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ID1300615400

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    Plenarprotokoll 13/6 Deutscher Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. November 1994 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 157 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen (Drucksache 13/ 34) 157A Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Einsetzung von Ausschüssen (Drucksache 13/35) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Petra Bläss, Manfred Müller, weiterer Abgeordneter und der PDS: Einsetzung von Ausschüssen (Drucksache 13/33) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einrichtung eines Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (Drucksache 13/ 36) 157B Tagesordnungspunkt: Regierungserklärung des Bundeskanzlers (Fortsetzung der Aussprache) Gerhard Schröder, Ministerpräsident (Niedersachsen) 157 D Michael Glos CDU/CSU 163B Margareta Wolf-Mayer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 168C Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 170B Dr. Christa Luft PDS 176A Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU 177D Rudolf Dreßler SPD 180C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 184A Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 186C Dr. Gisela Babel F D P. 188B Dr. Heidi Knake-Werner PDS 190 D Anke Fuchs (Köln) SPD 192B Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 193A, 195A, 219C Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . 193B, 195B Ernst Hinsken CDU/CSU 194B Dr. Günter Rexrodt F.D.P 196B Otto Schily SPD 197A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 197D Rudolf Dreßler SPD . . . 198C, 199A, 256B Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . 199C Jörg Tauss SPD 200D, 249B, 250A Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 201 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 203 A Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 204 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU 206A Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 208D Birgit Homburger F D P 210C Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 212A II Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. November 1994 Jochen Borchert, Bundesminister BML . 213C Horst Sielaff SPD 215A Dr. Gerald Thalheim SPD 215D Egon Susset CDU/CSU 216C Dr. Christa Luft PDS 216D Namentliche Abstimmung 217 C Ergebnis 221 C Ulla Schmidt (Aachen) SPD 217D Waltraud Schoppe BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 218D Michael Glos CDU/CSU 221 A Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 224 A Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 226 C Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . . 228 D Christina Schenk PDS 231 C Maria Eichhorn CDU/CSU 233B Christel Hanewinckel SPD 234 D Walter Link (Diepholz) CDU/CSU . . 237 D Ortrun Schätzle CDU/CSU 238 D Ulla Schmidt (Aachen) SPD 240A Ilse Falk CDU/CSU . . . . . . . . . 241 A Klaus Kirschner SPD 243 A Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 246C Peter Dreßen SPD 247D Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 251A Dr. Dieter Thomae F D P. 252 C Klaus Kirschner SPD 253 C Dr. Ruth Fuchs PDS 254 A Wolfgang Friedrich Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 255 A Dr. Ruth Fuchs PDS 255 B Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 256 A Nächste Sitzung 257 C Berichtigung 257 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 258* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christina Schenk (PDS) zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 13/35: Einsetzung von Ausschüssen (Zusatztagesordnungspunkt 2) 258* B Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. November 1994 157 6. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. November 1994 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung Plenarprotokoll 13/5, Seite 149B, letzter Absatz: In der zweiten Zeile ist statt „ Verführer' " „Verschwörer" zu lesen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beucher, Friedhelm SPD 24.11.94 Julius Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 24.11.94 Dr. Eid-Simon, Ursula BÜNDNIS 24.11.94 90/DIE GRÜNEN Graf (Friesoythe), Günter SPD 24.11.94 Frhr. von Hammerstein, CDU/CSU 24.11.94 Carl-Detlev Hasenfratz, Klaus SPD 24.11.94 Dr. Höll, Barbara PDS 24.11.94 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 24.11.94 Labsch, Werner SPD 24.11.94 Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 24.11.94 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 24.11.94 Erich Meckel, Markus SPD 24.11.94 Neumann (Gotha), SPD 24.11.94 Gerhard Nickels, Christa BÜNDNIS 24.11.94 90/DIE GRÜNEN Saibold, Hannelore BÜNDNIS 24.11.94 90/DIE GRÜNEN Schumann, Ilse SPD 24.11.94 Vergin, Siegfried SPD 24.11.94 Volmer, Ludger BÜNDNIS 24.11.94 90/DIE GRÜNEN Vosen, Josef SPD 24.11.94 Wallow, Hans SPD 24.11.94 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 24.11.94 Wieczorek (Duisburg), SPD 24.11.94 Helmut Dr. Zöpel, Christoph SPD 24.11.94 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christina Schenk (PDS) zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 13/35: Einsetzung von Ausschüssen (Zusatztagesordnungspunkt 2) Abg. Christina Schenk (PDS): Ich werde gegen den genannten Antrag stimmen, insbesondere weil ich mich gegen die Zusammenlegung der Ausschüsse Frauen und Jugend einerseits und Familie und Senioren andererseits aussprechen möchte. In der Praxis der Bundesrepublik Deutschland ist die Gleichstellung von Frau und Mann trotz der Verankerung des Gleichberechtigungsgrundsatzes im Grundgesetz noch immer nicht verwirklicht. Nach wie vor bestehen hinsichtlich der sozialen Stellung, in bezug auf die soziale Sicherung und hinsichtlich der Chancen von Frauen und Männern im Beruf, im politischen Leben, in Bildung und Ausbildung und in der Familie sowie hinsichtlich der Möglichkeit, zu selbstbestimmten Lebensentwürfen zu kommen und diese auch umzusetzen, gravierende Ungleichheiten. Eine wachsende Frauenerwerbslosigkeit in Ost und West, die deutliche Zunahme von Gewalttaten gegen Frauen und nicht zuletzt die Negierung des Rechts auf selbstbestimmte Schwangerschaft durch das Bundesverfassungsgericht zeigen sogar einen deutlichen Trend zur Verschlechterung der Lage der Frauen. Um die Selbstbestimmung und Gleichstellung der Frauen gegenüber den gefestigten patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft besser durchzusetzen, ist auf Bundesebene eine Politik erforderlich, die die Frage der Gleichstellung oder besser: Chancengleichheit von Frau und Mann in all en Politikfeldern behandelt. Eine solche Politik ist jedoch nur umsetzbar, wenn es in der Regierung und natürlich auch im Parlament eine strukturelle Grundlage dafür gibt. Daher fordert die PDS hier an dieser Stelle die Einsetzung eines Ausschusses des Bundestages für die Gleichstellung der Geschlechter. Dieser Ausschuß sollte, wie bereits angedeutet, im Querschnitt zu allen anderen Ausschüssen des Bundestages tätig werden und deshalb auch in die Arbeit aller anderen Ausschüsse einbezogen werden und in diesen Mitspracherecht haben. Die Einordnung der Gleichstellungsproblematik in die Fragen, die die Situation von Kindern, Jugendlichen und Senioren betreffen, wird weder ihrer Komplexität noch ihrem Umfang gerecht. Ich werde daher die vorgeschlagene Zusammenlegung der Ausschüsse ablehnen, und ich verbinde das mit der Bitte um Zustimmung zu unserem Antrag auf Einrichtung eines Ausschusses für Gleichstellungsfragen auf Drucksache 13/33.
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    Rede von Christina Schenk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Dürftigkeit der Koalitionsvereinbarung ist nun schon in nahezu allen Punkten konstatiert worden. Ich muß sagen, daß es in den Bereichen Frauen und Familie besonders deutlich wird. Da heißt es in der Koalitionsvereinbarung:
    Die Koalition wird weiter aktiv — weiter aktiv! — für gleiche Rechte und gleiche Chancen für Frauen im gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben eintreten.
    Ich meine, das ist nichts als blanke Blasphemie. Der Ausdruck „weiter aktiv " soll Kontinuität vorspiegeln. Ich frage mich nur: Kontinuität wovon? Es gab schon in der letzten Legislaturperiode nichts, was auch nur annähernd in den Verdacht hätte kommen können, wirklich eine Politik der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Gesellschaft zu sein. Ich erinnere hier nur an das Gleichberechtigungsgesetz, das in der vergangenen Legislaturperiode verabschiedet worden ist und das das Papier nicht wert ist, auf dem es steht. Frauen als Thema emanzipatorischer Politik kommen bei dieser Bundesregierung nicht vor, wie überhaupt, meine ich, emanzipatorische Politik bei dieser Bundesregierung nicht vorkommt.
    Ich habe mir die Koalitionsvereinbarung mit besonderer Aufmerksamkeit in bezug auf die die Frauen betreffenden arbeitsmarktpolitischen Vorstellungen angesehen. Dabei stelle ich fest, daß als ein entscheidendes Instrumentarium zur Bewältigung des Arbeitsmarktdesasters, von dem Frauen besonders betroffen sind — ich erinnere daran, daß die Arbeitslosenquote von Frauen im Osten doppelt so hoch ist wie die der Männer —, der Bundesregierung nichts anderes einfällt als die Fortsetzung der Teilzeitoffensive. Diese Teilzeitoffensive ist bereits in der letzten Legislaturperiode heftig kritisiert worden. Sie wurde



    Christina Schenk
    zum einen deshalb kritisiert, weil sie, solange sie nicht mit einer entschiedenen Antidiskriminierungspolitik verbunden ist, den Status von Frauen als Dazuverdienenden zementiert, weil sie, zumindest in der herkömmlichen Form, nicht existenzsichernd ist und weil sie damit auf die Ehe als Versorgungsinstitution rekurriert und so das damit verbundene Armutsrisiko Frauen zuteilt, zum anderen deshalb, weil sie das Vereinbarkeitsproblem weiter als ein ausschließlich weibliches definiert.
    Auch die Absicht der Bundesregierung, die Arbeitgeberfunktion privater Haushalte zu stärken und das auch noch als großangelegtes Beschäftigungsprogramm für Frauen zu verkaufen, ist eine Unverschämtheit.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Frauen als Putz- und Kinderfrau im eigenen und auch noch im Teilzeitjob im Haushalt des Nachbarn, das ist die Antwort der Bundesregierung auf die Tatsache, daß in Deutschland fast 2 Millionen in der Regel gut qualifizierte Frauen — da rechne ich die stille Reserve noch .nicht einmal mit — einen Arbeitsplatz suchen.

    (Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Das ist ein Skandal!)

    Meine Damen und Herren, nach wie vor ist die sogenannte Erwerbsneigung der ostdeutschen Frauen deutlich höher als die im Westen. Nach wie vor wünschen nur etwa 3 % der Frauen im Osten ein Dasein als Hausfrau. Man kann es in Anbetracht der konservativen Mehrheit in diesem Haus nicht oft genug betonen: Frauen im Osten und — das möchte ich dazusagen — zunehmend auch im Westen erheben den Anspruch auf eine qualifizierte Erwerbstätigkeit, auf ein Einkommen, mit dem sie ihre Existenz eigenständig sichern können. Ich meine, das ist eine Frage der Menschenwürde und der Humanität einer Gesellschaft.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Die Umsetzung dieses Anspruchs erfordert entschlossenes Handeln in zwei Richtungen: einmal in der Beziehung, daß es um die Umverteilung von Arbeitsplätzen gehen muß, und zum anderen, daß es um die Schaffung von Arbeitsplätzen gehen muß. Beides muß Aufgabe von Bundespolitik sein. Von beidem lese ich in der Koalitionsvereinbarung nichts Ernsthaftes.
    Ich meine, die Herstellung einer wirklichen Chancengleichheit von Frauen und Männern im Bereich der Erwerbsarbeit ist ohne eine Antidiskriminierungspolitik, die Männern und Frauen einen gleichberechtigten Zugang zu den vorhandenen Ausbildungs- und Erwerbsarbeitsplätzen sichert, nicht denkbar. Darüber hinaus muß endlich auch die Wirtschaftspolitik zur Kenntnis nehmen, daß sie bislang eben nicht geschlechtsneutrale Wirkungen zeitigt und daß es deshalb erforderlich ist, die Frage der Chancengleichheit von Frauen und Männern in den Zielgrößenkatalog von Wirtschaftspolitik zu integrieren. Wir werden dazu parlamentarische Initiativen einbringen.
    Viel Pathos wird bemüht, wenn es in der Koalitionsvereinbarung um Familie und um Kinder geht. „Kinder sind unsere Zukunft" , heißt es da. Die Gegenwart, meine Damen und Herren, ist eine andere. Heute leben in der Bundesrepublik Deutschland bereits mehr als eine Million Kinder von Sozialhilfe. In den ostdeutschen Bundesländern werden im Vergleich zu 1988 gegenwärtig nur noch ein Drittel der Kinder geboren. Dieser dramatische Geburtenrückgang, der, wie Experten festgestellt haben, in der überlieferten Menschheitsgeschichte singulär ist, ist die individuelle Reaktion von Frauen in Ostdeutschland auf die Kinder- und Frauenfeindlichkeit dieser Gesellschaft. Das ist — darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen—kein monetäres Problem. Insofern wird ein veränderter Familienlasten- oder Familienleistungsausgleich — oder wie auch immer man das nennen will — oder auch eine Gebärprämie von 1 000 DM oder so etwas daran nichts Wesentliches ändern.
    Auch von der Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz ist in der Koalitionsvereinbarung nichts zu lesen, ebensowenig davon, wie die Ausgrenzungen, die Frauen allein auf Grund ihrer Gebärfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt erfahren und hinnehmen müssen, bekämpft werden könnten.
    Ich meine, es ist symptomatisch, daß sich im Abschnitt Frauenpolitik, der in der Koalitionsvereinbarung lediglich als Unterpunkt der Familienpolitik vorkommt, keine Aussagen zum Selbstbestimmungsrecht von Frauen finden. Daher möchte ich noch einmal an das erinnern, was hier auf der Tagesordnung steht: Es geht um die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs, und zwar in einer Weise, die die noch verbliebenen Spielräume, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil gelassen hat, voll ausschöpft. Wenn ich dann sehe, daß eine katholische Fundamentalistin zur Ministerin in diesem Bereich gemacht worden ist, bin ich skeptisch, was unsere Möglichkeiten in diesem Parlament anbelangt. Lassen wir es darauf ankommen.

    (Beifall bei der PDS und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Die zweite Sache, um die es mir geht: Es muß eine Änderung des Strafgesetzbuches in der Weise stattfinden, daß endlich auch die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt wird.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Es muß ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für ausländische Ehefrauen geschaffen werden, und es muß die Verfolgung wegen des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung als Asylgrund anerkannt werden.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich meine generell, daß in dieser Gesellschaft darüber nachgedacht werden muß, wie insbesondere für Frauen die Möglichkeiten verbessert werden können, tatsächlich zu eigenen Lebensentwürfen zu kommen und diese auch umzusetzen. Lesbische Frauen können ein Lied davon singen, wie schwer es ist, zu einer eigenen Identität in dieser Gesellschaft zu kommen.



    Christina Schenk
    Der Bundesregierung liegen eine klare Analyse der Situation von Frauen und entsprechende Schlußfolgerungen vor. Es ist ja nicht so, daß man hier sagen könnte, man wüßte von nichts. In Vorbereitung auf die 4. Weltfrauenkonferenz in Peking haben zahlreiche Vertreterinnen nichtstaatlicher Organisationen einen umfassenden Bericht zur Situation der Frauen in der Bundesrepublik erarbeitet. Ursprünglich sollte dieser Bericht gemeinsam mit dem Regierungsbericht bei der Weltfrauenkonferenz eingereicht werden. Das wurde nun von der Bundesregierung abgesagt. Der Grund ist klar: Das, was die Vertreterinnen der NGOs dort erarbeitet haben, erschüttert das Selbstbild der Bundesregierung gerade in dem Punkt, den wir hier behandeln, offenbar nachhaltig.
    Ein letztes: Die Zusammenlegung des Ministeriums für Frauen und Jugend mit dem für Familie und Senioren zeigt, daß die Bundesregierung auch von der strukturellen Seite her jeden Anspruch auf eine eigenständige Frauenpolitik aufgegeben hat. „Frau" ist nur noch das Etikett in einem Ministerium, das Frauen nicht als eigenständige Subjekte, sondern nur als Objekte familienpolitischer Maßnahmen wahrnimmt.
    Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie kündigen in der Koalitionsvereinbarung eine grundlegende politische Erneuerung an, präsentieren jedoch in Ihrem Regierungsprogramm nur den sattsam bekannten Mangel an Intelligenz und Kreativität. Ich kann mich daher nur dem hier an dieser Stelle schon oft zum Ausdruck gebrachten Wunsch anschließen, daß diese Stümperei nicht volle vier Jahre so weitergeht.
    Danke.

    (Beifall bei der PDS und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Kollegin Maria Eichhorn.

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    Rede von Maria Eichhorn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Frauen- und Familienpolitik gibt es sicher viele Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien, aber man darf nicht verkennen, daß es durchaus unterschiedliche Ausgangspunkte gibt, und so beruht die Politik der CDU/CSU auf dem Grundsatz: Jeder Mensch soll sein Leben in eigener Verantwortung gestalten. Männer und Frauen sollen ihr Lebensmodell selbst wählen. Der Staat darf die Rollenverteilung nicht vorschreiben, sondern muß die Rahmenbedingungen schaffen, damit individuelle Lebensplanungen verwirklicht werden können. Männer und Frauen haben das Recht auf freie Entscheidung für die Familie, für den Beruf oder für beides, nämlich für Familie und Beruf.
    Nach wie vor ist der Wunsch, eine Familie zu gründen und Kinder zu haben, das wichtigste Ziel in der Lebensplanung einer großen Mehrheit aller jungen Menschen. Der Stellenwert der Familie ist immer noch sehr hoch. Doch haben sich Familienformen und Familienleben stark verändert. So gibt es immer mehr Alleinerziehende, immer mehr Alleinstehende. Die Zahl der Ehescheidungen nimmt zu. Familien haben immer weniger Kinder.
    Die Leistungen der Familien für unsere Gesellschaft sind groß. Sie werden aber oft als selbstverständlich betrachtet und zuwenig anerkannt. So gilt es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die auch den Familien eine gleichberechtigte Teilhabe an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung gewährleisten.
    Eltern mit Kindern vergleichen ihren Lebensstandard und ihre Chancen zur Lebensgestaltung nicht nur mit anderen Müttern und Vätern, sondern auch mit jenen, die keine Kinder zu versorgen haben. Ein Leben mit Kindern hat seinen eigenen Wert, gibt ihm Sinn und Erfüllung und ist auch nicht ersetzbar. Eltern leisten aber auch viel, um ihren Kindern gute Startchancen in unserer Gesellschaft zu ermöglichen, und müssen dabei auf manches verzichten.
    Die Entscheidung für Kinder wird von jungen Paaren mehr und mehr bewußt getroffen. Diese Entscheidung wird auch zukünftig um so leichter fallen, je deutlicher Staat und Gesellschaft Kindererziehung als Leistung anerkennen.
    In der letzten Legislaturperiode haben wir den Kinderfreibetrag, das Kindergeld und den Kindergeldzuschlag erhöht. In dieser Legislaturperiode ist die Verbesserung des Familienleistungsausgleichs ein wesentlicher Punkt der Familienpolitik. Ziel ist die volle steuerliche Freistellung des Existenzminimums von Kindern, wie es das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen von Mai und Juni 1990 gefordert hat.
    Die Union hält am dualen Familienleistungsausgleich fest. Das Verfassungsgericht hat in seinem Urteil 1990 ausgeführt, daß Kinderfreibeträge sozial gerecht sind und einer leistungsgerechten Besteuerung entsprechen. Der Kinderfreibetrag bewirkt, was nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erforderlich ist, um Eltern gegenüber Kinderlosen mit gleich hohem Einkommen gerecht zu besteuern. Die finanzielle Belastung der Eltern mit Kindern darf im Verhältnis zu jeweils gleichviel verdienenden Kinderlosen nicht höher sein.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nach unseren Vorstellungen soll der Kinderfreibetrag so angehoben werden, daß er auch ohne Hinzurechnung des Kindergeldes die volle Höhe des Existenzminimums eines Kindes abdeckt.
    Das Kindergeld muß bedarfsgerecht ausgebaut und darf nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden, wie die SPD es möchte. Es muß um so höher sein, je geringer das Einkommen der Familie und je größer die Kinderzahl in der Familie ist. So verstehen wir soziale Gerechtigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Davon haben Sie doch noch nie etwas verstanden!)

    Familiengerechtes Wohnen ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Entfaltung von Familien. Deswegen ist die Schaffung preiswerter Wohnungen ein wichtiges Vorhaben in dieser Legislaturperiode.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Und wie machen Sie das?)




    Maria Eichhorn
    Wir brauchen mehr Familienfreundlichkeit auf dem Wohnungsmarkt, in der Arbeitswelt und in unserer Gesellschaft.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Und wie stellen Sie das her?)

    Das veränderte Rollenverhalten von Frauen, das Bemühen um gleiche Bildungs- und Ausbildungschancen und gleiche Mitwirkungsrechte hat die Familienpolitik nicht unwesentlich beeinflußt. Früher war es selbstverständlich, daß Frauen die Versorgungsaufgaben in den Familien übernahmen, daß sie Leistungen für die Gesellschaft erbrachten, ohne Gegenleistungen einzufordern. Das veränderte Bildungsverhalten, eine andere Einstellung zum Leben, aber auch finanzielle Erfordernisse, die eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen notwendig machen, führen zu neuen Herausforderungen, zu neuen Belastungen für die Familie, sind aber auch eine Herausforderung für die Gesellschaft gegenüber den Familien.
    Mit verbesserten Bildungs- und Ausbildungschancen verband sich in der Frauenpolitik der 70er Jahre die Hoffnung, daß Frauen dann auch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben hätten. In den 80er Jahren erkannte man, daß der gewünschte Durchbruch nicht erreicht worden war. So erging der Ruf nach neuen Konzepten, nach gezielter Frauenförderung und nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
    In den letzten zehn Jahren wurde dazu durch diese Regierung einiges erreicht.

    (Zuruf von der SPD: Was denn? Jetzt mal konkret!)

    Wir haben das Erziehungsgeld und den Erziehungsurlaub eingeführt.

    (Zuruf von der SPD: Und gekürzt!)

    Wir haben die Anerkennung von Erziehungszeiten bei der Rentenversicherung, die Freistellung von der Arbeit zur Betreuung von kranken Kindern, die Beseitigung diskriminierender Bestimmungen bei Teilzeitbeschäftigungen und berufliche Wiedereingliederungsprogramme nach der Familienphase eingeführt.

    (Zurufe von der SPD)

    Wir haben in der letzten Legislaturperiode Kinderberücksichtigungszeiten und Pflegeberücksichtigungszeiten eingeführt, um gerade jene Frauen, die geringe Renten bekommen, damit unterstützen zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Und wir haben im Zweiten Gleichberechtigungsgesetz festgelegt, Frau Kollegin Schmidt, daß Teilzeitarbeit wegen Kindererziehung nicht zu beruflicher Benachteiligung führen darf.

    (Christel Hanewinckel [SPD]: Es ist doch aber ein Fakt, daß es so ist!)

    Dieses Gesetz ist seit dem 1. September in Kraft.

    (Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Für 1 % der erwerbstätigen Frauen! Das haben Sie vergessen!)

    - Frau Schmidt, wir haben ja als Bundesregierung und Bundestag nur die Möglichkeit, für den Bund Gesetze zu machen. Die Länder sind jetzt aufgefordert, dies nachzuvollziehen, und erfahrungsgemäß wird einem Beispiel im Bund dann auch die Wirtschaft folgen. Davon gehen wir auf jeden Fall aus.
    Neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein weiterer Schwerpunkt im Gleichberechtigungsgesetz die Frauenförderung, ferner die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Gremien des Bundes und ein eigenständiges Beschäftigungsschutzgesetz gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.
    Mit der Ergänzung des Art. 3 des Grundgesetzes wurde eine Klarstellung des Gleichberechtigungsgrundsatzes erreicht.
    All diese politischen Konzepte und Erfolge haben aber immer noch nicht zu einer echten Partnerschaft von Frau und Mann geführt. Deshalb wird die Koalition weiter aktiv für gleiche Rechte und gleiche Chancen für Frauen im gesellschaftlichen, im politischen und im wirtschaftlichen Leben eintreten. Sie wird in dieser Legislaturperiode die Maßnahmen zur Erleichterung der Wiedereingliederung von Frauen nach einer Erziehungsphase intensiv fördern und die Weiterbildungsmöglichkeiten während der Erziehungsphase fördern.
    Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist längst kein Frauenanliegen mehr, sondern ein zentrales Thema für die Zukunft unserer Familien und ein zentrales Thema für die ganze Gesellschaft.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ein ganz wichtiger Gesichtspunkt ist dabei, unsere Arbeitswelt so zu gestalten, daß die Lebensbereiche Familie und Beruf individuell aufeinander abgestimmt werden können und nicht allein die Arbeitswelt das Leben der Familien bestimmt.
    Ansätze zu einer familienfreundlichen Gestaltung des Arbeitslebens dürfen nicht bei den Frauen haltmachen, sondern müssen sich an den Bedürfnissen aller Familienmitglieder orientieren; das sind Mütter, Väter und Kinder. Die Verbesserung der Situation von Frauen allein ändert noch nichts an den herkömmlichen Strukturen. Eine familiengerechte Arbeitszeit wird sich für jede Familie anders darstellen, da die Bedürfnisse sehr unterschiedlich sind.
    Gleichberechtigung und Partnerschaft in der Familie setzt Gleichberechtigung und Partnerschaft in Wirtschaft und Gesellschaft voraus. Frauen müssen mehr Beteiligungsmöglichkeiten im Erwerbsleben und in der Politik bekommen, Männer mehr Engagement in der Familie zeigen, die Wirtschaft muß mehr auf die Erfordernisse und Bedürfnisse von Familien eingehen. Dies weiter zu verwirklichen ist unsere Aufgabe, und dafür setzen wir uns ein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)