskandal dieser Dimension so lange nicht gesprochen wurde? Wie war es möglich, daß ein Interessenkartell aus Herstellern, Ärzten und Behörden den Skandal zehn Jahre lang unter der Decke halten konnte? Wie war es möglich, daß eine unfreiwillige Solidarität zwischen Opfern und Tätern half, diese Katastrophe zu verdrängen? Wie war es möglich, daß ein Komplott von Pharmaunternehmen ohne Rücksicht auf menschliche Verluste Schutzmaßnahmen für die Patienten unterließ? Wie war es möglich, daß für die große Gruppe der PPSB-Patienten Abwehrmaßnahmen unterblieben? Wie war es möglich, daß in Deutschland nicht getestete und nicht inaktivierte Präparate nicht zurückgerufen wurden?
    Ehrlich gesagt, uns ging es wie Ihnen: Wir hielten dies alles zunächst für übertrieben. Doch je mehr Beweise wir erhoben, desto größer wurde die Gewißheit: Das Unglaubliche, das Unvorstellbare, das Undenkbare ist die Wahrheit — das Unglaubliche, weil die Verantwortlichen zehn Jahre lang dies als eine schicksalhafte Naturkatastrophe darstellen konnten; das Unvorstellbare, weil die Aids-Infizierten lange stumm blieben aus Scham, aus Angst vor Stigmatisierung; das Undenkbare, weil die Täter schon früh erkannten, daß die Angst der Opfer ihr bester Verbündeter war.
    Die Frage nach Verantwortung und Schuld hat der Untersuchungsausschuß gestellt und beantwortet. Antwort geben die Feststellungen im Schlußbericht. Sie belegen das Versagen sämtlicher auf die Arzneimittelsicherheit verpflichteter Akteure.



    Horst Schmidbauer (Nürnberg)

    Erstens. Oktober 1980: Nicht virusinaktivierte Faktor-IX- und PPSB-Präparate hätten nicht mehr verkauft werden dürfen.
    Zweitens. Jahreswechsel 1982/83: Alle Hersteller hätten inaktivierte Faktor-VIII-Produkte im Angebot haben müssen. Alle Hersteller und Ärzte wären zur ausdrücklichen Warnung vor dem Aids-Risiko verpflichtet gewesen.
    Drittens. Herbst 1983: Nicht inaktivierte FaktorVIII-Präparate hätten zurückgerufen werden müssen.
    Viertens. August 1984: Mit dem wissenschaftlichen Beweis der Ursächlichkeit des Virus für Aids sind Entschuldigungen ausgeschlossen.
    Das Schreckliche an der Katastrophe ist: Sie war vermeidbar, weil sie erkennbar war. 60 % aller Infektionen waren vermeidbar. Mindestens 800 Menschenleben hätten gerettet werden können. Es war keine unabwendbare Naturkatastrophe, die über uns hereinbrach, sondern eine unheilvolle Mischung aus wirtschaftlichen Interessen und indirekter Korrumpiertheit, fehlender Kontrolle und lascher Handhabung bestehender Gesetze, falschen Risikoabwägungen und unterlassenen Maßnahmen, im Zweifel gegen die Patienten, im Zweifel gegen die Arzneimittelsicherheit; statt dessen Vertuschungen sowie fehlender Mut zur Wahrheit, zur Verantwortung bei fast allen Beteiligten, die damit zu Passivtätern geworden sind.
    Der Untersuchungsausschuß hat die Verantwortlichen klar genannt, voran die Hersteller.
    Wie war es denn um die Verantwortung der Hersteller bestellt? „Unsere Gerinnungspräparate sind sicher", erklärten sie 1982, obwohl die epidemiologischen Daten der USA schon das genaue Gegenteil signalisierten.
    Ende 1982 schrieb Ed Cutter, Firmengründer und Berater der Bayer-AG-Tochter Cutter, an die Geschäftsführung: „Wir sollten alle eine Aidswarnung in unsere Packungsbeilage aufnehmen." Falls es später zu einem Rechtsstreit käme, wäre es gut, „wenn wir dann unsere Sorgfalt demonstrieren" könnten.
    Seine Empfehlung wurde nicht befolgt, obwohl bei der Bayer-Tochter der Zusammenhang zwischen Blut und Aids intern schon längst klar war. Das belegt ein firmeninternes Aidsszenario. Im August 1983 entwarf die Bayer-Tochter eine grausige Prognose: Im ungünstigsten Fall sei mit 2 000 aidskranken Blutern allein in den USA zu rechnen. Die Folge sei eine „gigantische Epidemie" , so schrieben sie, zumal infizierte Bluter wiederum ihre Frauen und Kinder infizieren würden.
    Das als vertraulich eingestufte Aidsplanspiel blieb unter Verschluß. Die Marketingabteilung setzte sich gegen die Wissenschaftler der Firma durch. Umsatz und Marktanteile kamen vor Sicherheit. Intern wußte man Bescheid, nach außen aber tönte man weiter: Es gebe keinerlei Beweise, sondern lediglich unbewiesene Vermutungen.
    In der nächsten Stufe hieß es, es gebe zwar „begrenzte Hinweise" auf den Infektionsweg Blut, aber nur „minimale Beweise". Danach hieß es, es gebe
    keine gesicherten Fälle. Die ganz Klugen konnten sich hinterher damit rechtfertigen, daß sie sagten: „Wir haben nicht behauptet, es gebe keine Ansteckungsgefahr. Man kann uns nicht vorwerfen, etwas Falsches gesagt zu haben."
    Die Taktik der Hersteller ging auf. Sie spielten auf Zeit, um Sicherheitsmaßnahmen zu verzögern. Sie spielten auf Zeit, um Kosten zu sparen, und zwar auf Kosten der Patienten.
    Belgien: 10 Millionen Einwohner, 35 HIV-infizierte Bluter. Norwegen: 8 Millionen Einwohner, 17 Infizierte. Der Westen der Bundesrepublik: 60 Millionen Einwohner, 1 500 infizierte Bluter. Was ist das für ein Unterschied! Das haben wir uns auch gefragt.
    Des Rätsels Lösung: Norwegen und Belgien setzten frühzeitig auf Spenderauswahl. Norwegen und Belgien setzten auf Eigenversorgung mit Plasma. Die Bundesrepublik dagegen ignorierte seit 1980 Empfehlungen und Warnungen des Europarats, kaufte Jahr für Jahr 1 Million Liter Plasma aus dem Ausland, fast alles aus den USA. Statt Spenderauswahl Einkauf in Risikogebieten der USA, Gefängnisinsassen inklusive.
    Herr Minister, die nationale Eigenversorgung mit Plasma ist gefragt. Herr Seehofer, schaffen Sie als Gesundheitsminister die nationale Eigenversorgung mit Plasma! Das ist der entscheidende Punkt für die Sicherheit der Zukunft. Dazu brauchen wir aber kein Modell à la USA, wo Plasmazapfen ein Geschäft ist. Dafür brauchen wir erst recht keine Plasmapheresestationen im Bahnhofsmilieu der Großstädte.

    (Klaus Kirschner [SPD]: Sehr wahr!)

    Schade ist nur, daß sich das Deutsche Rote Kreuz nicht als natürlicher Partner anbietet. Die Reputation dieser Organisation hat im Blut-Aids-Skandal schweren Schaden genommen.

    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das ist richtig!)

    Zu sehr war sie selbst in den Skandal verwickelt, zu sehr war sie bemüht, Hersteller von Arzneimitteln aus Blut zu werden. Zu sehr setzte sie Profit vor Sicherheit. Zu sehr war sie Bremser und Verhinderer bei der Sicherheit von Blut und Plasma.
    Wir vertrauen in Zukunft auf die Solidarität der Menschen. Wenn der Staat dafür sorgt, daß kein Geschäft mehr mit Blut gemacht werden kann, werden die Menschen bereit sein, mit ihrer unentgeltlichen Spende ihren Beitrag zur Sicherheit zu leisten.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Die deutsche Industrie meint bis heute, man könne alles verarbeiten, es komme nur auf die Inaktivierung, also die Nachbearbeitung, an. Was dann passieren kann, zeigt der Fall bei Biotest. Durch die berühmtberüchtigte Charge 160 10 89 der Firma Biotest wurden 1990 mindestens 13 Menschen infiziert.

    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das ist unglaublich, aber wahr!)

    Das Unternehmen fand keine Erklärung für die Verseuchung seines Präparates. Man sprach von



    Horst Schmidbauer (Nürnberg)

    „möglicher Sabotage", weil „die Branche schmutzig" sei und nicht einmal auszuschließen sei, daß jemand „die Charge versaut" haben könnte, so der Pressesprecher.
    Die Wahrheit war viel banaler und zynischer zugleich. Das hat der Untersuchungsausschuß nachgewiesen. Ursache für diese vermeidbare Katastrophe waren zwei Beutel mit Plasma von US-Spendern, die auf Grund der diagnostischen Lücke erst nachträglich als HIV-infiziert entdeckt wurden.
    Zu diesem Zeitpunkt funktionierte das Warnsystem. Die Warnung kam sogar so frühzeitig, daß nicht einmal der ganze Pharmapool hätte vernichtet werden müssen. Lediglich zwei Beutel dieser Spenden hätte man aussortieren müssen. Das unterblieb. Die Firma verstieß gegen das Arzneimittelgesetz und verarbeitete die Spenden trotz der Warnung. Nach Aussage der Firma ist das Ignorieren solcher Lookback-Meldungen gängige Praxis in der Branche.
    Es ist allerhöchste Zeit, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. Es sind vertrauensbildende Maßnahmen gefragt. Es muß doch nicht noch mehr an Beweisen geliefert werden. Es muß doch nicht noch mehr in der Vergangenheit gebohrt werden. Mein Appell an Sie, an die Vertreter der Hersteller: Machen Sie mit uns einen Schlußstrich! Gehen Sie nach vorn, damit Vertrauen wiederhergestellt werden kann! Bekennen Sie sich zu den Fehlern der Vergangenheit! Treiben Sie nicht länger Ihre Politik auf dem Rücken der Opfer! Zeigen Sie Verantwortung, und beteiligen Sie sich am Entschädigungsfonds!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS)

    So wie die Hersteller ihre Opfer im Regen stehenlassen, so lassen die Versicherer ihre Kundschaft, die Pharmaindustrie, im Regen stehen. Die Versicherer bleiben auf einem prallen Geldsack sitzen, dem sogenannten Pharmapool. Das Arzneimittelgesetz hat versagt, denn mit der Schaffung des Pharmapools nach der Contergan-Katastrophe sollte verhindert werden, daß sich die rechtliche Situation und die schäbige Behandlung von Opfern nicht wiederholen. Deshalb wurde für die Abdeckung von Großrisiken der Pool gebildet.
    Es zeigt sich jetzt: Mit dem Pool wird nicht geholfen; mit dem Pool werden Geschäfte gemacht. Gesamtprämieneinnahmen: 644 Millionen DM. Gezahlt für HIV- Schadensfälle: insgesamt 52 Millionen DM aus dem Pool. Rücklagen aus zu 75 % steuerfrei gestellten Überschüssen: 400 Millionen DM. Zinsen allein aus dieser Rückstellung: jährlich 30 Millionen DM, so viel wie die jährlichen Prämien der Pharmaindustrie.
    Die Versicherer konnten das Mißbrauchsverfahren des Kartellamtes anhalten, und zwar mit der Begründung, diese Schatztruhe werde für die Entschädigung der HIV-Infizierten gebraucht. Gezahlt haben sie nicht. Sie konnten dem Bundeskanzler mitteilen, daß sie noch mit offenen Schadensersatzforderungen aus dem Blut-Aids-Skandal von mehreren hundert Millionen DM rechnen. Gezahlt haben sie nicht.
    Mein Appell an Sie, meine Damen und Herren von der Versicherungswirtschaft: Kommen Sie doch Ihren Verpflichtungen endlich nach! Stellen Sie dem Entschädigungsfonds die Hunderte von Millionen DM zur Verfügung, die Sie für eine solche Katastrophe zurückgelegt haben, und zwar sofort! Zeigen Sie, daß Sie die Steuervorteile nicht zu Unrecht erhalten haben!

    (Beifall im ganzen Hause)

    Gesunde Geschäfte gab es nicht nur für die Hersteller und Versicherer. Gesunde Geschäfte machten auch die Ärzte und Behandlungszentren, die die Bluter behandelten. Der Schlußbericht zeigt, wie die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den Herstellern und den Anwendern mit den Erfordernissen der Arzneimittelsicherheit kollidierten. Finanzielle Zuwendungen sorgten für eine indirekte Korrumpiertheit.
    Fast alle deutschen Behandlungseinrichtungen erhielten von den Herstellern Zuwendungen in Form von Rückvergütungen, Bonuszahlungen, Naturalrabatten und Sachzuwendungen oder sonstigen Vergütungen wie Drittmittel und Bezahlung von Stellen, Dienstreisen, Zuschüsse, Spenden usw. usf.
    Die lange praktizierte einheitliche Preisgestaltung des Anbieterkartells ging zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Kartellamt leitete ein Verfahren ein. Die seit Jahrhunderten bewährte Trennung zwischen Einkauf und ärztlicher Therapieentscheidung wurde durchbrochen durch den Direkteinkauf unter Umgehung der Apothekenpflicht.
    Das Geschäft wurde durch die einzigartige Hochdosierungstherapie, besonders in Bonn, zusätzlich angeheizt. Gesund machte die Therapie vor allem das Geschäft. Es bleibt unerklärlich, warum in Deutschland ein Bluter mit durchschnittlich 200 000 Einheiten im Jahr behandelt werden muß, während man in anderen Ländern mit einem Drittel davon auskommt.
    Mein Appell an die Ärzte, an die Behandlungszentren und an ihre Träger, die Bundesländer: Überwinden Sie Ihre Sprachlosigkeit! Stehen Sie zu Ihrer Verantwortung! Leisten auch Sie Ihren Beitrag zum Entschädigungsfonds!

    (Beifall im ganzen Hause)

    Und welche Rolle spielten die Gesundheitsbehörden? Die Rolle des Bundesgesundheitsamtes war schwer durchschaubar, für viele Ministerinnen und Minister überhaupt nicht. Auch Sie, Herr Minister Seehofer, brauchten ein ganzes Jahr, um durchzublikken. Es ehrt Sie aber, daß Sie dann nicht vor den notwendigen personellen Konsequenzen im Bundesgesundheitsamt und im Ministerium zurückgewichen sind.
    Das Risikomanagement des BGA hat auf der ganzen Linie versagt. Entscheidungen kamen zu spät oder fielen im Zweifel gegen Sicherheit und Patientenschutz. Auf Grund der schwerwiegenden Fehleinschätzungen und Versäumnisse sind die Gesundheitsbehörden neben den Herstellern und den Anwendern mitverantwortlich für die Katastrophe.



    Horst Schmidbauer (Nürnberg)

    Auf Grund der schweren Amtspflichtverletzungen sind die Voraussetzungen für die Staatshaftung gegeben. Sie, Herr Minister, haben die Feststellungen des Ausschusses und die Staatshaftung akzeptiert. Dafür gebühren Ihnen Respekt und Anerkennung.

    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

    Mein Appell an Sie, Herr Seehofer: Sorgen Sie mit uns dafür, daß wir im Bundeshaushalt 1995 die Bundesmittel für den Entschädigungsfonds einstellen!
    Fast wöchentlich werden weitere Opfer des Skandals entdeckt: Vor kurzem war es ein junger Mann, der 1984 nach einem schweren Verkehrsunfall mit Transfusionen und PPSB behandelt wurde. 1987 hat er seine jetzige Frau kennengelernt und geheiratet. Das gemeinsame Kind ist heute zwei Jahre alt. Man stellte erst 1994 nicht nur fest, daß PPSB die Infektionsursache war, sondern auch, daß Frau und Kind inzwischen ebenfalls infiziert sind. Der Komplex PPSB wurde so zum Skandal im Skandal.
    Patienten mit Blutungen nach Marcumarbehandlungen, Unfallverletzte auf Intensivstationen, junge Mütter mit Blutungen während der Geburt — sie alle bekamen in diesem kritischen Zeitfenster das Gerinnungspräparat PPSB, das ebenso verseucht war wie die Präparate für die Bluter.
    Das besonders Tragische daran: Viele von ihnen sind infiziert und wissen es bis heute noch nicht. In ihrer Unwissenheit übertragen sie weiter das Virus auf ihre Partner oder Kinder.
    Woher sollten es die Menschen denn auch wissen? Von den Ärzten sind sie nicht informiert worden, und der Einsatz von PPSB ist in den Krankenakten nicht oder nur sehr ungenügend dokumentiert worden. Es gibt bis heute keine verläßlichen Zahlen über den Verbrauch von PPSB, weil sich die Pharmaindustrie weigert, und deshalb auch keine verläßliche Zahl über die Dimension der Opfer.
    Auch Sie, Herr Minister, haben außer einem wirkungslosen Appell an Kliniken und Ärzte bislang nichts aktiv zur Aufhellung dieser Grauzone beitragen können.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was soll dieser dümmliche Vorwurf?)

    Jede Woche neue Betroffene!
    Mein letzter Appell an Sie, Herr Minister — und nun hoffentlich wirklich zum allerletzten Mal —: Öffnen Sie für die Menschen, die PPSB-Opfer sind, die Soforthilfe! Es gibt keinen Grund für die willkürlich gesetzte Ausschlußfrist 30. Oktober 1993.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Es gibt keine Gründe, weder fachliche noch finanzielle, z. B. diesen jungen Mann und seine Familie aus dieser Soforthilfe auszuschließen.
    Meine Damen und Herren, die Opfer müssen endlich Genugtuung erfahren, materiell und ideell. Fast 700 Bluter sind schon tot; 80 von ihnen sind allein im vergangenen Jahr gestorben; jede Woche stirbt ein weiteres Opfer.
    Wenn die Hilfe die Menschen überhaupt noch erreichen soll, muß die Entschädigungsregelung jetzt kommen, in den nächsten Monaten. Wir dürfen nicht länger warten. Die betroffenen Menschen können nicht länger warten. Wir machen uns sonst mitschuldig, wenn wir jetzt nicht endlich konsequent handeln.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)