Entschuldigung, mit keinem Wort ist davon die Rede gewesen. Sie müssen nicht immer alles absichtlich mißverstehen. Natürlich sind wir für Deregulierung; wir sind auch für Einstiegstarife. Aber wir wollen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht schutzlos stellen. Das geht nicht gegen die Gewerkschaften und die Betriebsräte, sondern nur mit den Tarifpartnern.
Das alles ist klar gesagt worden. Deswegen unterscheiden sich die Verhältnisse bei uns von den englischen.
Was wollen wir denn tun? Ich will Ihnen folgendes sagen: Die westdeutsche Arbeitslosenquote ist zwischen 1970 und 1990 in zwei Schüben angestiegen, zuerst in den Jahren 1974 und 1975 — da waren Sie an der Regierung —, sodann in den Jahren 1981 bis 1983. In diesem Zusammenhang reden wir immer von der „Sockelarbeitslosigkeit"; ein nicht sehr humaner Begriff, den wir da immer wieder verwenden. Diese Zahlen zeigen doch, daß dieses Problem für die Polemik so gut wie nichts taugt.
Vielmehr gibt es in diesem Land Arbeit; es ist eigentlich Geld da, und es sind Arbeitskräfte vorhanden. Trotzdem gibt es Arbeitslosigkeit. Jetzt geht es doch darum, daß wir versuchen müssen, alle drei Komponenten auf einen Nenner zu bringen. Natürlich ist das Wichtigste das hat Norbert Blüm gesagt —, daß wir wettbewerbsfähige Arbeitsplätze haben. Das ist richtig. Aber auf der anderen Seite muß ich doch überlegen, ob ich nicht intelligente Lösungen finde — ob Sie das „zweiten Arbeitsmarkt" oder sonstwie nennen, ist ja im Grunde genommen egal , so daß ich bei einer steigenden Zahl von Arbeitslosen auch diesen Personen die Möglichkeit der Beschäftigung gebe. Im „Übergang zum ersten Arbeitsmarkt" — oder wie Sie es nennen wollen — muß man intelligente Lösungen finden, die das ermöglichen. Das haben wir ja getan. Was wir bei der Neufassung des § 249h AFG gemacht haben, Lohnkostenzuschüsse z. B., ist doch genau das, was Sie selber gerade gesagt haben. Aus Arbeitslosengeld wird Lohnkostenzuschuß; aus Arbeitslosen werden Arbeitnehmer, die Jobs verrichten, die sonst liegenbleiben würden. Das haben wir getan.
Das z. B. ist eine vernünftige Lösung gewesen, und in dieser Richtung müssen wir weiterarbeiten.
Es handelt sich also, Herr Dreßler, nicht um ein kapitalistisches System, wie Sie es an die Wand malen. Aber wir wollen auch jenes andere System nicht. Ich bin schon aufmerksam geworden bei Ihrer Reaktion
auf die Äußerungen >Herrn Gramkes und bei vielen anderen Dingen.
Man muß sich schon, Entschuldigung, Gedanken darüber machen, was geistesgeschichtlich dahintersteckt. Wenn Gerhard Schröder erklärt, die PDS sei in manchem der SPD näher als die CDU, und wenn Egon Bahr sagt, daß diejenigen, die den Weg in die SED gegangen seien, wieder zurück zur großen Mutterpartei sollten, dann erinnert mich das an eine Überlegung, die immer wieder vorgebracht wurde, nämlich an den Traum von der Wiedervereinigung der gespaltenen Arbeiterklasse. Das ist auch damals von Ehmke in bezug auf den Eurokommunismus als Chance gesehen worden. Nur, der Arbeitnehmer und die Arbeitnehmerin in Deutschland fühlen sich nicht als Angehörige einer gespaltenen Klasse, die durch PDS und SPD wiedervereinigt werden muß, sondern sie sind Bürgerinnen und Bürger in einer freien Gesellschaft. Eines allerdings ist wahr: Wir haben zusammen mit ihnen eine soziale und wirtschaftliche Ordnung geschaffen, die die Sozialisten auf der ganzen Welt, obwohl sie 70 Jahre dazu Zeit gehabt haben, nie haben nachmachen können.