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ID1300615200

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    Plenarprotokoll 13/6 Deutscher Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. November 1994 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 157 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen (Drucksache 13/ 34) 157A Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Einsetzung von Ausschüssen (Drucksache 13/35) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Petra Bläss, Manfred Müller, weiterer Abgeordneter und der PDS: Einsetzung von Ausschüssen (Drucksache 13/33) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einrichtung eines Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (Drucksache 13/ 36) 157B Tagesordnungspunkt: Regierungserklärung des Bundeskanzlers (Fortsetzung der Aussprache) Gerhard Schröder, Ministerpräsident (Niedersachsen) 157 D Michael Glos CDU/CSU 163B Margareta Wolf-Mayer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 168C Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 170B Dr. Christa Luft PDS 176A Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU 177D Rudolf Dreßler SPD 180C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 184A Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 186C Dr. Gisela Babel F D P. 188B Dr. Heidi Knake-Werner PDS 190 D Anke Fuchs (Köln) SPD 192B Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 193A, 195A, 219C Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . 193B, 195B Ernst Hinsken CDU/CSU 194B Dr. Günter Rexrodt F.D.P 196B Otto Schily SPD 197A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 197D Rudolf Dreßler SPD . . . 198C, 199A, 256B Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . 199C Jörg Tauss SPD 200D, 249B, 250A Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 201 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 203 A Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 204 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU 206A Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 208D Birgit Homburger F D P 210C Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 212A II Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. November 1994 Jochen Borchert, Bundesminister BML . 213C Horst Sielaff SPD 215A Dr. Gerald Thalheim SPD 215D Egon Susset CDU/CSU 216C Dr. Christa Luft PDS 216D Namentliche Abstimmung 217 C Ergebnis 221 C Ulla Schmidt (Aachen) SPD 217D Waltraud Schoppe BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 218D Michael Glos CDU/CSU 221 A Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 224 A Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 226 C Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . . 228 D Christina Schenk PDS 231 C Maria Eichhorn CDU/CSU 233B Christel Hanewinckel SPD 234 D Walter Link (Diepholz) CDU/CSU . . 237 D Ortrun Schätzle CDU/CSU 238 D Ulla Schmidt (Aachen) SPD 240A Ilse Falk CDU/CSU . . . . . . . . . 241 A Klaus Kirschner SPD 243 A Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 246C Peter Dreßen SPD 247D Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 251A Dr. Dieter Thomae F D P. 252 C Klaus Kirschner SPD 253 C Dr. Ruth Fuchs PDS 254 A Wolfgang Friedrich Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 255 A Dr. Ruth Fuchs PDS 255 B Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 256 A Nächste Sitzung 257 C Berichtigung 257 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 258* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christina Schenk (PDS) zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 13/35: Einsetzung von Ausschüssen (Zusatztagesordnungspunkt 2) 258* B Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. November 1994 157 6. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. November 1994 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung Plenarprotokoll 13/5, Seite 149B, letzter Absatz: In der zweiten Zeile ist statt „ Verführer' " „Verschwörer" zu lesen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beucher, Friedhelm SPD 24.11.94 Julius Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 24.11.94 Dr. Eid-Simon, Ursula BÜNDNIS 24.11.94 90/DIE GRÜNEN Graf (Friesoythe), Günter SPD 24.11.94 Frhr. von Hammerstein, CDU/CSU 24.11.94 Carl-Detlev Hasenfratz, Klaus SPD 24.11.94 Dr. Höll, Barbara PDS 24.11.94 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 24.11.94 Labsch, Werner SPD 24.11.94 Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 24.11.94 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 24.11.94 Erich Meckel, Markus SPD 24.11.94 Neumann (Gotha), SPD 24.11.94 Gerhard Nickels, Christa BÜNDNIS 24.11.94 90/DIE GRÜNEN Saibold, Hannelore BÜNDNIS 24.11.94 90/DIE GRÜNEN Schumann, Ilse SPD 24.11.94 Vergin, Siegfried SPD 24.11.94 Volmer, Ludger BÜNDNIS 24.11.94 90/DIE GRÜNEN Vosen, Josef SPD 24.11.94 Wallow, Hans SPD 24.11.94 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 24.11.94 Wieczorek (Duisburg), SPD 24.11.94 Helmut Dr. Zöpel, Christoph SPD 24.11.94 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christina Schenk (PDS) zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 13/35: Einsetzung von Ausschüssen (Zusatztagesordnungspunkt 2) Abg. Christina Schenk (PDS): Ich werde gegen den genannten Antrag stimmen, insbesondere weil ich mich gegen die Zusammenlegung der Ausschüsse Frauen und Jugend einerseits und Familie und Senioren andererseits aussprechen möchte. In der Praxis der Bundesrepublik Deutschland ist die Gleichstellung von Frau und Mann trotz der Verankerung des Gleichberechtigungsgrundsatzes im Grundgesetz noch immer nicht verwirklicht. Nach wie vor bestehen hinsichtlich der sozialen Stellung, in bezug auf die soziale Sicherung und hinsichtlich der Chancen von Frauen und Männern im Beruf, im politischen Leben, in Bildung und Ausbildung und in der Familie sowie hinsichtlich der Möglichkeit, zu selbstbestimmten Lebensentwürfen zu kommen und diese auch umzusetzen, gravierende Ungleichheiten. Eine wachsende Frauenerwerbslosigkeit in Ost und West, die deutliche Zunahme von Gewalttaten gegen Frauen und nicht zuletzt die Negierung des Rechts auf selbstbestimmte Schwangerschaft durch das Bundesverfassungsgericht zeigen sogar einen deutlichen Trend zur Verschlechterung der Lage der Frauen. Um die Selbstbestimmung und Gleichstellung der Frauen gegenüber den gefestigten patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft besser durchzusetzen, ist auf Bundesebene eine Politik erforderlich, die die Frage der Gleichstellung oder besser: Chancengleichheit von Frau und Mann in all en Politikfeldern behandelt. Eine solche Politik ist jedoch nur umsetzbar, wenn es in der Regierung und natürlich auch im Parlament eine strukturelle Grundlage dafür gibt. Daher fordert die PDS hier an dieser Stelle die Einsetzung eines Ausschusses des Bundestages für die Gleichstellung der Geschlechter. Dieser Ausschuß sollte, wie bereits angedeutet, im Querschnitt zu allen anderen Ausschüssen des Bundestages tätig werden und deshalb auch in die Arbeit aller anderen Ausschüsse einbezogen werden und in diesen Mitspracherecht haben. Die Einordnung der Gleichstellungsproblematik in die Fragen, die die Situation von Kindern, Jugendlichen und Senioren betreffen, wird weder ihrer Komplexität noch ihrem Umfang gerecht. Ich werde daher die vorgeschlagene Zusammenlegung der Ausschüsse ablehnen, und ich verbinde das mit der Bitte um Zustimmung zu unserem Antrag auf Einrichtung eines Ausschusses für Gleichstellungsfragen auf Drucksache 13/33.
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    Rede von Cornelia Schmalz-Jacobsen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Kollegen und Kolleginnen! Das Erfreuliche an dieser Debatte für die Frauen, die hier ringsherum sitzen, ist, daß sie gewiß vieles von dem, was Frauen aus anderen Fraktionen gesagt haben, unterschreiben können. Das Erbitternde an dieser Debatte ist, daß mir vieles bekannt vorkommt, weil wir ähnlich schon vor 20 Jahren geredet haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der SPD und der PDS)

    Die Familienpolitik ist nicht ohne Grund ein zentraler Bestandteil in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und F.D.P.; denn trotz der vielfältigen Anstrengungen der jeweiligen Bundesregierungen in



    Cornelia Schmalz-Jacobsen
    der Vergangenheit — ich schließe alle ein — fällt die familienpolitische Bilanz immer noch recht zwiespältig und in vielem ernüchternd aus. Es ist der ehemaligen Familienministerin, Frau Hannelore Rönsch, zu danken, daß sie die Familienpolitik immer wieder thematisiert hat und daß sie zäh drangeblieben ist. Dafür bin ich ihr dankbar.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Der neuen Familienministerin wünsche ich eine glückliche Hand, Durchsetzungsvermögen,

    (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Kompetenz!)

    Ausdauer und die Zähigkeit, die dieser Politikbereich offenbar in ganz besonderem Maße braucht.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sehen wir uns die Realitäten an, meine Kollegen und Kolleginnen: Es ist weder in der ehemaligen DDR noch in der heutigen Bundesrepublik annähernd gelungen, Familienfreundlichkeit zum übergeordneten Qualitätsmerkmal unserer Gesellschaft zu machen. Schon die Vorstellungen darüber, was Familienfreundlichkeit eigentlich bedeutet, gehen weit auseinander: Für die einen bedeutet es, daß vom Staat möglichst viel abgenommen wird. Für einige andere bedeutet es, daß es reine Privatsache ist, in die sich niemand einzumischen hat.
    Der Fünfte Familienbericht drückt es kraß, aber, wie ich finde, zutreffend aus. Er spricht nämlich von einer „strukturellen Rücksichtslosigkeit der Gesellschaft gegenüber den Familien". Damit können nicht nur Staat und Politik gemeint sein. Das betrifft die Wirtschaft, die Gewerkschaften, die Kirchen, die Wohlfahrtsverbände, Vereine, Bildungsinstitutionen, Medien; sie alle sind in der Pflicht sowie auch jeder einzelne von uns.
    Die Stellung der Familie bemißt sich nicht allein nach dem Grad ihrer finanziellen Entlastung, sondern vor allem auch danach, wieweit es gelingt, Strukturen zu schaffen, die der Familie Vorrang einräumen, anstatt sie zu benachteiligen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Hier sind in diesen Tagen schon Stichworte dazu gefallen, wie die „Arbeitswelt" oder die „Kinderbetreuung". Das ist vor allen Dingen für Frauen immer noch ein Drahtseilakt. Es kann einen wahnsinnig machen, daß es so schrecklich langsam geht.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich denke, es sind immer noch die gleichen Forderungen wie diejenigen, die ich vor vielen Jahren stellte, als meine Kinder noch klein waren.
    Familienpolitik muß frei von Scheuklappen sein; denn es nützt nichts, wenn wir hier von Wunschvorstellungen ausgehen. Natürlich ist die Familie von den tiefgreifenden Veränderungen berührt, mit denen wir heute leben. Die heile Bilderbuchfamilie ist wohl ohnehin eher eine Erfindung, als daß sie die Wirklichkeit unserer Großelterngeneration gewesen ist.
    Junge Frauen entscheiden sich heute zunächst — wie auch anders? — für eine berufliche Tätigkeit,
    und dann werden Überlegungen zum Familienleben angestellt. Anschließend versuchen Sie, beides miteinander in Einklang zu bringen. Männer haben damit wenig Probleme. Für sie war es doch immer schon so: zuerst der Beruf und dann die Familie.
    Die Frauen stoßen auf eine Vielzahl von Fragen und Problemen; das wissen wir. Dazu gehören natürlich auch materielle Probleme, die zu bisher unbekannten Abhängigkeiten in einer Partnerschaft führen.
    Familienpolitik ist eine Gratwanderung, weil wir entscheiden müssen: Wann trifft die Überschrift „Privatangelegenheit" zu, und wann sind Antworten und Regelungen von der Politik gefordert?
    Antworten brauchen die vielen Alleinerziehenden, die es weiß Gott schwer haben. Aber ich möchte hier einmal sagen: Wir dürfen nicht in den Fehler verfallen, nicht auch an die „ganz normale Familie" zu denken. Es ist nämlich ein Irrtum, zu glauben, daß sie bei uns eine aussterbende Art sei und daß sie mehr und mehr an Bedeutung verlöre.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    80 % aller Kinder leben mit beiden leiblichen Eltern zusammen, und unter allen Familienformen in Deutschland machen über 80 % die klassischen Zweielternfamilien aus.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das soll man auch nie vergessen!)

    — Ja, das muß man einmal sagen; auch die brauchen nämlich Antworten.
    Ebensowenig stimmt es, daß immer weniger junge Paare heute heiraten wollen und sich Kinder wünschen. Wenn man dem Familienbericht Glauben schenkt, dann ist eher ein gegenteiliger Trend zu beobachten.
    Die Entscheidung für Kinder wird heute natürlich sehr bewußt getroffen; wenn es ratsam erscheint, wird diese Entscheidung vertagt. Da machen sich eben negative Erfahrungen, wie sie im Zweifel befreundete Familien im Alltag erleben, auch negativ bemerkbar. Das hat etwas mit der schwierigen Situation am Arbeits- und auch am Wohnungsmarkt zu tun.
    Eine Untersuchung, die mich besonders berührt hat, sagt aus: Bei einer Befragung von 20jährigen jungen Frauen, bei denen der Kinderwunsch ziemlich groß war, wurde die Zahl der Kinder weit höher angegeben als bei einer gleichen Befragung derselben Frauen zehn Jahre später. Da ist der große Wunsch weg; da hat die Lebenswirklichkeit zugeschlagen.

    (Beifall der Abg. Dr. Gisela Babel [F.D.P.])

    Die Koalition hat sich in der Familienpolitik einiges vorgenommen, um wichtigen Forderungen, wie sie auch der Familienbericht enthält, gerecht zu werden. Zu den Verbesserungen, die wir uns vorgenommen haben, zählt auch eine systematische Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Mütter und Väter. Das haben auch andere immer wieder gesagt. Ich betone: Das „und" ist dabei besonders wichtig. Denn Erziehungsurlaub, Teilzeitarbeit, Dreifachbelastung durch Kindererziehung, Haushalt und



    Cornelia Schmalz-Jacobsen
    Erwerbstätigkeit sind immer noch und immer wieder Frauensache.
    In der Tat dient es den Frauen, wenn es mehr Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten auch in höher qualifizierten Funktionen gibt. Und in der Tat: Es dient den Frauen, wenn es bessere Weiterbildungsangebote während der Kinderpause gibt und der Wiedereinstieg dadurch erleichert wird. Auch die finanzielle Stärkung von Alleinerziehenden hilft überwiegend Frauen. Manche dieser Vorhaben dienten den Frauen aber noch weit mehr, wenn sie auch von Männern angenommen würden. Das ist leider noch lange nicht selbstverständlich.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Es gibt in dieser Debatte immer Dinge, die man wirklich nicht mehr hören kann, weil man sie sich an den Schuhsohlen abgelaufen hat. Dazu gehört gleichsam wie ein Pawlowscher Reflex, daß dann, wenn man von Teilzeitarbeit in Führungspositionen redet, sofort gefragt wird: Wie ist das mit dem Teilzeitminister? Oder es ist vom Topmanager die Rede. Diese wirklich herausgehobenen Positionen sollten doch nicht die Meßlatte sein. Aber wie ist es denn bei der Leitung einer Kindertagesstätte? Wie ist es denn bei Führungspositionen, die weit unter der eines Ministers liegen? Da gibt es eine Menge zu ändern; dazu braucht man gar nicht so schrecklich viel Phantasie.

    (Dr. Edith Niehuis [SPD]: Dann muß man aber auch etwas tun!)

    Daß dieses „und für Väter" bei Vätern eine so geringe Akzeptanz hat, das liegt — das muß um der Gerechtigkeit willen gesagt werden — nicht nur an den Vätern, sondern das liegt vor allen Dingen an den Personalabteilungen und den Chefetagen von Unternehmen. Dort wird nämlich der Wunsch nach Teilzeitarbeit des Mannes nicht selten als Ausdruck fehlender Leistungsbereitschaft mißverstanden und womöglich sogar mit Karrierenachteilen geahndet. Ich erinnere übrigens daran, wie lange die F.D.P. schon die Neuorganisation von Arbeitszeiten und Arbeitsabläufen gefordert hat

    (Beifall bei der F.D.P.)

    und wie heftig der Widerstand von SPD und Gewerkschaften dagegen lange Zeit gewesen ist. Das scheint sich jetzt zu ändern.

    (Zuruf von der F.D.P.: Ladenschluß!)

    Stichwort: Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Die Kommunen, die das immer schon als einen wichtigen Politikbereich betrachtet haben, haben die Nase vorn. Aber sie sollten doch nicht bestraft werden; die anderen müssen nachziehen und sollten das Lamentieren bleiben lassen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Zum Thema Öffnungszeiten von Kindergärten will ich kurz sagen: Ich finde, das ist sehr zwiespältig und sehr problematisch; denn es heißt ja in letzter Konsequenz nichts anderes, als daß sich die Kinder dem Arbeitsalltag anpassen müssen. Eigentlich sollte sich
    der Arbeitsalltag den Kindern, den Frauen mit Kindern und den Familien anpassen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Eine Kinderbetreuung bis zum sechsten Lebensjahr ist wunderschön. Aber es wird alles nichts nützen, wenn bei uns die Ganztagsschule nicht zur Regelangebotsschule wird. Ansonsten gucken die Mütter wieder in die Röhre.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    In der jüngeren Vergangenheit wurde einiges auf den Weg gebracht. Die Anerkennung von drei Kindererziehungsjahren im Rentenrecht für ab 1992 geborene Kinder wurde schon genannt. Ich ärgere mich übrigens sehr darüber, daß dieses immer als „versicherungsfremde Leistung" apostrophiert wird. Das mag ja technisch richtig sein, aber psychologisch ist es mit Sicherheit falsch.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

    Denn wenn keine Kinder erzogen würden, dann würde dieses ganze wunderbare System zusammenbrechen. Es gehören nämlich zwei dazu, die Beitragszahler und die Kinder. Ob das wirklich eine versicherungsfremde Leistung ist, das möchten wir doch einmal in Frage stellen.
    Eine „Geburtenprämie" — ich will darauf nur kurz eingehen -- in Form eines Begrüßungsgeldes von 1 000 DM, so wie sie Herr Stolpe in Brandenburg vorschlägt, halte ich für eine Luftnummer. Das ist keine Familienförderung, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der F.D.P. und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Das ist die Gießkanne. Sie ist sehr teuer. Das kann man nur mit neuen Steuern finanzieren. Im übrigen ist das billig und durchsichtig.
    Die Probleme beginnen später. Junge Mütter, die aus wohlerwogenen Gründen zu Hause bleiben, machen die bittere Erfahrung, daß sie später als 40jährige keinen Arbeitsplatz mehr finden. Ihre Kompetenz, die sie in der Familienarbeit erworben haben, fällt unter den Tisch. Das hat zur Folge, daß wir — was wiederum auch positiv ist — sehr viele Existenzgründerinnen haben. Sie tun das nicht nur, weil sie Chefs werden wollen, sondern auch, weil sie keinen Job mehr bekommen.
    Familienpolitik bliebe unvollständig, wenn sie sich nicht auch den hier lebenden ausländischen Familien widmen würde. Ausländische Familien sind in vielen Fällen Stiefkinder der Familienpolitik, und das, obwohl heute bereits mehr als dreiviertel der ausländischen Wohnbevölkerung in Familien bei uns leben — anders als am Beginn der Gastarbeiterzeit. Häufig gibt es bei ihnen Schwierigkeiten beim Ehegatten- und Familiennachzug. Die Bildungs- und Wohnsituation ist oft ungünstig. Die Arbeitslosigkeit ist über-



    Cornelia Schmalz-Jacobsen
    durchschnittlich hoch. Der Aufenthaltsstatus ist oft zu unsicher und erschwert damit die Lebensplanung. Von der Ungleichbehandlung in Gesetzen und bei deren Anwendung ganz zu schweigen.
    Der grundgesetzlich garantierte Schutz von Ehe und Familie beschränkt sich aber keineswegs nur auf deutsche Ehen und deutsche Familien.

    (Beifall bei der F.D.P. und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

    Ich kündige für die F.D.P. an, daß dieser Punkt bei der in der Koalition vereinbarten Novellierung des Ausländergesetzes eine hohe Priorität haben wird.
    Ausländische Familien sind eine Realität, binationale Ehen ebenfalls. Der Herr Bundeskanzler hat bei der Benennung der neuen Familienministerin ziemlich wörtlich gesagt, daß sich die Lebenswirklichkeit junger Frauen von heute am Kabinettstisch wiederfinden sollte. Wohl denn! Zu dieser Lebenswirklichkeit gehört es auch, daß jede zehnte junge Ehe in der Bundesrepublik eine binationale Ehe ist. Machen wir es doch diesen Leuten endlich ein bißchen leichter.

    (Beifall bei der F.D.P., der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ein Gespräch mit dem Verband binationaler Familien ist hier sehr empfehlenswert. Achten wir die Würde dieser Familien! Vielleicht können wir auch ein bißchen von dem Zusammenhalt dieser Familien lernen.

    (Beifall bei der F.D.P. und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Ich möchte, weil Sie das von mir vielleicht auch erwarten, drei Worte zur Kinderstaatszugehörigkeit sagen. Sie wissen, daß die Ausländerbeauftragten der Länder, ob sie nun der CDU, der F.D.P. oder der SPD angehören, gesagt haben: Das reicht nicht, das ist halbherzig, das ist zuwenig.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. — Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Ich sage das auch. Aber das ist jetzt die Situation.
    Ich habe aber etwas dagegen, wenn hier total abgelehnt wird, wenn gesagt wird: Es ist schlimmer als gar nichts, es ist ganz fürchterlich. Die, die das sagen, setzen sich nämlich dem Verdacht aus, daß es ihnen ums Prinzip und nicht um die Kinder geht.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU — Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    — Doch!
    Ich bin ja gar nicht glücklich darüber. Nur, ich bin gegen diesen Justament-Standpunkt. Denn für die Erleichterung im Alltag dieser Kinder macht es eben doch etwas aus. Die Reisen werden möglich, die ein großes Kümmernis für Schulen, die ein Kümmernis für Sportverbände waren.

    (Widerspruch bei der SPD)

    — Ich weiß, das gefällt Ihnen nicht. Aber wir müssen jetzt sehen, was wir aus dieser Regelung machen.

    (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    — Sie müssen mich in diesem Punkt gar nicht „anmachen". Aber ich bin gegen Fundamentalopposition, wo immer und aus welcher Richtung sie auch kommt.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Ich komme zum Schluß, meine Kollegen und Kolleginnen. Eine glaubwürdige Familien- und Frauenpolitik ist selbstverständlich auch die Grundvoraussetzung für eine sinnvolle Senioren- und Jugendpolitik. Wir sollten uns davor hüten, das in Kästchen zu tun. Diese Teilbereiche der Politik müssen sehr eng miteinander verzahnt sein, wie das inzwischen ja auch durch das Ministerium angelegt ist. Diese Bereiche müssen sich zu einer umfassenden Gesellschaftspolitik zusammenfügen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Kollegin Christina Schenk.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Christina Schenk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Dürftigkeit der Koalitionsvereinbarung ist nun schon in nahezu allen Punkten konstatiert worden. Ich muß sagen, daß es in den Bereichen Frauen und Familie besonders deutlich wird. Da heißt es in der Koalitionsvereinbarung:
    Die Koalition wird weiter aktiv — weiter aktiv! — für gleiche Rechte und gleiche Chancen für Frauen im gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben eintreten.
    Ich meine, das ist nichts als blanke Blasphemie. Der Ausdruck „weiter aktiv " soll Kontinuität vorspiegeln. Ich frage mich nur: Kontinuität wovon? Es gab schon in der letzten Legislaturperiode nichts, was auch nur annähernd in den Verdacht hätte kommen können, wirklich eine Politik der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Gesellschaft zu sein. Ich erinnere hier nur an das Gleichberechtigungsgesetz, das in der vergangenen Legislaturperiode verabschiedet worden ist und das das Papier nicht wert ist, auf dem es steht. Frauen als Thema emanzipatorischer Politik kommen bei dieser Bundesregierung nicht vor, wie überhaupt, meine ich, emanzipatorische Politik bei dieser Bundesregierung nicht vorkommt.
    Ich habe mir die Koalitionsvereinbarung mit besonderer Aufmerksamkeit in bezug auf die die Frauen betreffenden arbeitsmarktpolitischen Vorstellungen angesehen. Dabei stelle ich fest, daß als ein entscheidendes Instrumentarium zur Bewältigung des Arbeitsmarktdesasters, von dem Frauen besonders betroffen sind — ich erinnere daran, daß die Arbeitslosenquote von Frauen im Osten doppelt so hoch ist wie die der Männer —, der Bundesregierung nichts anderes einfällt als die Fortsetzung der Teilzeitoffensive. Diese Teilzeitoffensive ist bereits in der letzten Legislaturperiode heftig kritisiert worden. Sie wurde



    Christina Schenk
    zum einen deshalb kritisiert, weil sie, solange sie nicht mit einer entschiedenen Antidiskriminierungspolitik verbunden ist, den Status von Frauen als Dazuverdienenden zementiert, weil sie, zumindest in der herkömmlichen Form, nicht existenzsichernd ist und weil sie damit auf die Ehe als Versorgungsinstitution rekurriert und so das damit verbundene Armutsrisiko Frauen zuteilt, zum anderen deshalb, weil sie das Vereinbarkeitsproblem weiter als ein ausschließlich weibliches definiert.
    Auch die Absicht der Bundesregierung, die Arbeitgeberfunktion privater Haushalte zu stärken und das auch noch als großangelegtes Beschäftigungsprogramm für Frauen zu verkaufen, ist eine Unverschämtheit.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Frauen als Putz- und Kinderfrau im eigenen und auch noch im Teilzeitjob im Haushalt des Nachbarn, das ist die Antwort der Bundesregierung auf die Tatsache, daß in Deutschland fast 2 Millionen in der Regel gut qualifizierte Frauen — da rechne ich die stille Reserve noch .nicht einmal mit — einen Arbeitsplatz suchen.

    (Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Das ist ein Skandal!)

    Meine Damen und Herren, nach wie vor ist die sogenannte Erwerbsneigung der ostdeutschen Frauen deutlich höher als die im Westen. Nach wie vor wünschen nur etwa 3 % der Frauen im Osten ein Dasein als Hausfrau. Man kann es in Anbetracht der konservativen Mehrheit in diesem Haus nicht oft genug betonen: Frauen im Osten und — das möchte ich dazusagen — zunehmend auch im Westen erheben den Anspruch auf eine qualifizierte Erwerbstätigkeit, auf ein Einkommen, mit dem sie ihre Existenz eigenständig sichern können. Ich meine, das ist eine Frage der Menschenwürde und der Humanität einer Gesellschaft.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Die Umsetzung dieses Anspruchs erfordert entschlossenes Handeln in zwei Richtungen: einmal in der Beziehung, daß es um die Umverteilung von Arbeitsplätzen gehen muß, und zum anderen, daß es um die Schaffung von Arbeitsplätzen gehen muß. Beides muß Aufgabe von Bundespolitik sein. Von beidem lese ich in der Koalitionsvereinbarung nichts Ernsthaftes.
    Ich meine, die Herstellung einer wirklichen Chancengleichheit von Frauen und Männern im Bereich der Erwerbsarbeit ist ohne eine Antidiskriminierungspolitik, die Männern und Frauen einen gleichberechtigten Zugang zu den vorhandenen Ausbildungs- und Erwerbsarbeitsplätzen sichert, nicht denkbar. Darüber hinaus muß endlich auch die Wirtschaftspolitik zur Kenntnis nehmen, daß sie bislang eben nicht geschlechtsneutrale Wirkungen zeitigt und daß es deshalb erforderlich ist, die Frage der Chancengleichheit von Frauen und Männern in den Zielgrößenkatalog von Wirtschaftspolitik zu integrieren. Wir werden dazu parlamentarische Initiativen einbringen.
    Viel Pathos wird bemüht, wenn es in der Koalitionsvereinbarung um Familie und um Kinder geht. „Kinder sind unsere Zukunft" , heißt es da. Die Gegenwart, meine Damen und Herren, ist eine andere. Heute leben in der Bundesrepublik Deutschland bereits mehr als eine Million Kinder von Sozialhilfe. In den ostdeutschen Bundesländern werden im Vergleich zu 1988 gegenwärtig nur noch ein Drittel der Kinder geboren. Dieser dramatische Geburtenrückgang, der, wie Experten festgestellt haben, in der überlieferten Menschheitsgeschichte singulär ist, ist die individuelle Reaktion von Frauen in Ostdeutschland auf die Kinder- und Frauenfeindlichkeit dieser Gesellschaft. Das ist — darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen—kein monetäres Problem. Insofern wird ein veränderter Familienlasten- oder Familienleistungsausgleich — oder wie auch immer man das nennen will — oder auch eine Gebärprämie von 1 000 DM oder so etwas daran nichts Wesentliches ändern.
    Auch von der Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz ist in der Koalitionsvereinbarung nichts zu lesen, ebensowenig davon, wie die Ausgrenzungen, die Frauen allein auf Grund ihrer Gebärfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt erfahren und hinnehmen müssen, bekämpft werden könnten.
    Ich meine, es ist symptomatisch, daß sich im Abschnitt Frauenpolitik, der in der Koalitionsvereinbarung lediglich als Unterpunkt der Familienpolitik vorkommt, keine Aussagen zum Selbstbestimmungsrecht von Frauen finden. Daher möchte ich noch einmal an das erinnern, was hier auf der Tagesordnung steht: Es geht um die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs, und zwar in einer Weise, die die noch verbliebenen Spielräume, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil gelassen hat, voll ausschöpft. Wenn ich dann sehe, daß eine katholische Fundamentalistin zur Ministerin in diesem Bereich gemacht worden ist, bin ich skeptisch, was unsere Möglichkeiten in diesem Parlament anbelangt. Lassen wir es darauf ankommen.

    (Beifall bei der PDS und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Die zweite Sache, um die es mir geht: Es muß eine Änderung des Strafgesetzbuches in der Weise stattfinden, daß endlich auch die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt wird.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Es muß ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für ausländische Ehefrauen geschaffen werden, und es muß die Verfolgung wegen des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung als Asylgrund anerkannt werden.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich meine generell, daß in dieser Gesellschaft darüber nachgedacht werden muß, wie insbesondere für Frauen die Möglichkeiten verbessert werden können, tatsächlich zu eigenen Lebensentwürfen zu kommen und diese auch umzusetzen. Lesbische Frauen können ein Lied davon singen, wie schwer es ist, zu einer eigenen Identität in dieser Gesellschaft zu kommen.



    Christina Schenk
    Der Bundesregierung liegen eine klare Analyse der Situation von Frauen und entsprechende Schlußfolgerungen vor. Es ist ja nicht so, daß man hier sagen könnte, man wüßte von nichts. In Vorbereitung auf die 4. Weltfrauenkonferenz in Peking haben zahlreiche Vertreterinnen nichtstaatlicher Organisationen einen umfassenden Bericht zur Situation der Frauen in der Bundesrepublik erarbeitet. Ursprünglich sollte dieser Bericht gemeinsam mit dem Regierungsbericht bei der Weltfrauenkonferenz eingereicht werden. Das wurde nun von der Bundesregierung abgesagt. Der Grund ist klar: Das, was die Vertreterinnen der NGOs dort erarbeitet haben, erschüttert das Selbstbild der Bundesregierung gerade in dem Punkt, den wir hier behandeln, offenbar nachhaltig.
    Ein letztes: Die Zusammenlegung des Ministeriums für Frauen und Jugend mit dem für Familie und Senioren zeigt, daß die Bundesregierung auch von der strukturellen Seite her jeden Anspruch auf eine eigenständige Frauenpolitik aufgegeben hat. „Frau" ist nur noch das Etikett in einem Ministerium, das Frauen nicht als eigenständige Subjekte, sondern nur als Objekte familienpolitischer Maßnahmen wahrnimmt.
    Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie kündigen in der Koalitionsvereinbarung eine grundlegende politische Erneuerung an, präsentieren jedoch in Ihrem Regierungsprogramm nur den sattsam bekannten Mangel an Intelligenz und Kreativität. Ich kann mich daher nur dem hier an dieser Stelle schon oft zum Ausdruck gebrachten Wunsch anschließen, daß diese Stümperei nicht volle vier Jahre so weitergeht.
    Danke.

    (Beifall bei der PDS und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)