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    Plenarprotokoll 12/242 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 242. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. September 1994 Inhalt: Erinnerung an die erste Sitzung des Deutschen Bundestages 21409A Begrüßung der Präsidentin des Südtiroler Landtages, Frau Dr. Kasslatter-Mur, und ihrer Delegation 21409B Erweiterung der Tagesordnung 21486B Tagesordnungspunkt 2: a) Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1995 (Haushaltsgesetz 1995) (Drucksache 12/8000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1994 bis 1998 (Drucksache 12/8001) Hans-Ulrich Klose SPD 21409 D Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . 21417 D Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 21422 C Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . . 21426A Joseph Fischer, Staatsminister (Hessen) . 21429C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . . 21434 B Rudolf Scharping, Ministerpräsident (Rheinland-Pfalz) 21442C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . 21450D Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . . 21460 A Renate Schmidt (Nürnberg) SPD . . . . 21465A Michael Glos CDU/CSU 21465A Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU . . . . 21466A Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 21470A Wolfgang Mischnick F.D.P. . . . . . . . 21471 D Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste . . . 21473 C Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 21475B Dr. Bernhard Vogel, Ministerpräsident (Thüringen) 21477 A Brigitte Schulte (Hameln) SPD . . . 21478B Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 21480D, 21524B Ingrid Matthäus-Maier SPD 21481 D, 21489C, 21512 D Dr. Eberhard Brecht SPD 21482B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 21483 C Dr. Rudolf Karl Krause (Bonese) fraktionslos 21485A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 21487 A Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste . . . 21488C Ottmar Schreiner SPD 21491 D Julius Louven CDU/CSU . . . . . . 21492 C Dr. Reinhard Göhner CDU/CSU . . . 21493 A Hans-Gerd Strube CDU/CSU 21495B Dr. Bruno Menzel F D P 21497 B Petra Bläss PDS/Linke Liste 21499B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 21500 D Heinz-Adolf Hörsken CDU/CSU . . . 21502D Günther Heyenn SPD 21505 C Dieter-Julius Cronenberg (Arnsberg) F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 21507 A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1994 Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 21510B Klaus Riegert CDU/CSU 21514A Ingrid Matthäus-Maier SPD 21514 D Dr. Christine Bergmann, Senatorin (Berlin) 21515A Anke Fuchs (Köln) SPD . . . 21519B, 21524A Dr. Bruno Menzel F D P 21522C Hannelore Rönsch , (Wiesbaden) CDU/ CSU 21523D Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 21526B Christina Schenk fraktionslos 21528B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 21529B Dr. Peter Struck (zur GO) . . . 21530C, 21531D Joachim Hörster CDU/CSU (zur GO) . . 21530D, 21532 A Dr. Bruno Menzel F.D.P. (zur GO) . . . . 21531B Zusatztagesordnungspunkt 15: a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wohngeldsondergesetzes und des Wohngeldgesetzes (Drucksachen 12/8408, 12/8454, 12/8457) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Behandlung von Lebensmitteln mit ionisierenden Strahlen (Drucksachen 12/7574, 12/8439) Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste (Erklärung nach § 31 GO) 21486 C Nächste Sitzung 21532 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 21533* C Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 2 (Haushaltsgesetz 1995) Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . . 21533* C Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 21535* C Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 21537* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1994 21409 242. Sitzung Bonn, den 7. September 1994 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adam, Ulrich CDU/CSU 7. 9. 94 Augustin, Anneliese CDU/CSU 7. 9. 94 Dr. Blank, CDU/CSU 7. 9. 94 Joseph-Theodor Böhm (Melsungen), CDU/CSU 7. 9. 94 Wilfried Erler (Waldbrunn), CDU/CSU 7. 9. 94 Wolfgang Francke (Hamburg), CDU/CSU 7. 9. 94 Klaus Dr. Holtz, Uwe SPD 7. 9. 94 * Dr. Hornhues, Karl-Heinz CDU/CSU 7. 9. 94 Dr. Hoth, Sigrid F.D.P. 7. 9. 94 Huonker, Gunter SPD 7. 9. 94 Jelpke, Ulla PDS/Linke 7. 9. 94 Liste Kittelmann, Peter CDU/CSU 7. 9. 94 * Koppelin, Jürgen F.D.P. 7. 9. 94 Koschnick, Hans SPD 7. 9. 94 Kretkowski, Volkmar SPD 7. 9. 94 Kronberg, Heinz-Jürgen CDU/CSU 7. 9. 94 Dr. Kübler, Klaus SPD 7. 9. 94 Lehne, Klaus-Heiner CDU/CSU 7. 9. 94 Lowack, Ort-win fraktionslos 7. 9. 94 Dr. Matterne, Dietmar SPD 7. 9. 94 Meckel, Markus SPD 7. 9. 94 Dr. Meyer zu Bentrup, CDU/CSU 7. 9. 94 * Reinhard Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 7. 9. 94 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 7. 9. 94 * Müller (Wadern), CDU/CSU 7. 9. 94 Hans-Werner Müller (Zittau), Christian SPD 7. 9. 94 Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 7. 9. 94 Priebus, Rosemarie CDU/CSU 7. 9. 94 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 7. 9. 94 * Reschke, Otto SPD 7. 9. 94 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 7. 9. 94 Ingrid Schmidt (Aachen), Ursula SPD 7. 9. 94 Schmidt (Spiesen), Trudi CDU/CSU 7. 9. 94 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 7. 9. 94 Hans Peter Schwanitz, Rolf SPD 7. 9. 94 Seibel, Wilfried CDU/CSU 7. 9. 94 Dr. Soell, Hartmut SPD 7. 9. 94 * Dr. von Teichman, F.D.P. 7. 9. 94 * Cornelia Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 7. 9. 94 Dr. Ullmann, Wolfgang BÜNDNIS 7. 9. 94 90/DIE GRÜNEN Vergin, Siegfried SPD 7. 9. 94 Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 7. 9. 94 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Vosen, Josef SPD 7. 9. 94 Welt, Jochen SPD 7. 9. 94 Wolfgramm (Göttingen), F.D.P. 7. 9. 94 Torsten * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 2 (Haushaltsgesetz 1995) Volker Rühe, Bundesminister der Verteidigung: Der Verteidigungshaushalt 1995 und der 28. Finanzplan sind eine Trendwende für die Bundeswehr. Nach der Reduzierung der Verteidigungsausgaben um fünf Milliarden DM in den letzten Jahren steigt er erstmals wieder an. Mit 47,9 Milliarden DM und der Verstetigung in den nächsten Jahren haben wir eine wichtige Stabilisierung erreicht. Ab 1998 soll der Verteidigungsetat auf 48,4 Milliarden DM ansteigen. Damit hat die Bundeswehr eine klare finanzielle Perspektive und eine solide Grundlage für ihre künftige Entwicklung. Unser Haushaltsansatz und die Anstrengungen der Bundeswehr, zu sparen, umzuschichten und zu rationalisieren, schaffen vor allem auch den Spielraum für die dringend notwendigen Investitionen. Wir steigern den auf fast 20 Prozent abgesunkenen investiven Anteil in den nächsten Jahren auf 25 bis 30 Prozent. So können wir die Bundeswehr auf ihre neuen Aufgaben ausrichten, die Soldaten gut ausbilden und modern ausrüsten. Trotz der schwierigen Phase des Umbruchs und der Neuorientierung hat die Bundeswehr bei der Vollendung der innern Einheit Deutschlands eine Vorreiterrolle übernommen. Die Integration der ehemaligen Soldaten der NVA und der Aufbau der Armee der Einheit ist eine der ganz großen menschlichen und organisatorischen Leistungen der Bundeswehr. Seit vier Jahren kommen in der Bundeswehr junge Menschen aus Ost- und Westdeutschland zusammen und dienen unter gleichen Bedingungen einem gemeinsamen Ziel. Mehr als 155 000 Wehrpflichtige aus dem Osten Deutschlands haben bisher in der Bundeswehr gedient. Die allgemeine Wehrpflicht hat damit zusätzliche Bedeutung gewonnen: Die Bürger Ostdeutschlands erleben die Armee in der Demokratie und haben persönlich an ihr teil. Der Aufbau der Infrastruktur im Osten behält Vorrang. Im Jahre 1995 werden wieder über 1 Milliarde DM für die Modernisierung von Kasernen und Unterkünften in den neuen Bundesländern ausgegeben; wir fördern den Wohnungsbau erneut mit 100 Millionen DM. Trotz knapper Kassen werden zahlreiche Dienststellen in die neuen Bundesländer verlegt, auch dann, wenn dies militärisch nicht zwingend 21534* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1994 notwendig ist. Aber es ist notwendig für die Einheit, und daher machen wir es. Noch in diesem Monat wird die Schnellbootflottille von Flensburg nach Warnemünde verlegt. Das Militärgeschichtliche Forschungsamt nimmt seine Arbeit in Potsdam auf. Im Oktober wird das Jagdgeschwader 73 der Luftwaffe nach Laage in Mecklenburg-Vorpommern verlegt; dort werden dann MiG-29- und Phantom-Jagdflugzeuge in einem Verband zusammengeführt. Damit die Heeresoffizierschule in Dresden pünktlich 1998 ihren Lehrbetrieb aufnehmen kann, beginnen wir mit diesem Vorhaben noch in diesem Jahr. Die Marinetechnikschule in Stralsund, für die ich vor kurzem den Grundstein gelegt habe, ist für unsere Marine ein bedeutendes Projekt. Denn damit werden acht Schulen im Westen zu einer einzigen im Osten zusammengefaßt. Wir werden in den neuen Ländern viele zentrale Einrichtungen haben, die es nur einmal in Deutschland gibt. Es ist meine feste Überzeugung, daß nur so alle das ganze Deutschland wirklich kennenlernen und die Einheit in den Köpfen und Herzen weiter wächst. Dabei gilt aber auch, daß die Deutschen in Ost und West die unvermeidbaren Belastungen gemeinsam tragen. Die Bundeswehr ist nicht nur ein Wirtschaftsfaktor, sie muß auch üben können. Wir streben eine gerechte Verteilung der Lasten an. Und deshalb ist es unverantwortlich, wenn Ministerpräsident Scharping in dieser oder jener Region den Eindruck erweckt, gerade hier sei ein Übungsplatz oder militärischer Tiefflug nicht notwendig. Als große demokratische Nation müssen wir auch Verantwortung in der Gemeinschaft der Völker übernehmen. Frieden und Freiheit zum Nulltarif gibt es weder heute noch in der Zukunft. Wir brauchen Partner und Freunde, und wir selbst müssen verläßliche und solidarische Partner sein. Morgen verabschieden wir unsere alliierten Freunde aus Berlin. Mehr als vier Jahrzehnte haben sie mit uns zusammen die Last für die Freiheit und Sicherheit der freien Welt getragen, allen voran die amerikanischen, französischen und britischen Truppen in Berlin. Unsere Verbündeten standen mit dem Wertvollsten für unsere Freiheit ein, was eine Nation besitzt — mit ihren Menschen. Millionen verbündeter Soldaten und ihre Familien haben allein in Deutschland Frieden und Freiheit erhalten. Sie haben die deutsche Einheit möglich gemacht. Das werden wir ihnen nie vergessen. Wer selbst dauerhaften Frieden will, muß aktiv dazu beitragen, daß andere in Frieden leben können. So wie unsere Partner uns in den vergangenen Jahrzehnten unterstützt haben, müssen wir uns nun am internationalen Krisenmanagement der Vereinten Nationen, der NATO und der Westeuropäischen Union angemessen beteiligen. Mit den erfolgreichen internationalen Einsätzen in Kambodscha, in Somalia, in Sarajewo hat die Bundeswehr Flagge gezeigt für die Menschlichkeit — Einsätze, die von der großen Mehrheit unserer Bevölkerung unterstützt werden. Unsere Soldaten haben nicht nur hohes militärisches Können, sondern auch großes Einfühlungsvermögen und Hilfsbereitschaft bewiesen. Sie haben tagtäglich Menschen aus Not und Elend geholfen und gezeigt: Die Völkergemeinschaft und vor allem unsere Bündnispartner können sich auf das vereinte Deutschland verlassen. Das Urteil von Karlsruhe hat Klarheit geschaffen — zuallererst für unsere Soldaten. Das Bundesverfassungsgericht hat in allen drei Fällen des Bundeswehreinsatzes im Ausland, Somalia, AWACS und Adria, die Rechtmäßigkeit unseres Handelns festgestellt. Damit ist klar: Kein Soldat mußte je eine Aufgabe erfüllen, die gegen unsere Verfassung verstoßen hätte. Unser ganzes Land ist Gewinner dieser Entscheidung. Deutschlands Glaubwürdigkeit im Nordatlantischen Bündnis und in den Vereinten Nationen ist gewachsen. Deutschland ist jetzt politisch voll handlungsfähig. Besonders wichtig ist, daß wir nun dieselben Aufträge ausführen können wie unsere Bündnispartner. Es gibt keine Sonderrolle mehr für Deutschland. Für unsere Soldaten in der Adria und in der AWACS-Flotte der NATO zur Überwachung des Flugverbots über Bosnien gelten jetzt die gleichen Einsatzregeln wie für ihre NATO-Kameraden. Dies alles hat nichts mit militärischen Planspielen zu tun. Es geht um zutiefst politische Fragen: um unsere Bündnis- und Europafähigkeit. Und es geht darum, daß wir Deutsche die Solidarität zurückgeben können, die wir 40 Jahre lang von unseren Bündnispartnern erhalten haben und der wir Freiheit und Einheit unseres Vaterlandes verdanken. Das Karlsruher Urteil ist kein Marschbefehl für weltweite Einsätze. Für den Einsatz der Bundeswehr gibt es keinerlei Automatismus. In jedem Einzelfall wird über eine Beteiligung Deutschlands unter Abwägung unserer Wertmaßstäbe, unserer Sicherheitsinteressen, der Risiken für die Soldaten und unserer historischen Verantwortung sorgfältig neu zu entscheiden sein. Unsere Hauptverantwortung liegt in Europa und seinem näheren Umfeld. Ein Mandat der Vereinten Nationen ist für jeden Auslandseinsatz unabdingbare Voraussetzung. Wir wollen auch nie allein, sondern immer gemeinsam mit Verbündeten und Partnern handeln. Vorige Woche haben wir die letzten russischen Soldaten aus Deutschland verabschiedet. Das war ein ergreifendes Ereignis — das eigentliche Ende der Nachkriegszeit. Wer erlebt hat, welche Sympathie die russischen Soldaten für unser Land empfinden und welches Vertrauen sie in uns setzen, der weiß: Sie sind nicht mehr die sowjetische Besatzungsmacht von gestern. Die Russen gingen als Partner und Freunde. Sie haben mit großer Disziplin und mit anerkennungswerter Haltung unser Land verlassen. Der Abzug war eine logistische, organisatorische und menschliche Meisterleistung. Der Abschied in Würde war für uns kein politisches Lippenbekenntnis, sondern tägliche Praxis. Mit ihm hat eine neue Phase vertrauensvoller Beziehungen zwischen den russischen und deutschen Streitkräften begonnen, die wir gemeinsam mit unseren Verbündeten in den nächsten Jahren mit Leben füllen. Die Bundeswehr fördert die Zusammenarbeit mit vielen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1994 21535 * Übungsvorhaben. Dazu gehört die deutsch-russische Marineübung im Juni 1994 ebenso wie die mit dem russischen Verteidigungsminister verabredeten Heeresübungen 1995 in Rußland und 1996 in Deutschland. Die Bundeswehr hat auch eine wichtige Schrittmacherrolle, Polen, Ungarn und die anderen östlichen Nachbarstaaten an die westlichen Institutionen heranzuführen. Nächste Woche sind Soldaten der Bundeswehr erstmals zu einer internationalen Übung in Polen. Dabei werden mein polnischer Kollege und ich die ersten Patenschaften zwischen Verbänden der deutschen Division aus Neubrandenburg und der polnischen Division aus Stettin begründen. Nach allem, was vor 50 Jahren deutsche Truppen Polen an Leid zugefügt haben, ist es von besonderem Wert für die Versöhnung der Völker, daß gerade deutsche und polnische Soldaten heute so eng und kameradschaftlich zusammenarbeiten. Insgesamt haben wir mit Polen ein Kooperationsprogramm, das dichter ist als mit allen anderen östlichen Nachbarstaaten. Allein für das Jahr 1995 sind 70 Vorhaben geplant — vor allem auf den Feldern Ausbildung und Übungen. Für mich sind weder die Europäische Union noch die WEU noch die NATO ohne Polen denkbar. Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes geht es heute darum, die Bundeswehr auf die neuen Herausforderungen einzustellen. Die Koalition hat sich auf die Eckwerte für eine neue Bundeswehrstruktur geeinigt: Erstens. Der Friedensumfang der Bundeswehr wird künftig in einer Größenordnung von 340 000 Soldaten liegen — davon 50 000 Mann in den Krisenreaktionskräften. Die Strukturen der Streitkräfte ermöglichen es, in Krisen die international vereinbarte Höchstgrenze von 370 000 einzunehmen, beispielsweise durch Aufruf der Verfügungsbereitschaft und zusätzliche Wehrübungen, ohne damit die Rüstungskontrollbeschränkungen zu verletzen. Zweitens. Die Wehrpflicht bleibt als legitimes Kind der Demokratie Wesensmerkmal unserer Streitkräfte. Die unterschiedlichen Aufträge der Hauptverteidigungskräfte und der militärischen Grundorganisation einerseits sowie der Krisenreaktionskräfte andererseits erlauben allerdings, die Ausgestaltung der Wehrpflicht flexibel zu handhaben. Jeder Wehrpflichtige muß mindestens zehn Monate dienen — daran schließt sich eine Verfügungsbereitschaft von zwei Monaten an. In den Krisenreaktionskräften dienen Wehrpflichtige, die freiwillig mindestens zwölf Monate Dienst leisten. Drittens. Um den jungen Männern zusätzliche Flexibilität für ihre Lebensplanung zu geben, bieten wir ihnen an, freiwillig bei höherem Wehrsold länger zu dienen. Damit ergibt sich eine Spanne der Wehrdienstdauer zwischen mindestens 10 und maximal 23 Monaten. Viertens. Als Konsequenz der Verringerung des militärischen Personals kann auch der Umfang des Zivilpersonals entsprechend zurückgeführt werden —entgegen der bisherigen Zielgröße von 151 300 im Jahre 2000 auf unter 140 000 in der neuen Zielstruktur. Ich habe den Generalinspekteur der Bundeswehr beauftragt, diese Eckwerte in eine detaillierte Planung umzusetzen. Erste Grobplanungen werden mir im November vorgelegt und dann auch hier im Deutschen Bundestag diskutiert. Die Bundeswehr hat rechtliche, finanzielle und konzeptionelle Klarheit. Die Soldaten und zivilen Mitarbeiter wissen, wohin der Weg geht. Sie brauchen die breite politische Unterstützung von Parlament und Bevölkerung auf ihrem Weg in die Zukunft. Unsere Soldaten und zivilen Mitarbeiter verdienen Lob und Anerkennung für das, was sie klaglos hingenommen haben, und für das, was sie Tag für Tag im Einsatz leisten: beim Umbau der Bundeswehr, beim Aufbau der Armee der Einheit und bei ihren Hilfseinsätzen draußen in der Welt. Die Verteidigungspolitik dieser Bundesregierung erhält unsere Bündnisfähigkeit. Wir sind ein verläßlicher und wichtiger Partner für den Aufbau und die Sicherheit Europas. Und wir stellen uns der Verantwortung in der Völkergemeinschaft. Carl-Dieter Spranger, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit: Erstens. Die Förderung von wirtschaftlicher Zusammenarbeit und Entwicklung erfährt nach dem Ende des sog. Ost-West-Konflikts und der Schaffung der deutschen Einheit eine neue Bedeutung. Sie hat angesichts der zunehmenden globalen Herausforderungen und der gewachsenen Verantwortung Deutschlands an Eigenständigkeit und Gewicht zugelegt. Wenn auch der Etat des BMZ 1995 das bisher erreichte Niveau hält, so verhehle ich doch nicht, daß angesichts dieser neuen Ausgangslage deutliche Erhöhungen erforderlich und wünschenswert sind. Der Bankrott der sozialistisch/kommunistischen Parteidiktaturen im Osten und die daraus entstandene Belastung des Bundeshaushalts fordern zur Zeit zwar noch von allen Ressorts Opfer. Andererseits ist unser Bruttosozialprodukt mit der Einheit gestiegen. Dies muß sich in den nächsten Jahren auch in einer Anhebung des Entwicklungsetats niederschlagen. Entwicklungspolitik ist wesentlicher Bestandteil einer Politik der Zukunftssicherung. Dazu bedarf es ausreichender Mittel. Zweitens. Zum Jammern besteht allerdings kein Grund. Nach dem jüngsten Bericht des Entwicklungshilfeausschusses der OECD erreichten die Kapitalströme aus den Industrieländern in die Entwicklungsländer 1993 mit 160 Milliarden Dollar einen Rekordstand. Geringe Rückschritte bei der staatlichen Entwicklungshilfe wurden durch erhöhte private Kapitalflüsse mehr als wettgemacht. Hinter dieser Zahl verbirgt sich eine entwicklungspolitische Erfolgsbilanz. Sie zeigt, daß entscheidend für diese Fortschritte die internen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind. Marktwirtschaftliche Reformen, Deregulierung und Privatisierung — alles Bereiche, die das BMZ verstärkt fördert — bewirken mehr als permanente Subventionen. Sie zeigt weiter, daß die wirtschaftliche Gesundung in vielen Partnerländern Fortschritte gemacht hat. Die 21536* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1994 Länder Südostasiens und Lateinamerikas können ihren Investitionsbedarf zunehmend über den Kapitalmarkt decken. Sie sind auf dem besten Weg zu einem sich selbst tragenden Aufschwung. Der Entwicklungspolitik stellen sich somit weltweit, differenziert nach Ländern und Regionen, unterschiedliche und neue Aufgaben. In sogenannten Schwellenländern treten neben den traditionellen Vorhaben der Armutsbekämpfung und des Umweltschutzes solche des Technologietransfers und der Beratung bei politischen, wirtschaftlichen und sozialen Reformen. Bei der Förderung bietet sich an, öffentliche Mittel und Kapitalmarktmittel im Verbund einzusetzen. In Osteuropa und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion sind für den gesellschaftlichen und politischen Umbau sowie die Integration in die Weltwirtschaft Transformationshilfen gefragt. Hier ist das BMZ das Ressort mit den meisten Erfahrungen und dem geeigneten organisatorischen Unterbau. In Afrika schließlich, der Region, in der sich die Suche nach gesellschaftlicher und staatlicher Identität noch am schwierigsten gestaltet, dürfen Schreckensmeldungen nicht den Blick auf hoffnungsvolle Neuansätze und Erfolge verstellen. Die Entwicklung in der Südafrikanischen Republik, die wir in den nächsten Jahren verstärkt fördern wollen, ist dafür ein Beispiel, aber auch die Strukturanpassung in Ghana, Mali und Burkina Faso, die wir in der Entwicklungszusammenarbeit honorieren werden. Das BMZ ist nicht nur das Entwicklungsministerium. Es ist auch das Ressort für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Diese ist heute in vielen Teilen der Welt wichtiger geworden als die Entwicklungshilfe alter Prägung. Die weltpolitischen Veränderungen und entwicklungspolitischen Erfolge haben nicht zu einer Entlastung der Entwicklungspolitik geführt, sondern ihre Bandbreite und Bedeutung vergrößert. In der kommenden Legislaturperiode müssen die Weichen dafür gestellt werden, daß wir das volle Mandat, das wir in unserem Namen führen, erfüllen können. Drittens. In der vergangenen Legislaturperiode haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Deutsche Entwicklungspolitik genießt in ihrer Konzeption, ihren Inhalten und in ihren Wirkungen international hohes Ansehen. In unseren Partnerländern tragen deutsche Leistungen ein besonderes Gütesiegel. Mit ihrem Beitrag zu Stabilität, Frieden und menschlichem Fortschritt leistet unsere Entwicklungspolitik ebenso einen Beitrag zur Zukunftssicherung wie bei der Bekämpfung globaler Risiken wie Armut, Umweltzerstörung, Fluchtbewegungen und Übervölkerung. Auf der in dieser Woche stattfindenden Weltbevölkerungskonferenz in Kairo wird gewürdigt, daß Deutschland seine Leistungen für Familienplanung und Bevölkerungspolitik in dieser Legislaturperiode deutlich erhöht hat. Allein in diesem Jahr werden wir für Familienplanung und bevölkerungspolitisch relevante Maßnahmen in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Frauenförderung rund 350 Millionen DM aufwenden. In Zukunft geht es darum, der Entwicklungspolitik innerhalb der Gesamtpolitik ein größeres Gewicht zu verleihen. Der Öffentlichkeit, aber auch vielen Politikern, muß deutlich werden, daß sich Entwicklungszusammenarbeit nicht nur der Armen in der Welt annimmt. Sie greift vielmehr die zentralen Herausforderungen für das Überleben der Menschheit insgesamt auf und bereitet darüber hinaus auch in wirtschaftlicher Hinsicht das Terrain, auf dem Deutschland als Wirtschafts- und Handelsnation seinen Wohlstand und sozialen Fortschritt sichern muß. Das Ausmaß, in dem Entwicklungspolitik die Wahrnehmung auch unserer eigenen Interessen beinhaltet, gebietet es, ihr innenpolitisch einen höheren Stellenwert einzuräumen. Vor diesem Hintergrund ist der SPD-Vorschlag, das Entwicklungsministerium aufzulösen, eine Demonstration der Unfähigkeit, entwicklungspolitische Verantwortung wirksam wahrzunehmen. Deshalb steht auch nicht die Auflösung des BMZ an, sondern — im Gegenteil — die Bündelung von Zukunftsaufgaben mit einer weltweiten Dimension in diesem Ressort, das dazu bereits über die richtige Konzeption, die administrative Erfahrung, die geeigneten Durchführungsorganisationen und hervorragende Mitarbeiter und Experten verfügt. Die Entwicklungspolitik muß auch deshalb als eigenständiger Politikbereich erhalten bleiben, weil sie Handlungsmöglichkeiten eröffnet, wo die klassischen Instrumente der Außenpolitik nicht mehr greifen. Der Vorschlag der SPD setzt ein falsches Signal. Die Welt und gerade die ärmsten Entwicklungsländer erwarten, daß das vereinte Deutschland mehr Verantwortung übernimmt. Die Vorstellungen der SPD sind auch innenpolitisch bedenklich, da sie den Konsens zwischen der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit und den privaten und kirchlichen Initiativen gefährden. Sie sind ein Affront für alle Menschen, die Entwicklungspolitik zu ihrer Herzenssache gemacht haben — und dazu gehören auch die tüchtigen Mitarbeiter des BMZ und der Durchführungsorganisationen genauso wie die Tausende, die sich in Nichtregierungsorganisationen für die Menschen in den Entwicklungsländern einsetzen. Viertens. Noch ein Wort zu Ruanda: Die deutsche humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit haben zweifellos einen großen Beitrag zur Linderung der unvorstellbaren Not vieler tausend Menschen geleistet. Mit der Zahl von 245 Millionen DM, die bisher aufgewendet wurden, wird dies nur unvollkommen wiedergegeben. Am Beispiel Ruanda ist aber — wie schon vorher in Somalia — von neuem deutlich geworden, daß derartige Herausforderungen nur durch eine gemeinsame Kraftanstrengung der internationalen Staatengemeinschaft bewältigt werden können. Ein effizientes, gut koordiniertes Zusammenwirken ist dabei das vorrangige Gebot. Wir haben die Möglichkeiten der deutschen Präsidentschaft in der Europäischen Union genutzt und unter der Leitung des Parlamentarischen Staatssekretärs Repnik eine hochrangige Delegation des Rates und der Kornmission der EG in die Krisenregion entsandt, um politisches Vertrauen zu schaffen und eine umfangreiche internationale Wiederaufbauhilfe in die Wege zu leiten. Dies ist gelungen. Ich möchte daher diese Gelegenheit nutzen, um den Kollegen Repnik zum Erfolg seiner Mission zu beglückwünschen. Fünftens. Abschließend danke ich allen Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen für ihre konstruktive Unterstützung während der gesamten Legislaturperiode. In den Dank möchte ich auch die Teile der Opposition einschließen, mit denen ein zielorientiertes Zusammenwirken möglich war. Es gibt keine sinnvolle Alternative zur Entwicklungspolitik dieser Bundesregierung. Wir werden deshalb auch in den nächsten vier Jahren unseren erfolgreichen Kurs fortsetzen. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 672. Sitzung am 8. Juli 1994 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: 1. Gesetz zur abschließenden Erfüllung der verbliebenen Aufgaben der Treuhandanstalt 2. Ausführungsgesetz zu dem Basler Übereinkommen vom 22. März 1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung von Abfällen und ihrer Entsorgung (Ausführungsgesetz zum Basler Übereinkommen) 3. Drittes Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften (Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG) 4. Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte 5. Gesetz über den Bau und die Finanzierung von Bundesfemstraßen durch Private (Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz - FStrPrivFinG) 6. Beschäftigungsförderungsgesetz 1994 (BeschfG 1994) 7. Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und zur Änderung anderer Gesetze 8. Ausführungsgesetz zu dem Übereinkommen vom 13. Januar 1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (Ausführungsgesetz zum Chemiewaffenübereinkommen - CWÜAG) 9. Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung und zur Änderung von Vorschriften auf den Gebieten der Land- und Ernährungswirtschaft 10. Gesetz zur Änderung des Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG) 11. Gesetz zur Beibehaltung der Mitbestimmung beim Austausch von Anteilen und der Einbringung von Unternehmensanteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten der Europäischen Union betreffen (Mitbestimmungs-Beibehaltungsgesetz - MitbestBeiG) 12. Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts 13. Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und anderer Gesetze 14. Gesetz zur Anpassung des Apothekenrechts und berufsrechtlicher Vorschriften an das Europäische Gemeinschaftsrecht 15. Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz - MPG) 16. Gesetz über das Ausländerzentralregister (AZR-Gesetz) 17. Gesetz zur Änderung des Ölschadengesetzes 18. Gesetz zur Änderung des Patentgebührengesetzes und anderer Gesetze 19. Gesetz zur Änderung der Zugabeverordnung 20. Gesetz zur Änderung schuldrechtlicher Bestimmungen im Beitrittsgebiet (Schuldrechtsänderungsgesetz - SchuldRÄndG) 21. Gesetz zur Änderung des Schornsteinfegergesetzes 22. Achtes Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes 23. Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1995 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1995) 24. Gesetz zu dem Übereinkommen vom 15. Dezember 1992 über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE 25. Gesetz zum Umweltschutzprotokoll vom 4. Oktober 1991 zum Antarktis-Vertrag 26. Gesetz zur Ausführung des Umweltschutzprotokolls vom 4. Oktober 1991 zum Antarktis-Vertrag (Umweltschutzprotokoll-Ausführungsgesetz) 27. Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 6. November 1990 über die allgemeine Gleichwertigkeit der Studienzeiten an Universitäten 28. Gesetz zu dem Übereinkommen vom 15. Juli 1993 über den Rechtsstatus des Internationalen Suchdienstes in Arolsen 29. Gesetz zu dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (Vertragsgesetz Seerechtsübereinkommen) 30. Gesetz zu dem Abkommen vom 2. Dezember 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Namibia zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen 31. Gesetz zu den Protokollen vom 27. November 1992 zur Änderung des Internationalen Übereinkommens von 1969 über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden und zur Änderung des Internationalen Übereinkommens von 1971 über die Errichtung eines Internationalen Fonds zur Entschädigung für Ülverschmutzungsschäden 32. Gesetz zu dem Übereinkommen vom 7. November 1991 zum Schutz der Alpen (Alpenkonvention) 33. Gesetz zu dem Übereinkommen vom 17. März 1992 zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen (Gesetz zu den Übereinkommen zum Schutz grenzüberschreitender Wasserläufe) 34. Gesetz zu internationalen Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes und des Nordostatlantiks 35. Gesetz zu dem Protokoll vom 19. November 1991 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die Bekämplung von Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen oder ihres grenzüberschreitenden Flusses 36. Gesetz zu dem Übereinkommen vom 9. Februar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen 37. Gesetz zu dem Abkommen vom 18. Juni 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba über den Luftverkehr 38. Gesetz zu dem Abkommen vom 5. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Lettland über den Luftverkehr 39. Gesetz zu dem Europa-Abkommen vom 8. März 1993 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und der Republik Bulgarien 40. Gesetz zu dem Europa-Abkommen vom 1. Februar 1993 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und Rumänien 41. Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 2. Oktober 1992 über die Gemeinschaftsproduktion von Kinofilmen 42. Gesetz zu dem Übereinkommen vom 15. April 1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisation und zur Änderung anderer Gesetze 43. Gesetz zur Änderung sachenrechtlicher Bestimmungen (Sachenrechtsänderungsgesetz - SachenRÄndG) 44. Gesetz zur Änderung der Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld 45. Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI ÄndG) 46. Gesetz zur Regelung der finanziellen Voraussetzungen für die Neugliederung der Lander Berlin und Brandenburg 47. Zweites Gesetz zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (2. StUÄndG) 48. Gesetz zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes sowie sonstiger versorgungsrechtlicher Vorschriften (BeamtVGÄndG 1993) 49. Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG-Änderungsgesetz - UWGÄndG) 50. Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme der Beamten und Arbeitnehmer der Bundesanstalt für Flugsicherung 51. Gesetz zu dem Europa-Abkommen vom 4. Oktober 1993 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und der Slowakischen Republik 52. Insolvenzordnung (InsG) 53. Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung (EGInsO) 54. Gesetz zur Vermeidung von Rückständen, Verwertung von Sekundärrohstoffen und Entsorgung von Abfällen 55. Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) 56. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen und anderer Vorschriften über Kreditinstitute 57. Gesetz zur Änderung von Vorschriften der Lehrerbesoldung 58. Gesetz zur Änderung des D-Markbilanzgesetzes und anderer handelsrechtlicher Bestimmungen 59. Gesetz zu dem Abkommen vom 18. März 1993 zur Änderung des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut und zu weiteren Übereinkünften 60. Gesetz zu dem Vertrag vom 24./25. Juni 1994 über den Beitritt des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union 61. Fünftes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes 62. a) Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes b) Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz - PTNeuOG) 63. Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1994 (Bundesbesoldungsund -versorgungsanpassungsgesetz 1994 - BBVAnpG 94) 64. Gesetz zu dem Europa-Abkommen vom 4. Oktober 1993 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und der Tschechischen Republik Zu den unter Nr. 51 bis 64 aufgeführten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: Zu Nr. 51: Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zu dem EuropaAbkommen vom 4. Oktober 1993 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und der Slowakischen Republik: Der Bundesrat stellt nochmals fest, daß das Europa-Abkommen mit der Slowakischen Republik gemäß der „Lindauer Vereinbarung" erst ratifiziert werden kann, wenn sämtliche Länder ihr Einverständnis erklärt haben. Zu Nr. 52 und Nr. 53: Entschließung des Bundesrates zur Insolvenzordnung (InsG) und zum Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung (EGInsO): Der Bundesrat hält eine Novellierung des geltenden Konkursrechts zwar für wünschenswert, da dieses den Bedürfnissen der Wirtschaft und der Verbraucher nicht mehr gerecht wird. Die Umsetzung der verabschiedeten Fassung der Insolvenzrechtsreform erfordert von den Ländern jedoch zusätzliches Personal in einer Größenordnung, die ohne flankierende Hilfen nicht zu realisieren ist. Der Bundesrat bedauert es deshalb, daß die von ihm geforderte Koppelung des Inkraftsetzens der Reform an die gleichzeitige Verabschiedung von Entlastungsgesetzen im Vermittlungsausschuß abgelehnt worden ist und daß nicht einmal die Notwendigkeit tiefgreifender Entlastungsmaßnahmen im Vermittlungsergebnis zum Ausdruck kommt. Allein die Verschiebung des Inkrafttretens um zwei Jahre versetzt die Länder noch nicht in die Lage, die Reform erfolgreich umzusetzen. Wegen der mittelfristig absehbaren Finanzlage der Länder wird es auch bis 1999 ausgeschlossen sein, die Personalhaushalte der Justiz in der für diese Reform erforderlichen Größenordnung auszuweiten. Der Bundesrat hält es daher weiterhin für unverzichtbar, daß der Deutsche Bundestag rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung im Justizbereich Entlastungsmaßnahmen in einem Umfang verabschiedet, der dem durch die Reform verursachten Mehrbedarf entspricht. Andernfalls müßte die Reform 1999 zu Lasten des in anderen Rechtsbereichen eingesetzten Personals umgesetzt werden. Dann ständen z. B. für Zivil- und Strafverfahren noch weniger Richter und z. B. in Grundbuchsachen noch weniger Rechtspfleger als bisher zur Verfügung. Bei einem Scheitern der Reform, insbesondere der Verbraucherentschuldung, müßten die Erwartungen und Hoffnungen zahlreicher Schuldner enttäuscht werden. Zu Nr. 54: Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur Vermeidung von Rückständen, Verwertung von Sekundärrohstoffen und Entsorgung von Abfällen: Das Gesetz zur Vermeidung von Rückständen, Verwertung von Sekundärrohstoffen und Entsorgung von Abfällen wird für die Länder nur unter der Voraussetzung praktisch vollziehbar sein, daß zahlreiche Verordnungsermächtigungen dieses Gesetzes rechtzeitig ausgefüllt werden. So ist die vorgesehene Zielhierarchie des Gesetzes und die Produktverantwortung sowie die Überwachung der Abfallentsorgung wesentlich von einer Konkretisierung und Ausgestaltung durch Rechtsverordnungen abhängig. Auch für die Wirtschaft ist es nicht zumutbar, über einen längeren Zeitraum über die künftigen Rahmenbedingungen der Abfallvermeidung, -verwertung und -beseitigung im Ungewissen zu bleiben. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, innerhalb der nächsten drei Monate einen Maßnahmenplan vorzulegen, aus dem hervorgeht, nach welchem Zeitplan bis zum Inkrafttreten des genannten Gesetzes in zwei Jahren die erforderlichen Rechtsverordnungen vorgelegt werden sollen. Zu Nr. 55: Entschließung des Bundesrates zum Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz): 1. Der Bundesrat stellt mit Befriedigung fest, daß es im Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz gelungen ist, die auch der Zielsetzung der Länder entsprechende Erweiterung des Anlegerschutzes und die ordnungspolitische Absicherung der Funktionsfähigkeit der deutschen Wertpapierbörsen mit breiter Mehrheit der Beteiligten umzusetzen. Dies gilt auch für die Eröffnung eines Handelsverbundes unter den deutschen Börsen. Der Bundesrat hält einen funktionierenden Handelsverbund für das geeignete Instrument, Anlegerinteressen nachzukommen und die Position der regionalen Finanzplätze und damit den Finanzplatz Deutschland im Wettbewerb zu stärken. Der Handelsverbund vermag seine liquiditätsfördernde und wettbewerbsbelebende Wirkung jedoch in vollem Umfang nur zu entfalten, wenn alle Börsenplätze eingebunden sind. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1994 21539* Der Bundesrat geht dementsprechend davon aus, daß jede Börse einen funktionierenden Handelsverbund einrichtet und alle skontroführenden Makler sich beteiligen. 2. Der Bundesrat stellt fest, daß die Länder ermächtigt sind, die Kosten der Börsenaufsicht durch Landesgesetze zu regeln, in denen die Kosten der Aufsicht den zu beaufsichtigenden Börsen und Maklern auferlegt werden können. Die Kostenfrage ist im Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz bewußt nicht geregelt worden, um die Länderkompetenz zur Schaffung einer Kostenregelung nicht zu beschränken. Der Bundesrat teilt insoweit die von der Bundesregierung und dem Finanzausschuß des Deutschen Bundestages geäußerte Rechtsauffassung und verweist auf Parallelregelungen wie etwa § 101 VAG. Zu Nr. 56: Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen und anderer Vorschriften über Kreditinstitute: Der Bundesrat stellt mit Sorge eine Tendenz fest, daß materielle Regelungsinhalte von Gesetzen zunehmend über entsprechende Verordnungsermächtigungen in Rechtsverordnungen geregelt werden, bei denen eine förmliche Mitwirkung des Bundesrates insbesondere dann nicht vorgesehen ist, wenn das zugrundeliegende Gesetz nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Bundesregierung und Bundestag sind dem Wunsch des Bundesrates im Rahmen der KWG-Novelle nicht gefolgt, bei Erlaß der Rechtsverordnung nach § 22 KWG (neu) „die nach Landesrecht zuständigen obersten Landesbehörden" anzuhören, wobei das Gesetz die Anhörung der Spitzenverbände der Kreditwirtschaft vorsieht. Da in dieser Rechtsverordnung nach § 22 KWG (neu) künftig auch solche materiell-rechtlichen Fragen geregelt werden, die derzeit im KWG selbst enthalten sind, geht der Bundesrat bei seinem Beschluß, zu der KWG-Novelle den Vermittlungsausschuß nicht anzurufen, davon aus, daß das Bundesministerium der Finanzen (bzw. das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, soweit ihm die Kompetenz, die Rechtsverordnung zu erlassen, übertragen wurde) grundsätzlich die nach Landesrecht zuständigen obersten Landesbehörden bei Erlaß der Rechtsverordnung anhört, dies unabhängig von der Frage, ob bei einzelnen Regelungen die Interessen der Länder berührt sind. Zu Nr. 57: Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur Änderung von Vorschriften der Lehrerbesoldung: Der Bundesrat hält daran fest, daß die Lehrerbesoldung durch Bundesgesetz zu regeln ist. Ein Verzicht auf eine bundeseigene Regelung ist nur vertretbar, weil es sich um Übergangsrecht für auslaufende Ämter von Landesbeamten handelt, die aufgrund einer Lehrbefähigung nach dem Recht der ehemaligen DDR ausschließlich in den neuen Ländern verliehen werden können. Der Bundesrat verzichtet auch deshalb darauf, die Einberufung des Vermittlungsausschusses zu verlangen, weil nur so der überwiegenden Auffassung der neuen Länder zu dieser sie ausschließlich selbst betreffenden Frage Rechnung getragen werden kann. Der Bundesrat geht davon aus, daß die Überführung der landesrechtlich geregelten Ämter für die Lehrkräfte mit einer Lehrbefähigung nach dem Recht der ehemaligen DDR in die Ämter der Bundesbesoldungsordnung A laufbahnrechtlich zu regeln und gemäß § 13 Beamtenrechtsrahmengesetz abzustimmen ist. Durch dieses Verfahren kann gesichert werden, daß sowohl eine schnelle Regelung der Besoldung der Lehrkräfte in den neuen Ländern erreicht wird, als auch die bundeseinheitliche Anerkennung von Lehrbefähigungen durch laufbahnrechtliche Regelungen sichergestellt wird. Die Einheitlichkeit der Besoldung in Bund und Ländern kann so gewahrt bleiben. Zu Nr. 58: Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur Änderung des D-Markbilanzgesetzes und anderer handelsrechtlicher Bestimmungen: Der Bundesrat bittet die Bundesregierung klarzustellen, daß die Regelung in Artikel 1 Nr. 4 des Gesetzes, wonach die in der Eröffnungsbilanz angesetzten Werte in Folgebilanzen nicht überschritten werden dürfen, nicht als Änderung allgemein gültiger handelsrechtlicher Bilanzierungsgrundsätze zu verstehen ist. Sowohl der Wortlaut des neu eingefügten § 6 Abs. 2 Satz 3 DMBilG als auch die in BR-Drucks. 113/94 enthaltene Begründung und die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates geben Anlaß zu Mißverständnissen. Bei wörtlicher Auslegung von § 6 Abs. 2 Satz 3 DMBilG könnte die Auffassung vertreten werden, daß im Geltungsbereich des D-Markbilanzgesetzes Wertzuschreibungen, die zu einer Überschreitung der Werte laut Eröffnungsbilanz führen, in den Folgebilanzen stets unzulässig sind. Dies würde aber in Widerspruch zu allgemein gültigen handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätzen stehen. So ist kennzeichnendes Merkmal der sog. equity-Methode, daß in Folgebilanzen Wertzuschreibungen zum bisherigen Buchwert auch dann zulässig und erforderlich werden können, wenn dadurch die Anschaffungskosten bzw. der erstmalige Ansatz in einer früheren Bilanz überschritten werden (§ 312 Abs. 4 HGB). Nach allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätzen führen aber auch zum Beispiel nachträgliche Herstellungskosten aufgrund der Erweiterung eines Gebäudes dazu, daß Wertzuschreibungen zum bisherigen Bilanzansatz erforderlich sind, durch die die ursprünglichen Herstellungskosten überschritten werden. Zu Nr. 59: Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zu dem Abkommen vom 18. März 1993 zur Änderung des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut und zu weiteren Übereinkünften: 1. Der Bundesrat stellt fest, daß die Änderung des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut und die Vereinbarung für die Nutzung verschiedener militärischer Einrichtungen zu erheblichen Verbesserungen in dem Rechtsverhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland, den Ländern und den westlichen Verbündeten führen. Der Bundesrat begrüßt, daß weitgehend deutsches Recht gilt, Sonderrechte der Alliierten abgebaut wurden und eine Gleichstellung mit der Bundeswehr erfolgt ist. Doch dennoch blieben die Ergebnisse der Überprüfungsverhandlungen der Zusatzvereinbarungen zum NATO-Truppenstatut in einigen Bereichen unbefriedigend. Unbefriedigend sind insbesondere die Regelungen betreffend die Beseitigung von Umweltschäden und Altlasten, da den Entsendestaaten insoweit in Artikel 41 des Änderungsabkommens ein Haushaltsvorbehalt eingeräumt wird. Dieser Vorbehalt stellt die Stringenz ihrer Verpflichtungen insgesamt in Frage. Zudem können nach Artikel 2 Nr. 5 des Gesetzes alle bestehenden Einrichtungen der Stationierungskräfte weiterbetrieben werden, auch wenn sie deutschen Rechtsvorschriften nicht genügen. Unzureichend sind auch die vereinbarten Verbesserungen im Bereich der Mitbestimmung. Nach wie vor fehlt es hier an der aus Sicht des Bundesrates unverzichtbaren Gleichstellung der bei den Stationierungskräften Beschäftigten mit den anderen Arbeitnehmern. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung deshalb auf, in den kommenden Verhandlungen mit Nachdruck bei den Entsendestaaten auf eine Revision dieser Rechtslage hinzuwirken. 2. Bei den vom Truppenabbau betroffenen Zivilbeschäftigten verhindert die derzeit praktizierte Auslegung des § 128 AFG in vielen Fällen sinnvolle Lösungen. Die Erstattungsregelung des § 128 AFG bei vorzeitiger Ruhestandsversetzung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird von der Arbeitsverwaltung nicht den jeweiligen örtlichen und fallspezifischen Gegebenheiten entsprechend flexibel gehandhabt. Den Interessen sowohl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber Rechnung tragende Vereinbarungen über einen sozialverträglich gestalteten Personalabbau drohen zu scheitern, solange nach § 128 AFG nur Konditionen zugelassen werden, die seitens der Arbeitgeberseite nicht akzeptiert werden. Damit werden sozial abgefederte Vorruhestandsregelungen für ältere Zivilbeschäftigte behindert. Dies führt wiederum zu mehr Arbeitslosigkeit bei jüngeren Beschäftigten. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, für eine problemgerechte Anwendung des § 128 AFG zu sorgen. 21540* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1994 Zu Nr. 60: Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zu dem Vertrag vom 24./25. Juni 1994 über den Beitritt des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union: 1. Der Bundesrat begrüßt den erfolgreichen Abschluß der Erweiterungsverhandlungen der Europäischen Union (EU) mit Schweden, Finnland, Norwegen und Österreich. Das Verhandlungsergebnis trägt den Anliegen, die der Bundesrat in seiner Entschließung zur Erweiterung der Europäischen Union vom 17. Dezember 1993 — Drucksache 841/93 (Beschluß) — geäußert hat, Rechnung. 2. Der Wunsch der Beitrittsstaaten nach Mitgliedschaft in einer nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch politischen Union bestätigt die hohe Attraktivität der Europäischen Union und ihrer im Unionsvertrag eingeschlagenen Richtung. Dies beweist auch die große Zustimmung der österreichischen Bevölkerung zum EU-Beitritt am 12. Juni 1994. Der Bundesrat würde es begrüßen, wenn die Referenden in den nordischen Staaten einen ähnlich erfolgreichen Ausgang haben würden. 3. Der Bundesrat begrüßt, daß mit den Beitrittsländern Staaten der Europäischen Union beitreten, die eng mit den mittel- und osteuropäischen Staaten zusammenarbeiten und einer Öffnung der Europäischen Union nach Osten ebenso wie Deutschland aufgeschlossen gegenüberstehen. Unabdingbare Voraussetzung für jede zusätzliche Erweiterung der Europäischen Union ist jedoch die Reform nicht nur ihrer Institutionen, sondern auch ihrer Politik, vor allem der Agrar- und der Regionalpolitik. 4. Die anstehende Erweiterung der Europäischen Union um die Beitrittsstaaten gibt dem europäischen Einigungsprozeß eine neue Dynamik. Sie muß genutzt werden für eine Vertiefung, die die Voraussetzung dafür ist, daß die Europäische Union das vereinte Europa schaffen kann ohne handlungsunfähig zu werden. Zu Nr. 61: Entschließung des Bundesrates zum Fünften Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes: Die Bundesregierung wird aufgefordert, zu Beginn der kommenden Legislaturperiode Vorschläge zur Weiterentwicklung des Arzneimittelhaftungsrechtes vorzulegen. Diese sollen insbesondere zugunsten des unmittelbar oder mittelbar Geschädigten die erforderlichen Nachweiserleichterungen im Bereich der Kausalität der Arzneimittelanwendung für die Schadensentstehung enthalten, damit der Geschädigte effektiv in die Lage versetzt wird, seinen Schadensersatzanspruch mit Aussicht auf Erfolg durchzusetzen. In die Nachweiserleichterung soll auch die Probandenversicherung im Rahmen der klinischen Prüfung einbezogen werden. Die Bundesregierung soll ebenso Vorschläge erarbeiten, auf welchem Weg — etwa durch Schaffung eines Haftungsfonds — bei Fällen alternativer Kausalität oder fehlender Deckungsvorsorge eine zügige Entschädigung sichergestellt werden kann. Die Bundesregierung wird darüber hinaus aufgefordert sicherzustellen, daß durch ein Schmerzensgeld auch im Bereich der Arzneimittelgefährdungshaftung dem Geschädigten wenigstens ein gewisser Ausgleich für immaterielle Schäden gewährt wird. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Vorschläge zu den hier angeführten Themenbereichen in einer Bund-Länder-Kommission vorzustellen. Zu Nr. 62a und b: Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes und zum Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz — PTNeuOG): 1. Der Bundesrat bestätigt seine Auffassung, daß dem Ausbau einer leistungsfähigen Post- und Telekommunikationsstruktur eine überragende Bedeutung zukommt. Die Sicherstellung eines flächendekkenden, modernen und preisgünstigen Angebots von Dienstleistungen ist somit vorrangiges Ziel bei der künftigen Gestaltung des Postwesens und der Telekommunikation. Der Bundesrat begrüßt, daß die Verpflichtung des Bundes, durch hoheitliche oder sonstige Maßnahmen die Infrastruktur im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation zu sichern, nunmehr im Grundgesetz ausdrücklich festgeschrieben ist. 2. Der Bundesrat sieht auf absehbare Zeit in den DBP-Nachfolgeuntemehmen die wesentlichen Träger der Erfüllung des Infrastrukturauftrages. Er erwartet daher, daß — der Bund die Ausübung seiner Eigentümerrechte daran ausrichtet, daß die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen nachhaltig gestärkt wird; dazu gehört insbesondere, daß der Bund seine Erlöse aus Dividenden und Aktienverkäufen den Unternehmen oder den bei den Unternehmen einzurichtenden Unterstützungskassen zuführt; — der Bund unbeschadet der im Gesetz vorgesehenen Mindestgrenzen und -fristen seine Kapitalbeteiligung und damit seinen Einfluß auf die Unternehmen nur in dem Maß zurückführt, in dem sich Markt- und Wettbewerbsstrukturen entwikkeln, die die Erfüllung des Infrastrukturauftrages auch ohne eine Sonderrolle der DBP-Nachfolgeunternehmen sichert. 3. Für die flächendeckende Sicherung der postalischen Grundversorgung kommt dem untemehmenseigenen Poststellennetz besondere Bedeutung zu. Seine weitgehende Erhaltung hängt entscheidend von einem effizienten Vertriebsverbund zwischen Deutsche Post AG und Deutsche Postbank AG ab. Der Bundesrat bezweifelt, daß die zwischen diesen beiden Unternehmen geschlossene Rahmenvereinbarung diesen Schalterverbund in der gebotenen Weise sichert. Um die notwendige Kooperation und die Koordinierung einer gemeinsamen Geschäftspolitik im Schalterbereich dauerhaft und nachhaltig zu sichern, sollte der Deutsche Post AG die Möglichkeit gegeben werden, eine qualifizierte Kapitalbeteiligung an der Deutsche Postbank AG zu erwerben. 4. Die technologischen, ordnungs- und wettbewerbspolitischen Entwicklungen im nationalen und internationalen Post- und Telekommunikationswesen machen eine künftige Anpassung des ordnungspolitischen Rahmens erforderlich. Dem ist durch die Befristung des Femmeldeanlagengesetzes, des Postgesetzes und des Regulierungsgesetzes Rechnung getragen worden. Im Hinblick auf die Mitverantwortung der Länder bei der Verwirklichung des Sozialstaatsgebotes des Grundgesetzes und bei der Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet sind die Länder frühzeitig an den notwendigen Entscheidungen und Gesetzesvorhaben zu beteiligen. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, — möglichst rasch Eckwerte für die bei der Regulierung vorgesehenen Rechtsverordnungen und -entscheidungen vorzulegen; — darzulegen, mit welchen Instrumenten der Bund bei liberalisierten Märkten seinem Infrastrukturauftrag nachkommen und die daraus entstehenden Verpflichtungen finanzieren will. Zu Nr. 62b: Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz — PTNeuOG): Der Bundesrat stellt fest, daß die Postunternehmen im Jahr 1995 nicht den gleichen Steuerpflichten unterliegen wie jedes andere Privatunternehmen. Bei Aufrechterhaltung der Abführung an den Bund in 1995 in Höhe von ca. 4,4 Mrd. DM gehen den Ländern dadurch rd. 1,3 Mrd. DM und den Kommunen rd. 1,6 Mrd. DM verloren. Rechtlich bedenklich erscheint die fehlende Regelung über die Erhebung eines Entgelts für die Sondernutzung öffentlicher Verkehrswege in Form von Konzessionsabgaben. Zu Nr. 63: Entschließung des Bundesrates zum Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1994 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1994 — BBVAnpG 94): Der Bundesrat bedauert, daß der Bundestag zum wiederholten Male ein Besoldungsanpassungsgesetz mit strukturellen Änderungen befrachtet, die erhebliche Auswirkungen auf die Länder haben. Er ist der Auffassung, daß strukturelle Änderungen des Bundesbesoldungsgesetzes möglichst in einem eigenen Gesetz geregelt werden sollten. Zumindest ist es aber erforderlich, dem Bundesrat im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Der Bundesrat verzichtet nur deshalb darauf, den Vermittlungsausschuß hinsichtlich der Anhebung von Eingangsämtern im mittleren Dienst und der Erweiterung der Ämterreichweite beim Verwendungsaufstieg in den höheren Dienst anzurufen, weil er eine Verzögerung der Beschlußfassung über die Besoldungsanpassung um mehrere Monate vermeiden will. Er fordert den Bundestag aber nachdrücklich auf, Änderungen der Besoldungsstruktur in Zukunft nicht mehr ohne Stellungnahme des Bundesrates zu beschließen. Zu Nr. 64: Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zu dem EuropaAbkommen vom 4. Oktober 1993 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und der Tschechischen Republik: 1. Der Bundesrat stellt nochmals fest, daß das Europa-Abkommen mit der Tschechischen Republik gemäß der „Lindauer Vereinbarung" erst ratifiziert werden kann, wenn sämtliche Länder ihr Einverständnis erklärt haben. 2. Anläßlich der Beschlußfassung über die Gesetze zu dem EuropaAbkommen mit der Tschechischen Republik und zu anderen vergleichbaren Abkommen mit osteuropäischen Staaten weist der Bundesrat auf Artikel 42 hin, in dem geregelt ist, daß die EU-Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung ihrer Arbeitsmarktlage und vorbehaltlich ihrer Rechtsvorschriften die bestehenden Erleichterungen für den Zugang zur Beschäftigung für Arbeitnehmer, die die Mitgliedstaaten im Rahmen bilateraler Abkommen gewähren, beibehalten und nach Möglichkeit verbessern. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang erneut auf seine Entscheidung vom 18. Dezember 1992 zur Beschäftigung osteuropäischer Arbeitnehmer in der Bauwirtschaft auf der Grundlage von Werkverträgen - Drucksache 650/92 (Beschluß) -, in der der Abbau der Werkvertragsarbeitnehmer-Kontingente und die Einführung eines modifizierten Gastarbeitnehmerstatus gefordert wird. Mit der Umstellung auf Gastarbeitnehmerabkommen sollen die Mißbrauchsmöglichkeiten aus Werkvertragsarbeitnehmerabkommen verhindert und Lohndumping unterbunden werden. Die Bundesregierung wird gebeten, Initiativen zu ergreifen, um Werkvertragsarbeitnehmerabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den osteuropäischen Staaten in Gastarbeitnehmerabkommen umzuwandeln. Der Bundesrat hat in seiner 673. Sitzung am 26. August 1994 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: 65. Fünftes Gesetz zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung 66. Gesetz über die Werbung für Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung (Säuglingsnahrungswerbegesetz - SNWG) 67. Gesetz über die Errichtung einer Bundeskanzler-Willy-BrandtStiftung 68. Siebzehntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Vierzehntes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes 69. Gesetz zur Änderung des Zeitgesetzes 70. Gesetz zur Bewertung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes beim Zugewinnausgleich 71. Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Prozeßkostenhilfe (Prozeßkostenhilfeänderungsgesetz - PKHÄndG) 72. Gesetz zur Änderung des Beratungshilfegesetzes und anderer Gesetze 73. Erstes Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsunfallstatistikgesetzes 74. Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 16. Oktober 1980 über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge 75. Gesetz zu dem Abkommen vom 16. Dezember 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen 76. Gesetz zu der Vereinbarung vom 24. Juli 1992 über die Errichtung, den Bau und den Betrieb einer Urananreicherungsanlage in den Vereinigten Staaten von Amerika 77. Gesetz zu dem Übereinkommen vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen 78. Gesetz zu dem Abkommen vom 7. September 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung Seiner Majestät des Sultans und Yang Di-Pertuan von Brunei Darussalam über den Luftverkehr 79. Gesetz zu dem Abkommen vom 23. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über den Autobahnzusammenschluß im Raum Frankfurt/Oder und Schwetig 80. Gesetz zu dem Abkommen vom 5. April 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Lettland über die Seeschiffahrt 81. Gesetz zu dem Vertrag vom 22. September 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kasachstan über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen 82. Gesetz zu dem Vertrag vom 31. Oktober 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Albanien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Finanzausschuß Drucksache 12/6457 Haushaltsausschuß Drucksache 12/7515 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/7068 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 12/5470 Drucksache 12/6429 Drucksache 12/7199 EG-Ausschuß Drucksache 12/6843 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 12/7293 Nr. 3.1 Drucksache 12/7654 Nr. 3.3 Drucksache 12/7741 Nr. 2.2 Haushaltsausschuß Drucksache 12/8004 Nr. 2.2 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 12/8004 Nr. 2.6 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 12/8234 Nr. 3.11 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 12/7371 Nr. 2.14 Drucksache 12/8234 Nr. 3.12
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    Rede von Dr. Ulrich Briefs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS/LL)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS/LL)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Nähe der Wahlen,
    persönliche Einsicht oder Mitgefühl machen es möglich: Der Bundeskanzler macht sich zumindest grob mit Problemen des Arbeitsmarktes vertraut. Er hat die seit Mitte der 70er Jahre in der BRD diskutierte Sockelarbeitslosigkeit entdeckt. Dies ist im übrigen ein Begriff aus dem Wörterbuch jener Arbeitsmarkttechnokraten im wissenschaftlichen Bereich, die ihr Entstehen eigentlich ebenfalls dem dauerhaften Verlust der Vollbeschäftigung Mitte der 70er Jahre verdanken.
    Aber der Bundeskanzler hat recht: Diese Sockelarbeitslosigkeit — bleiben wir bei diesem Begriff — wird von Krise zu Krise höher. Sie betrug etwa 1 Million Arbeitskräfte nach der Krise 1975, sie betrug etwa 2 Millionen nach der Krise 1981/82, und sie wird voraussichtlich 3 bis 4 Millionen Arbeitskräfte nach der jetzigen Krise betragen. Und was wird nach der nächsten Krise und der übernächsten?
    Wenn aber jemand annimmt, der Bundeskanzler würde diesen dramatischen Befund mit seinen verheerenden sozialen und politischen Folgen mit umfassenden Konzepten und energischen Maßnahmen beantworten, dann täuscht er sich. Fehlanzeige! Ich denke, wenn es nach dem 16. Oktober bei diesem Bundeskanzler bliebe, würde dieser entscheidende Aspekt der Arbeitsmarktpolitik schnell wieder aus der politischen Debatte verschwinden.
    Wie konnte es aber nach über 15 Jahren Voll- und zum Teil Überbeschäftigung — das war die Zeit von 1955 bis 1973 — in der Bundesrepublik überhaupt zu dieser Entwicklung kommen? Die Erklärung mit Lohnkosten greift zu kurz. Es hat auch in Zeiten der Vollbeschäftigung hohe und zum Teil — im internationalen Vergleich — Spitzenlöhne gegeben. Die Tarifverträge sind heute zum Teil löchriger als in den 60er Jahren. Bei der Lohnstückkostenentwicklung, also bei der Steigerung der Lohnstückkosten — das ist ja nun sattsam bekannt — liegt die BRD im schlechtesten Fall im Mittelfeld, häufig sogar im unteren Bereich.
    Der entscheidende Grund liegt ganz woanders. Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre hat sich die Struktur der Volkswirtschaft in Westdeutschland grundlegend geändert. Im größten Investitionsboom der Nachkriegszeit nach der ersten größeren Krise in Westdeutschland wurden riesige moderne Kapazitäten geschaffen, die größtenteils, etwa in der Stahlindustrie, schnell zu Überkapazitäten wurden. Die Verkäufermärkte wurden zu Käufermärkten. Die Wirtschaft antwortete auf die von ihr selbst geschaffenen Bedingungen konsequent mit verschärfter technischer und organisatorischer Rationalisierung, mit Direktinvestitionen im Ausland und mit Betriebszusammenschlüssen und versuchte dadurch eben die von ihr selbst geschaffenen Überkapazitäten und die dadurch bedingten Kosten der Unterauslastung dieser modernen Kapazitäten aufzufangen.
    Alles das kostete weitere Arbeitsplätze; die Konsumnachfrage als größter Block der effektiven Nachfrage stagnierte folglich. Das wiederum kostete weitere Arbeitsplätze und schuf weitere Stagnationstendenzen, auf die wieder mit Rationalisierung, Abbau von Arbeitsplätzen usw. geantwortet wurde.



    Dr. Ulrich Briefs
    Es begann der Abbau von Vollarbeitsstellen, von betrieblichen Sozialleistungen. Die Lohndrift ging zurück, also die Spanne zwischen Effektivlöhnen und Tariflöhnen. Später sanken — um das als Beispiel zu erwähnen — die Abfindungen auf Grund von Sozialplänen usw. bei Betriebsstillegungen, Massenentlassungen usw. usf.
    Zug um Zug damit verschärften sich die betrieblichen Rationalisierungsbemühungen. Neue Konzepte wie systemische Rationalisierung, Gemeinkostenrationalisierung usw. wurden entwickelt und praktiziert.
    Nebenher schnellte auch die Zahl der Konkurse dauerhaft in die Höhe. Allein dadurch entsteht ein Verlust von jährlich 200 000 bis 400 000 Arbeitsplätzen. Sie waren und sind aber nicht Folge zu hoher Lohn- und Lohnnebenkosten, sondern sie sind Folge fehlender Aufträge bei hochgradig überbesetzten Märkten und Überkapazitäten.
    Das ist auch heute noch die Situation, ja, sie ist sogar noch schwieriger geworden. Allein seit 1989 sind weit über 1 000 Milliarden DM in neue Maschinen, in Gegenstände der Betriebs- und Geschäftsausstattung usw. investiert worden. In hohem Maße waren diese Investitionen Rationalisierungsinvestitionen.
    Der Wiedervereinigungsboom der Jahre 1990/91 hat zum Aufbau zusätzlicher moderner Kapazitäten und Überkapazitäten geführt. Der Osten ist gleichzeitig über die Treuhandanstalt — das wissen wir nun — systematisch deindustrialisiert worden. Es muß zumindest der Verdacht naheliegen, daß das etwas mit den riesigen Überkapazitäten, die insbesondere nach acht Jahren Aufschwung und Wiedervereinigungsboom im Westen existierten, zu tun hatte.
    Abschließend, Herr Präsident, noch ein Wort zur Technik der Zukunft. Es ist zumindest problematisch, von dieser Seite durchgreifende Verbesserungen bei der sogenannten Sockelarbeitslosigkeit zu erwarten. Viele der neuen Technologien, z. B. im Bereich der Informations- und Kommunikationstechniken, stellen überwiegend — das muß man einfach sehen — Verfahrensinnovationen dar, nur zum kleineren Teil dagegen Produktinnovationen.
    Nicht umsonst suchen gegenwärtig Hersteller, aber auch z. B. die EU nach neuen Märkten, beispielsweise für ISDN-Anwendungen oder die sogenannten — das ist ein bißchen ein Phantasiewort — Cyberspace-Anwendungen, was immer das ist. Gemeinsamer Nenner der weitaus meisten dieser und anderer neuer Technologien ist die Verringerung der Zeit zur Erbringung einer bestimmten Leistung oder die Erhöhung der Leistung bei konstantem oder sinkendem Zeitbedarf. Mit neuen Technologien wird in diesem Zusammenhang der faktische Abbau gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit, ein säkularer Prozeß, gnadenlos weitergetrieben.
    Die wichtigste, die entscheidende Antwort auf diese strukturellen Bedingungen in der Volkswirtschaft und auf die neuen Technologien ist daher vor allem eine systematische Politik der weiteren Arbeitszeitverkürzung: die 35-Stunden-Woche, die 30-StundenWoche und auf lange, sehr lange Sicht sogar noch erheblich darunter — eine Herausforderung erster
    Ordnung an die Sozialparteien, aber auch an den Staat.


Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Kollege Briefs!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ulrich Briefs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS/LL)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS/LL)

    Herr Präsident, ich fürchte nur, dieser Bundeskanzler und diese Bundesregierung sind damit heillos überfordert. Der Bundeskanzler befindet sich trotz seiner neuerlichen Wahrnehmung der Sockelarbeitslosigkeit auf dem völlig falschen Weg, wenn er fordert, mehr und länger zu arbeiten, statt die Arbeitszeit je Beschäftigten zu verkürzen.
    Herr Präsident, ich danke für die Geduld.