Rede:
ID1300615000

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. jetzt: 1
    5. die: 1
    6. Kollegin: 1
    7. Cornelia: 1
    8. Schmalz-Jacobsen.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/6 Deutscher Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. November 1994 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 157 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen (Drucksache 13/ 34) 157A Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Einsetzung von Ausschüssen (Drucksache 13/35) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Petra Bläss, Manfred Müller, weiterer Abgeordneter und der PDS: Einsetzung von Ausschüssen (Drucksache 13/33) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einrichtung eines Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (Drucksache 13/ 36) 157B Tagesordnungspunkt: Regierungserklärung des Bundeskanzlers (Fortsetzung der Aussprache) Gerhard Schröder, Ministerpräsident (Niedersachsen) 157 D Michael Glos CDU/CSU 163B Margareta Wolf-Mayer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 168C Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 170B Dr. Christa Luft PDS 176A Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU 177D Rudolf Dreßler SPD 180C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 184A Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 186C Dr. Gisela Babel F D P. 188B Dr. Heidi Knake-Werner PDS 190 D Anke Fuchs (Köln) SPD 192B Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 193A, 195A, 219C Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . 193B, 195B Ernst Hinsken CDU/CSU 194B Dr. Günter Rexrodt F.D.P 196B Otto Schily SPD 197A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 197D Rudolf Dreßler SPD . . . 198C, 199A, 256B Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . 199C Jörg Tauss SPD 200D, 249B, 250A Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 201 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 203 A Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 204 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU 206A Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 208D Birgit Homburger F D P 210C Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 212A II Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. November 1994 Jochen Borchert, Bundesminister BML . 213C Horst Sielaff SPD 215A Dr. Gerald Thalheim SPD 215D Egon Susset CDU/CSU 216C Dr. Christa Luft PDS 216D Namentliche Abstimmung 217 C Ergebnis 221 C Ulla Schmidt (Aachen) SPD 217D Waltraud Schoppe BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 218D Michael Glos CDU/CSU 221 A Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 224 A Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 226 C Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . . 228 D Christina Schenk PDS 231 C Maria Eichhorn CDU/CSU 233B Christel Hanewinckel SPD 234 D Walter Link (Diepholz) CDU/CSU . . 237 D Ortrun Schätzle CDU/CSU 238 D Ulla Schmidt (Aachen) SPD 240A Ilse Falk CDU/CSU . . . . . . . . . 241 A Klaus Kirschner SPD 243 A Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 246C Peter Dreßen SPD 247D Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 251A Dr. Dieter Thomae F D P. 252 C Klaus Kirschner SPD 253 C Dr. Ruth Fuchs PDS 254 A Wolfgang Friedrich Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 255 A Dr. Ruth Fuchs PDS 255 B Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 256 A Nächste Sitzung 257 C Berichtigung 257 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 258* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christina Schenk (PDS) zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 13/35: Einsetzung von Ausschüssen (Zusatztagesordnungspunkt 2) 258* B Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. November 1994 157 6. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. November 1994 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung Plenarprotokoll 13/5, Seite 149B, letzter Absatz: In der zweiten Zeile ist statt „ Verführer' " „Verschwörer" zu lesen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beucher, Friedhelm SPD 24.11.94 Julius Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 24.11.94 Dr. Eid-Simon, Ursula BÜNDNIS 24.11.94 90/DIE GRÜNEN Graf (Friesoythe), Günter SPD 24.11.94 Frhr. von Hammerstein, CDU/CSU 24.11.94 Carl-Detlev Hasenfratz, Klaus SPD 24.11.94 Dr. Höll, Barbara PDS 24.11.94 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 24.11.94 Labsch, Werner SPD 24.11.94 Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 24.11.94 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 24.11.94 Erich Meckel, Markus SPD 24.11.94 Neumann (Gotha), SPD 24.11.94 Gerhard Nickels, Christa BÜNDNIS 24.11.94 90/DIE GRÜNEN Saibold, Hannelore BÜNDNIS 24.11.94 90/DIE GRÜNEN Schumann, Ilse SPD 24.11.94 Vergin, Siegfried SPD 24.11.94 Volmer, Ludger BÜNDNIS 24.11.94 90/DIE GRÜNEN Vosen, Josef SPD 24.11.94 Wallow, Hans SPD 24.11.94 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 24.11.94 Wieczorek (Duisburg), SPD 24.11.94 Helmut Dr. Zöpel, Christoph SPD 24.11.94 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christina Schenk (PDS) zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 13/35: Einsetzung von Ausschüssen (Zusatztagesordnungspunkt 2) Abg. Christina Schenk (PDS): Ich werde gegen den genannten Antrag stimmen, insbesondere weil ich mich gegen die Zusammenlegung der Ausschüsse Frauen und Jugend einerseits und Familie und Senioren andererseits aussprechen möchte. In der Praxis der Bundesrepublik Deutschland ist die Gleichstellung von Frau und Mann trotz der Verankerung des Gleichberechtigungsgrundsatzes im Grundgesetz noch immer nicht verwirklicht. Nach wie vor bestehen hinsichtlich der sozialen Stellung, in bezug auf die soziale Sicherung und hinsichtlich der Chancen von Frauen und Männern im Beruf, im politischen Leben, in Bildung und Ausbildung und in der Familie sowie hinsichtlich der Möglichkeit, zu selbstbestimmten Lebensentwürfen zu kommen und diese auch umzusetzen, gravierende Ungleichheiten. Eine wachsende Frauenerwerbslosigkeit in Ost und West, die deutliche Zunahme von Gewalttaten gegen Frauen und nicht zuletzt die Negierung des Rechts auf selbstbestimmte Schwangerschaft durch das Bundesverfassungsgericht zeigen sogar einen deutlichen Trend zur Verschlechterung der Lage der Frauen. Um die Selbstbestimmung und Gleichstellung der Frauen gegenüber den gefestigten patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft besser durchzusetzen, ist auf Bundesebene eine Politik erforderlich, die die Frage der Gleichstellung oder besser: Chancengleichheit von Frau und Mann in all en Politikfeldern behandelt. Eine solche Politik ist jedoch nur umsetzbar, wenn es in der Regierung und natürlich auch im Parlament eine strukturelle Grundlage dafür gibt. Daher fordert die PDS hier an dieser Stelle die Einsetzung eines Ausschusses des Bundestages für die Gleichstellung der Geschlechter. Dieser Ausschuß sollte, wie bereits angedeutet, im Querschnitt zu allen anderen Ausschüssen des Bundestages tätig werden und deshalb auch in die Arbeit aller anderen Ausschüsse einbezogen werden und in diesen Mitspracherecht haben. Die Einordnung der Gleichstellungsproblematik in die Fragen, die die Situation von Kindern, Jugendlichen und Senioren betreffen, wird weder ihrer Komplexität noch ihrem Umfang gerecht. Ich werde daher die vorgeschlagene Zusammenlegung der Ausschüsse ablehnen, und ich verbinde das mit der Bitte um Zustimmung zu unserem Antrag auf Einrichtung eines Ausschusses für Gleichstellungsfragen auf Drucksache 13/33.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Rita Grießhaber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Nolte! Die frauenpolitische Landschaft ändert sich langsam, aber unaufhaltsam. Wir sind bekanntlich die Partei, die als allererste die Quote eingeführt hat.

    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ihr müßt demnächst die Männerquote einführen!)

    Das Ergebnis dieser Quote können Sie hier sehen: Unsere Fraktion hat den höchsten Frauenanteil aller Fraktionen und besteht zu fast 60 % aus Frauen.
    Jetzt hat diese Diskussion auch die CDU eingeholt. Selbst der Bundeskanzler — auch wenn er mir jetzt den Rücken zudreht — und sein Generalsekretär können sich den Zeichen der Zeit nicht mehr verschließen. Etwas Angst vor der eigenen Courage haben sie ja wohl doch; denn sie nennen ihr halbherziges Vorgehen ganz vorsichtig und verschämt Quorum. Immerhin ist es schon einmal etwas.
    Die Beweggründe für den Schwenk in der Union liegen aber wohl weniger in der Hinwendung zu einer neuen qualitativen Frauenpolitik. Ich glaube, das Motiv ist viel schlichter: die Unzufriedenheit der Frauen in den eigenen Reihen und das Ausbleiben der jungen Wählerinnen. Aus diesem Grund haben wir jetzt auch die neue Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die rein formal sogar eine vierfache Quote erfüllt: jung, Frau, Mutter und aus den neuen Bundesländern.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und klug!)

    Es wird sich zeigen, ob mehr hinter dem PR-Gag steckt. Was ich allerdings bis jetzt von Ihnen, Frau Nolte, insbesondere zum § 218 gehört habe, macht mich im höchsten Maße skeptisch. Die Diskussion um die Abtreibung ist sicherlich, wie Sie richtig benannt haben, mit sehr starken Emotionen verbunden. Nun hat der Bundeskanzler in einem Fernsehinterview behauptet, daß Sie, Frau Nolte, in dieser Frage eine eigene persönliche Meinung hätten. Wenn es nur das wäre, wären die öffentlichen Wogen der Entrüstung nicht so hoch gegangen. Aber daß Sie mit genau dieser Einstellung Frauenministerin dieses Landes



    Rita Grießhaber
    geworden sind, gibt Ihrer angeblich privaten persönlichen Meinung wohl ein ganz anderes Gewicht.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Daran nehmen vor allem auch die Frauen in den neuen Bundesländern Anstoß, denn gerade dort vertreten Sie eine Minderheitenmeinung, die reichlich exotisch ist.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Frauen wird für ihre Lebensplanung eine Menge abverlangt. Sie haben sich, je nach Bedarf, sehr flexibel bewegt. Sie sind zum großen Teil aus der traditionellen Frauenrolle ausgebrochen, in Schule und Beruf schneiden sie vielfach besser ab als die Männer, und viele sind für einen hohen persönlichen Preis in Männerdomänen eingebrochen. Die Verantwortung, die Frauen in Familie und Beruf tragen, ist groß. Aber eine ganz grundlegende Frage ihres Lebens sollen sie nicht frei entscheiden dürfen, nämlich die, ob sie mit Kindern leben wollen oder können. Das Selbstbestimmungsrecht wird uns Frauen mehrheitlich von Männern abgesprochen. Uns wird die Unfähigkeit zu einer rechtmäßigen eigenverantwortlichen Entscheidung unterstellt.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Wir werden sicher in anderen Debatten noch ausführlicher über den § 218 sprechen, aber zwei Punkte möchte ich noch benennen, auf die Sie auch nicht eingegangen sind. Wer wirklich Schwangerschaftsabbrüche verhindern will — und das beteuern alle hier —, muß zum einen sehr viel mehr tun für eine umfassende Aufklärung über Verhütung, Sexualität und Familienplanung, muß auch mehr tun für die Zugänglichkeit von sicheren und unschädlichen Verhütungsmitteln. Zum anderen muß eine Politik gemacht werden, die das Leben mit Kindern, mit alten Menschen, mit Kranken und Pflegebedürftigen aktiv fördert, statt nur davon zu reden.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Von konservativer Seite werden der Werteverfall dieser Gesellschaft, die Höhe der Scheidungsrate, die mangelnde Wärme in der Familie und der Geburtenrückgang oft beklagt. In den neuen Bundesländern — ich glaube, es wird Ihnen nicht entgangen sein — liegt der Geburtenrückgang seit 1989, territorial unterschiedlich, bei 50 bis 70 %. Die ostdeutschen Frauen verweigern sich gleichsam im zivilen Ungehorsam. Sie verzichten auf den eigenen Kinderwunsch und greifen sogar immer öfter zum Mittel der Sterilisation, um nur ganz sicher zu gehen. Diese selbstzerstörerische Tendenz finde ich in höchstem Maße alarmierend. Frau Nolte, sorgen Sie sich weniger um die Moral, reagieren Sie auf den Hilfeschrei der Frauen aus dem Osten!

    (Beifall beim BÜNDIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Herr Bundeskanzler, Sie nannten die Familie in Ihrer Regierungserklärung den Ort, an dem über die Zukunft entschieden werde. Nun hilft es nicht, die
    Leistungen, die die Familien für die Gesellschaft erbringen, und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu beschwören. Was zählt, sind Taten. Doch gerade die familienpolitische Bilanz nach 12 Jahren konservativ-liberaler Regierung ist dürftig.
    Sogar das Bundesverfassungsgericht bescheinigt der Bundesregierung, daß sie in 12 Jahren nicht in der Lage war, den Familien zumindest das Existenzminimum zu garantieren, das die Sozialhilfe Kindern zubilligt. Der Finanzminister wird vom Verfassungsgericht gezwungen, etwas zu tun. Dutzende von Experten haben Modelle vorgelegt. Die Regierung ist längst am Zug.
    Noch immer sieht die Realität für viele Frauen so aus, daß sie unfreiwillig ihre Erwerbstätigkeit aufgeben müssen, wenn sie Mütter werden. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung — ich finde, mit ganz neuen und ungewohnten Tönen — familienfreundliche Arbeitszeiten gefordert. Wir sind sehr gespannt, ob er diese Forderung auch an die Wirtschaft richten wird, wenn es um den Standort Deutschland geht. Es ist die Frage, ob sein Kabinett bereit sein wird, die gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechend zu verändern, oder ob es nur eine billige Sprechblase war.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird von der Koalition immer noch als Frauenthema behandelt. Es ist aber nur deswegen ein Frauenthema, weil die Männer die Verantwortung von sich schieben. Auch hier im Parlament ist der Ort, wo gefragt werden muß: Sind Vätern ihre Kinder nicht viel mehr Zeit und Kraft wert? Nur 1,4 % der Väter lassen sich für die Erziehung ihrer Kinder beurlauben. Wir werden um eine Änderung des Geschlechterverhältnisses noch sehr viel streiten müssen. Wir werden auch Anreize schaffen müssen, damit sich Väter für die Erziehung freistellen lassen. Sie, meine Herren von der Koalition, wissen ja aus eigener Erfahrung um die Bedeutung des Geldes.
    Warum aber müssen immer die Frauen für die Verbesserung der Rahmenbedingungen kämpfen? Sollten die Herren dieses Thema zu ihrem vordringlichen Anliegen machen, statt es wie bisher zu blockieren, hätte das Problem endlich den Stellenwert, den es in der Rhetorik der Regierungserklärung hatte.

    (Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Wie wenig Erziehungsarbeit wert ist, bekommt frau noch einmal bei der Rentenrechnung quittiert. Wer nicht versicherungspflichtig teilzeitarbeitet, um Zeit für die Kinder zu haben, bekommt weder die Erziehungszeit noch aus dieser Erwerbsarbeit eine Rente angerechnet. In der letzten Legislaturperiode wurde eine Entschließung des Bundestages zur Verbesserung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten verabschiedet. In der neuen Legislaturperiode ist das Problem noch immer ungelöst. Jetzt soll erneut geprüft werden.
    Wenn wir vom Thema Familie reden, möchte ich einen Punkt nicht außer acht lassen: Für viele Frauen

    Rita Grießhaber
    und Kinder, Frau Nolte, ist Familie auch ein Ort der Gewalt. Ich weiß nicht, ob Sie das mit dem lutherischen Zitat von dem Unsegen gemeint haben und warum Sie es nicht ausgesprochen haben. Jedenfalls ist es so, daß Frauenhäuser für mißhandelte Ehefrauen sowie Beratungsstellen für mißbrauchte Kinder großen Zulauf haben. Sie zeigen den dringenden Bedarf an einer Politik, die mit Verunsicherung, Angst und Gewalt anders umgehen muß — nicht nur bei Jugendlichen, auch bei Männern.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS)

    Das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Frauen ist nicht gewährleistet. Schnelle, kompetente und unbürokratische Hilfe für Opfer ist leider noch nicht selbstverständlich. Daß Zufluchtstätten für Frauen erstritten wurden, ist ein Fortschritt. Daß aber die Frauen mit ihren Kindern für ihre Sicherheit mit dem Verlust der Wohnung bezahlen müssen, das darf nicht so bleiben.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

    Zu welch extremen Formen die materielle Abhängigkeit von Frauen führen kann, zeigt das Geschäft mit der Not osteuropäischer Frauen. Viele von ihnen landen als Prostituierte in deutschen Bordellen. Diese Tatsache wie auch die Tatsache, daß junge Mädchen und Kinder in Südostasien von deutschen Sextouristen mißbraucht werden, paßt nicht in das Erscheinungsbild, das die Bundesregierung nach außen vermitteln will. Deswegen hat sich auch Frau Merkel nicht getraut, an den offiziellen Bericht über die Lage der Frauen in Deutschland für die Weltfrauenkonferenz den Bericht der nichtstaatlichen Organisationen, wie versprochen, anzuhängen.
    Hier war viel von der Zukunft die Rede. Wenn wir sehen, daß 50 000 Kinder in dieser reichen Republik in Notunterkünften, Obdachlosenheimen und auf der Straße leben und immer mehr Kinder in Haushalten aufwachsen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, dann ist das kein gutes Zeichen für die Zukunft. Über 30 % aller Sozialhilfeempfänger sind unter 18 Jahren. Das ist kein Problem von Drückebergern, sondern ein gesellschaftlicher Skandal.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS)

    Junge Menschen brauchen mehr als die Erfahrung, daß Geld und Ellenbogen nützlich sind. Sie müssen das hier schon oft zitierte Wort Solidarität tatsächlich real erfahren. Junge Frauen und Mädchen brauchen die Erfahrung, daß ihnen die Welt sichtlich offensteht. Am glaubwürdigsten und direktesten erleben sie das durch entsprechende Vorbilder.
    Die Finanzierungsspielräume werden enger. Alle beklagen das, und alle weisen darauf hin, wenn es ums Sparen geht. Die Rede vom sparsamen und schlanken Staat, sie ist in aller Munde. Wir stehen dafür, daß bei dieser Diät nicht die Frauenbelange weggehungert werden.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Kosteneinsparungen sind etwas anderes als Leistungsabbau. Eine Debatte über das Anders und Besser, nicht über das Weniger oder Mehr ist hier gefragt, meine Damen und Herren.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Wo die Quotierung nicht mehr greift, weil es keine Neueinstellungen, sondern Entlassungen gibt, müssen Arbeitsstrukturen auch im Interesse der Frauen geändert werden. Dies ist ohne allgemeine Arbeitszeitverkürzung in möglichst großen Schritten nicht zu verwirklichen. Nur wenn vorhandene Arbeit auf mehr Schultern verteilt wird, können Fraueninteressen im Arbeitsleben erfolgreicher eingebracht werden.
    Wenn der Kuchen, der zu verteilen ist, schrumpft, geht es nicht um das größte Stück für die Frauen. Es geht darum, die satten Mäuler nicht zusätzlich zu stopfen und diesen Kuchen nach einem ganz neuen Rezept zu backen, so daß Frauen und Männer wirklich gleiche Chancen haben. Ich denke, grüne Frauenpolitik ist eine geeignete Hilfe dafür.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Nun hat der Bundeskanzler auch davon gesprochen, daß wir statt von der Risikogesellschaft von der Chancengesellschaft reden sollten. Ich will das gerne aufgreifen und fordere Sie auf: Schaffen Sie bessere Chancen für ein Leben mit Kindern auch dadurch, daß Familien in allen Formen, nicht aber die Ehe steuerlich begünstigt wird.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Die Familie braucht keine moralische Aufrüstung, sondern finanzielle und soziale Unterstützung. Familienpolitik muß dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung tragen, indem sie auf die Bedürfnisse der Frauen eingeht. Dies ist nur möglich, wenn es gelingt, moderne sozialpolitische Konzepte umzusetzen, die individuelle Freiheit und gesellschaftliche Verantwortung für beide Geschlechter ganz neu verknüpfen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat jetzt die Kollegin Cornelia Schmalz-Jacobsen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Cornelia Schmalz-Jacobsen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Kollegen und Kolleginnen! Das Erfreuliche an dieser Debatte für die Frauen, die hier ringsherum sitzen, ist, daß sie gewiß vieles von dem, was Frauen aus anderen Fraktionen gesagt haben, unterschreiben können. Das Erbitternde an dieser Debatte ist, daß mir vieles bekannt vorkommt, weil wir ähnlich schon vor 20 Jahren geredet haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der SPD und der PDS)

    Die Familienpolitik ist nicht ohne Grund ein zentraler Bestandteil in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und F.D.P.; denn trotz der vielfältigen Anstrengungen der jeweiligen Bundesregierungen in



    Cornelia Schmalz-Jacobsen
    der Vergangenheit — ich schließe alle ein — fällt die familienpolitische Bilanz immer noch recht zwiespältig und in vielem ernüchternd aus. Es ist der ehemaligen Familienministerin, Frau Hannelore Rönsch, zu danken, daß sie die Familienpolitik immer wieder thematisiert hat und daß sie zäh drangeblieben ist. Dafür bin ich ihr dankbar.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Der neuen Familienministerin wünsche ich eine glückliche Hand, Durchsetzungsvermögen,

    (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Kompetenz!)

    Ausdauer und die Zähigkeit, die dieser Politikbereich offenbar in ganz besonderem Maße braucht.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sehen wir uns die Realitäten an, meine Kollegen und Kolleginnen: Es ist weder in der ehemaligen DDR noch in der heutigen Bundesrepublik annähernd gelungen, Familienfreundlichkeit zum übergeordneten Qualitätsmerkmal unserer Gesellschaft zu machen. Schon die Vorstellungen darüber, was Familienfreundlichkeit eigentlich bedeutet, gehen weit auseinander: Für die einen bedeutet es, daß vom Staat möglichst viel abgenommen wird. Für einige andere bedeutet es, daß es reine Privatsache ist, in die sich niemand einzumischen hat.
    Der Fünfte Familienbericht drückt es kraß, aber, wie ich finde, zutreffend aus. Er spricht nämlich von einer „strukturellen Rücksichtslosigkeit der Gesellschaft gegenüber den Familien". Damit können nicht nur Staat und Politik gemeint sein. Das betrifft die Wirtschaft, die Gewerkschaften, die Kirchen, die Wohlfahrtsverbände, Vereine, Bildungsinstitutionen, Medien; sie alle sind in der Pflicht sowie auch jeder einzelne von uns.
    Die Stellung der Familie bemißt sich nicht allein nach dem Grad ihrer finanziellen Entlastung, sondern vor allem auch danach, wieweit es gelingt, Strukturen zu schaffen, die der Familie Vorrang einräumen, anstatt sie zu benachteiligen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Hier sind in diesen Tagen schon Stichworte dazu gefallen, wie die „Arbeitswelt" oder die „Kinderbetreuung". Das ist vor allen Dingen für Frauen immer noch ein Drahtseilakt. Es kann einen wahnsinnig machen, daß es so schrecklich langsam geht.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich denke, es sind immer noch die gleichen Forderungen wie diejenigen, die ich vor vielen Jahren stellte, als meine Kinder noch klein waren.
    Familienpolitik muß frei von Scheuklappen sein; denn es nützt nichts, wenn wir hier von Wunschvorstellungen ausgehen. Natürlich ist die Familie von den tiefgreifenden Veränderungen berührt, mit denen wir heute leben. Die heile Bilderbuchfamilie ist wohl ohnehin eher eine Erfindung, als daß sie die Wirklichkeit unserer Großelterngeneration gewesen ist.
    Junge Frauen entscheiden sich heute zunächst — wie auch anders? — für eine berufliche Tätigkeit,
    und dann werden Überlegungen zum Familienleben angestellt. Anschließend versuchen Sie, beides miteinander in Einklang zu bringen. Männer haben damit wenig Probleme. Für sie war es doch immer schon so: zuerst der Beruf und dann die Familie.
    Die Frauen stoßen auf eine Vielzahl von Fragen und Problemen; das wissen wir. Dazu gehören natürlich auch materielle Probleme, die zu bisher unbekannten Abhängigkeiten in einer Partnerschaft führen.
    Familienpolitik ist eine Gratwanderung, weil wir entscheiden müssen: Wann trifft die Überschrift „Privatangelegenheit" zu, und wann sind Antworten und Regelungen von der Politik gefordert?
    Antworten brauchen die vielen Alleinerziehenden, die es weiß Gott schwer haben. Aber ich möchte hier einmal sagen: Wir dürfen nicht in den Fehler verfallen, nicht auch an die „ganz normale Familie" zu denken. Es ist nämlich ein Irrtum, zu glauben, daß sie bei uns eine aussterbende Art sei und daß sie mehr und mehr an Bedeutung verlöre.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    80 % aller Kinder leben mit beiden leiblichen Eltern zusammen, und unter allen Familienformen in Deutschland machen über 80 % die klassischen Zweielternfamilien aus.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das soll man auch nie vergessen!)

    — Ja, das muß man einmal sagen; auch die brauchen nämlich Antworten.
    Ebensowenig stimmt es, daß immer weniger junge Paare heute heiraten wollen und sich Kinder wünschen. Wenn man dem Familienbericht Glauben schenkt, dann ist eher ein gegenteiliger Trend zu beobachten.
    Die Entscheidung für Kinder wird heute natürlich sehr bewußt getroffen; wenn es ratsam erscheint, wird diese Entscheidung vertagt. Da machen sich eben negative Erfahrungen, wie sie im Zweifel befreundete Familien im Alltag erleben, auch negativ bemerkbar. Das hat etwas mit der schwierigen Situation am Arbeits- und auch am Wohnungsmarkt zu tun.
    Eine Untersuchung, die mich besonders berührt hat, sagt aus: Bei einer Befragung von 20jährigen jungen Frauen, bei denen der Kinderwunsch ziemlich groß war, wurde die Zahl der Kinder weit höher angegeben als bei einer gleichen Befragung derselben Frauen zehn Jahre später. Da ist der große Wunsch weg; da hat die Lebenswirklichkeit zugeschlagen.

    (Beifall der Abg. Dr. Gisela Babel [F.D.P.])

    Die Koalition hat sich in der Familienpolitik einiges vorgenommen, um wichtigen Forderungen, wie sie auch der Familienbericht enthält, gerecht zu werden. Zu den Verbesserungen, die wir uns vorgenommen haben, zählt auch eine systematische Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Mütter und Väter. Das haben auch andere immer wieder gesagt. Ich betone: Das „und" ist dabei besonders wichtig. Denn Erziehungsurlaub, Teilzeitarbeit, Dreifachbelastung durch Kindererziehung, Haushalt und



    Cornelia Schmalz-Jacobsen
    Erwerbstätigkeit sind immer noch und immer wieder Frauensache.
    In der Tat dient es den Frauen, wenn es mehr Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten auch in höher qualifizierten Funktionen gibt. Und in der Tat: Es dient den Frauen, wenn es bessere Weiterbildungsangebote während der Kinderpause gibt und der Wiedereinstieg dadurch erleichert wird. Auch die finanzielle Stärkung von Alleinerziehenden hilft überwiegend Frauen. Manche dieser Vorhaben dienten den Frauen aber noch weit mehr, wenn sie auch von Männern angenommen würden. Das ist leider noch lange nicht selbstverständlich.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P., der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Es gibt in dieser Debatte immer Dinge, die man wirklich nicht mehr hören kann, weil man sie sich an den Schuhsohlen abgelaufen hat. Dazu gehört gleichsam wie ein Pawlowscher Reflex, daß dann, wenn man von Teilzeitarbeit in Führungspositionen redet, sofort gefragt wird: Wie ist das mit dem Teilzeitminister? Oder es ist vom Topmanager die Rede. Diese wirklich herausgehobenen Positionen sollten doch nicht die Meßlatte sein. Aber wie ist es denn bei der Leitung einer Kindertagesstätte? Wie ist es denn bei Führungspositionen, die weit unter der eines Ministers liegen? Da gibt es eine Menge zu ändern; dazu braucht man gar nicht so schrecklich viel Phantasie.

    (Dr. Edith Niehuis [SPD]: Dann muß man aber auch etwas tun!)

    Daß dieses „und für Väter" bei Vätern eine so geringe Akzeptanz hat, das liegt — das muß um der Gerechtigkeit willen gesagt werden — nicht nur an den Vätern, sondern das liegt vor allen Dingen an den Personalabteilungen und den Chefetagen von Unternehmen. Dort wird nämlich der Wunsch nach Teilzeitarbeit des Mannes nicht selten als Ausdruck fehlender Leistungsbereitschaft mißverstanden und womöglich sogar mit Karrierenachteilen geahndet. Ich erinnere übrigens daran, wie lange die F.D.P. schon die Neuorganisation von Arbeitszeiten und Arbeitsabläufen gefordert hat

    (Beifall bei der F.D.P.)

    und wie heftig der Widerstand von SPD und Gewerkschaften dagegen lange Zeit gewesen ist. Das scheint sich jetzt zu ändern.

    (Zuruf von der F.D.P.: Ladenschluß!)

    Stichwort: Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Die Kommunen, die das immer schon als einen wichtigen Politikbereich betrachtet haben, haben die Nase vorn. Aber sie sollten doch nicht bestraft werden; die anderen müssen nachziehen und sollten das Lamentieren bleiben lassen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Zum Thema Öffnungszeiten von Kindergärten will ich kurz sagen: Ich finde, das ist sehr zwiespältig und sehr problematisch; denn es heißt ja in letzter Konsequenz nichts anderes, als daß sich die Kinder dem Arbeitsalltag anpassen müssen. Eigentlich sollte sich
    der Arbeitsalltag den Kindern, den Frauen mit Kindern und den Familien anpassen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Eine Kinderbetreuung bis zum sechsten Lebensjahr ist wunderschön. Aber es wird alles nichts nützen, wenn bei uns die Ganztagsschule nicht zur Regelangebotsschule wird. Ansonsten gucken die Mütter wieder in die Röhre.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    In der jüngeren Vergangenheit wurde einiges auf den Weg gebracht. Die Anerkennung von drei Kindererziehungsjahren im Rentenrecht für ab 1992 geborene Kinder wurde schon genannt. Ich ärgere mich übrigens sehr darüber, daß dieses immer als „versicherungsfremde Leistung" apostrophiert wird. Das mag ja technisch richtig sein, aber psychologisch ist es mit Sicherheit falsch.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

    Denn wenn keine Kinder erzogen würden, dann würde dieses ganze wunderbare System zusammenbrechen. Es gehören nämlich zwei dazu, die Beitragszahler und die Kinder. Ob das wirklich eine versicherungsfremde Leistung ist, das möchten wir doch einmal in Frage stellen.
    Eine „Geburtenprämie" — ich will darauf nur kurz eingehen -- in Form eines Begrüßungsgeldes von 1 000 DM, so wie sie Herr Stolpe in Brandenburg vorschlägt, halte ich für eine Luftnummer. Das ist keine Familienförderung, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der F.D.P. und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Das ist die Gießkanne. Sie ist sehr teuer. Das kann man nur mit neuen Steuern finanzieren. Im übrigen ist das billig und durchsichtig.
    Die Probleme beginnen später. Junge Mütter, die aus wohlerwogenen Gründen zu Hause bleiben, machen die bittere Erfahrung, daß sie später als 40jährige keinen Arbeitsplatz mehr finden. Ihre Kompetenz, die sie in der Familienarbeit erworben haben, fällt unter den Tisch. Das hat zur Folge, daß wir — was wiederum auch positiv ist — sehr viele Existenzgründerinnen haben. Sie tun das nicht nur, weil sie Chefs werden wollen, sondern auch, weil sie keinen Job mehr bekommen.
    Familienpolitik bliebe unvollständig, wenn sie sich nicht auch den hier lebenden ausländischen Familien widmen würde. Ausländische Familien sind in vielen Fällen Stiefkinder der Familienpolitik, und das, obwohl heute bereits mehr als dreiviertel der ausländischen Wohnbevölkerung in Familien bei uns leben — anders als am Beginn der Gastarbeiterzeit. Häufig gibt es bei ihnen Schwierigkeiten beim Ehegatten- und Familiennachzug. Die Bildungs- und Wohnsituation ist oft ungünstig. Die Arbeitslosigkeit ist über-



    Cornelia Schmalz-Jacobsen
    durchschnittlich hoch. Der Aufenthaltsstatus ist oft zu unsicher und erschwert damit die Lebensplanung. Von der Ungleichbehandlung in Gesetzen und bei deren Anwendung ganz zu schweigen.
    Der grundgesetzlich garantierte Schutz von Ehe und Familie beschränkt sich aber keineswegs nur auf deutsche Ehen und deutsche Familien.

    (Beifall bei der F.D.P. und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

    Ich kündige für die F.D.P. an, daß dieser Punkt bei der in der Koalition vereinbarten Novellierung des Ausländergesetzes eine hohe Priorität haben wird.
    Ausländische Familien sind eine Realität, binationale Ehen ebenfalls. Der Herr Bundeskanzler hat bei der Benennung der neuen Familienministerin ziemlich wörtlich gesagt, daß sich die Lebenswirklichkeit junger Frauen von heute am Kabinettstisch wiederfinden sollte. Wohl denn! Zu dieser Lebenswirklichkeit gehört es auch, daß jede zehnte junge Ehe in der Bundesrepublik eine binationale Ehe ist. Machen wir es doch diesen Leuten endlich ein bißchen leichter.

    (Beifall bei der F.D.P., der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ein Gespräch mit dem Verband binationaler Familien ist hier sehr empfehlenswert. Achten wir die Würde dieser Familien! Vielleicht können wir auch ein bißchen von dem Zusammenhalt dieser Familien lernen.

    (Beifall bei der F.D.P. und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Ich möchte, weil Sie das von mir vielleicht auch erwarten, drei Worte zur Kinderstaatszugehörigkeit sagen. Sie wissen, daß die Ausländerbeauftragten der Länder, ob sie nun der CDU, der F.D.P. oder der SPD angehören, gesagt haben: Das reicht nicht, das ist halbherzig, das ist zuwenig.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. — Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Ich sage das auch. Aber das ist jetzt die Situation.
    Ich habe aber etwas dagegen, wenn hier total abgelehnt wird, wenn gesagt wird: Es ist schlimmer als gar nichts, es ist ganz fürchterlich. Die, die das sagen, setzen sich nämlich dem Verdacht aus, daß es ihnen ums Prinzip und nicht um die Kinder geht.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU — Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    — Doch!
    Ich bin ja gar nicht glücklich darüber. Nur, ich bin gegen diesen Justament-Standpunkt. Denn für die Erleichterung im Alltag dieser Kinder macht es eben doch etwas aus. Die Reisen werden möglich, die ein großes Kümmernis für Schulen, die ein Kümmernis für Sportverbände waren.

    (Widerspruch bei der SPD)

    — Ich weiß, das gefällt Ihnen nicht. Aber wir müssen jetzt sehen, was wir aus dieser Regelung machen.

    (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    — Sie müssen mich in diesem Punkt gar nicht „anmachen". Aber ich bin gegen Fundamentalopposition, wo immer und aus welcher Richtung sie auch kommt.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Ich komme zum Schluß, meine Kollegen und Kolleginnen. Eine glaubwürdige Familien- und Frauenpolitik ist selbstverständlich auch die Grundvoraussetzung für eine sinnvolle Senioren- und Jugendpolitik. Wir sollten uns davor hüten, das in Kästchen zu tun. Diese Teilbereiche der Politik müssen sehr eng miteinander verzahnt sein, wie das inzwischen ja auch durch das Ministerium angelegt ist. Diese Bereiche müssen sich zu einer umfassenden Gesellschaftspolitik zusammenfügen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)