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    Plenarprotokoll 13/13 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 13. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. Januar 1995 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 773 A Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung des Antrags der PDS: Krieg in Tschetschenien (Drucksache 13/172) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Lage in Tschetschenien (Drucksache 13/228) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Beendigung des Krieges in Tschetschenien (Drucksache 13/239) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Lage in Tschetschenien (Drucksache 13/263) Andrea Lederer PDS (Erklärung nach § 31 GO) 773B Ulrich Irmer F D P. 773 D Tagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Zweite Beschlußempfehlung und Schlußbericht des 3. Untersuchungsausschusses der 12. Wahlperiode (Drucksache 13/229) Gerhard Scheu CDU/CSU 774 B Anni Brandt-Elsweier SPD 777 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 778 C Dr. Dieter Thomae F.D.P. 780B Dr. Ruth Fuchs PDS 781 D Wolfgang Friedrich Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 782 D Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD 784 C Horst Seehofer, Bundesminister BMG 787 C Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Schlußberichts der Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre" zum Thema: Mehr Zukunft für die Erde — Nachhaltige Energiepolitik für dauerhaften Klimaschutz (Drucksache 12/8600) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Klimaschutz — Erste Vertragsstaatenkonferenz zur Klimarahmenkonvention vom 28. März bis 7. April 1995 sowie Umsetzung des nationalen CO2-Minderungsprogramms (Drucksache 13/232) Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 791 C Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 793 B Monika Ganseforth SPD 794 C Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 797 B Birgit Homburger F.D.P. 799 D II Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1995 Rolf Köhne PDS 803 A Dr. Peter Paziorek CDU/CSU 804 D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 805 D, 806 B Horst Kubatschka SPD 806 D Dr. Liesel Hartenstein SPD 807 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU 809 C Dr. Winfried Wolf PDS 810 C, 816 B Dr. Ursula Eid-Simon BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 811 A Brigitte Adler SPD 812 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU 813 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD 813 D Dr. Liesel Hartenstein SPD 815 B Horst Kubatschka SPD 817 A Dr. Norbert Lammert, Parl. Staatssekretär BMWi 818 D Nächste Sitzung 820 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 821* A Anlage 2 Anzahl der 1994 in Deutschland tätigen Saisonarbeitskräfte; Gewinnung deutscher Arbeitsloser für derartige Tätigkeiten MdlAnfr 53, 54 — Drs 13/213 — Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU SchrAntw PStSekr Horst Günther BMA 821* C Anlage 3 Stand der Verhandlungen über ein Sozialversicherungsabkommen mit der Tschechischen Republik MdlAnfr 55 — Drs 13/213 — Simon Wittmann (Tännesberg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Horst Günther BMA 822* A Anlage 4 Verhandlungen über ein Sozialversicherungsabkommen mit der Tschechischen Republik MdlAnfr 56 — Drs 13/213 — Ludwig Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Horst Günther BMA 822* B Anlage 5 Amtliche Mitteilungen 822* C Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1995 773 13. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. Januar 1995 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Austermann, Dietrich CDU/CSU 20. 01. 95 Barthel, Klaus SPD 20. 01. 95 Beucher, Friedhelm SPD 20. 01. 95 Julius Borchert, Jochen CDU/CSU 20. 01. 95 Braun (Auerbach), Rudolf CDU/CSU 20. 01. 95 Braune, Tilo SPD 20. 01. 95 Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 20. 01. 95 Großmann, Achim SPD 20. 01. 95 Haack (Extertal), SPD 20. 01. 95 Karl-Hermann Häfner, Gerald BÜNDNIS 20. 01. 95 90/DIE GRÜNEN Hartenbach, Alfred SPD 20. 01. 95 Dr. Hauchler, Ingomar SPD 20. 01. 95 Dr. Hendricks, Barbara SPD 20. 01. 95 Heym, Stefan PDS 20. 01. 95 Hilsberg, Stephan SPD 20. 01. 95 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 20. 01. 95 Dr. Jacob, Willibald PDS 20. 01. 95 Kanther, Manfred CDU/CSU 20. 01. 95 Knoche, Monika BÜNDNIS 20. 01. 95 90/DIE GRÜNEN Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 20. 01. 95 Angelika 90/DIE GRÜNEN Kraus, Rudolf CDU/CSU 20. 01. 95 Lehn, Waltraud SPD 20. 01. 95 Dr. Leonhard, Elke SPD 20. 01. 95 Dr. Maleuda, Günther PDS 20. 01. 95 Johannes Matthäus-Maier, Ingrid SPD 20. 01. 95 Odendahl, Doris SPD 20. 01. 95 Ostertag, Adolf SPD 20. 01. 95 Dr. Pfaff, Martin SPD 20. 01. 95 Dr. Scheer, Hermann SPD 20. 01. 95 Schindler, Norbert CDU/CSU 20. 01. 95 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 20. 01. 95 90/DIE GRÜNEN Schmidt-Zadel, Regina SPD 20. 01. 95 Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 20. 01. 95 90/DIE GRÜNEN Schumann, Ilse SPD 20. 01. 95 Seibel, Wilfried CDU/CSU 20. 01. 95 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 20. 01. 95 Vergin, Siegfried SPD 20. 01. 95 Wallow, Hans SPD 20. 01. 95 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 20. 01. 95 Gert Welt, Jochen SPD 20. 01. 95 Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Horst Günther auf die Fragen des Abgeordneten Hans-Joachim Fuchtel (CDU/ CSU) (Drucksache 13/213 Fragen 53 und 54): Wie viele Saisonarbeitskräfte in welchen Bereichen waren 1994 in Deutschland tätig? Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung, wie angesichts der Arbeitslosigkeit für diese Tätigkeit im Lande lebende Arbeitslose gewonnen werden können? Über die Zahl der als Saisonarbeitskräfte in Deutschland Beschäftigten liegen keine Angaben vor. Bei der Erfassung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten werden Saisonarbeitnehmer nicht gesondert ausgewiesen. Ein Merkmal „saisonabhängige Beschäftigung" in der Statistik ließe sich auch nicht hinreichend scharf von anderen befristeten Beschäftigungsverhältnissen trennen. Wenig aussagefähig für die Beantwortung Ihrer Frage wären auch Gesamtzahlen über die Beschäftigten in Wirtschaftszweigen mit typischen jahreszeitlichen Aktivitätsschwankungen. In der Regel handelt es sich auch hier - wie etwa im Falle der Landwirtschaft oder des Hotel- und Gaststättengewerbes - um Bereiche, in denen es neben saisonabhängiger Beschäftigung auch kontinuierlich Arbeitende gibt. Schließlich sind Beschäftigungen versicherungsfrei, wenn sie nach ihrer Eigenart auf längstens zwei Monate begrenzt sind, was für eine Vielzahl von Saisonbeschäftigungen typisch ist. Ihre zweite Frage beantworte ich wie folgt: In Abstimmung mit dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat die Bundesanstalt für Arbeit im Zusammenhang mit der gesetzlich notwendigen Arbeitsmarktprüfung vor Zulassung osteuropäischer Saisonarbeitnehmer nach § 1 Abs. 3 Arbeitserlaubnisverordnung den Arbeitsämtern mit Erlaß vom 17. Mai 1993 eine Reihe von Hinweisen und Anregeungen zur stärkeren Gewinnung inländischer Arbeitsuchender, - auch durch berufsübergreifende und überregionale Bewerbergewinnung - gegeben. Nach Erfahrungsberichten der Arbeitsämter haben die entsprechenden Aktivitäten zu einer erweiterten Inanspruchnahme der Arbeitsvermittlung und auch - mit Einschränkungen für den Bereich der Landwirtschaft - zu beachtenswerten Vermittlungserfolgen inländischer Arbeitsuchender geführt. Um die Vermittlung in niedriger entlohnte Beschäftigungen einschließlich der saisonalen Beschäftigungen weiter zu verstärken, beabsichtigt die Bundesregierung, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Arbeitslosenhilfe gezielt und zeitlich befristet in pauschalierter Form für die Zeit der Beschäftigung weiter gewährt werden kann. 822* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1995 Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Horst Günther auf die Frage des Abgeordneten Simon Wittmann (Tännesberg) (CDU/CSU) (Drucksache 13/213 Frage 55): Wie weit sind die Verhandlungen um ein Sozialversicherungsabkommen mit der Tschechischen Republik, und worin liegen die Schwierigkeiten für ein solches Abkommen? Die mit der ehemaligen Tschechoslowakei im Jahre 1991 begonnenen Gespräche im Bereich der sozialen Sicherheit konnten zunächst wegen des Trennungsprozesses der ehemaligen Tschechoslowakei weder mit dieser noch mit der Tschechischen Republik weitergeführt werden. Erst im Juli des vergangenen Jahres konnte eine erste Runde der Sachverständigengespräche über ein Abkommen über soziale Sicherheit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik durchgeführt werden. Die Bundesregierung ist wegen der intensiven nachbarlichen Beziehungen am Abschluß eines umfassenden Sozialversicherungsabkommens interessiert, um den sozialen Schutz der Arbeitnehmer und Versicherten bei Aufenthalt im anderen Staat sicherzustellen. Ein weiterer Gesprächstermin ist für Mai diesen Jahres in Aussicht genommen. Da im Rahmen eines Abkommens über soziale Sicherheit u. a. die beiderseitigen Sozialversicherungssysteme koordiniert werden, wird die Verhandlungsdauer entscheidend durch den Fortgang der Umstrukturierungen im Bereich der sozialen Sicherheit in der Tschechischen Republik beeinflußt. Weiterhin ist von Bedeutung, ob und in welcher Weise die mit der Einbeziehung der Krankenversicherung verbundenen Fragen zufriedenstellend geregelt werden können. In diesem Zusammenhang spielt insbesondere die Erstattung der Kosten für die medizinische Betreuung der sich im anderen Vertragsstaat vorübergehend aufhaltenden Versicherten eine Rolle. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Horst Günther auf die Frage des Abgeordneten Ludwig Stiegler (SPD) (Drucksache 13/213 Frage 56): Wie ist der Stand der Verhandlungen zum Abschluß eines bilateralen Sozialversicherungsabkommens mit der Tschechischen Republik, und bis wann kann mit ersten konkreten Ergebnissen gerechnet werden, nachdem die Bundesregierung am 2. März 1994 mitgeteilt hat, daß ein Gesprächstermin vereinbart werden würde? Mit der Tschechischen Republik wurde im Juli letzten Jahres eine erste Sachverständigenrunde über den Abschluß eines Abkommens über soziale Sicherheit geführt. Dabei konnte grundsätzliches Einvernehmen erzielt werden, daß ein solches Abkommen die Bereiche der Renten-, Unfall- und möglichst auch der Krankenversicherung erfassen soll. Die Sachverständigengespräche werden Ende Januar in Prag fortgesetzt. Ein weiterer Gesprächstermin ist für Mai dieses Jahres in Aussicht genommen. Die Bundesregierung ist wegen der engen nachbarschaftlichen Beziehungen zur Tschechischen Republik daran interessiert, möglichst bald zu einem Abschluß eines Sozialversicherungsabkommens zu gelangen. Wegen der Komplexität der zu behandelnden Fragen wird mit einer Verhandlungsdauer von etwa zwei Jahren zu rechnen sein. Anlage 5 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 678. Sitzung am 16. Dezember 1994 beschlossen, der Bundesregierung wegen der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 1992 (Jahresrechnung 1992) aufgrund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes Entlastung gemäß Artikel 114 des Grundgesetzes und § 114 der Bundeshaushaltsordnung zu erteilen. Der Bundesrat hat mit Schreiben vom 10. Januar 1995 mitgeteilt, daß er zum Ausführungsgesetz zu dem Übereinkommen vom 13. Januar 1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (Ausführungsgesetz zum Chemiewaffenübereinkommen — CWÜAG) (Bundesratsdrucksache 649/94) (Neu) folgenden Beschluß gefaßt hat: Der Bundesrat hat in seiner 672. Sitzung am 8. Juli 1994 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 26. Mai 1994 verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 84 Abs. 1 des Grundgesetzes zuzustimmen. (Siehe dazu Amtliche Mitteilung im Stenographischen Bericht der 242. Sitzung vom 7. September 1994, Seite 21537, Anlage 3 Nr. 8). Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 12/210 Nrn. 26 bis 28 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/4947 Nr. 3.5 Drucksache 12/4833 Nr. 2.2 Ausschuß far wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 12/8537 Nr. 78
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    Rede von Gerhard Scheu


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jeder ist im Laufe seines Lebens Verbraucher von Arzneimitteln. Leben und Gesundheit der einzelnen und des Volkes hängen davon ab.
    Was erwarten die Verbraucher, was erwarten Sie und Ihre Familien von einem Arzneimittel? Sie erwarten und dürfen erwarten, daß alle an seiner Entwicklung, Erforschung, Herstellung, Prüfung, Überwachung und Verordnung Beteiligten — Produzenten, Ärzte, Apotheker, staatliche Arzneimittelbehörden, Wissenschaftler — die ihnen mögliche, die größtmögliche Sorgfalt walten lassen, um nur unbedenkliche Arzneimittel in den Verkehr zu bringen.
    Unbedenklichkeit ist der Schlüsselbegriff des Arzneimittelgesetzes 1976. Bedenkliche Arzneimittel, die nicht dem jeweils neuesten Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen, sind nicht akzeptabel. Sie unterliegen einem gesetzlichen Verkehrsverbot. Dieses strafbewehrte Verbot richtet sich an alle, die es angeht, in erster Linie an die Produzenten und die therapierenden Ärzte, in subsidiärer Weise auch an die staatliche Kontrolle.
    Unbedenklichkeit heißt: Der Patient soll das Mittel ohne Bedenken wegen nicht vertretbarer Risiken akzeptieren können. Auf Dauer ist das nur möglich bei Vertrauen. Absolute Sicherheit kann es zwar nicht geben, aber bei fast keinem anderen Produkt sind wir auf Vertrauen in die Verläßlichkeit der Leistungen des Fachmannes so angewiesen wie beim Arzneimittel.
    Die historisch beispiellosen Leistungen der Medizin und der pharmazeutischen Wissenschaft und Industrie wären nicht an den Mann zu bringen, wenn sie nicht überwiegend vertrauensvoll angenommen würden. Dieser besonderen Verantwortung für die Allgemeinheit sind sich Ärzte und pharmazeutische Industrie bewußt. Arztethik und Pharmaethik, die vielfältigen Kodizes und Selbstverpflichtungen der pharmazeutischen Industrie dürfen nicht nur papierenes Regelwerk sein, sie müssen gelebt und praktiziert werden. Das Wohl der Patienten hat unbedingten Vorrang. Im Zweifel haben dahinter alle übrigen Erwägungen zurückzutreten. Freiheit und Verantwortung, höchstmögliche Sorgfalt und Vertrauen bedingen einander.
    Der Fall Contergan war ein Fall zutiefst gestörten Vertrauens. Das Erschrecken darüber bewirkte das Gelöbnis: Contergan darf sich nicht wiederholen. Nicht erst der wissenschaftlich definitiv gesicherte Beweis einer Gefahr, bereits der begründete Verdacht ist hinreichend und verpflichtet zur gefahrabwendenden Reaktion.
    Eine Ungewißheit, die noch nicht wissenschaftlich aufgeklärt ist, die aber nicht von der Hand zu weisen ist, bewirkt im Zweifel ein nicht mehr vertretbares Risiko. Ansonsten verstummten die letzten Zweifel erst, wenn Friedhofsruhe eingekehrt ist.
    Der Contergan-Beschluß des Landgerichts Aachen vom 18. Dezember 1970 hat die Maßstäbe gesetzt, wie sich ein ordentlicher und gewissenhafter Arzneimittelhersteller, das Arzneimittelgesetz 1976 hat bestimmt, wie sich die staatliche präventive Kontrolle zu bemühen hat. Der Beschluß ist auch heute noch Pflichtlektüre. Der Preis des jeweils erst wieder Erlernens ist der Tod.
    Mit dem Arzneimittelgesetz 1976 wollte der Gesetzgeber zugleich die Rechtsstellung der trotz aller höchstmöglichen Sorgfalt dennoch durch Arzneimittel Geschädigten verbessern. Die Beweisnot der Patienten im Arzt- und Arzneimittelhaftungsprozeß ist gerichtsnotorisch. Wer ernsthaft irreversibel an seiner Gesundheit geschädigt ist, befindet sich in struktureller Unterlegenheit. Die Verarbeitung des Schicksalsschlags verzehrt die Energien, die für Prozesse durch alle Instanzen mit der bekannten Sachverständigenproblematik erforderlich wären.
    Deshalb wollte das AMG 1976 mit individueller Gefährdungshaftung und versicherungsrechtlicher Lösung den Geschädigten nicht auf Kulanz verweisen, sondern ihm gesicherte Rechtspositionen gewährleisten. Strittig war die versicherungsrechtliche Lösung von Anfang an. Die Regierungskoalition wollte ursprünglich ein anderes Modell. Die damalige Minderheit wandte ein — ich zitiere —, ihr Modell würde „eher zu einer schnellen und großzügigen Ersatzleistung" führen, als dies durch „die Versicherungswirtschaft, die bei größeren Schäden eine spür-



    Gerhard Scheu
    bare Verminderung ihrer Gewinnspanne zu befürchten habe", möglich sei. So steht es in Drucksache 7/5091, S. 11.
    Hohe Prämieneinnahmen, hohe steuerfreie Rückstellungen und hohe Zinserträge in zig Millionen Höhe per anno, ohne daß dem seit nunmehr 17 Jahren nennenswerte Entschädigungsleistungen gegenüberstehen, das wollte aber auch die Gesetzgebungsmehrheit gewißlich nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Contergan sollte sich nicht wiederholen, aber es hat sich wiederholt. Fast 1 400 Bluterkranke wurden durch Arzneimittel, durch die Blutprodukte Faktor VIII und Faktor IX, mit dem Erreger von Aids todbringend infiziert, Ehefrauen und Kinder angesteckt, und eine noch nicht bekannte Zahl in gleicher, wenn nicht höherer Größenordnung von Krankenhauspatienten erhielten das Virus per Bluttransfusion oder per Faktor-IX-PPSB vermittelt.
    Jeder dieser Fälle ist vor dem Angesicht der infausten Prognose eine Tragödie für Familien und Angehörige. Es hätte jeden, auch Ihre Frau bei der Geburt von Tochter und Sohn, treffen können. Vielleicht hätte man auch Ihnen ohne Anerkennung irgendeiner Rechtspflicht gegen Abfindungsverzicht angeboten, mit im Durchschnitt 60 000 DM einschließlich Beerdigungskosten sei die Sache „großzügig" bereinigt.
    Es hat, meine Damen und Herren, im Laufe unserer Untersuchungen Augenblicke gegeben, die Beherrschung erforderten. „Das Unrecht, das einem einzelnen widerfährt, ist eine Bedrohung für alle. " Es war der Franzose Charles de Montesquieu, der das gesagt hat, und es war François Mitterrand, der Präsident der Französischen Republik, der für den Bluterskandal um ein „Pardon der Nation" gebeten hat.
    Meine Damen und Herren, auch in Deutschland ist Unrecht geschehen — Unrecht, gemessen an den objektiven Maßstäben der zivil- und amtshaftungsrechtlich gebotenen höchstmöglichen Sorgfalt und am Prinzip: im Zweifel für die Sicherheit.
    War die Gefahr — und ab wann — erkennbar, war sie — und ab wann mit welchen Mitteln — vermeidbar? Diese Fragestellung hat die Arbeit des 3. Untersuchungsausschusses bestimmt. Unser einmütiges Ergebnis: Rund 60 v. H. der Fälle waren vermeidbar, die anderen liegen außerhalb des Zeitraumes, für den auch bei Anlegung strengster Maßstäbe Verschulden postuliert werden kann.
    In dieser zeitlichen Schranke liegt zugleich die gesamte haftungsschadensrechtliche Problematik: Die Hämophilie-A-Geschädigten können kaum nachweisen — was sie nach derzeitigem Haftungsrecht aber müßten —, daß sie nicht schon vorher infiziert waren. Nur Hämophilie-B- und Krankenhauspatienten, die das andere Mittel, PPSB, erhielten, sowie die sekundär infizierten Ehepartnerinnen wären prozessual in einer etwas günstigeren Situation. Allerdings hätten auch sie, weil oft nicht hinreichend von Ärzten dokumentiert worden ist, Schwierigkeiten, den schädigenden Hersteller zu benennen.
    Was zu welchem Zeitpunkt erkennbar war, haben wir nicht aus der Überlegenheit des heutigen Wissensstandes, sondern aus einer ungewöhnlich gründlichen Analyse des Wissens der Zeit geschöpft. Wir haben Hunderte von Publikationen ausgewertet, interne Dokumente eingesehen und die Manuskripte von Referaten auf wissenschaftlichen Kongressen nachgelesen, worunter ich z. B. nur erwähne: Cold Spring Harbor, Meeting on Human T-Cell Leukemia/Lymphonia Viruses am 15. September 1983 oder New York Academy of Science, Conference on Acquired Immune Deficiency Syndrom im November 1983.
    Den Schlußpunkt setzten wir mit — in dieser Form erst- und einmalig — einer Einvernahme renommierter Wissenschaftler vom Fach als sachverständiger Zeugen: Dr. Don Francis, USA, seinerzeit bei der CDC, Professor Dr. Abraham Karpas, Universität Cambridge, Professor Dr. Jean-Claude Chermann, seinerzeit beim Institut Pasteur, Frau Professor Dr. Helga Rübsamen-Waigmann, Deutschland, sowie dann des Attorney of Law Charles R. Kozak, USA, als eines ungewöhnlich informierten Rechtsanwalts als Zeugen.
    Ich bin für die Auswahl der Experten von interessierter Seite kritisiert worden. Das Prinzip aber war einfach und richtig: aus jedem der Länder den Fachmann, der zu den ersten gehörte oder der der erste war, der das Problem richtig analysiert hat und der dem Sinn der Wissenschaftsfreiheit, also der umfassenden Ermöglichung von Erkenntnis, für sich dadurch Rechnung trägt, daß er zwischen der Ungebundenheit der Erkenntnis und dem Erkenntnisziel der Wahrheit einen untrennbaren Zusammenhang herstellt. Experten, die morgen erklären können, warum heute nicht eintraf, was sie gestern voraussagten, hätten der Wahrheitsfindung schwerlich gedient.
    Das Ergebnis und unsere Schlußfolgerungen zur Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit der mit Blutprodukten assoziierten Aidsgefahren haben wir lange diskutiert und schließlich einstimmig festgestellt. Im einzelnen bitte ich dies dem Bericht zu entnehmen, wobei ich die Entkräftung z. B. der sogenannten Antigenüberladungsthese oder der These des massenhaften Blutertodes als Folge nicht ausreichend verfügbarer inaktivierbarer Produkte besonders erwähnen möchte.
    Ebenso einmütig waren unsere Feststellungen zum Zurückbleiben der staatlichen Aufsicht — im übrigen aller Ebenen — hinter den Anforderungen. Auch wenn das vormalige Bundesgesundheitsamt nur subsidiär und in zweiter Linie verantwortlich ist — ab bestimmten Zeitpunkten waren seine Entscheidungen oder Nichtentscheidungen in einer Weise unvertretbar, die amtshaftungsrechtliche Verantwortlichkeiten begründen muß.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die mit importierten Blutprodukten oder Plasmen assoziierten lebensbedrohlichen Hepatitisgefahren waren z. B. lange erkannt und hätten nicht mehr toleriert werden dürfen, sobald Techniken zu ihrer Vermeidung möglich waren. Der Einwand, der deutsche Hersteller Behring allein hätte den deutschen Bedarf nicht decken können, ist rechtlich unerheblich.



    Gerhard Scheu
    Wenn nicht mit eigenentwickelter Technik dazu in der Lage, so hätten die anderen Unternehmen eben Lizenzen nehmen müssen, anstatt weiter vermeidbar viruskontaminierte Produkte in den Verkehr zu bringen.
    Ein Herstellervertreter hat mir gesagt, an Lizenzerwerb habe man nicht gedacht. Meine Antwort: Würden Sie den Hersteller Ihres Privatkraftwagens für exkulpiert halten, der Ihnen mitteilt, er sei technisch leider noch nicht so weit wie sein Konkurrent, der sich seine Erfindung habe patentrechtlich schützen lassen, und er bitte um Verständnis, daß bis auf weiteres in fünf bis zehn von hundert Fällen seine Bremstechnik noch versagen könne? „Das Problem sei bekannt, man arbeite aber daran und sei zuversichtlich, es alsbald in den Griff zu bekommen. " —

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Unglaublich!)

    Von Rechts wegen müßte der TÜV die Zulassung widerrufen. Für Arzneimittel gilt, wenn der Stand der Technik fortschreitet, nichts anderes.
    Meine Damen und Herren, der Preis des Lernens ist der Tod. Contergan und Bluter-Aids zwingen den Arzneimittelgesetzgeber, diesmal und nunmehr wirklich Konsequenzen zu ziehen. Wir brauchen ein verbessertes und greifendes Drug monitoring. Ein Arzneimittelgesetz, das der Bundesoberbehörde nicht einmal den Rechtsanspruch auf Einsicht in Krankenunterlagen zur Beobachtung und Verfolgung von Nebenwirkungen gibt, was sich beim nachgerade berüchtigten ersten deutschen Bluterfall verhängnisvoll ausgewirkt hat, kann schwerlich greifen. Das Meldeverhalten der Ärzte und Krankenanstalten ist zu oft mangelhaft bis ungenügend, obwohl berufsrechtliche Verpflichtungen bestehen. Das Wissen darum, was geschieht, ist aber die erste Voraussetzung für Erkenntnisgewinn und konsequentes Handeln.
    Das Haftungsrecht und die Beweislastverteilungen bedürfen der Korrektur. Bei Massenschäden mit langen Entwicklungszeiten versagen die traditionellen Regeln des zivilen Deliktrechts, wie sie z. B. in § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB festgelegt sind. Dieses Gesetz geht davon aus, daß ein Geschädigter mehreren möglichen Schädigern gegenübersteht. Bei Massenschäden finden Sie jedoch sowohl auf der Schädigerseite als auch auf der Geschädigtenseite mehrere Personen. Daraus resultiert, daß entgegen dem Leitbild des Gesetzes nicht jeder der möglichen Täter den Gesamtschaden aller Geschädigten verursacht haben kann. Eine Klageabweisung nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip aber wäre eine ungerechte Privilegierung der Hersteller, deren Schadensverursachung auf jeden Fall feststeht. Die Lösung dieser Gruppenschäden könnte darin bestehen, daß man die Geschädigten und die Schädiger zu einer Gruppe zusammenfaßt, also in modifizierter Form insoweit Überlegungen des Jahres 1976 wieder aufgreift.
    In großem zeitlichen Abstand sich ereignende Schadensfälle allerdings erschweren die Gruppenbildung. Für sie müßte man die Verursachungswahrscheinlichkeit als Haftungsgrund ausreichen lassen.
    Nicht einfach ist die Frage eines Schmerzensgeldes. Hierfür muß grundsätzlich zurechenbares Verschulden vorausgesetzt bleiben. Aber ebenso zwingend erscheint mir, für schwerste und irreversible Arzneimittelschäden einen materiellen Opferausgleich sui generis anzuerkennen.
    Meine Damen und Herren, wir können das Gesetz novellieren und Behörden umgestalten. Der Erfolg hängt letztlich aber nicht weniger davon ab, daß an der Spitze der Ämter Persönlichkeiten mit Charakterstärke und gesundem Menschenverstand stehen müssen. Unser Vertrauen in die Institution ist über-, unser Setzen auf die Kraft der Persönlichkeit scheint mir unterentwickelt.
    Das Arzneimittelgesetz von 1976 hat seine erste wirkliche Bewährungsprobe hinsichtlich eines gegenüber der Contergan-Katastrophe verbesserten Patientenschutzes wohl doch nicht bestanden. Für die durch Blut und Blutprodukte infizierten Hämophilie- und Krankenhauspatienten muß daher erneut eine sozialstaatliche Ausgleichsregelung unter Beteiligung der Versicherungswirtschaft, des Bundes und der Länder geschaffen werden.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und der PDS)

    Die Mittel dafür sind auch bei der Versicherungswirtschaft vorhanden. Eine Regelung auch unter ihrer Inanspruchnahme ist weniger eine Frage rechtstechnischer Details und rechtsdogmatischer Gesichtspunkte.
    Ich bin überzeugt, daß die Richter des Bundesverfassungsgerichts die sozialstaatliche Kompetenz und Pflicht des Bundesgesetzgebers nicht bestreiten würden, die Geschädigten und ihre Familien nicht rechtlos gestellt zu lassen und wenigstens einen der Erwähnung werten sozialen Ausgleich zu gewährleisten. Entscheidend ist, ob und daß der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung den Willen haben, das Gesetz der Gerechtigkeit dienen zu lassen.
    Unsere Entscheidung als Abgeordnete wird das Gemeinwesen sicher nicht aufwühlen. Die aidsinfizierten Patienten sind keine Gruppe, die zu republikerschütterndem Protest in der Lage wäre. Viele versterben Woche für Woche, ohne daß sie ein Wort des offiziellen Bedauerns vernommen hätten.
    Aber der Wille und die Entschlossenheit des Deutschen Bundestages, für die von dieser Tragödie betroffene hilflose Gruppe von Mitbürgern mitten unter uns einen angemessenen Opferausgleich zu schaffen, entscheidet doch auch über das Gesicht unseres Gemeinwesens und darüber, ob wir zu wirklichem Mitleiden fähig sind.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Ich appelliere an uns, meine Damen und Herren Abgeordnete: Lassen wir durch das zu schaffende Gesetz unsere Herzen sprechen. Sie sagen uns, was richtig ist. Das Herz trifft die Entscheidung, das Gehirn liefert die Argumente.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall im ganzen Hause)






Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächste spricht die Kollegin Anni Brandt-Elsweier.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Anni Brandt-Elsweier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt der 672 Seiten umfassende Schlußbericht des 3. Untersuchungsausschusses der 12. Legislaturperiode vor. Nach etwa einem Jahr intensiver Tätigkeit und umfangreicher Ermittlungen kommt er zu Feststellungen, die zu der Aussage berechtigen, daß bezüglich der HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte von der zweiten Arzneimittelkatastrophe seit Contergan zu sprechen ist. Es ist unsere Verpflichtung, aus dieser Feststellung die notwendigen gesetzgeberischen Konsequenzen zu ziehen.
    Meine Redezeit ist zu kurz, um den Bericht in allen Einzelheiten darzustellen. Seine Lektüre kann ich Ihnen daher nicht ersparen.
    Ich nehme diese Gelegenheit wahr, um zunächst einmal Dank zu sagen. Zu danken ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariats und aller Fraktionen, die in unermüdlichem Einsatz, oft bis an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit gehend, die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses vorbereitet, organisiert und unterstützt haben.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Ohne sie hätten wir das Arbeitsergebnis in der kurzen Zeit nicht vorlegen können.
    Mein Dank gilt auch den Kollegen aller Fraktionen, die unsere mühevolle und sehr langwierige Untersuchungsarbeit — es gab Zeugenbefragungen bis zu 18 Stunden am Tag — in einer harmonischen Atmosphäre in stets sachlicher und fairer Auseinandersetzung durchgeführt haben. Auf diese Art und Weise konnten fast stets einhellige Entscheidungen getroffen werden. Für mich war das eine neue, gute und wertvolle Erfahrung, zeigt sie doch, wie befriedigend politische Tätigkeit sein kann.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der F.D.P.)

    Dabei hat sicher auch eine Rolle gespielt, daß das sehr sensible Thema des Untersuchungsauftrages nicht geeignet war, im Wahlkampf ausgeschlachtet zu werden.
    Besonderer Dank gilt dem Vorsitzenden, Herrn Kollegen Scheu.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der F.D.P. und der PDS)

    Oft habe ich ihn wegen des großen Fachwissens und seines nie endenden Engagements im Interesse der Opfer bewundert, nie beneidet. Die verantwortungsvolle Aufgabe, in der uns zur Verfügung stehenden Zeit fundierte Feststellungen zu treffen und brauchbare Ergebnisse zu erzielen, war keineswegs immer leicht. Steine wurden uns dabei besonders von den pharmazeutischen Herstellern in den Weg gelegt, die geforderte Auskünfte verweigerten und angeforderte Unterlagen nicht vorgelegt haben.
    Das Schicksal der Opfer dieser Katastrophe, die ohne Vorwarnung über diese Menschen hereinbrach, deren großes Leid uns in mehreren Stunden der
    Anhörung offengelegt wurde, hat uns selbst tief erschüttert. Als Außenstehende kann man nur schwer nachvollziehen, welches unendliche Leid die Empfänger von HIV-infizierten Blutprodukten und ihre Familien ertragen mußten und noch zu ertragen haben.
    Über 600 der HIV-infizierten Hämophilen in Deutschland sind bereits gestorben. Allein im vergangenen Jahr waren es über 80 Tote. Leider werden es auch in Zukunft nicht weniger sein, die an den Folgen der HIV-Infektion sterben.
    Das ist eine der entsetzlichen Tatsachen, denen wir uns stellen müssen. Mit Bestürzung denke ich jedoch auch an den Augenblick, als wir feststellen mußten, daß bei rechtzeitigem und verantwortungsvollem Handeln aller Beteiligten vieles hätte verhindert werden können. Der überwiegende Teil aller HIV-Infektionen durch kontaminierte Gerinnungspräparate hätte vermieden werden können. Es gab Menschen, die frühzeitig ihre warnende Stimme erhoben haben. Ich denke an Journalisten wie z. B. Herbert Stelz, Irene Meichsner oder Egmont Koch oder an engagierte Medizinerinnen wie Frau Prof. L'age-Stehr oder Frau Prof. Helm, deren Warnungen nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Auch ihnen ist für ihren Einsatz in dieser Sache zu danken.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Nach den nun vorliegenden Feststellungen führt kein Weg daran vorbei, daß sich Staat, Pharmaindustrie, Blutspendedienste und Ärzte zu ihrer Mitverantwortung am Schicksal vieler durch Blut und Blutprodukte HIV-Infizierter eindeutig bekennen. Es ist daher anzuerkennen, daß Sie, Herr Gesundheitsminister Seehofer, bereits öffentlich — in einer Sendung vom „Report" in der vergangenen Woche — erklärt haben, Sie stehen zu dieser Haftung des Staates.
    So war es auch eines der Hauptziele unserer Untersuchungsarbeit, die haftungsrechtliche Situation der Betroffenen sowie ihre wirtschaftliche und soziale Absicherung zu untersuchen. Zu klären war auch, auf welche Weise den infizierten Personen und ihren Angehörigen schnell und angemessen geholfen werden kann, und zwar unabhängig von einer Rechtspflicht — unabhängig von einer Rechtspflicht deshalb, weil wir davon ausgehen, daß abgesehen von dem allgemein festgestellten Fehlverhalten bei allen Verantwortlichen im Einzelfall der Beweis der anspruchsbegründenden Kausalität und des Verschuldens für den Geschädigten ein nicht selten unlösbares Problem sein kann. Gerade aber die Verschuldenshaftung ist Voraussetzung für die Zuerkennung immaterieller Schadensersatzansprüche — sprich: Schmerzensgeld —, Ansprüche, die von den Versicherern in der Vergangenheit stets unter Hinweis auf fehlendes schuldhaftes Verhalten abgelehnt wurden.
    Der Untersuchungsausschuß spricht sich deshalb für eine sozialstaatliche Entschädigungslösung für alle Betroffenen aus, insbesondere auch, weil vielen Opfern die gerichtliche Durchsetzung ihrer Ansprüche schon aus zeitlichen Gründen nicht mehr zugemutet werden kann.
    Angesichts der Tatsache, daß eine HIV-Infektion nach wie vor keine Heilungschancen hat und früher oder später der tödliche Ausgang dieser Krankheit



    Anni Brandt-Elsweier
    gewiß ist, darf bei einer Entschädigungslösung nicht auf Zeit gespielt werden. Eine schnelle und angemessene finanzielle Hilfe kann zwar das geschehene Unrecht nicht wiedergutmachen, kann aber helfen, die Situation der Betroffenen zu erleichtern und zu verbessern, und kann insbesondere die Angehörigen absichern.
    So geht auch mein dringender Appell an die Damen und Herren der Koalition: Unterstützen Sie insoweit den vorliegenden Entschließungsantrag der SPD- Fraktion! Setzen Sie ein Zeichen, auf das die Opfer schon lange warten, und geben Sie eine schnelle und optimale Hilfe, die meines Erachtens niemals gerecht sein kann, aber angemessen sein muß.
    Das darf auch keine Frage des fehlenden Geldes sein. Es gibt z. B. den Pharmapool, der auf Grund einer gesetzlichen Regelung Rückstellungen für derartige Großrisiken zu bilden hat. Die Zinsbeträge sind beträchtlich. Die angesammelten Summen sind steuerfrei gestellt.
    Mit diesem Problem hat sich der Untersuchungsausschuß eingehend befaßt. Es war jedoch nicht unsere Aufgabe, zu untersuchen, inwieweit hier Mißbrauch vorliegt. Aber diese Prüfung wird noch erfolgen müssen.
    Wir glaubten alle, daß der Contergan-Fall uns gewarnt habe, und der Gesetzgeber hat auch seinerzeit das Arzneimittelrecht entsprechend geändert. Aber die dramatische Entwicklung der HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte hat uns eines Besseren belehrt. Wir haben mit Bitterkeit zur Kenntnis nehmen müssen, daß das Arzneimittelrecht nicht ausgereicht hat, um diese Katastrophe abzuwenden. Es gilt, das AMG diesen Erkenntnissen anzupassen, damit künftige Gefahren möglichst ausgeschlossen werden.
    Der Schlußbericht gibt hierzu genügend Hinweise und Empfehlungen an den Gesetzgeber, von denen ich nur einige kurz erwähnen möchte: Schaffung eines Spezialgesetzes für biologische Produkte und Organe — als erste Stufe ein Transfusionsgesetz —; Festlegung einer chargenbezogenen Dokumentationspflicht; Ausgleichung der Strukturdefizite im Meldesystem und im Risikomanagement. Und: Wir empfehlen eine nationale Eigenversorgung mit Blutplasma.
    Ob wir allerdings für die Zukunft ähnliche gesundheitliche Katastrophen vermeiden können, wage ich angesichts der jüngsten Lockerung bisheriger Handelsbeschränkungen hinsichtlich der Exporte britischen Rindfleisches zu bezweifeln. Nach wie vor ist das Forschungsdefizit über BSE — Rinderwahnsinn — erschreckend groß, und gesicherte Erkenntnisse über die Möglichkeit einer Übertragung vom Tier auf den Menschen liegen nicht vor. Noch vor nicht allzulanger Zeit hat Gesundheitsminister Seehofer die Gefahr durch BSE mit der dramatischen Entwicklung von Aids verglichen. Nun sollen offensichtlich wirtschaftliche Interessen dem vorbeugenden Gesundheitsschutz vorgehen. Das kann und darf nicht sein.

    (Zustimmung bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Der Kampf zwischen Mensch und Viren als Seuchenerregern ist nach wie vor unentschieden. Wir glaubten, die großen Seuchen der vergangenen Jahrhunderte wie Pocken, Pest und Cholera dank des Fortschritts der Medizin besiegt zu haben. Es kamen neue hinzu wie Polio und HIV in diesem Jahrhundert. Neue unbekannte Gefahren lauern bereits im Dunkeln, wenn wir an Ebola- oder Marburg-Virus denken.
    Die Ermittlungen des 3. Untersuchungsausschusses, wie sie in diesem Schlußbericht niedergelegt sind, zeigen deutlich, wie erschreckend leichtfertig der Mensch mit diesen tödlichen Gefahren für seine Gesundheit und sein Leben manchmal umgeht. Dies ist besonders häufig der Fall, wenn wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen.

    (Zuruf von der SPD: Sehr wahr!)

    Seien wir in Zukunft wachsam. Ziehen wir die Konsequenzen aus diesem Abschlußbericht. Bemühen wir uns, das Leben und die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger besser zu schützen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall im ganzen Hause)