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    Plenarprotokoll 12/239 Deutscher Stenographischer Bericht 239. Sitzung zugleich 671. Sitzung des Bundesrates Berlin, Freitag, den 1. Juli 1994 Inhalt: Eidesleistung des Bundespräsidenten gemäß Artikel 56 Grundgesetz Ansprache der Präsidentin des Deutschen Bundestages 21147 A Ansprache des scheidenden Bundespräsidenten Dr. Richard von Weizsäcker . . . 21149B Eidesleistung des Bundespräsidenten . . 21153C Ansprache des Bundespräsidenten Dr. Ro- man Herzog . . . . . . . . . . . . . . 21153D Ansprache des Präsidenten des Bundes- rates 21159B Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 21163* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 239. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 1994 21147 239. Sitzung zugleich 671. Sitzung des Bundesrates Berlin, den 1. Juli 1994 Beginn: 9.33 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 1. 7. 94* Dr. Blank, Joseph-Theodor CDU/CSU 1. 7. 94 Böhm (Melsungen), Wilfried CDU/CSU 1. 7. 94* Dr. Böhme (Unna), Ulrich SPD 1. 7. 94 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 1. 7. 94* Burchardt, Ulla SPD 1. 7. 94 Daubertshäuser, Klaus SPD 1. 7. 94 Dr. Enkelmann, Dagmar PDS/Linke Liste 1. 7. 94 Dr. Fischer, Ursula PDS/Linke Liste 1. 7. 94* Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 1. 7. 94 Fuchs (Verl), Katrin SPD 1. 7. 94 Fuhrmann, Arne SPD 1. 7. 94 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 1. 7. 94 Großmann, Achim SPD 1. 7. 94 Grünbeck, Josef F.D.P. 1. 7. 94 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 1. 7. 94 I iller (Lübeck), Reinhold SPD 1. 7. 94 Hinsken, Ernst CDU/CSU 1. 7. 94 Horn, Erwin SPD 1. 7. 94 Dr. Hornhues, Karl-Heinz CDU/CSU 1. 7. 94 Dr. Hoth, Sigrid F.D.P. 1. 7. 94 Jaffke, Susanne CDU/CSU 1. 7. 94 Koschnick, Hans SPD 1. 7. 94 Dr. Krause (Bonese) Rudolf Karl fraktionslos 1. 7. 94 Dr. Lehr, Ursula CDU/CSU 1. 7. 94 Leidinger, Robert SPD 1. 7. 94 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Löwisch, Sigrun CDU/CSU 1. 7. 94 Louven, Julius CDU/CSU 1. 7. 94 Dr. Matterne, Dietmar SPD 1. 7. 94 Möllemann, Jürgen, W. F.D.P. 1. 7. 94 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 1. 7. 94 Müller (Pleisweiler) Albrecht SPD 1. 7. 94 Niggemeier, Horst SPD 1. 7. 94 Ostertag, Adolf SPD 1. 7. 94 Otto (Frankfurt), Hans-Joachim F.D.P. 1. 7. 94 Paterna, Peter SPD 1. 7. 94 Dr. Pfaff, Martin SPD 1. 7. 94 Pfuhl, Albert SPD 1. 7. 94* Dr. Probst, Albert CDU/CSU 1. 7. 94* Purps, Rudolf SPD 1. 7. 94 Reuschenbach, Peter W. SPD 1. 7. 94 Dr. Scheer, Hermann SPD 1. 7. 94* Scheu, Gerhard CDU/CSU 1. 7. 94 Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dieter CDU/CSU 1. 7. 94 Simm, Erika SPD 1. 7. 94 Stiegler, Ludwig SPD 1. 7. 94 Dr. von Teichman, Cornelia F.D.P. 1. 7. 94 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 1. 7. 94 Thierse, Wolfgang SPD 1. 7. 94 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 1. 7. 94 Wohlrabe, .Jürgen CDU/CSU 1. 7. 94 Wolfgramm (Göttingen), Torsten F.D.P. 1. 7. 94* Würfel, Uta F.D.P. 1. 7. 94 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Frau Präsidentin des Deutschen Bundestages! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Auf den Tag genau 45 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes wurde zum zehntenmal das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Mit der heutigen Eidesleistung wechselt zum sechstenmal der Inhaber des höchsten Amtes in unserem Staat. Dieser Vorgang steht für die Erfolgsgeschichte unserer jungen deutschen Demokratie. Er wäre glückvolle Routine, würde heute nicht der erste Bundespräsident seine Amtszeit beginnen,
    der von den Volksvertreterinnen und Volksvertretern aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und dem Ostteil Berlins mitgewählt wurde.
    Ihre zweite Amtsperiode, verehrter Herr Dr. von Weizsäcker, begann kurz vor dem bedeutsamsten und zugleich bewegendsten Teil der deutschen Nachkriegsgeschichte. Der Fall der Mauer hier in Berlin, der Stadt, der Sie als Regierender Bürgermeister selbst einige Jahre an vorderster Stelle gedient haben, bedeutete nicht nur das Ende der DDR, sondern auch der Bundesrepublik, wie sie bis dahin bestand. Seit dem 3. Oktober 1990 waren Sie auch Präsident der Deutschen in den neuen Ländern. Diesen Gliedern unseres Bundesstaates und ihren Bürgerinnen und Bürgern haben Sie fortan einen Großteil Ihrer Kraft und Ihrer Zeit gewidmet. Von Anfang an haben Sie die großartigen Chancen der deutschen Einheit herausgestellt und haben damit Mut gemacht. Sie haben aber auch die in der Vergangenheit wurzelnden und die in der Gegenwart entstehenden Probleme bei der Vollendung der deutschen Einheit offen angesprochen und damit einen wichtigen Beitrag zur notwendigen nüchternen Analyse unserer Situation geleistet.
    Zum Verhältnis aller Deutschen zueinander haben Sie in Ihrer Dankesrede zur Verleihung des Heine-Preises 1991 einen wichtigen Satz gesagt, den ich hier zitieren möchte:
    Versöhnung unter Menschen kann ohne Wahrheit nicht gelingen. Wahrheit ohne Aussicht auf Versöhnung aber ist unmenschlich.

    (Beifall)

    Meine Damen und Herren, das Amt des Bundespräsidenten ist mit eng begrenzten Kompetenzen ausgestattet. Eine Präsidialdiktatur, wie sie am Ende der Weimarer Republik entstanden war, sollte nach dem Willen der Mütter und Väter unseres Grundgesetzes im Ansatz ausgeschlossen werden. Die Mitwirkung der Länder sollte gestärkt werden. Mit der Verteilung der Gewichte auf die Verfassungsorgane ist die Bundesrepublik bisher gut gefahren.
    Der Föderalismus, der durch die Vielfalt und Vielgestaltigkeit seiner Glieder, durch die Wahrnehmung unterschiedlicher wirtschaftlicher Funktionen und durch unterschiedliche landsmannschaftliche Traditionen lebendig ist, vermittelt nicht nur Wir-Gefühl und stiftet Identität. Er sorgt zugleich dafür, daß die für ein Gemeinwesen notwendige Erfahrung von Zusammengehörigkeit außerhalb Deutschlands nicht als Bedrohung empfunden wird. Ein vielgestaltiger Föderalismus und sein Beitrag zur Verteilung staatlicher Macht ist ein Garant dafür, daß das vereinte Deutschland der Zukunft nicht das Deutschland der Vergangenheit sein wird.

    (Vereinzelter Beifall)

    Er ist damit ein maßgeblicher Beitrag zur Vertrauensbildung bei unseren europäischen Nachbarn, mit denen wir zu einer Union zusammenwachsen wollen.
    Ein demokratisches Staatswesen mit einem so vielgestaltigen Verfassungsaufbau und Institutionenge-



    Präsident des Bundesrates Klaus Wedemeier
    füge braucht eine symbolische Klammer. Als solche hat das Amt des Bundespräsidenten von Anfang an gewirkt. Ihm wurde Gewicht verliehen durch die Persönlichkeiten, die es ausgefüllt haben, jede auf ihre charakteristische Weise, jede zum Wohle unseres Volkes und unseres Staates.
    Die wirkungsvollste Aufgabe des Bundespräsidenten wird in der Verfassung nicht erwähnt: die öffentliche Rede. Richard von Weizsäcker ist ein Mann des Wortes. Er hat die Fähigkeit bewiesen, auf den Punkt zu bringen, was Sache ist. Er hat damit im Inneren die öffentliche Diskussion immer wieder auf ein höheres Niveau gehoben und ihr Klarheit und Richtung gegeben. Nach außen hat er dadurch das Ansehen Deutschlands gemehrt. Der Einfluß des Wortes auf historische Prozesse ist schwer zu bestimmen. Dennoch bin ich sicher: Die in zwanzig Sprachen übersetzte Rede zum 8. Mai 1985 in der Sie, verehrter Herr von Weizsäcker, die bedingungslose Kapitulation Nazi-Deutschlands auch aus deutscher Sicht als „Tag der Befreiung" und als „Ende eines Irrweges deutscher Geschichte" bezeichnet haben, war ein Schlußstein im Fundament des Vertrauens, das Europa und die Welt der Bundesrepublik entgegenbrachten und das die deutsche Vereinigung in Frieden und Freiheit zuließ.

    (Beifall)

    Dieses Vertrauen darf nicht erschüttert werden. Aus Fremdenhaß und Menschenverachtung hervorgehende Morde, Brandanschläge, Überfälle und Hetzattacken sind jedoch erst in zweiter Linie unter dem Gesichtspunkt ihrer außenpolitischen Wirkung zu bewerten. Die Humanität und unser Rechtsstaat stehen auf dem Spiel. Das ist der Kern der Bedrohung, die von Gewalttaten gegen ausländische und auch jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger ausgeht, neben dem unfaßlichen Leid, das sie über die Betroffenen und ihre Angehörigen bringen.
    Schon Gustav Heinemann hat darauf hingewiesen, daß es in Art. 1 Satz 1 des Grundgesetzes nicht heißt: „Die Würde des Deutschen ", sondern: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Der Rechtsstaat ist unteilbar. Er hat allen Menschen in seinem Geltungsbereich ohne Ansehen der Person, ihrer sozialen Position, ihrer Herkunft, Staats- oder Religionszugehörigkeit gleichermaßen Schutz zu gewähren. Er hat ebenfalls ohne Unterschied jeden Menschen, der die rechtlich fixierten Regeln unseres Zusammenlebens mißachtet, zu verfolgen und zu bestrafen. Die Gesetze reichen aus; sie müssen nur konsequent angewendet werden.

    (Beifall)

    Herr Dr. von Weizsäcker, Sie haben Ihre persönliche Autorität auch mit kritischen Äußerungen in die Waagschale geworfen. Ihre Anmerkungen zu einem Problemfeld, das der damalige Präsident des Bundesrates, der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß, anläßlich Ihrer Eidesleistung als Bundespräsident vor genau zehn Jahren bereits mit dem Begriff „Politikverdrossenheit" benannt hatte, waren durchaus umstritten. In einer Ihrer Reden sprachen Sie einmal von der „Heilsamkeit des Streits". In diesem
    Sinne ist es für die Demokratie förderlich, wenn auch der oberste Repräsentant des Staates ein in der Bevölkerung weit verbreitetes Unbehagen aufgreift und formuliert. Schließlich sind die politischen Systeme des sowjetischen Machtbereichs nicht zuletzt auch an der Irrealität ihrer politischen Kommunikation gescheitert, an der ritualisierten Leugnung der für alle greifbaren Probleme. Der mutige Eingriff des Bundespräsidenten in die öffentliche Diskussion um Gefährdungen und Fehlentwicklungen unserer Parteiendemokratie hat allein schon der Verdrossenheit entgegengewirkt und hat den Streit nach einer anfänglichen Verstärkung ganz wesentlich in eine heilsame Richtung befördert.
    Sehr geehrter Herr Dr. von Weizsäcker, Sie haben die Bundesrepublik Deutschland nach außen wie innen mit Klugheit und Würde repräsentiert. Sie haben mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich die Rolle eines gerechten Mittlers zwischen den Organen unseres Staates wahrgenommen. Sie haben integrierend auf unsere Gesellschaft gewirkt; und Sie haben maßgeblichen Anteil an den fortdauernd nötigen Bemühungen gehabt, die Bürgerinnen und Bürger der neuen Länder in unserer nun gemeinsamen Bundesrepublik heimisch werden zu lassen. Dafür spreche ich Ihnen den Dank des Bundesrates und der deutschen Länder aus.

    (Beifall)

    In diesen Dank schließe ich Sie, sehr verehrte Frau von Weizsäcker, mit ein. Sie haben das Wirken Ihres Mannes auf zurückhaltende, aber um so wirksamere Weise unterstützt. Besonders herzlich danke ich Ihnen für Ihr soziales Engagement. Es hat unserer oft unbarmherzigen Gesellschaft Mitmenschlichkeit gegeben.

    (Beifall)

    Meine Damen und Herren, heute führen wir nicht nur den neuen Bundespräsidenten in sein Amt ein. Mit dem heutigen Tag geht auch erstmals seit der Unterzeichnung des Vertrages über die Europäische Union im Februar 1992 in Maastricht die Ratspräsidentschaft an die Bundesrepublik über, bevor sie in einem halben Jahr von Frankreich übernommen wird, von dem Land, mit dem uns nach historischer Feindschaft heute eine tiefe Freundschaft verbindet.
    Sie, verehrter Herr Bundespräsident Professor I lerzog, waren Präsident eines Verfassungsorgans, das mit seiner Entscheidung vom Oktober letzten Jahres den Weg in die Europäische Union freigegeben hat und das mehrfach durch seine Urteile den Föderalismus gestärkt und die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Länder betont hat. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht zugleich nach dem bündischen Prinzip des Einstehens füreinander die bundesstaatliche Solidargemeinschaft eingefordert. Dies ist ein starkes Moment der Zukunftssicherung für alle Glieder des Föderalismus, insbesondere auch für die neuen Länder.
    Herr Bundespräsident, Sie sind ein überzeugter Europäer und ein überzeugter Föderalist zugleich. Beide Überzeugungen sind in der Tat heute die zwei Seiten ein und derselben Medaille. Der Grund dafür liegt im Ziel, ein Europa der Regionen zu schaffen, und



    Präsident des Bundesrates Klaus Wedemeier
    im Prinzip der Subsidiarität. Regionale und lokale Gebietskörperschaften sollen gestärkt, die nationale Vielfalt geschützt werden. Die Union der Völker Europas kann nur Bestand und Erfolg haben, wenn sie wie unser Bundesstaat das Prinzip der Einheit in der Vielfalt und der Vielfalt in der Einheit beherzigt. Nur dann können die Bürgerinnen und Bürger Europas so aktiv mitwirken, daß die Europäische Union zu ihrem Herzensanliegen wird. Deshalb muß Politik jeweils auf der Ebene gestaltet werden, wo größtmögliche Wirksamkeit bei größtmöglicher Bürgernähe erzielt werden kann. Darauf zu achten ist vornehme Aufgabe der Länder — innerhalb der Bundesrepublik über den Bundesrat, der kraft Verfassung das Recht und die Pflicht erhalten hat, in Angelegenheiten der Europäischen Union mitzuwirken, und auf europäischer Ebene durch den Ausschuß der Regionen, der in der politischen Praxis seine volle Bedeutung noch entfalten muß. Die deutschen Länder sind sich dabei Ihrer Unterstützung, Herr Bundespräsident, gewiß.
    Die Menschen in unserem Land erhoffen sich von Ihnen, daß Sie als Anwalt des Bundesstaates, des Rechtsstaates und des Sozialstaates wirken. Dieses dritte tragende Prinzip unserer Verfassung, seine Beachtung und seine weitgehende Verwirklichung bilden die Basis für sozialen und damit auch inneren Frieden und garantieren so auch Friedfertigkeit nach außen. Denn wo die Hoffnungen auf ein Leben ohne Existenznöte zerbrechen, wo die Angst vor sozialem Abstieg zunimmt, wo das Leben vieler durch alltägliche Demütigungen beschwert wird, da wachsen Haß und Aggression, da wächst Unrecht. Dem Einhalt zu gebieten und vorzubeugen ist angesichts von fast vier Millionen Arbeitslosen, über acht Millionen Armen und Hunderttausenden von Obdachlosen in unserem Land die vordringlichste Aufgabe deutscher Politik auf allen Ebenen.

    (Beifall)

    Herr Bundespräsident, Sie haben in Ihrer unverkrampften Diktion bereits angekündigt, wie sehr Sie sich um die neuen Länder kümmern wollen. Wir können Sie dazu nur ermuntern. Die Menschen dort brauchen Sie, Ihre Fähigkeit zum Zuhören, Ihre Neigung zur sorgfältigen und nüchternen Analyse und Ihre Begabung zu mitreißendem Optimismus. Unser
    ganzes Land braucht diese Tugenden, damit es wirklich zusammenwachsen kann.
    Sie, Herr Bundespräsident, haben jüngst gesagt, die Unterstützung der Menschen in den neuen Bundesländern durch uns Westdeutsche sei ein ganz normales Gebot menschlichen Zusammenlebens. Wir haben es auch heute wieder gehört. Dafür müsse man nicht den Begriff der Nation bemühen, der Begriff des Volkes reiche dafür aus. Dies ist ein wichtiges Signal nach innen wie nach außen. Und es stimmt mich zuversichtlich, daß Sie unser Land mit der gebotenen Selbstverständlichkeit, Zurückhaltung und Gelassenheit repräsentieren werden.
    Im Namen des Bundesrates, dem Sie selbst viele Jahre angehörten, wünsche ich Ihnen und Ihrer verehrten Frau für die vor Ihnen liegenden großen Aufgaben Gesundheit, Kraft und Glück.

    (Beifall)

    Bei seiner Verabschiedung vor nunmehr 35 Jahren sagte der erste Bundespräsident Theodor Heuss, ein Staat könne zerbrechen oder zerbrochen werden. Ein Volk aber wolle weiterleben, es bedürfe der Herberge.
    Herr Bundespräsident, wir alle hoffen und sind guter Zuversicht, daß Sie einen Prozeß mitgestalten werden, in dem unserem vereinten Land und seinen Menschen das europäische Haus zur Herberge wird.

    (Beifall)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Damit kommen wir an das Ende unserer Sitzung.
Ich danke noch einmal dem scheidenden Bundespräsidenten und seiner Ehefrau Marianne.
Ich wünsche unserem neuen Bundespräsidenten recht viel Erfolg, Glück bei seiner Arbeit und alle guten Wünsche für Sie, Frau Herzog, und schließe ein, daß wir gut vorankommen, daß Sie jetzt aber erst einmal ein paar Tage Urlaub haben — wenig genug wird es sein.
Mit den besten Wünschen für Sie und für Deutschland schließe ich die gemeinsame Sitzung des Deutschen Bundestages und des Bundesrates.
Die Sitzung ist geschlossen.