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    Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 210. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Wilhelm Rawe, Wilfried Böhm (Melsungen), Jan Oostergetelo und Helmut Wieczorek (Duisburg) 18153A Erweiterung der Tagesordnung 18153 B Absetzung des Punktes 13 h von der Tagesordnung 18153B Nachträgliche Überweisung von Gesetzentwürfen an Ausschüsse 18153 B Tagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze (Verbrechensbekämpfungsgesetz) (Drucksache 12/6853) b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Rechtsfriedens und zur Bekämpfung des Schlepperunwesens (Drucksache 12/5683) c) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (Drucksache 12/6784) d) Erste Beratung des von der Abgeordneten Ingrid Köppe und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung — Verbesserung der Diebstahlsicherungen von Kraftfahrzeugen (Drucksache 12/6166) e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ingrid Köppe und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbesserung von Diebstahlsicherungen an Kraftfahrzeugen zur Kriminalitätsvorbeugung (Drucksache 12/6167) f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Hermann Bachmaier, Dr. Hans de With, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Besserer Schutz vor KfzDiebstählen (Drucksachen 12/4023, 12/6627) g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ingrid Köppe und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neue Kriminalpolitik (I) — Initiative gegen Gewaltkriminalität durch Verschärfung des Waffenrechts (Drucksache 12/5948) h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ingrid Köppe und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Maßnahmen gegen Lauschangriffe; Transparenz von Kommunikationsüberwachung (Drucksache 12/6658) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Beratung des Antrags der Gruppe der PDS/Linke Liste: Entkriminalisierung des Gebrauchs bislang illegaler Rauschmittel, Legalisierung von Cannabis- produkten, kontrollierte Abgabe sogenannter harter Drogen (Drucksache 12/6873) Norbert Geis CDU/CSU 18154D Dr. Hans de With SPD . . . 18155D, 18171A, 18173B, 18180B, 18183D, 18193A, 18199A Anke Fuchs (Köln) SPD 18158A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 18159D, 18160 A Norbert Geis CDU/CSU . . 18159D, 18161C, 18174B, 18177C, D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . 18161D, 18175C, 18177B, 18192C, D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. 18162B, 18185 D Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . . 18163 C Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 18164A, 18172C Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . . 18165B Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18167C, 18195B Manfred Kanther, Bundesminister BMI . 18169B Johannes Singer SPD . . . 18169D, 18192A Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18171C, 18180C Dr. Hans de With SPD 18174 A Erika Steinbach CDU/CSU 18174 D Erwin Marschewski CDU/CSU 18178D, 18182B Dr. Willfried Penner SPD . . 18179C, 18189C Dieter Wiefelspütz SPD 18181 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 18182 B Dieter Wiefelspütz SPD 18184 B Günter Graf SPD 18184C Detlev von Larcher SPD 18185 A Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 18186A Dr. Günther Beckstein, Staatsminister des Freistaates Bayern 18190B Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 18194B Dr. Rudolf Karl Krause (Bonese) fraktions- los 18196A Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 18196D Manfred Heise CDU/CSU 18198C Jörg van Essen F.D.P. 18199C Ortwin Lowack fraktionslos 18201 B Tagesordnungspunkt 12: Überweisungen im vereinfachten Verf ah-ren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (Drucksache 12/6753) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Umweltstatistiken: (Umweltstatistikgesetz) (Drucksache 12/6754) c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Friedliche Lösung des Kurden-problems in der Türkei (Drucksache 12/6858) 18202 C Tagesordnungspunkt 13: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Fortführung von Unterstützungen der Bürger der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik bei Gesundheitsschäden infolge medizinischer Maßnahmen: Unterstützungsfortführungsgesetz (Drucksachen 12/4874, 12/6806, 12/6807) b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung Bundespräsident-Theodor-HeussHaus (Drucksachen 12/5916, 12/6791, 12/6795) c) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 12/6482, 12/6804, 12/6805) d) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Oktober 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Europäischen Gemeinschaften über die Durchführung des Artikels 11 des Anhangs VIII des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen 12/4468, 12/6818) e) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 18. Juni 1992 zur Revision des Übereinkommens über die Gründung eines Europäischen Hochschulinstituts (Drucksachen 12/5839, 12/6794) f) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 16. Dezember 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über Kriegsgräberfürsorge (Drucksachen 12/5837, 12/6862) g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Möglichkeit einer Fondslösung für Entschädigungs- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 III leistungen an Zwangsarbeiter aus dem Zweiten Weltkrieg (Drucksachen 12/1973, 12/6725) i) Beratung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses: Übersicht 12 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 12/6640) 18202 D Tagesordnungspunkt 1: Fragestunde — Drucksache 12/6855 vom 18. Februar 1994 — Zweck der Verwendung von Protokollen über Abhörmaßnahmen und von Zielkontrollkarten des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR im Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzleramtes MdlAnfr 1, 2 Norbert Gansel SPD Antw StMin Bernd Schmidbauer BK . 18205A, D ZusFr Norbert Gansel SPD . . 18205A, 18206A ZusFr Dr. Eberhard Brecht SPD 18205 C ZusFr Günther Heyenn SPD 18205 C ZusFr Rudolf Bindig SPD 18205 D Wirksamkeit des Maastricht-Urteils des Bundesverfassungsgerichts ohne Hinterlegung des Urteils zusammen mit den Vertragsunterlagen MdlAnfr 5 Ortwin Lowack fraktionslos Antw StMin Helmut Schäfer AA . . . . 18206B ZusFr Ortwin Lowack fraktionslos . . . . 18206C Schätzwert der von der Bundeswehr in Somalia geleisteten humanitären Hilfe MdlAnfr 8 Rudolf Bindig SPD Antw StMin Helmut Schäfer AA . . . 18207A ZusFr Rudolf Bindig SPD 18207 A ZusFr Monika Ganseforth SPD 18207 C Deutscher Beitrag für das Menschenrechtszentrum der Vereinten Nationen MdlAnfr 9 Rudolf Bindig SPD Antw StMin Helmut Schäfer AA . . . . 18207 D Ausrüstung der für einen Blauhelmeinsatz in Bosnien-Herzegowina vorgesehenen Pakistani mit deutschen Panzern MdlAnfr 10 Dr. Eberhard Brecht SPD Antw StMin Helmut Schäfer AA . . . . 18208A ZusFr Dr. Eberhard Brecht SPD 18208 B Vorschlag von Beamten des Bundesministeriums des Innern an skandinavische Reedereien betr. Abfertigung von Pkw's MdlAnfr 13, 14 Dr. Hartmut Soell SPD Antw PStSekr Eduard Lintner BMI . . . 18208C ZusFr Dr. Hartmut Soell SPD 18208 D ZusFr Wolfgang Lüder F.D.P. 18208 D Bewertung einer engeren rüstungspolitischen Zusammenarbeit mit Frankreich MdlAnfr 27 Ortwin Lowack fraktionslos Antw PStSekr'in Michaela Geiger BMVg 18209B ZusFr Ortwin Lowack fraktionslos . . . . 18209 D Überlassung von Grundstücken in der ehemaligen DDR zur landwirtschaftlichen Bearbeitung; Entschädigung bei Entzug dieses Arbeitseigentums MdlAnfr 16, 17 Karl-Josef Laumann CDU/CSU Antw PStSekr Rainer Funke BMJ . . 18210B, D Einsatz von Anruf-Sammeltaxen (Ast) zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs MdlAnfr 32 Horst Kubatschka SPD Antw PStSekr Manfred Carstens BMV 18211A ZusFr Horst Kubatschka SPD 18211B Übereinstimmung der Verkehrsplanungen der Bundesregierung für einen Großflughafen Berlin-Brandenburg mit den Planungen für einen Großflughafen im Kreis AltmarkOst (südlich der Stadt Stendal) MdlAnfr 33 Reinhard Weis (Stendal) SPD Antw PStSekr Manfred Carstens BMV . 18211D ZusFr Reinhard Weis (Stendal) SPD . . . 18211D Umsetzung der Altölrichtlinie 90/313/ EWG MdlAnfr 36 Monika Ganseforth SPD Antw PStSekr Ulrich Klinkert BMU . . . 18212B ZusFr Monika Ganseforth SPD 18212B Verbot des als Additiv für Hydrauliköle verwendeten Ugilec oder Produkthaftung des Herstellers MdlAnfr 37 Monika Ganseforth SPD Antw PStSekr Ulrich Klinkert BMU . . . 18213A ZusFr Monika Ganseforth SPD 18213B IV Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 Mindestabstände von Hochspannungsleitungen gegenüber Wohngebieten, insbesondere Kindergärten und Schulen MdlAnfr 38 Horst Kubatschka SPD Antw PStSekr Ulrich Klinkert BMU . . 18213 C ZusFr Horst Kubatschka SPD 18213 C ZusFr Monika Ganseforth SPD 18213 D ZusFr Peter Conradi SPD 18214 A Ästhetisch mißlungene Neugestaltung der Fernsprechzellen; Beförderung des verantwortlichen Beamten MdlAnfr 40, 41 Peter Conradi SPD Antw PStSekr Dr. Paul Laufs BMPT . . 18214B, 18215 B ZusFr Peter Conradi SPD . . . 18214D, 18215C ZusFr Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD 18215B Schließung von Postämtern 1994; Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten MdlAnfr 42, 43 Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Antw PStSekr Dr. Paul Laufs BMPT . 18215C, D ZusFr Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18215C, 18216A ZusFr Monika Ganseforth SPD 18216C ZusFr Horst Kubatschka SPD 18216D ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste . 18217A Tagesordnungspunkt 3: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes fiber die Berufe des psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und zur Ande-rung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 12/5890, 12/6811, 12/6812) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Psychotherapeutische Versorgung gesetzlich Krankenversicherter und Zugang zu den Berufen des psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Drucksachen 12/5913, 12/6811) Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU 18217D Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . 18219D Dr. Paul Hoffacker CDU/CSU . . . . 18220D Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . . 18221 C Dr. Dieter Thomae F.D.P. 18222D Klaus Kirschner SPD . . . . 18223D, 18224 A Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18224 A Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 18225B Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . 18225 D Klaus Kirschner SPD 18227B Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste . . . 18227 C Dr. Hans-Hinrich Knaape SPD 18229B Tagesordnungspunkt 4: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeskleingartengesetzes (Drucksachen 12/6154, 12/6782) Jürgen Sikora CDU/CSU 18231 D Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 18232D, 18237C, 18239 D Wolfgang Weiermann SPD 18233 B Gabriele Iwersen SPD 18234 C Lisa Peters F.D.P. 18236D Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 18238A Dr. Walter Hitschler F.D.P. 18238B Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 18239A, 18240B Wolfgang Weiermann SPD 18240A Tagesordnungspunkt 5: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dieter Heistermann, Angelika Barbe, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Herabsetzung des Einberufungshöchstalters (Drucksachen 12/3856, 12/6558) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes (Drucksachen 12/5089, 12/6559, 12/6667) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Vera Wollenberger, Dr. Klaus-Dieter Feige, weiterer Abgeordneter und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Abschaffung der Wehrpflicht und des Zivildienstes (Drucksachen 12/5767, 12/6636) in Verbindung mit Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 V Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Andrea Lederer, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Abschaffung der Wehrpflicht (Drucksachen 12/6033, 12/6557) Dieter Heistermann SPD 18241 C Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . . . 18243D Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . 18245 C Dieter Heistermann SPD 18246B Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . 18247A Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18248 A Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär BMVg 18249 A Tagesordnungspunkt 6: Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Kubatschka, Dr. Klaus Kübler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: THORP-Wiederaufbereitungsanlage für nukleare Brennstoffe in Sellafield im Vereinigten Königreich (Drucksache 12/5165) Horst Kubatschka SPD 18250 D Dr. Wolfgang von Geldern CDU/CSU . 18252A Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär BMU 18253 B Tagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Abgeordneten Petra Bläss, Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes (Drucksache 12/6448) 18254 B Tagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerd Poppe, Vera Wollenberger und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbesserung der Situation und des Status der Flüchtlinge aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien durch eine humanitäre Aufnahmepraxis (Drucksache 12/6687) Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18254 D Wolfgang Zeitlmann CDU/CSU 18256 B Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . 18256D Nächste Sitzung 18258C Berichtigungen 18258 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 18259* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 17 (a — Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes, b — Berichtsberatung gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages und des Bundesrates, c — Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes, d — Gesetzentwurf über die Annahme einer neuen Verfassung nach Artikel 146 des Grundgesetzes, e — Gesetzentwurf zur Verfassungsreform, f — Antrag: Durchführung eines Verfassungsreferendums nach Artikel 146 Grundgesetz) und zu Zusatzpunkt 14 (Änderung des Grundgesetzes) Ortwin Lowack fraktionslos 18259* D Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 6 (Antrag: THORP-Wiederaufbereitungsanlage für nukleare Brennstoffe in Sellafield im Vereinigten Königreich) Gerhart Rudolf Baum F D P 18260* C Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 18260* D Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 7 (Antrag: Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes) Petra Bläss PDS/Linke Liste 18261* B Heinz-Adolf Hörsken CDU/CSU . . . . 18262* D Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 18263* D Paul K. Friedhoff F.D.P. 18264* D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 18265* D Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 8 (Antrag: Verbesserung der Situation und des Status der Flüchtlinge aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien durch eine humanitäre Aufnahmepraxis) Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 18266* C Cornelia Schmalz-Jacobsen F D P 18266* D Anlage 6 Haftung für Umweltschäden durch unsachgemäßen Umgang mit Schädlingsbekämpfungsmitteln MdlAnfr 3 — Drs 12/6855 — Jutta Müller (Völklingen) SPD SchrAntw PStSekr Horst Günther BMA . 18267* C VI Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 Anlage 7 Anrechnung der Aufwandsentschädigung von Kommunalpolitikern bei der Arbeitslosenhilfe MdlAnfr 4 — Drs 12/6855 — Ludwig Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Horst Günther BMA . 18268* A Anlage 8 Beseitigung der auf bisher von russischen Truppen genutzten Liegenschaften vergrabenen Munition MdlAnfr 6, 7 — Drs 12/6855 — Dr. Olaf Feldmann F.D.P. SchrAntw StMin Helmut Schäfer AA . . 18268 * B Anlage 9 Äußerungen des Mafia-Bekämpfers Luciano Violante über die Bekämpfung des organisierten Verbrechens in Deutschland; Zahl der Morde in Berlin seit 1991; Anteil der organisierten Kriminalität MdlAnfr 11, 12 — Drs 12/6855 — Georg Gallus F.D.P. SchrAntw PStSekr Eduard Lintner BMI . 18268* C Anlage 10 Maßnahmen gegen unseriöse Reiseunternehmen MdlAnfr 15 — Drs 12/6855 — Joachim Tappe SPD SchrAntw PStSekr Rainer Funke BMJ . . 18269* A Anlage 11 Wettbewerbsnachteile für die Rostocker Seehafen GmbH und die Fischereihafen GmbH durch hohe Tilgungsverpflichtungen für Altkredite MdlAnfr 18 — Drs 12/6855 — Dr. Christine Lucyga SPD SchrAntw PStSekr Jürgen Echternach BMF 18269* C Anlage 12 Entwicklung der Beschäftigtenzahlen deutscher Arbeitnehmer bei den US-Streitkräften, insbesondere in Grafenwöhr MdlAnfr 21 — Drs 12/6855 — Ludwig Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Jürgen Echternach BMF 18270* A Anlage 13 Leerstehende Bundesliegenschaften in Berlin und Brandenburg MdlAnfr 22 — Drs 12/6855 — Otto Schily SPD SchrAntw PStSekr Jürgen Echternach BMF 18270* B Anlage 14 Gesamtsubventionen für die deutsche Steinkohle bis 1997 MdlAnfr 23 — Drs 12/6855 — Dietrich Austermann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 18270* D Anlage 15 Transparentere Gestaltung des Marktes der Pauschalreiseanbieter für Reisebucher MdlAnfr 24 — Drs 12/6855 — Joachim Tappe SPD SchrAntw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 18271* A Anlage 16 Verzicht auf die bisher zur Ausbildung junger Menschen notwendige Ausbildungseignungsprüfung bei Inhabern von Einzelhandelsgeschäften oder Kleinbetrieben MdlAnfr 25 — Drs 12/6855 — Jürgen Augustinowitz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 18271* C Anlage 17 Durchsetzung einer angemessenen Behandlung der deutschen Stahlunternehmen bei der Europäischen Union MdlAnfr 26 — Drs 12/6855 — Otto Schily SPD SchrAntw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 18271* C Anlage 18 Finanzmittel der NATO zur Realisierung ihres Programms „Partnerschaft für den Frieden" MdlAnfr 28, 29 — Drs 12/6855 — Klaus Francke (Hamburg) CDU/CSU SchrAntw PStSekr'in Michaela Geiger BMVg 18272* B Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 VII Anlage 19 Verbesserung der Sicherheit von Gefahrguttransporten mit Containerschiffen MdlAnfr 30, 31 — Drs 12/6855 — Dietmar Schütz SPD SchrAntw PStSekr Manfred Carstens BMV 18272* D Anlage 20 Kostensteigerungen durch erhöhte Umweltanforderungen im kommunalen Abwasserbereich MdlAnfr 34, 35 — Drs 12/6855 — Helmut Lamp CDU/CSU SchrAntw PStSekr Ulrich Klinkert BMU . 18273* C Anlage 21 Umweltschäden und überhöhte Schadstoffbelastung in Innenräumen durch unsachgemäßen Umgang mit Schädlingsbekämpfungsmitteln MdlAnfr 39 — Drs 12/6855 — Jutta Müller (Völklingen) SPD SchrAntw PStSekr Ulrich Klinkert BMU . 18274' A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 18153 210. Sitzung Bonn, den 24. Februar 1994 Beginn: 13.00 Uhr
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    Berichtigungen 208. Sitzung: Auf Seite VI sind die in der rechten Spalte bei Anlage 2 aufgeführten Namen mit den auf Seite VII bei Anlage 4 aufgeführten Namen gegeneinander auszutauschen. Die ab Seite 18051 C unter Anlage 2 abgedruckten Namen und Redetexte sind mit den ab Seite 18059 A unter Anlage 4 abgedruckten Namen und Redetexten gegeneinander auszutauschen. Seite 18079 B: Im Antworttext zu Frage 53 ist in der zweiten Zeile zwischen den Worten „Information" und „mit" das Wort „informieren" einzufügen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 24. 2. 94 Bartsch, Holger SPD 24. 2. 94 Böhm (Melsungen), CDU/CSU 24. 2. 94 * Wilfried Clemens, Joachim CDU/CSU 24. 2. 94 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 24. 2. 94 Herta Doss, Hansjürgen CDU/CSU 24. 2. 94 Ehrbar, Udo CDU/CSU 24. 2. 94 Eimer (Fürth), Norbert F.D.P. 24. 2. 94 Fischer SPD 24.2.94 (Gräfenhainichen), Evelin Francke (Hamburg), CDU/CSU 24. 2. 94 Klaus Dr. Gautier, Fritz SPD 24. 2. 94 Gries, Ekkehard F.D.P. 24. 2. 94 Grochtmann, Elisabeth CDU/CSU 24. 2. 94 Großmann, Achim SPD 24. 2. 94 Kastning, Ernst SPD 24. 2. 94 Keller, Peter CDU/CSU 24. 2. 94 Kittelmann, Peter CDU/CSU 24. 2. 94 * Klemmer, Siegrun SPD 24. 2. 94 Köppe, Ingrid BÜNDNIS 24. 2. 94 90/DIE GRÜNEN Körper, Fritz Rudolf SPD 24. 2. 94 Kohn, Roland F.D.P. 24. 2. 94 Kolbe, Manfred CDU/CSU 24. 2. 94 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 24. 2. 94 Koschnick, Hans SPD 24. 2. 94 Kretkowski, Volkmar SPD 24. 2. 94 Dr. Kübler, Klaus SPD 24. 2. 94 Leidinger, Robert SPD 24. 2. 94 Dr. Matterne, Dietmar SPD 24. 2. 94 Dr. Menzel, Bruno F.D.P. 24. 2. 94 Dr. Mertens (Bottrop), SPD 24. 2. 94 Franz-Josef Dr. Mildner, Klaus CDU/CSU 24. 2. 94 Gerhard Molnar, Thomas CDU/CSU 24. 2. 94 Müller (Völklingen), SPD 24. 2. 94 Jutta Müller (Wesseling), CDU/CSU 24. 2. 94 Alfons Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 24. 2. 94 Ostertag, Adolf SPD 24. 2. 94 Dr. Penner, Willfried SPD 24. 2. 94 Pfuhl, Albert SPD 24. 2. 94 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 24. 2. 94 Dr. Pohl, Eva F.D.P. 24. 2. 94 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 24. 2. 94 Susanne Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 24. 2. 94 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 24. 2. 94 Ingrid von Schmude, Michael CDU/CSU 24. 2. 94 Anlagen zum Stenographischen Bericht (C) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 24. 2. 94 Schulte (Hameln), SPD 24. 2. 94 ** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 24. 2. 94 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 24. 2. 94 Christian Skowron, Werner H. CDU/CSU 24. 2. 94 Dr. Starnick, Jürgen F.D.P. 24. 2. 94 Dr. Frhr. von Stetten, CDU/CSU 24. 2. 94 Wolfgang Dr. Stoltenberg, Gerhard CDU/CSU 24. 2. 94 Dr. von Teichman, F.D.P. 24. 2. 94 Cornelia Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 24. 2. 94 Wimmer (Neuötting), SPD 24. 2. 94 Hermann Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 24. 2. 94 Zierer, Benno CDU/CSU 24. 2. 94 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 17 (a - Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes, b - Berichtsberatung gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages und des Bundesrates, c - Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes, d - Gesetzentwurf über die Annahme einer neuen Verfassung nach Artikel 146 des Grundgesetzes, e - Gesetzentwurf zur Verfassungsreform, f - Antrag: Durchführung eines Verfassungsreferendums nach Artikel 146 Grundgesetz) und zu Zusatzpunkt 14 (Änderung des Grundgesetzes)*) Ortwin Lowack (fraktionslos): Der vorliegende Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD und F.D.P. enthält ein Sammelsurium von Änderungsvorschlägen ohne erkennbaren inneren Zusammenhang. Es ist wahrhaftig keine Auslese, höchstens eine Nachlese. Der Gesetzentwurf enthält einige Lächerlichkeiten und Umständlichkeiten: Was ist eigentlich die „tatsächliche Durchsetzung" der Gleichberechtigung gegenüber der attributfreien Durchsetzung? Könnte nicht Art. 20a viel einfacher etwa folgendermaßen formuliert werden: Die staatlichen Organe schützen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung die natürlichen *) Vergleiche 209. Sitzung, Seite 18147 A 18260* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 Lebensgrundlagen besonders auch in Verantwortung für künftige Generationen. Der bislang vorgeschlagene Satzwurm legt den Schluß nahe, daß die Verfassungskommission im Laufe ihrer langen Beratungen etwas die Übersicht verloren hatte. Welche „Identität" von ethnischen, kulturellen und sprachlichen Minderheiten soll der Staat zukünftig achten, die er nicht heute bereits zu achten verpflichtet ist? Gibt es nun einen „Volksgeist" oder nicht? Wer definiert ihn in Einzelfällen? Der Gesetzentwurf enthält auch einige Eitelkeiten, z. B. der Länder bei der „Neuregelung" der konkurrierenden Gesetzgebung. Die eigentlichen Probleme werden allerdings ausgespart, z. B. die Frage, unter welchen Umständen der Einsatz der Bundeswehr verfassungsmäßig ist. Hier zeigt sich eine tiefgreifende Unfähigkeit, weniger des Parlaments als dessen Akteure an der Spitze von Fraktionen, Koalitionen, Regierungen. Eine große Chance wurde vertan: die Bevölkerung an der Verfassungsdiskussion wirklich zu beteiligen. Hierzu hätte es viel mehr Debatten im Plenum des Deutschen Bundestages und nicht in einer Kommission hinter verschlossenen Türen bedurft. Das Volk muß hinter der Verfassung stehen, nicht irgendwelche sogenannten Experten. Die Chance wurde auch vertan, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Maastricht-Vertrag einzuarbeiten. Dies ist um so gravierender, als es die Bundesregierung, möglicherweise absichtlich, versäumt hat, das Urteil des Verfassungsgerichts, zumindest als Interpretationserklärung, zusammen mit der Ratifikationsurkunde in Rom zu hinterlegen. Das wirklich Interessante an der Verfassungsdiskussion ist eigentlich nur der Antrag auf eine Ergänzung von Art. 2, mit dem an Gemeinsinn und Gemeinschaftsgeist appelliert wird. Gerade dieser Ergänzungsantrag zum Grundgesetz kommt aber nicht aus der Küche der Fraktions- und Koalitionsführungen, sondern mitten aus dem Parlament. Ich habe diese Initiative gerne von Anfang an unterstützt. Es soll Pläne geben, über den Gesetzentwurf in der dritten Lesung „en bloc" entscheiden zu lassen. Dies wäre ein schwerer Verstoß gegen Art. 38 des GG, der Unabhängigkeit des Abgeordneten, zu völlig unterschiedlichen Verfassungsänderungsvorschlägen, unter Wahrung der Gewissensfreiheit, auch unterschiedlich zu entscheiden. Ich kündige gegen dieses Verfahren bereits jetzt die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde an. Gestaltend ist es nicht was ihr hier tut! Zum wirklichen Gestalten fehlt der Mut. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 6 (Antrag: THORP-Wiederaufbereitungsanlage für nukleare Brennstoffe in Sellafield im Vereinigten Königreich) Gerhart Rudolf Baum (F.D.P.): Auch meine Fraktion kann dem Antrag nicht zustimmen. Das gilt sowohl für die Feststellungen wie auch für die geforderten Aktionen dazu. Es gibt keine sachlich gerechtfertigten Gründe für die Sicherheitsbedenken, die das Europäische Parlament geäußert hat. Eine von dem deutschen und dem britischen Energieminister schon im Juli 1989 eingesetzte Arbeitsgruppe hat die Sicherheitsstandards in beiden Ländern verglichen. Das Ergebnis ist eindeutig. Sowohl die Sicherheitsgrundsätze und die grundlegenden Anforderungen an die Sicherheit von Wiederaufarbeitungsanlagen als auch die in den beiden Ländern geltenden Strahlenschutzbestimmungen sind gleichwertig und entsprechen einem hohen Standard. Die Ableitung flüssiger und gasförmiger radioaktiver Stoffe mit dem Abwasser und der Abluft kerntechnischer Anlagen ist ein betriebsbedingter durchaus üblicher Vorgang. Er wäre nur dann zu beanstanden, wenn die Grenzwerte überschritten worden wären. Das ist nicht der Fall und auch nicht zu erwarten. Der Betreiber muß auch nach den ihm erteilten Genehmigungen die bestmöglichen Maßnahmen ergreifen, um die Aktivität der abgeleiteten Abfälle zu begrenzen. Zur Brütertechnologie möchte ich mich im einzelnen nicht äußern, nur bemerken, daß meine Partei die Einstellung des Projektes in Kalkar gefordert und begrüßt hat. Der Betrieb der Anlage THORP ist jedoch nicht zwingend mit der Brütertechnologie verbunden. Was die Plutoniumwirtschaft angeht, so hat sich Großbritannien den Bestimmungen des EURATOM-Vertrages unterworfen und handelt gemäß diesen Bestimmungen. Es kann nicht Aufgabe des deutschen Parlaments sein, Großbritannien nach eigenen Vorstellungen vorzuschreiben, was zu tun wäre. Im übrigen tritt meine Partei seit langem dafür ein, der direkten Endlagerung den Vorzug zu geben. Wir sind auch bereit, das Atomgesetz entsprechend zu ändern. Dies alles war Teil der Energiekonsensgespräche, die leider im wesentlichen wegen der Verweigerungshaltung eines Teiles der SPD gescheitert sind. Von der EG ist auch keine neue Umweltverträglichkeitsprüfung zu fordern. Ausreichende Haftungsregelungen bestehen bereits. Wir sind im Interesse der Entsorgungsgrundsätze, die gemeinsam von allen Parteien 1979 verabschiedet worden sind, gehalten, für eine geordnete Entsorgung der abgebrannten Brennelemente zu sorgen. Dazu gehört die vertraglich gesicherte Entsorgung in Sellafield. Wir sind insoweit auch vertraglich eindeutig gebunden. Die Unternehmen, die dies abwickeln, haben den Schutz der Rechtsordnung. Aus all diesen Gründen lehnen wir den Antrag der SPD ab. Dr. Dagmar Enkelmann (PDS/Linke Liste): Die englische Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield, in der auch abgebrannte Brennelemente aus bundesdeut- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 18261* schen Reaktoren wiederaufgearbeitet werden, hieß früher mal Windscale. Und Windscale stand synonym für Verseuchung der irischen See mit radioaktiven Abwässern, Störfälle und Leukämie. Nun, der Name wurde in Sellafield geändert, und eine weitere Wiederaufarbeitungsanlage, THORP genannt, soll in diesen Tagen in Betrieb gehen. Sollte dies geschehen, wird die gesamte Sellafield-Anlage ihre radioaktiven Emissionen um 1000 Prozent auf 27,8 Millionen Curie steigern. Bei der Katastrophe von Tschernobyl wurden nach offiziellen Angaben 50 Millionen Curie freigesetzt. Bemerkenswerterweise behauptet Bundesumweltminister Töpfer, der für die Genehmigung der Wiederaufarbeitung bundesdeutschen Atommülls in Sellafield ist, es handele sich um eine „schadlose Verwertung". Nun, Herr Töpfer mag den Schaden nicht haben; den haben die Anwohnerinnen und Anwohner der Anlage rund um die irische See, doch mit den Strömungen kommen selbst kleinste Mengen auch an der deutschen Nordseeküste an. In der THORPAnlage sollen bis zum Jahr 2000 etwa 885 Tonnen abgebrannte Brennelemente aus der Bundesrepublik aufgearbeitet werden. Diese kommen dann in Form der hochbrisanten MOX-Brennelemente und einer riesigen Menge radioaktiven Atommülls wieder zurück, für den es kein geeignetes Endlager gibt. Ich denke, das ist hier allgemein bekannt. Und es wird gern verdrängt. Daß die Wiederaufarbeitung Kosten reduziert, behauptet schon lange niemand mehr. Würden die Energieversorger heute aus der Wiederaufarbeitung aussteigen, könnten sie allein an den Folgekosten für die Entsorgung des dabei anfallenden Atommülls Milliarden sparen. Zu bedenken ist auch, daß der Abriß einer industriellen Wiederaufarbeitungsanlage bis heute kaum kalkuliert werden kann. Noch mehr Geld könnte eingespart werden, wenn sofort aus der Atomenergie ausgestiegen würde, denn mit jedem Jahr weiterer Atomenergienutzung wird der Ausstieg teurer. Und was glauben Sie, wie die Sicherheit des Wirtschaftsstandortes Deutschland gefährdet ist, wenn hier im Lande ein Rekator durchgeht! Der Antrag der SPD ist daher zu begrüßen, auch wenn wir wissen, daß z. B. der Kollege Rappe durchaus anderer Meinung ist. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 7 (Antrag: Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes) Petra Bläss (PDS/Linke Liste): Die heutige Debatte über den Antrag der PDS/Linke Liste zur Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes findet in einer Zeit statt, die gekennzeichnet ist von schweren Konflikten zwischen den Tarifvertragsparteien. Die IG Metall hat die Urabstimmung eingeleitet, und es scheint so, als sei ein Arbeitskampf in der ohnehin krisengeschüttelten Metallindustrie nicht mehr abzuwenden. Mehrere zehntausend Metaller haben bereits in den Warnstreiks der letzten Wochen ihren Forderungen Nachdruck verliehen. Auch die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst werden die ihnen verordnete Nullrunde nicht kampflos akzeptieren. Es deutet also alles darauf hin, daß die diesjährigen Tarifrunden trotz aller verbaler Eingriffe von Vertreterinnen und Vertretern der Regierungsparteien nicht ohne Streiks und Auseinandersetzungen ausgehen werden. Wir sind der Auffassung, daß in dieser Situation die Ausweitung von Rechten der Lohnabhängigen mehr als überfällig ist. Die Debatte der vergangenen Monate um die Absicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland und die damit im Zusammenhang stehende Politik der Bundesregierung hat das entgegengesetzte Ziel. Sie will den Prozeß der Deregulierung und des Sozialabbaus weiter vorantreiben, der Abbau von Rechten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Eingriffe in die Tarifautonomie sind darin zentrale Bestandteile. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die Unternehmensstrategie läuft vor allem darauf hinaus, die intensivere Nutzung der Arbeitskraft, ihre weitere Flexibilisierung und vor allem ihre Verbilligung durchzusetzen. Neben der unsäglichen Lohnverzichtsdebatte, die gegenwärtig im Unternehmerlager absolute Konjunktur hat, propagieren sie unternehmensorientierte Beteiligungskonzepte, die ein Stück weit die Funktion haben, den Betriebsräten das Wasser abzugraben. Diese Beteiligungskonzepte zielen in der Regel nicht auf eine tatsächliche Partizipation im Sinne von Mitbestimmung, sondern versuchen, die Fähigkeiten der Beschäftigten für die Interessen der Unternehmen zu aktivieren. Gleichzeitig sollen sie das Gefühl bekommen, beteiligt und anerkannt zu sein. Art und Auswahl der Beteiligung werden aber von oben bestimmt, sind nicht verbindlich geregelt und jederzeit von der Unternehmensleitung rückgängig zu machen. Gruppenarbeit, Qualitätszirkel und ähnliche von oben initiierte Maßnahmen gehen aber auf das Bedürfnis vieler Beschäftigter nach mehr Einblick in den Gesamtprozeß ein und werden akzeptiert, selbst wenn davon eindeutig weitere Rationalisierungsprozesse mit Arbeitsplatzvernichtung ausgehen. Die Gestaltungsoptionen von Betriebsräten müssen auch an diesen Bedürfnissen ansetzen und sie in einen Prozeß echter Beteiligung von unten transformieren können. Betriebsräte müssen verstärkte Möglichkeiten bekommen, die Arbeitnehmer bei der Interessenwahrnehmung selbstverständlich einzubeziehen und eine offene basisorientierte Politik zu betreiben und dies als Chance zur Mobilisierung und Selbsttätigkeit der Beschäftigten zu begreifen. Den vorliegenden Antrag verstehen wir als einen Beitrag, dem Trend entgegenzusteuern, der da heißt, Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zurückzudrehen. Uns geht es dabei um eine Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten der abhängig Beschäftigten und die Stärkung ihrer betrieblichen Vertretung gegenüber der Kapitalseite. Deshalb haben wir uns in unseren Änderungsvorschlägen auch stark auf die Mitbestimmungsregelungen des 18262* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 Betriebsverfassungsgesetzes konzentriert. Wir sind uns natürlich bewußt, daß sich in den über zwanzig Jahren seiner Geltung die gesellschaftliche und betriebliche Wirklichkeit insgesamt gravierend verändert hat und viele neue Fragen entstanden sind, für die das Betriebsverfassungsgesetz keine Lösung anbietet. Notwendige Veränderungen ergeben sich nach den Erfahrungen vieler Betriebsräte aus der rasanten Entwicklung neuer Technologien und deren Auswirkung auf die Arbeitssituation der Beschäftigten, aus den Erfordernissen des Umweltschutzes, der gesundheitlichen Prävention und des Gesundheitsschutzes sowie des Datenschutzes. Gleichstellungsfragen und der Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz spielen heute eine wichtige Rolle und sind bisher ein weißer Fleck im Betriebsverfassungsgesetz. Und schließlich hat eine Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes das gewachsene Verlangen von qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach demokratischer Beteiligung, nach Abbau von autoritären Kommandostrukturen und Fremdbestimmung zu berücksichtigen. Besonders im letztgenannten Problemkomplex und in der Ausweitung wirklicher Mitentscheidungsrechte der Betriebsrätinnen und Betriebsräte hier und in anderen zentralen Fragen sehen wir aktuellen Gestaltungsbedarf. Es wird vorgeschlagen, die bisherigen Unterrichtungs- und Beratungsrechte in Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates umzuwandeln und den Mitbestimmungs-Katalog zu erweitern um Fragen der Planung, Gestaltung und Änderung von Arbeitsplätzen und Arbeitsorganisation sowie um Fragen des Arbeits-, Gesundheits- und Datenschutzes. Darüber hinaus müssen die Kompetenzen des Betriebsrats bei ökologischen Problemen ebenso gestärkt werden wie bei Gleichstellungs- und Frauenförderungsrechten. Dazu ist es erforderlich, daß die Arbeitsmöglichkeiten der Betriebsräte verbessert werden. Notwendig ist die Absicherung von Initiativrechten, die Einführung von Vetorechten mit aufschiebender Wirkung, die Verankerung basisdemokratischer Elemente. Zu dieser Liste gehört auch die Verbesserung des Kündigungsschutzes durch ein generelles Widerspruchsrecht des Betriebsrates und die Umkehr der bisherigen Rechtspraxis in der Weise, daß z. B. nicht der Beschäftigte auf Wiedereinstellung klagen, sondern der Arbeitgeber eme Auflösungsklage einreichen muß. Zunehmende Bedeutung gewinnt in letzter Zeit im Zusammenhang mit Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats die Frage von Betriebsaufspaltungen und das Wirken von Betriebsräten im Rahmen internationaler Konzerne. Die Bundesregierung macht sich ja zur Zeit viele Gedanken, wie sie die Regelungen für Betriebsaufspaltungen, Entflechtungsmaßnahmen und Bildung von kleineren Einheiten im Gesellschaftsrecht faßt. Gespannt sind wir, was sie sich bezüglich der Mitbestimmungsrechte im Betriebsverfassungsgesetz ausdenkt. Einen weiteren Schwerpunkt in unserem Antrag stellt die Absicherung von Frauenrechten dar. Wir wollen den Ansatz des Gleichberechtigungsgesetzes auf die private Wirtschaft ausgedehnt wissen und fordern deshalb die Institutionalisierung von Frauenbeauftragten als eigener Struktur. Frauenbeauftragte sollen gewählt und nicht bestellt werden, woraus sich ihre unabhängige Rechtsstellung ergibt. Die Zahl der Frauenbeauftragten und das Recht auf Freistellung ist nach Betriebsgröße in Anlehnung an die Modalitäten für Betriebsräte zu regeln. Wichtig erscheint uns, daß die Frauenbeauftragte wirklich handlungsfähig ist und mit entsprechenden Rechten ausgestattet wird. Dazu gehört ein Initiativrecht in bezug auf die Durchsetzung von Frauenfördermaßnahmen. Darüber hinaus müßte ihnen ein Vetorecht mit aufschiebender Wirkung bei allen die Fraueninteressen berührenden betrieblichen Veränderungen eingeräumt werden. Ein Beanstandungsrecht, wie im Gleichberechtigungsgesetz vorgesehen, reicht nach unserer Meinung nicht aus, es muß in ein Einspruchs- und Widerspruchsrecht umgewandelt werden, das wirkliche Sanktionsmöglichkeiten umfaßt. Die Frauenbeauftragte muß außerdem, wie die Betriebsräte auch, das Recht haben, Expertinnen und Experten zu ihrer fachlichen Beratung heranzuziehen. Zur Unterstützung der Arbeit der Frauenbeauftragten auf der Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes bedarf es der im Gesetz geregelten Umkehr der Beweislast, wonach nicht die Frauen den Beweis zu erbringen haben, daß gegen Gleichbehandlungsgrundsätze und Frauenförderpläne verstoßen wurde. Ich habe diesen Punkt hier bewußt so ausführlich dargestellt, weil ich denke, daß für den Ausbau von Mitbestimmungs- und Mitgestaltungsrechten auch die Absicherung der weiblichen Sichtweise unverzichtbar ist. Heinz-Adolf Hörsken (CDU/CSU): Die Gruppe PDS/Linke Liste begründet ihren auf Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 gerichteten Antrag damit, daß sich die gesellschaftliche und betriebliche Wirklichkeit erheblich verändert habe. Es seien viele neue Fragen entstanden, für die das Betriebsverfassungsgesetz keine Lösungen habe. Insbesondere mache der Einzug neuer Technologien, die Verwirklichung der Gleichstellung der Frau sowie die Erfordernisse des Umweltschutzes eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes notwendig. Ich teile grundsätzlich die Auffassung, daß auch ein über Jahrzehnte bewährtes Gesetz wie die Betriebsverfassung fortzuentwickeln ist, wenn einzelne Punkte überholungsbedürftig erscheinen und neuen Gegebenheiten angepaßt werden müssen. Der Gruppe PDS/Linke Liste geht es aber in Wahrheit nicht um eine Fortentwicklung der Betriebsverfassung. Stattdessen soll unter dem Deckmantel einer demokratischen Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Arbeitsleben eine grundlegende Systemänderung der Betriebsverfassung herbeigeführt werden. Ein tragender Pfeiler des geltenden Betriebsverfassungsgesetzes ist der Grundsatz, daß die unternehmerisch-wirtschaftlichen Entscheidungen im Bereich des Betriebsverfassungsgesetzes mitbestimmungsfrei sind. Der Unternehmer soll selbst entscheiden kön- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 18263* nen, in welchen Bereichen er investieren will, welche Produkte er herstellen möchte und mit welchem Personalbedarf er die erforderliche Arbeit im Betrieb organisiert. Diese Entscheidungsfreiheit ist Ausdruck unserer Sozialen Marktwirtschaft. Das System der betrieblichen Mitbestimmung wird, meine Damen und Herren der PDS/Linke Liste, durch die mit Ihrem Antrag angestrebten Änderungen der Betriebsverfassung auf den Kopf gestellt. Die im Grundsatz gewährleistete Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers in unternehmerisch-wirtschaftlichen Angelegenheiten wird vollständig ausgehebelt. Kurz auf den Nenner gebracht: Sie machen praktisch aus dem Betriebsrat einen Mitunternehmer! Als Beleg hierfür möchte ich auf das umfassende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in fast allen personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten verweisen, welches durch den Antrag der PDS/Linke Liste herbeigeführt werden soll: So soll dem Betriebsrat u. a. ein volles Mitbestimmungsrecht über das Produktions- und Investitionsprogramm, Rationalisierungsvorhaben sowie bei fast allen Betriebsänderungen einschließlich Änderungen der Betriebsorganisation und des Betriebszwecks eingeräumt werden. Unter dem Stichwort „Ökologiefragen" soll das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch auf die herzustellenden Produkte, das Produktionsverfahren und die zu verwendenden Arbeitsstoffe erstreckt werden. Des weiteren soll der Mitbestimmungskatalog in sozialen Angelegenheiten um die Planung und Gestaltung von Arbeitsplätzen, der Arbeitsumgebung und Arbeitsorganisation sowie den Bereich der Frauenförderung erweitert werden. Nicht nur zum Mitunternehmer, sondern auch zum gleichberechtigten Personalchef würde der Betriebsrat schließlich, wenn die Forderung nach einer vollen Mitbestimmung bei der Personalplanung einschließlich einer schrankenlosen Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen wie z. B. Einstellung, Versetzung und Kündigung realisiert würde. Berücksichtigt man zudem, daß dem Betriebsrat bereits im Rahmen seiner allgemeinen Aufgaben auch Initiativ- und Vetorechte eingeräumt werden sollen, kann von einer unternehmerischen Handlungsfreiheit nicht mehr die Rede sein. Die Folgen der skizzierten Umgestaltung der Betriebsverfassung wären gravierend und würden den Industriestandort Deutschland in Frage stellen. Ich will nur drei Negativpunkte anführen: Erstens. Eine notwendige bessere Strukturierung und Technisierung wird verhindert oder verzögert. Dadurch leidet die Wettbewerbsfähigkeit; das ist gleichbedeutend mit einer Gefährdung von Arbeitsplätzen. Zweitens. Der Betriebsrat wird in die Mitverantwortung für eine eventuell fehlerhafte Investitions- und Personalpolitik hineingezogen. Der Betriebsrat müßte dann widerstreitende Interessen zur gleichen Zeit wahrnehmen. Neben den Interessen der zu vertretenden Arbeitnehmer müßte er zugleich und wesentlich mehr als bisher den damit vielfach kollidierenden Rentabilitätsinteressen und den Wettbewerbsverhältnissen Rechnung tragen. Das darf man den Betriebsräten nicht aufbürden. Drittens. Der von der Gruppe PDS/Linke Liste vorgeschlagene erhebliche und systemändernde Ausbau der Mitbestimmungsrechte würde nachhaltige negative Folgen für das Einstellungsverhalten der Arbeitgeber und damit für die Beschäftigung haben. Deshalb ist der Antrag der PDS/Linke Liste als überzogen und ungeeignet abzulehnen. Im Bereich des betrieblichen Umweltschutzes, der weitgehend betrieblicher Arbeits- und Gesundheitsschutz ist, bestehen bereits nach geltendem Recht zahlreiche Beteiligungsrechte des Betriebsrats. Diese reichen von der Überwachung von zugunsten der Arbeitnehmer bestehenden Vorschriften des Umweltrechts bis hin zur echten Mitbestimmung bei allen betrieblichen Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen oder der Unfallverhütungsvorschriften. Ein generelles Mitbestimmungsrecht bei „ökologischen Fragen" ginge über die betriebliche Anknüpfung und Begrenzung der Zuständigkeiten des Betriebsrats hinaus und ist daher abzulehnen. Zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Betrieb werden dem Betriebsrat nach geltendem Recht bzw. auf Grund der im Regierungsentwurf des Zweiten Gleichberechtigungsgesetzes jetzt vorgesehenen Änderungen zahlreiche Möglichkeiten zur Frauenförderung eröffnet. Zu nennen sind: die Überwachung des Gleichberechtigungsgrundsatzes; die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern als allgemeine Aufgaben des Betriebsrats; das Vorschlagsrecht des Betriebsrats zur Durchsetzung der Gleichstellung im Rahmen der Personalplanung; die Förderung von Teilzeitarbeitsplätzen, insbesondere bei der Ausschreibung im Betrieb; die Berücksichtigung der Belange Teilzeitbeschäftigter und von Arbeitnehmern mit Familienpflichten bei betrieblichen und außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung. Als Fazit ist festzustellen, daß die Betriebsverfassung auch in den zuletzt genannten Bereichen den aktuellen Erfordernissen entspricht. Ihre bewährten Strukturen bleiben erhalten. Damit sind die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Partnerschaft in den Betrieben auch weiterhin gesichert. Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Die Betriebsverfassung ist ein wesentlicher Rückhalt für die Stabilität und Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Für die Sozialdemokratische Partei war und ist die Weiterentwicklung der Betriebsverfassung stets ein Hauptanliegen. Sie wird dieses Hauptanliegen auch weiter vorantreiben. So, wie sie es immer getan hat, wenn sie die nötigen Mehrheiten dafür gefunden hatte. Das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 war 18264* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 eines der bedeutendsten Reformvorhaben der damals von der SPD geführten Bundesregierung. Sie hatte damals allerdings einen Koalitionspartner, der sich der Bedeutung der Mitbestimmung und des sozialen Friedens wenigstens noch ansatzweise bewußt war. Die konservative Regierungskoalition hat leider in der Zwischenzeit nichts unversucht gelassen, die Betriebsverfassung zu erschweren. Anstatt eine nötige Weiterentwicklung der Arbeitgeber-/Arbeitnehmerbeziehung in den Unternehmen vorzutreiben, wurde durch die Änderung aus dem Jahre 1989 die Zersplitterung der Arbeitnehmer vorangetrieben und damit deren Position gegenüber den Kapitaleignern geschwächt. Weiteren Gefährdungen sieht sich die Betriebsverfassung durch die europäische Entwicklung ausgesetzt und dies, obgleich das deutsche Modell inzwischen in unseren Nachbarländern von Arbeitnehmern und Gewerkschaften zunehmend akzeptiert wird und auch bei weitsichtig denkenden Managern auf Unterstützung stößt. Auch wenn nicht immer so genannt: Das, was in den sogenannten neuen Führungsseminaren des Lean Managements, der Qualitätszirkeltheorie oder der Arbeitnehmermotivation beschrieben wird, ist nichts anderes als die Idee der Arbeitnehmermitbestimmung bei betrieblichen Abläufen und Entscheidungsprozessen, wie sie im Betriebsverfassungsrecht ihren gesetzlichen Rahmen finden. Wer die innovationsfördernde Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer im betrieblichen Entscheidungsprozeß erhalten und ausbauen will, muß allerdings auch den politischen und gesellschaftlichen Rahmen schaffen, in dem diese Mitbestimmung auch tatsächlich praktiziert werden kann. Eine Betriebsverfassung ohne eine stark organisierte Arbeitnehmerschaft ist deshalb ebensowenig möglich wie eine Mitbestimmung, die zumindest dafür sorgt, daß Europa nicht zum Anlaß genommen werden kann, die Betriebsverfassung auszuhöhlen. Das Betriebsverfassungsrecht muß europawetterfest gemacht werden, wie wir es z. B. in unserem Gesetzentwurf für einen Europawirtschaftsausschuß fordern. Hier hat die Bundesregierung allerdings bisher kläglich versagt, um es höflich auszudrücken. Das Betriebsverfassungsrecht muß im Bereich des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes den Arbeitnehmern mehr Mitsprache geben und sicherlich auch bei Fragen der Investitionen und Betriebsorganisation. Ich halte es allerdings nicht für sinnvoll, über eine Novellierung der Betriebsverfassung die unternehmerische Entscheidung und Verantwortung der Arbeitnehmervertretung übertragen zu wollen. Ich weiß, daß in vielen Betrieben die Betriebsräte bessere und wirtschaftlichere Konzepte vertreten als das dortige Management. Auf der anderen Seite hat sich aber gerade die Balance zwischen Kapitalinteresse und Arbeitnehmerinteresse als innovationsfreudiger erwiesen als die Dominanz der einen oder anderen Seite. Allerdings geht es in der Tat darum, diese Balance auch wirklich herzustellen. Viele der Vorstellungen in dem Antrag der PDS entsprechen durchaus gewerkschaftlichen Vorstellungen und werden deshalb auch von uns geteilt. Viele der hier gemachten Vorstellungen zeigen aber auch, daß die plakative Dareichungsform den Antragstellern stärker die Hand geführt hat als das tatsächliche Interesse an den Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechten der Arbeitnehmer. So kann man zwar plakativ fordern, der Tendenzschutz gehört gestrichen, man muß aber dann ebenso deutlich sagen, ob man damit das Selbstbestimmungsrecht von Kirchen, Parteien und Verbänden einschränken will. Über die Einstellung, Entlassung oder Versetzung eines Pfarrers, einer Gewerkschaftssekretärin oder eines Parteisekretärs — alles politische, d. h. also Tendenzorganisationen — müssen die Kirchen-, Gewerkschafts- oder Parteigremien in demokratischer Weise letztlich selbst bestimmen können, und dem Betriebsrat ist in solchen Fällen lediglich ein Beteiligungsrecht in Form einer Anhörung zu geben. So löblich auch die Forderungen zur Gleichstellung der Frauen im Betrieb sind — wir haben hier in unserem Gleichstellungsgesetz nach sorgfältiger Beratung mit den Gewerkschaften und Betriebsräten realistische Vorschläge gemacht —, so zeigen sie aber auch, daß sie weder mit den Gewerkschaften noch mit den Betriebsräten auf ihre Praktikabilität hin untersucht wurden. Völlig fehlen andererseits Vorschläge, wie die Aushöhlung der Betriebsverfassung durch die rechtliche Aufsplitterung von Betrieben und Betriebsteilen verhindert, dem immer größeren Einsatz von Fremdfirmen und Leiharbeit begegnet oder wie der Fremdbestimmung — im Falle vieler Zulieferbetriebe — entgegengewirkt werden kann. Die Betriebsverfassung muß weiterentwickelt werden, ohne Zweifel. Eine solche Weiterentwicklung erreicht man jedoch nicht durch Schaufensteranträge, sondern nur durch eine sorgfältige Gesetzesarbeit unter Einbeziehung aller Beteiligten und durch das Schaffen der nötigen Mehrheiten in diesem Parlament. Ihr Antrag — und das wissen Sie selbst natürlich am besten — wird zwar an die zuständigen Ausschüsse überwiesen werden, er kann — und auch das wissen Sie genau —, allein auf Grund der nötigen Detailarbeit, die dabei gemacht werden muß, in dieser Legislaturperiode allein zeitlich nicht mehr sorgfältig beraten werden. Die Arbeitnehmer in diesem Land haben Besseres verdient als die schlampige Behandlung von Sozial- und Arbeitsrechtsgesetzen, wie es diese Koalition in dieser Legislaturperiode leider zur Genüge praktiziert hat. Die Betriebsverfassung sollte deshalb nicht zum Gegenstand von Schaufensteranträgen gemacht werden, sie ist dafür zu wertvoll. Wir Sozialdemokraten werden die betriebliche Mitbestimmung ernsthaft verbessern, wenn wir im Oktober die Wahlen gewonnen haben. Der Deutsche Bundestag wird dann ausreichend Gelegenheit erhalten, anhand eines sachkundigen Gesetzesvorschlages darüber zu beraten. Daß der hier zur Beratung anstehende Antrag den Antragstellern dabei helfen wird, mit dabei zu sein, wage ich allerdings zu bezweifeln. Die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben wissen nämlich genau, daß ihre Interessen bei den Sozialdemokraten besser aufgehoben sind. Paul K. Friedhoff (F.D.P.): Nachdem ich den Antrag der PDS/Linke Liste zur Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes studiert habe, war ich nicht verwundert, daß Sie die Rechte der Gewerkschaften und nicht Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 18265* des einzelnen erheblich ausweiten wollen. Dies war zu erwarten. Als ich mit meinen Kollegen aus den neuen Ländern darüber sprach, wurde ich aufgeklärt. Meine Kollegen erklärten mir, daß dies in der DDR in ähnlicher Form alles im Rahmen-Kollektiv-Vertrag und im Arbeitsgesetzbuch der DDR geregelt war. Vermutlich haben Sie, meine Damen und Herren von der PDS, hier Ihre Anregungen für Ihre Formulierungen erhalten. Nach Ihren Vorstellungen soll also die Gewerkschaft im Betrieb erheblich gestärkt werden und der Betriebsrat praktisch die Betriebsleitung übernehmen. Also so, wie es in den Gesetzen nicht nur der untergegangenen DDR, sondern auch in den Gesetzen der anderen sozialistischen Länder verankert war. Die Geschichte der sozialistischen Länder hat gezeigt, daß die Idee des volkseigenen Betriebes mit all jenen Regelungen, die Sie nun für das gesamte Deutschland fordern, ein fatales Ende fand. Das Experiment der unternehmerischen Aktivitäten von Gewerkschaften ist wegen mangelnder Leistungsfähigkeit nicht nur im Osten, sondern auch im Westen gescheitert. Dafür stehen der Zusammenbruch der Kombinate im ganzen sozialistischen Wirtschaftssystem im Osten und einst so glanzvoll propagierte gewerkschaftseigene Unternehmen wie Neue Heimat und Coop im Westen. Gewerkschaftler sind eben keine Unternehmer, und sie verstehen sich auch nicht so. Was mir bei der Lektüre des Antrages noch auffiel war, daß die Wörter „Mitbestimmen" oder „Mitbestimmung" sowie „Erweiterung des Rechts" auf der ersten Seite, auf der Sie die Grundsätze ansprechen elfmal, in jedem Grundsatz also einmal vorkommen. Das Wort „Mitverantwortung" oder das Wort „Pflicht" habe ich vergeblich gesucht. Das scheint mir typisch für die Einstellung zu sein, die Sie zu Unternehmen haben. Gott sei Dank sind die Mitarbeiter in den Unternehmen von anderer Qualität. Sie wissen, daß Mitbestimmung auch Mitverantwortung heißt, und Mitverantwortung tragen bedeutet, Risiken mittragen. Rechte müssen auch immer mit Pflichten verbunden sein. In Ihrer Begründung berufen Sie sich auf die Notwendigkeit der Stärkung der betrieblichen Vertretung gegenüber der Kapitalseite. Sie wollen den Abbau von „autoritären Kommandostrukturen und Fremdbestimmung", wie Sie schreiben. Wie wir alle wissen, sind rund 70 % der Mitarbeiter in Klein- und Mittelbetrieben beschäftigt. Glauben Sie hier im Ernst, daß die Geschäftsleitung eines mittelständischen Unternehmens auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter nicht weitmöglichst eingeht? Insofern haben wir in der Realität weit mehr Mitbestimmung, als Sie es fordern. Nur, diese Mitbestimmung ist nicht institutionalisiert, sie wird auch nicht durch neue „Herrschaftsstrukturen" erreicht. In Großbetrieben haben wir neben dem Betriebsverfassungsgesetz zusätzlich die Mitbestimmung: bei Aktiengesellschaften paritätisch mit Doppelstimmrecht des Vorsitzenden und in der Montanindustrie paritätisch bei Stichentscheid des „Neutralen Mannes". Ich stelle fest, daß dieses „Mehr" an formaler Mitbestimmung den Großbetrieben zumindest nicht geholfen hat. Die Klein- und Mittelbetriebe sind es, die im Gegensatz zu den Großbetrieben Krisen flexibel meistern können und deshalb wesentlich weniger Arbeitsplätze als die mitbestimmten Großbetriebe abbauen mußten. Auch die bislang weitestgehende in der freien Welt praktizierte Mitbestimmung, die Montanmitbestimmung, hat nicht verhindert, daß aus der einstmals blühenden Montanindustrie unser industrielles Sorgenkind Nummer eins wurde. Ich bin in der Tat der Meinung, daß das Betriebsverfassungsgesetz überdacht werden muß. Seit Beginn des Gesetzes 1952 und seit der Novellierung 1972 hat sich viel in den Unternehmen verändert. Die großen Unternehmen der industriellen Massenproduktion sind in unserem Land auf dem Rückmarsch. Neue, moderne Unternehmen mit hochqualifizierten Mitarbeitern sind auf dem Vormarsch. Die Verantwortung des einzelnen Mitarbeiters ist gestiegen. Die Richtung allerdings, die dieser PDS-Antrag vorgibt, ist nicht zukunftsorientiert, sondern er weist in die falsche Richtung. Bei Verwirklichung ist er geeignet, unser immer noch im Lande erwirtschaftetes hohes Sozialprodukt erheblich zu gefährden. Für meine Fraktion lehne ich den vorliegenden Antrag ab. Dr. Ulrich Briefs (fraktionslos): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Durchsetzung voller Mitbestimmungsrechte für die abhängig Beschäftigten ist eine Jahrhundertaufgabe. Mehr als 70 Jahre nach der Einräumung der ersten Mitbestimmungsrechte — im Ersten Weltkrieg den Unternehmern und dem Staat im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Kriegsproduktion abgetrotzt— ist die Mitbestimmung nach wie vor ein Torso. Es gibt bis heute in Deutschland keine volle soziale Mitbestimmung, d. h. keine volle oder auch nur ausreichende Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten. Es gibt in einer Zeit des beschleunigten und immer tiefer die Arbeitsplätze verändernden technischen Wandels bei weitem keine ausreichende Mitbestimmung bei der Einführung neuer Technologien. Und es gibt insbesondere im Kernbereich unternehmerischer Entscheidungen, den Investitions- und den sonstigen wirtschaftlichen Entscheidungen, es gibt z. B. bei der Absatz-, der Produktions-, der Beschäftigungs- und der Forschungs- und Entwicklungsplanung nach wie vor nur Informationsrechte, dagegen nicht einmal Beratungs- und schon gar nicht Mitbestimmungsrechte im Rahmen der Betriebsverfassung. Und wie wichtig diese Mitbestimmung ist, sehen wir gegenwärtig am Arbeitsplatzabbau in West und Ost und an der sogenannten Standortdebatte. 18266* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 Die deutsche Betriebsverfassung ist, wie gesagt, eine Mitbestimmung, die vor allem Informations- und Beratungsrechte gibt, die die Mitbestimmungsrechte — z. B. die Anrufung einer Einigungsstelle — dagegen im wesentlichen auf eine beschränkte Zahl von sozialen Fällen einschränkt. Bei den Informationsrechten — noch den vergleichsweise stärksten Rechten der demokratisch gewählten betrieblichen Interessenvertretungen, der Betriebsräte, der Wirtschaftsausschüsse und der sonstigen Organe der Betriebsräte — wiederum sind die Rechte dort am stärksten, wo die Informationen am wenigsten aussagefähig sind, insbesondere bei den Jahresabschlüssen, zu denen man nur sagen kann: es gibt Lügen, infame Lügen und Bilanzen. Bei der Personalplanung insbesondere sind die Rechte der betrieblichen Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten schon wesentlich schwächer, und bei der wirtschaftlichen Planung sind sie so gut wie nicht existent. Die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes, das nach wie vor die Magna Charta der Mitbestimmung ist und das bedeutsamer ist als die Mitbestimmungsgesetze, die die „Mitbestimmungsrechte" der abhängig Beschäftigten in Aufsichtsräten und in den Vorständen regeln, ist also überfällig. Ich weiß, daß das Echo in der Öffentlichkeit für die Notwendigkeit einer Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes derzeit gering ist. Auch in den Gewerkschaften ist leider das Bewußtsein für den Kampf um volle wirtschaftliche, technologische und — das muß heute unbedingt hinzukommen — ökologische Mitbestimmung derzeit nicht sonderlich ausgeprägt und aktiv. Um so mehr würde man von politischen Kräften, die sich um die Formulierung einer gerade auch gewerkschaftlich-betrieblich orientierten linkssozialistischen Position bemühen, erwarten, daß sie die Novellierung der Betriebsverfassung als ständiges politisches Thema seit den Anfängen der Legislaturperiode in diesem Haus betreiben. Die Betriebsverfassung zehn Monate vor den Bundestagswahlen zum Thema der politischen Debatte zu machen ist ein durchsichtiges Manöver. Es zeugt von einer grundlegend falschen politischen Prioritätensetzung, es zeugt von mangelnder Kompetenz in bezug auf die betrieblich-ökonomische Entwicklung, es zeugt von mangelnder Vertrautheit mit den akuten, alltäglichen Problemen und Schwierigkeiten gewerkschaftlicher Arbeit in den Betrieben. Eine Wende in der Wirtschafts- und Sozialpolitik — das an die Adresse der Sozialdemokratie — muß begleitet sein von einer Neuaufnahme der Debatte über die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes — jenes Betriebsverfassungsgesetzes, das vor 22 Jahren unter doch ganz anderen technologischen, ökologischen und auch wirtschaftlichen Bedingungen zum letzten Male umfassend im Interesse der abhängig Beschäftigten und der gewerkschaftlichen Interessenvertretung in den Betrieben neu gefaßt worden ist. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 8 (Antrag: Verbesserung der Situation und des Status der Flüchtlinge aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien durch eine humanitäre Aufnahmepraxis) Ulla Jelpke (PDS/Linke Liste): Es gehört schon ein Zynismus eigener Art dazu, einerseits mit dem Bombardement in Bosnien im Namen der Menschlichkeit zu drohen und damit die dramatische Lage für die Menschen festzustellen und andererseits die Menschen, die vor eben dieser Kriegssituation fliehen, nicht als Kriegsflüchtlinge anzuerkennen. Selbstverständlich erkenne ich an, daß die letzte Sitzung der Gruppe Rückführung der IMK das Recht nicht rabiat anwendet, wie es der Innenminister formuliert. Trotzdem fällt es schwer, die Beschlüsse der IMK zur zeitlichen Staffelung der Abschiebung kroatischer Flüchtlinge als humane Geste zu akzeptieren. Denn wirksam wird hier doch das ganze Arsenal an bürokratischen Fallstricken und Hindernissen, das in den letzten Jahren ausgebaut bzw. neu geschaffen worden ist. Erschreckende Wirklichkeit ist, daß die Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien spätestens an der Grenze zur Bundesrepublik Deutschland auf eine mehr und mehr paramilitärische Mauer stoßen und dort abgefangen und abgehalten werden. Serbische oder kroatische Deserteure, falls sie es denn überhaupt geschafft haben, in die Bundesrepublik Deutschland zu gelangen, werden von den Verantwortlichen unbeirrt in aussichtslose Asylverfahren gezwungen: aus Kostengründen! Nebenbei gesagt: Es ist natürlich sehr einfach, über unmenschliche Schleuserpraktiken zu reden, solange über die unmenschlichen gesetzlichen Regelungen geschwiegen wird, die die Schleusertätigkeit notwendig machen. Die Innenminister der Länder und des Bundes haben es geschafft, von Mai 1992 bis heute keinen einzigen Flüchtling aus dem ehemaligen Jugoslawien als Kriegsflüchtling aufzunehmen. Und während zeitlich gestaffelt bis 1995 die Abschiebung selektiv durchgezogen werden soll, wird die Situation der weiter hier Geduldeten rabiat verschlechtert. Sie werden nach Mißbrauchsfällen überprüft, und es wird geprüft, ob auf sie die „Grundgedanken" des Asylbewerberleistungsgesetzes anzuwenden sind. Im Klartext: Kriegsflüchtlinge haben hierzulande Anspruch auf Unterstützung unterhalb der Sozialhilfe und auf Essenspakete — sofern sie es irgendwie geschafft haben hierherzukommen. Cornelia Schmalz-Jacobsen (F.D.P.): Während wir heute über die Situation der Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien in der Bundesrepublik debattieren, geht in Bosnien — und nicht nur dort — ein Krieg weiter, dem wir Europäer seit Monaten und Jahren hilflos zuschauen. So bitter es ist: Eine schlüssige Formel zur Beendigung des Blutvergießens gibt es wohl nicht, trotz der zwischenzeitlich erreichten Waffenruhe in Sarajewo. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 18267* Zahllose Menschen sind vor dem unmenschlichen Krieg geflohen oder sind vertrieben worden. Auch ein Ende dieses Flüchtlingsstromes ist nicht in Sicht. Deutschland hat sich ohne Wenn und Aber seiner humanitären Verpflichtung gestellt und eine große Zahl von Flüchtlingen aus dem Kriegsgebiet unbürokratisch aufgenommen. Allen Beteiligten war dabei klar, daß es sich nur um eine vorübergehende Schutzgewährung, nicht aber um den Beginn eines Daueraufenthaltes handeln konnte. Aber wer „A" sagt, der muß auch „B" sagen. Und „B" bedeutet eben, daß, wer Flüchtlinge aufnimmt, eine hohe Verantwortung übernimmt, der man gerecht werden muß. Was nützt aller Verzicht auf Bürokratie bei der Aufnahme der Flüchtlinge, wenn anschließend kein weiteres Konzept da ist? Was nützt die Vereinbarung eines Sonderstatus für Bürgerkriegsflüchtlinge, wenn seine praktische Umsetzung am unerquicklichen Bund-Länder-Tauziehen scheitert und wieder einmal für viele das Asylverfahren als einziger Ausweg erscheint? Hier muß schleunigst die überfällige Regelung gefunden werden. Ich möchte aber an dieser Stelle der Konferenz der Innenminister ausdrücklich dafür danken, daß sie sich die Vorschläge zu einer differenzierten Rückkehrregelung in befriedete Gebiet zu eigen gemacht hat, die unter anderem auch ich als Ausländerbeauftragte dieser Bundesregierung vorgetragen habe. Wir müssen sicherstellen, daß Flüchtlingen keine neue Gefahr droht, wenn sie aus Deutschland wieder in ihre Heimat reisen. Das sollte so selbstverständlich sein, daß man es nicht eigens zu erwähnen braucht. Ich kann in diesem Zusammenhang nur an den Bericht der Mazowieczki-Kommission zur Lage der Kosovo-Albaner erinnern. Dieser Bericht gemahnt uns, unter allen Umständen eine sehr genaue Einzelfallprüfung vorzunehmen, bevor über eine etwaige Rückführung entschieden wird. Mit pauschalen Regelungen ist es nicht getan für Tausende von Menschen, die die Flucht vor dem Krieg zu uns geführt hat und die nun in ein mehr oder weniger „befriedetes" Gebiet, in ein mehr oder weniger zerstörtes Gebiet und in eine häufig katastrophale Versorgungslage zurückkehren. Ich hoffe sehr, daß die Beschlüsse der Innenministerkonferenz zu einer differenzierten Rückführung und einer individuellen Einzelfallprüfung führen, die unseren humanitären Ansprüchen gerecht werden. Die Problematik der Aufnahme von Flüchtlingen aus Bürgerkriegsgebieten, ihres Status und ihrer Rückführung zeigt, wie dringend wir eine gemeinsame europäische Flüchtlingskonzeption brauchen und zu einer koordinierten Politik finden müssen. Das nationale Einzelkämpfertum ist auch hier schlicht und einfach nicht mehr zeitgemäß — wie im Bereich der Asylpolitik, wie im Bereich der Migrationspolitik bzw. — Nichtpolitik. Wir Deutschen wären im eigenen Interesse gut beraten, hier die treibende Kraft zu sein und für humanitäre Mindeststandards sowie eine gerechte Lastenverteilung innerhalb der Europäischen Union einzutreten. Ich möchte im übrigen nicht versäumen, unserer eigenen wie auch der „jugoslawischen" Bevölkerung in besonderem Maße zu danken. Ohne ihre oft überaus große Hilfs- und Opferbereitschaft wären viele Bürgerkriegsflüchtlinge zweifellos noch weitaus schlechter dran. Zum Schluß möchte ich daran erinnern, daß und wie dringend etwas für die psychische Versorgung der traumatisierten Kinder, Frauen und auch Männer aus den Bürgerkriegsgebieten getan werden muß. Können wir den Krieg schon nicht beenden, dann sollte uns zumindest doch Hilfe für diese Menschen selbstverständlich sein. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Horst Günther auf die Frage der Abgeordneten Jutta Müller (Völklingen) (SPD) (Drucksache 12/6855 Frage 3): Wer haftet für die Schäden, und welche Strafen haben Schädlingsbekämpfer zu erwarten, die sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben der Gefahrstoffverordnung halten?*) Wer Schädlingsbekämpfung durchführen will, ist nach Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) Anhang V Nr. 6.3.2 verpflichtet, vor Aufnahme der ersten Tätigkeit dies der zuständigen Behörde anzuzeigen. Nach § 49 Nr. 1 GefStoffV handelt ordnungswidrig, wer eine Anzeigenpflicht nach Anhang V Nr. 6.3.2 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 verletzt. § 26 Abs. i Nr. 7 Chemikaliengesetz sieht für diesen Fall eine Bußgeldandrohung von bis zu 100 000 DM vor. Die Haftung des Schädlingsbekämpfers, die vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden kann, orientiert sich an dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zum Geschädigten. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Schädlingsbekämpfer nicht hoheitlich oder hoheitlich gehandelt hat: Wird der Schädlingsbekämpfer auf nicht hoheitlicher Basis, z. B. auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages (§§ 631 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) tätig, so kann seine Haftung im Schadensfalle — je nach beeinträchtigtem Rechtsgut und/oder Geschädigten — aus der Verletzung des Vertragsverhältnisses resultieren oder auf den Regelungen der außervertraglichen deliktischen Haftung (§§ 823 ff. BGB) beruhen. Wird er im Auftrag einer zuständigen Behörde im Rahmen einer dieser im Einzelfall obliegenden Amtspflicht, z. B. auf der Grundlage des § 13 des Bundesseuchengesetzes hoheitlich tätig, so unterfällt er den üblichen amts-/staatshaftungsrechtlichen Regelungen, vor allem der Bestimmung nach § 839 BGB i. V. m. Artikel 34 des Grundgesetzes. Sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen Haftungsnorm erfüllt sind, trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Schädlingsbekämpfer steht; ist dem Schädlingsbekämpfer Vorsatz oder grobe Fahrlässig- *) siehe hierzu Frage 39 18268* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 keit vorzuwerfen, kann er im Innenverhältnis nach den jeweiligen dienstrechtlichen Vorschriften in Regreß genommen werden. Daneben kann im Einzelfall auch der Produzent des Schädlingsbekämpfungsmittels der Haftung unterfallen, sofern sein Schädlingsbekämpfungsmittel in produkthaftungsrechtlich relevanter Weise einen schadensverursachenden Fehler hat (vgl. vor allem § 3 des Produkthaftungsgesetzes bzw. die Produkthaftungspraxis auf der Grundlage der §§ 823 ff. BGB). Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Horst Günther auf die Frage des Abgeordneten Ludwig Stiegler (SPD) (Drucksache 12/6855 Frage 4): Trifft es zu, daß die Arbeitsverwaltung die Aufwandsentschädigung von Kommunalpolitikern ohne Berücksichtigung von deren Werbungskosten bei der Berechnung der Arbeitslosenhilfe zum vollen Betrag als eigenes Einkommen anrechnet, und ist dies durch die geltende Rechtslage gedeckt? Nach geltendem Recht werden nichtsteuerpflichtige Aufwandsentschädigungen im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung bei der Arbeitslosenhilfe nicht berücksichtigt (§ 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG). Steuerpflichtige Aufwandsentschädigungen werden berücksichtigt, soweit sie den tatsächlichen Aufwand übersteigen (§ 138 Abs. 2 Satz 2 AFG). Dem entsprechen die Weisungen des Präsidenten der Bundesanstalt an die Arbeitsämter. Zweifelhaft kann im Einzelfall allenfalls sein, ob bestimmte Aufwendungen privat oder durch das Mandat verursacht sind. Falls Sie den Eindruck haben, daß im Einzelfall das geltende Recht nicht richtig angewandt wurde, bitte ich um nähere Angaben. Ich bin dann gerne bereit, den Sachverhalt überprüfen zu lassen. Anlage 8 Antwort des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Olaf Feldmann (F.D.P.) (Drucksache 12/6855 Fragen 6 und 7): Wie beurteilt die Bundesregierung den Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 16. Februar 1994, nach dem 81 000 t Munition auf bisher von russischen Truppen genutzten Liegenschaften in Deutschland vergraben sein könnten, und welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Erfassung und Beseitigung dieser Bestände? Wie gedenkt die Bundesregierung der russischen Blockade-Haltung in dieser Sache zu begegnen, und welche Schritte sind unternommen worden, um die von der „Westgruppe der Truppen" genannte Datenbasis bezüglich der abzutransportierenden Munition auf den neuesten Stand zu bringen? Die Bundesregierung hat keine Anhaltspunkte dafür, daß Munitionsbestände der in Deutschland noch stationierten Westgruppe der russischen Truppen (WGT) auf den von der WGT noch benutzten Liegenschaften vergraben sind. Die WGT hat die Bundesregierung über den Restbestand an Munition zum 1. Januar 1994 unterrichtet und wiederholt zugesichert, daß vertragsgemäß sämtliche Munitionsbestände bis zum 31. August 1994 abtransportiert werden. Die Bundesregierung geht von der Einhaltung der vertraglichen Abzugsverpflichtungen durch die russische Seite aus. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Eduard Lintner auf die Fragen des Abgeordneten Georg Gallus (F.D.P.) (Drucksache 12/6855 Fragen 11 und 12): Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus den Erfahrungen des italienischen Mafia-Bekämpfers Luciano Violante zu ziehen, insbesondere was seine Äußerung in dem Interview in der Süddeutschen Zeitung vom 29./30. Januar 1994 betrifft, wo es heißt, „Deutschland bietet Angriffsflächen, weil es noch nicht über die geeigneten Mittel gegen das Organisierte Verbrechen verfügt"? Kann die Bundesregierung Auskunft darüber erteilen, wie viele Morde im Land Berlin in den letzten drei Jahren bis zum heutigen Tage geschehen sind, und wie viele man davon dem Organisierten Verbrechen zurechnen muß? Zu Frage 11: Die Koalitionsfraktionen werden noch im Februar 1994 mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz ein weiteres Paket von Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung einbringen. Das Gesetzesvorhaben berücksichtigt dabei auch die Erfahrungen, die die italienische Polizei und Justiz bei der Bekämpfung der Mafia gemacht haben. So soll unter anderem angesichts der positiven italienischen Erfahrungen die bislang auf dem Bereich der terroristischen Gewaltkriminalität geschränkte Kronzeugenregelung befristet auch auf den Bereich der organisierten Kriminalität ausgesdehnt werden. Daneben sind zur Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, insbesondere folgende Maßnahmen geplant: — Verbesserung der Gewinnabschöpfung bei sogenannten Schutzgelderpressungen; — Erweiterung des Katalogs der Vortaten einer Geldwäsche; — Erweiterung der Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen im Bereich der Urkundendelikte; — Verschärfung der Strafvorschriften gegen das professionelle Schlepperunwesen, insbesondere Einführung neuer Straftatbestände, Erhöhung des Strafrahmens, Anwendung der Vermögensstrafe und des Erweiterten Verfalls. Zu Frage 12: Ausweislich der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wurden für Berlin 1991 202 Fälle und 1992 325 Fälle (einschl. Versuche) wegen Mordes oder Totschlages erfaßt. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 18269* Zum Lagebericht zur Organisierten Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland wurden von Berlin für 199213 Tötungsdelikte gemeldet, für 1991 erfolgte keine Zulieferung entsprechender Daten für Berlin. Die PKS-Zahlen und die Daten zur Organisierten Kriminalität für 1993 liegen der Bundesregierung noch nicht vor. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rainer Funke auf die Frage des Abgeordneten Joachim Tappe (SPD) (Drucksache 12/6855 Frage 15): Was gedenkt die Bundesregierung angesichts der dramatisch zunehmenden Insolvenzen und kriminellen Machenschaften europaweit agierender unseriöser Touristikanbieter in der Bundesrepublik Deutschland zum Schutz der Reisenden zu unternehmen? Die Bundesregierung hat im März 1993 den Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der EG-Pauschalreiserichtlinie in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht, der zur Zeit im Deutschen Bundestag beraten wird. Nach diesem Gesetz sollen die Reiseveranstalter verpflichtet werden, durch Abschluß einer Versicherung oder Beibringung einer Bankgarantie sicherzustellen, daß den Reisenden im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters der Reisepreis sowie etwaige Mehrkosten der Rückreise erstattet werden. Die Pflicht zur Absicherung der Kundengelder und insolvenzbedingter Mehrkosten der Rückreise wird nach Artikel 29 des Einführungsgesetzes zum BGB auch Reiseveranstalter mit Sitz im Ausland treffen, die in Deutschland Pauschalreisen anbieten. Soweit ausländische Touristikunternehmen ihre Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union haben, können sie dem Reisenden Sicherheit in Übereinstimmung mit den Vorschriften des anderen Mitgliedstaats leisten. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung konkretisiert und verschärft auch die Informationspflichten der Reiseveranstalter. In einer vom Bundesministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft zu erlassenden Rechtsverordnung werden verbindliche Pflichtangaben im Reiseprospekt, vor Abschluß des Vertrags, im Vertrag selbst und schließlich vor Beginn der Reise festgelegt. Diese Rechtsverordnung liegt im Entwurf fertig vor und kann auf S. 14 und 15 der BT-Drucksache 12/5354 nachgelesen werden. Aufgrund der EG-Richtlinie gelten auch diese Vorschriften europaweit. Zu den Möglichkeiten der gewerberechtlichen Überwachung von Reiseveranstaltern wird das Bundesministerium für Wirtschaft sogleich Stellung nehmen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jürgen Echternach auf die Frage der an Dr. Christiane Lucyga (SPD) (Drucksache 12/6855 Frage 18): Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch hohe Kapitaldienst- und Tilgungsverpflichtungen für Altkredite z. B. der Seehafen Rostock GmbH und der Rostocker Fischereihafen GmbH (RFH), gemessen an vergleichbaren Unternehmen in den alten Bundesländern, kaum kompensierbare Wettbewerbsnachteile entstehen, und warum wurden diese kommunalen Betriebe von der Treuhandanstalt nicht analog den privatisierten Betrieben entschuldet oder wenigstens teilentschuldet? Der Einigungsvertrag sieht in den Artikeln 21, 22 den Übergang des ehemals volkseigenen Vermögens auf die Gebietskörperschaften — Bund, Länder und Kommunen — sowie die anderen Träger öffentlicher Verwaltung vor. Wird dem Kommunalisierungsantrag der Gebietskörperschaft mittels eines Zuordnungsbescheides gem. Vermögenszuordnungsgesetz entsprochen, sind alle Verpflichtungen zu übernehmen, d. h. werden diese Betriebe durch Kommunen übernommen, so erfolgt damit die Übernahme sowohl aller Aktiva als auch aller Passiva (Verpflichtungen gegenüber Dritten). Im Gegensatz zu den privatisierten Betrieben, die übrigens nur in Einzelfällen entschuldet bzw. teilentschuldet wurden, werden die kommunalen Betriebe, wie im Fall Seehafen Rostock GmbH geschehen, unentgeltlich übertragen. Da die Rostocker Fischereihafen GmbH sich stets in Privatbesitz befand, war eine unentgeltliche Übertragung nicht möglich. Zwischen der THA und der Hansestadt Rostock als Käuferin sowie der Deutschen Fischwirtschaft AG ist mehrfach übereinstimmend festgestellt worden, daß ein Junktim zwischen Kaufpreis und Übernahme von Altschulden besteht. Die Hansestadt Rostock führt mit der THA z. Z. noch Kaufverhandlungen, die von seiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern noch der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedürfen. Wettbewerbsnachteile durch Verpflichtungen zur Tilgung von Altschulden im Vergleich zu den Häfen in den alten Bundesländern entstehen nicht, da auch in den anderen Häfen langfristige Verbindlichkeiten mit den entsprechenden Zins- und Tilgungsverpflichtungen bestehen (so die Auskunft des BMV). Im übrigen ist für die Auswahl des Hafens für den Transportunternehmer die Optimierung der Transportkosten entscheidendes Kriterium, d. h. ein Unternehmen wird immer den kürzesten Landweg auswählen, da der Seetransport erheblich preiswerter ist als der auf dem Land. Allenfalls bei weitgehender Kostengleichheit können höhere Hafengebühren zu Wettbewerbsnachteilen und einer Kompensierung des preiswerteren Seetransports gegenüber dem Landweg führen. Des weiteren ist eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Häfen Mecklenburg-Vorpommerns durch eine Verbesserung der Infrastruktur des Umlandes im Bundesverkehrswegeplan vorgesehen. 18270* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jürgen Echternach auf die Frage des Abgeordneten Ludwig Stiegler (SPD) (Drucksache 12/6855 Frage 21): Wie ist der Stand der Gespräche zwischen der Bundesregierung und den Vereinigten Staaten über Art und Umfang der Beschäftigung ziviler deutscher Arbeitnehmer bei den US-Streitkräften insbesondere in Grafenwöhr, und lassen sich bereits verläßliche Aussagen über die Entwicklung des Beschäftigungsvolumens treffen? Nach Artikel 56 Absatz 6 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut bestimmen die US-Streitkräfte die Zahl und Art der von ihnen benötigten Arbeitsplätze des öffentlichen Bedarfs. Eine Konsultationspflicht mit der Bundesregierung besteht dabei nicht. Die US-Streitkräfte unterrichten aber das Bundesministerium der Finanzen über Personalmaßnahmen, auf die der Tarifvertrag Soziale Sicherung vom 31. August 1971 Anwendung findet. Nach den bisherigen Mitteilungen und den darüber hinausgehenden Ankündigungen der US-Streitkräfte geht die Bundesregierung weiterhin davon aus, daß sich die Zahl der örtlichen Arbeitnehmer bei den US-Streitkräften von gegenwärtig (Januar 1994) 33 190 bis Ende 1994 auf etwa 23 000 bis 24 000 verringern wird. In Grafenwöhr, Vilseck und Hohenfels sind derzeit insgesamt rund 3 380 Arbeitnehmer beschäftigt. Nach Mitteilung der US-Streitkräfte sind davon rund 500 Arbeitnehmer auf Stellen beschäftigt, die durch den Stellenplan 1994 nicht genehmigt sind. Andererseits sind an den genannten Standorten aber rund 280 genehmigte Stellen unbesetzt. Die US-Streitkräfte prüfen noch, welche Arbeitnehmer, die von der Personalreduzierung betroffen sind, auf die unbesetzten Stellen umgesetzt werden können. Zusätzlich sind für 1994 beim 69. Signal Battaillon Stellenkürzungen angekündigt worden, wovon 10 auf Grafenwöhr entfallen. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jürgen Echternach auf die Frage des Abgeordneten Otto Schily (SPD) (Drucksache 12/6855 Frage 22): Seit welchem Zeitpunkt stehen Gebäude, deren Eigentümer der Bund ist, in Berlin und Brandenburg ganz oder teilweise leer, und welches sind die Gründe dafür? In Berlin werden etwa 60 gewerblich nutzbare Objekte für den Umzug von Parlament und Bundesregierung freigehalten. Dabei ist die ganz überwiegende Zahl der Gebäude teilweise belegt. Hierunter fallen vor allem die Liegenschaften in Berlin-Mitte, die zur Zeit als Außenstellen der Ministerien genutzt werden und die künftig als endgültige Ministerienstandorte vorgesehen sind. Hiervon zu unterscheiden sind einzelne Liegenschaften, die wegen ihres Zustandes (z. B. frühere Kaserne der sowjetischen Truppen in Karlshorst) oder wegen einer angestrebten Veräußerung (z. B. ehemaliges Hotel Johannishof in Berlin-Mitte) nicht genutzt werden können. Von den Wohnungen im früheren Westteil von Berlin, die die Alliierten bereits freigegeben haben, werden z. Z. rd. 700 Wohnungen zum Zwecke der Neuvermietung hergerichtet. Im Stadtteil Karlshorst hat die Westgruppe der Truppen der sowjetischen Streitkräfte (WGT) Wohnungen freigegeben, deren Eigentumsverhältnisse noch nicht geklärt sind. Um hierbei Leerstände zu vermeiden, ist der Bund um die baldige Klärung bemüht. Bei etwa 300 Wohnungen sind Restitutionsansprüche nach Maßgabe des Vermögensgesetzes angemeldet worden. In Brandenburg müssen etwa 190 Liegenschaften ganz oder teilweise einer neuen Nutzung zugeführt werden. Bei etwa 100 Objekten handelt es sich um Liegenschaften, die von der WGT zurückgegeben wurden (Kasernen, Raketenstellungen, Treibstoffund Munitionslager, Flugplätze, ca. 5 300 Wohnungen). Eine Vermietung oder Veräußerung scheiterte bisher an der abseitigen Lage und an dem überwiegend schlechten baulichen Zustand. Etwa 90 ehemalige NVA-Liegenschaften konnten trotz intensiver Bemühungen bisher keiner neuen Nutzung zugeführt werden. Soweit zu diesen Objekten auch Wohnungen zählen, sind diese überwiegend genutzt. Lediglich im Rahmen des Mieterwechsels oder bei Instandsetzungsmaßnahmen treten kurzzeitige Leerstände auf. Büroräume stehen in Brandenburg nicht leer. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Heinrich L. Kolb auf die Frage des Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU/ CSU) (Drucksache 12/6855 Frage 23): Welche Etatansätze haben der Bund und die Revierländer Nordrhein-Westfalen und Saarland 1994 bis einschließlich 1997 für den Hüttenvertrag vorgesehen, die zu den Verstromungshilfen (1996: 7,5 Mrd. DM und 1997: 7 Mrd. DM) hinzugerechnet werden müssen, um ein Gesamtbild der Subventionen für die deutsche Steinkohle zu erhalten? Für die Kokskohlenbeihilfe, mit der die Lieferungen der Bergbauunternehmen an die Stahlindustrie aufgrund des Hüttenvertrages finanziell flankiert wer- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 18271* den, hat der Bund in den Haushalt 1994 einen Betrag von 1 890 Millionen DM eingestellt. Dieser Betrag schließt den 1/3-Anteil des Saarlandes ein, den der Bund bisher übernommen hat. Das Land Nordrhein-Westfalen stellt entsprechend seinem 1/3-Anteil einen Betrag von 821 Millionen DM zur Verfügung. Für den 3. Plafondzeitraum 1995 bis 1997 sieht der bisherige Finanzplan für die Kokskohlenbeihilfe 1995 1,5 Milliarden DM, für 1996 1,4 Milliarden DM und für 1997 1,35 Milliarden DM (jeweils Bundesanteil) vor. Diese Ansätze basieren — vorbehaltlich der Plafondverhandlungen mit den Bergbauunternehmen im Herbst dieses Jahres — auf der Annahme einer jährlichen Absatzmenge von 15 Millionen t und einer 50 %-Beteiligung der Bergbauländer, über die mit Nordrhein-Westfalen und dem Saarland ebenfalls im Herbst 1994 verhandelt werden muß. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Heinrich L. Kolb auf die Frage des Abgeordneten Joachim Tappe (SPD) (Drucksache 12/6855 Frage 24): Wie gedenkt die Bundesregierung über die nationale Umsetzung der betreffenden EU-Richtlinie hinaus sicherzustellen, daß aufgrund der Unübersichtlichkeit des Marktes mit seinen ca. 17 000 Pauschalreiseanbietern allein in Deutschland künftig für Reisebucher unzweideutig erkennbar wird, es mit einem seriösen Anbieter zu tun zu haben, ohne einer Monopolisierung zugunsten großer Reiseveranstalter Vorschub zu leisten?*) Mit der im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der EG-Pauschalreise-Richtlinie vorgesehenen Kundengeldabsicherung ist in Zukunft das spezifische Risiko, das sich aus der bei Pauschalreisen üblichen Vorauszahlung des Reisepreises ergibt, abgesichert. Die Absicherung umfaßt auch den Rücktransport des Reisenden im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters. Der Veranstalter darf — abgesehen von einer bescheidenen Anzahlung — Vorauszahlungen nur gegen Aushändigung eines Sicherungsscheins fordern oder annehmen. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift wird mit einer spürbaren Geldbuße belegt. Es ist davon auszugehen, daß Sicherungsscheine zur Kundengeldabsicherung nur an Unternehmen ausgegeben werden, die die Gewähr für eine ordnungsgemäße Vertragsabwicklung geben. Der Reisekunde wird seinerseits darauf zu achten haben, daß er einen Sicherungsschein erhält. Im übrigen ist es nach Auffassung der Bundesregierung Angelegenheit des Reisekunden, sich wie bei allen anderen Rechtsgeschäften von der Seriösität seines Vertragspartners zu überzeugen. *) siehe hierzu Frage 15 Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Heinrich L. Kolb auf die Frage des Abgeordneten Jürgen Augustinowitz (CDU/CSU) (Drucksache 12/6855 Frage 25): Denkt die Bundesregierung im Rahmen ihrer Deregulierungsbemühungen auch darüber nach, Inhabern von Einzelhandelsgeschäften bzw. kleinen Betrieben, die bisher nicht ausgebildet haben, die Ausbildung von jungen Menschen zu ermöglichen, ohne die zur Zeit notwendige Ausbildungseignungsprüfung abgelegt zu haben? Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Ausbildereignungsprüfung ganz oder für einzelne Wirtschaftsbereiche abzuschaffen. Dies würde die Qualität der beruflichen Ausbildung nachhaltig schwächen und stünde im Widerspruch zu den Anstrengungen um die Sicherung des Standortes und der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Heinrich L. Kolb auf die Frage des Abgeordneten Otto Schily (SPD) (Drucksache 12/6855 Frage 26): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, bei der Europäischen Kommission eine angemessene Behandlung der deutschen Stahlunternehmen durchzusetzen? Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß daran zu zweifeln, daß die Europäische Kommission die deutschen Stahlunternehmen im Rahmen der ihr nach dem EG-Recht zustehenden Befugnisse angemessen behandelt. Soweit die Kommission nur aufgrund einstimmiger Entscheidungen des EG-Ministerrates handeln kann, kann auch sie u. U. nicht ihre Vorstellungen durchsetzen, da die Mitgliedstaaten der Europäischen Union eigene, oft einander widerstrebende Interessen verfolgen und deshalb immer wieder Kompromisse gesucht werden müssen. Die Bundesregierung kann zudem nicht allein die Interessen bestimmter Stahlunternehmen berücksichtigen, sondern muß auch die Anliegen anderer Unternehmen und anderer Wirtschaftszweige — wie z. B. des Kohlebergbaus — wahrnehmen. Angesichts dieser Ausgangslage werden die deutschen Stahlunternehmen — wie sich aus dem folgenden ergibt — in Brüssel durchaus angemessen behandelt: Die flankierenden Maßnahmen zur Bewältigung der aktuellen Stahlkrise, von denen die deutschen Stahlunternehmen erheblichen Nutzen ziehen, sind im Februar 1993 nicht zuletzt auf nachhaltiges Drängen der Bundesregierung im Ministerrat der Europäischen Union beschlossen worden. Das gilt vor allem für die Unterstützung ausscheidender Mitarbeiter der Stahlunternehmen, für die die Kommission zusätzlich rd. 480 Millionen DM zur Verfügung stellt, und die im erheblichen Umfang für deutsche Stahlarbeiter eingesetzt werden. Auch von dem zeitlich befristeten verstärkten Außenschutz, der Ermittlung der Einfuhrbasispreise und den Vorausschätzungen der Kommission über Verbrauch und Produktion von Stahlerzeug- 18272* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 nissen profitieren die deutschen Unternehmen stark. Bei den Entscheidungen über Beihilfen für europäische Stahlunternehmen im Dezember 1993 wurden auch Programme für zwei deutsche Unternehmen, die EKO Stahl AG, Eisenhüttenstadt und die Sächsische Edelstahlwerke GmbH Freital, genehmigt. Diese Programme sichern die Existenz dieser deutschen Unternehmen. Die Entscheidungen waren wichtige Beiträge zur Sicherung der industriellen Basis in Ostdeutschland. Bei den Beihilfen für italienische und spanische Stahlunternehmen wurde erreicht, daß diese Beihilfen reduziert und an den Abbau marktwirksamer Kapazitäten gebunden wurden. Im Falle Spaniens wurde zudem die Beihilfe davon abhängig gemacht, daß die Schließung einer Warmbreitbandstraße wesentlich früher erfolgt (bis Ende 1995) als von Spanien vorgesehen (bis Ende 1996). Bei dem Kernproblem der Stahlkrise, dem Abbau weiterer Überkapazitäten, wirkt die Bundesregierung intensiv auf einen ausgewogenen Kapazitätsabbau innerhalb Europas hin, der den Interessen der deutschen Stahlunternehmen Rechnung trägt. Allerdings haben die Unternehmen dem Bundeswirtschaftsminister ihre Position noch nicht detailliert dargestellt. Anlage 18 Antwort der Parl. Staatssekretärin Michaela Geiger auf die Fragen des Abgeordneten Klaus Francke (Hamburg) (CDU/CSU) (Drucksache 12/6855 Fragen 28 und 29): Wie beurteilt die Bundesregierung die Fähigkeit der zur Teilnahme am NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden" eingeladenen Staaten Mittel- und Osteuropas, die für die im Programm in Aussicht genommene Eigenfinanzierung ihrer Teilnahme an Partnerschaftsaktivitäten und die Beteiligung an den Lasten für die Durchführung von gemeinsamen Übungen erforderlichen personellen, strukturellen und finanziellen Voraussetzungen zu erfüllen? Welche finanziellen Ressourcen stehen der NATO im laufenden Jahr und in absehbarer Zukunft zur Verfügung, um ihre im Programm .,Partnerschaft für den Frieden" bekundete Bereitschaft, gemeinsam mit den anderen unterzeichnenden Staaten auf die Entwicklung kooperativer militärischer Beziehungen mit dem Ziel gemeinsamer Planung, Ausbildung und Übungen im Hinblick auf friedenswahrende und humanitäre Aufgaben hinzuarbeiten, zu verwirklichen, und hält die Bundesregierung diese Ressourcen für ausreichend? Zu Frage 28: Die Teilnehmerstaaten verpflichten sich unter anderem im Rahmendokument für dieses Programm „in angemessener Weise Personal, Mittel, Einrichtungen und Fähigkeiten bereitzustellen, die für die Durchführung des vereinbarten Partnerschaftsprogramms notwendig sind". Jeder Partnerstaat übermittelt der NATO sein Einführungsdokument, in dem er die Schritte aufzeigt, die er zum Erreichen der politischen Ziele der Partnerschaft ergreifen wird und benennt die militärischen und anderen Mittel, die für Partnerschaftsaktivitäten genutzt werden könnten. Über die Fähigkeiten der Partnerländer Mittel- und Osteuropas ist kein allgemeines Urteil möglich. Alle Reformstaaten haben mehr oder weniger große wirtschaftliche und damit finanzielle Schwierigkeiten. Rumänien, Bulgarien und Albanien haben derzeit Probleme, einen ausreichenden Übungs- und Ausbildungsbetrieb ihrer Streitkräfte durchzuführen. Die Baltischen Staaten können nach deren eigenen Aussagen in der nahen Zukunft nicht an NATO-Übungen teilnehmen. Die Bundesregierung geht davon aus, daß jeder Staat unterschiedliche Aktivitäten anstreben wird. Dies kann sich unter Umständen zunächst auf die formale Unterzeichnung des Programms beschränken. Zu Frage 29: Die Überlegungen innerhalb der NATO über den Umfang des Programms sind noch nicht abgeschlossen. Erst nach Vorliegen der Einführungsdokumente wird die NATO bewerten können, welcher Mittelansatz benötigt wird. Die bisherigen Planungen sehen vor, das Programm „Partnerschaft für den Frieden" aus den bestehenden NATO-Haushalten — Militär, Infrastruktur und Zivilhaushalt — zu finanzieren. Eine Aufstockung dieser Haushalte ist bisher nicht vorgesehen. Die Bundesregierung kann somit, da der Umfang des Programms im Einzelnen noch nicht festliegt, zum jetzigen Zeitpunkt eine Bewertung der Mittel nicht vornehmen. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Manfred Carstens auf die Fragen des Abgeordneten Dietmar Schulz (SPD) (Drucksache 12/6855 Fragen 30 und 31): Trifft es zu, daß der Bundesregierung seit Juli 1992 eine Untersuchung über Möglichkeiten zur Verringerung des Risikos des Verlustes von Containern auf See vorliegt, die erschrekkende Regelungs-, Kontroll- und Informationslücken aufzeigt, und wie hat sich das Bundesministerium für Verkehr mit den Ergebnissen dieser Untersuchung auseinandergesetzt? Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung kurzfristig ergreifen, um den Transport von Gefahrgut mit Containerschiffen von deutschen Seehäfen aus insbesondere durch Kontrollen und Vorschriften sicherer zu gestalten? Zu Frage 30: Die genannte Studie (Untersuchung über die Möglichkeiten der Verringerung des Risikos des Verlustes von Containern auf See und der Verbesserung der Wiederauffindung) wurde 1992 im Auftrag der Bundesregierung vom Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie erstellt. Es sollte untersucht werden, ob Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 18273* am Container angebrachte Einrichtungen, die nach dem Überbordgehen seine Ortung erleichtern, erforderlich und praktikabel sind. Der Bericht enthält drei wesentliche Aussagen: 1. Die Verlustraten sind nach Einschätzung der Verfasser vergleichsweise gering. 2. Es gibt Schwachstellen im Bereich Meldung/ Suche/Sicherung/Bergung. 3. Es existiert noch kein technisch ausgereiftes System zur Verlustmeldung von Containern und deren Ortung durch aktive, mit dem Container verbundene Einrichtungen. Das Bundesministerium für Verkehr hat sich eingehend mit den Aussagen der Untersuchung im Hinblick auf mögliche Verbesserungen beim Containertransport auf Seeschiffen beschäftigt, mit dem Ergebnis, daß eine Ausrüstung aller in Frage kommenden Container (das sind weltweit ca. 60 000 Gefahrgut-container von ca. 6 Millionen insgesamt) mit Funkoder Sonarbaken sowohl technisch als auch logistisch das Auffinden von verlorenen Containern nicht derartig verbessert, daß die hieraus resultierende wirtschaftliche Mehrbelastung vertretbar erscheint. Die Bundesregierung setzt vielmehr auf Prävention, d. h., die Stauung von Containern ist so zu verbessern, daß ein Überbordgehen von vornherein verhindert wird. Die hierzu eingeleiteten Maßnahmen wurden Ihnen in der Fragestunde am 3. Februar 1994 (Drucksache 12/6691, Fragen 67, 68) bereits ausführlich erläutert. Daneben werden die Möglichkeiten zur Auffindung verlorener Container in einem begrenzten Seegebiet durch die Beschaffung zweier Objektsuchsonare verbessert. Die Anlagen werden voraussichtlich schon Ende des Jahres mit der Indienststellung des Vermessungs- und Wracksuchschiffes „Deneb" beim Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie sowie bei einem der Ölbekämpfungsschiffe zur Verfügung stehen. Haushaltsmittel in Höhe von ca. 10 Millionen DM für beide Anlagen stehen zur Verfügung. Ein mathematisches Modell zur Abschätzung von Richtung und Distanz, die ein schwimmender/absinkender Container zurücklegt, ist bereits einsatzbereit. Zu Frage 31: Nach den Erkenntnissen aus dem Containerverlust des französischen Schiffes „Sherbro" hat die Bundesregierung u. a. mit den zuständigen Kontroll- und Überwachungsbehörden in den Küstenländern Kontakt aufgenommen, um durch gezielte zwischen Seehäfen abgestimmte Kontrollaktionen die Einhaltung der in Deutschland vorhandenen rechtsverbindlichen Vorschriften für die Verladung von Containern mit gefährlichen Gütern sowie ihre Sicherung auf Seeschiffen zu überprüfen. Darüber hinaus ist geplant, den Vollzug der vorhandenen Vorschriften für den Transport gefährlicher Güter in Containern auf Containerschiffen dadurch zu erhöhen, daß besondere Ausbildungsanforderungen für einen Schiffsoffizier eingeführt werden sollen. Diese Maßnahme sowie die Überprüfung der Ladungssicherung für Container auf Seeschiffen werden derzeit in den Ausschüssen des GefahrgutVerkehrs-Beirats für eine Vorlage von Anträgen an die Internationale Seeschiffahrtsorganisation vorbereitet. Im übrigen verweise ich auf meine Antworten auf Ihre Frage in der Fragestunde am 3. Februar 1994 (Drucksache 12/6691, Fragen 67 und 68). Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ulrich Klinkert auf die Fragen des Abgeordneten Helmut Lamp (CDU/CSU) (Drucksache 12/6855 Fragen 34 und 35): Hat sich die Bundesregierung vor der Einführung neuer Umweltanforderungen darüber informiert, welche Auswirkungen Neuregelungen auf die kommunalen Abwassergebühren haben, und sind der Bundesregierung weitere Gründe und Hintergründe bekannt, die Kommunen zur Erhöhung der Abwassergebühren veranlassen? Hat die Bundesregierung in Gesprächen mit Kommunen über Maßnahmen nachgedacht, um Kostensteigerungen durch erhöhte Umweltanforderungen im Abwasserbereich aufzufangen, zu dämpfen oder zu strecken? Zu Frage 34: Die Bundesregierung prüft bei der Festlegung neuer Umweltschutzanforderungen auch deren Auswirkungen auf Kosten und Preise. Durch die im Jahre 1991 neu festgelegten Anforderungen an die kommunale Abwasserbehandlung wurde eine durchschnittliche Gebührenerhöhung um 0,50 DM je Kubikmeter Abwasser erwartet, was einer durchschnittlichen Mehrbelastung von 25,— DM je Einwohner im Jahr entspricht. Die derzeit genannten Kosten bestätigen diese Einschätzung, auch wenn von Fall zu Fall erhebliche Unterschiede auftreten können. Für die Höhe der Gebühren sind aber neben den EG- und den bundesrechtlichen Anforderungen an die Abwasserbehandlung zahlreiche weitere Faktoren von Bedeutung. Das Bundeskabinett hat am 1. Dezember 1993 einen Bericht des BMU über die Gebührenentwicklung in der kommunalen Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung verabschiedet, in dem u. a. als wesentliche Größen genannt werden: örtliche Erschließung, Sanierung von Kanälen, strengere Auflagen der örtlichen Behörden, vor allem auch die Gebührengestaltung der Gemeinden hinsichtlich der kalkulatorischen Kosten. Zu Frage 35: Die Bundesregierung untersucht derzeit zusammen mit Ländern und Kommunen, wie eine Dämpfung der Gebühren für den Bürger erreicht werden kann. Hierzu werden im Bereich der Abwasserbeseitigung alle Einflußfaktoren wie zentrale/dezentrale Entsorgung, Niederschlagswasserbehandlung, Bau- und Betriebsstandards, Streckung von Investitionen oder die Organisation der Abwasserbeseitigung und die Gebührengestaltung einer Prüfung unterzogen. Dabei ist erkennbar, daß vielfach eine kurzfristige Entlastung für den Bürger gerade durch die Kommunen selbst z. B. bei den kalkulatorischen Kosten oder einer 18274* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Februar 1994 effizienteren Organisationsstruktur erreicht werden kann. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ulrich Klinkert auf die Frage der Abgeordneten Jutta Miller (Völklingen) (SPD) (Drucksache 12/6855 Frage 39) Wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen unsachgemäße Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen zu erheblichen Umweltschäden und überhöhter Schadstoffbelastung in Innenräumen geführt haben, und welche Schadstoffbelastungen wurden dabei verursacht? Konkrete Fälle, in denen durch die unsachgemäße Anwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln Umweltschäden verursacht wurden, sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die Schadstoffbelastungen der Innenraumluft nach Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen werden nicht systematisch erfaßt, so daß auch keine Angaben über die Höhe der Schadstoffkonzentrationen gemacht werden können. Vergiftungen, die nach Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen aufgetreten sind, werden nach § 16e des Chemikaliengesetzes vom behandelnden Arzt dem Bundesgesundheitsamt mitgeteilt. Eine Messung der noch vorhandenen Schadstoffkonzentration nach Bekanntwerden von derartigen Vergiftungsfällen ist gleichwohl nicht sinnvoll, da sie keine Rückschlüsse auf Konzentrationen, die bei der Schädlingsbekämpfungsmaßnahme erreicht wurden und die Vergiftung hervorgerufen haben, zuläßt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Zeitlmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ist nach meinem Dafürhalten in weiten Bereichen durch den Beschluß der IMK vom 9. Februar überholt, zumindest soweit es sich um die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Kroatien handelt.
    Ich will vorab ganz allgemein sagen: Bürgerkriegsflüchtlinge können immer nur vorübergehend in der Bundesrepublik Aufnahme finden. Es kann nicht um Aufenthaltsbewilligungen auf Dauer gehen. Deutschland hat wohl derzeit bei sich 300 000 bis 350 000 Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien aufgenommen. Was die Aufnahme anbelangt, haben wir damit wohl gut das Zehnfache von dem aufgenommen, was andere europäische Länder zusammen geleistet haben. Deshalb ist eine Abschiebung, insbesondere der Kroaten, wie von der IMK beschlossen, notwendig und, ich finde, auch gerechtfertigt, wenn der Bürgerkrieg in den Gegenden, aus denen diese Flüchtlinge stammen, beendet ist.
    Ich möchte in dem Zusammenhang ganz kurz darauf verweisen: Das Land Kroatien wirbt, wie ich höre, um Touristen, ist also wohl in der Lage, auch Menschen aufzunehmen, die aus diesem Lande stammen. Letztlich ist auch festzuhalten: Wir müssen aufnahmefähig, auch vor unserer Bevölkerung, bleiben für die, die wirklich in Not sind, und können dann dort, wo bürgerkriegsähnliche Zustände beendet wurden, auch stringenter vorgehen.
    Ich möchte noch eines persönlich hinzufügen: Ich halte es nicht für richtig, daß wir in dieser Phase über finanzielle Rückführungsprogramme diskutieren, Herr Kollege, weil ich einfach glaube, Gastfreundschaft ist das eine, und da meine ich, kann sich Deutschland sehen lassen. Es kann aber nicht angehen, daß, wenn eine Gastfreundschaft zu Ende gehen kann und muß, dann noch quasi finanzielle Leistungen dazukommen müssen, um jemanden zu bewegen, wieder in sein Heimatland zurückzugehen. Ich finde, man sollte eher an die Bereitschaft dieser Menschen appellieren, nachdem es zu Hause wieder bergauf gehen soll, am Aufbau ihres Heimatlandes mitzuarbeiten. Ganz anders beurteile ich die Situation natürlich dort, wo die Gegenden zerstört sind, wo Krieg herrscht. Bezüglich der Kosovo-Albaner ist derzeit nicht über eine Abschiebung in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Um was es in den letzten Monaten im Kern ging, waren die Kroaten. Dazu meine ich, habe ich meinen Standpunkt hier sehr deutlich gemacht.
    Ich kann Ihren Ausführungen und Ihrem Entschließungsauftrag insoweit auf gar keinen Fall folgen.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Renate Schmidt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nun hat Frau Kollegin Dr. Sonntag-Wolgast das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Würde man in diesen Tagen und Wochen die Bundesbürger fragen, was denn mit den Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien geschehen soll, die bei uns Hilfe und Aufnahme suchen — ich bin ziemlich sicher, daß eine große Mehrheit sagen würde: Jawohl, die sollen erst einmal alle hierbleiben. Sogar die Scharfmacher an den Stammtischen, die ansonsten gegen sogenannte Überfremdung, gegen Schmarotzertum und Scheinasylanten wettern, kämen vermutlich an einer milden Haltung gegenüber den Opfern des Krieges vor unserer Haustür nicht vorbei, allein schon deshalb, liebe Kollegen und Kolleginnen, weil das schlechte Gewissen und das Gefühl der Ohnmacht gegenüber den Mordtaten und Greueln des Balkankonflikts nach Ausgleich verlangt.
    Dennoch muß man sagen: Die Thematik taugt nicht für die große pauschale Lösung einer Politik der offenen Arme. Ein Königsweg zeichnet sich ohnehin nicht ab. Notwendig sind vielmehr äußerst differenzierte Schritte und Reaktionen, die dort, wo es möglich und verantwortbar ist, den Flüchtlingen die Rückkehr und auch den Neubeginn ihres Lebens erleichtern, ihnen zugleich auch zumuten, in anderen Fällen den Aufenthalt hier bei uns verlängern.
    Die Bundesrepublik — das kam eben schon zur Sprache — hat rund 370 000 Flüchtlinge aufgenommen; das sind mehr als in den meisten anderen europäischen Ländern. Ich glorifiziere diese Zahl nicht; denn sie erscheint angesichts der Not, angesichts des Elends und des Leides der Vertreibung immer noch dürftig. Deutschland hat mm einmal allein schon aus historischen Gründen eine besondere



    Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast
    Pflicht zum humanitären Engagement, weil das militärische ausscheidet. Dorthin zurückzukehren, wo Gebiete inzwischen befriedet sind, wo die Kämpfe nicht mehr aufflackern, wo Ansätze zur Normalisierung spürbar sind, können wir Flüchtlingen auf erlegen. Es gehört auch zum Preis der neugewonnenen Souveränität eines Landes, Menschen wieder aufzunehmen, auch unter schwierigen Bedingungen. In anderen Fällen wiederum können wir Abschiebungen nicht zulassen.
    Ein Teil des Antrages von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist gewissermaßen durch tätige Reue zumindest teilweise nicht mehr aktuell — Gott sei Dank. Ich meine, wie Sie wissen, die Forderung, die Abschiebung kroatischer Flüchtlinge über den 30. März 1994 hinaus auszusetzen. Das wird jedenfalls für einen Teil der Betroffenen geschehen.
    Die SPD-Fraktion hat sofort nach Bekanntwerden der ursprünglichen Beschlüsse der Länderinnenminister Kritik angemeldet und darauf gedrängt, je nach Einzelfall und Lage zu entscheiden und zu gestaffelten Programmen zu kommen. Wir haben uns damals z. B. gegen die Abschiebung in serbisch besetzte Gebiete gewandt. Wir haben auf mögliche Zwangsevakuierungen hingewiesen und die besonderen Probleme bei ethnisch gemischten Ehen genannt. Wir begrüßen, daß sich die Innenminister jetzt auf ein zeitlich gestrecktes und modifiziertes Verfahren verständigt haben. Allerdings kann ich den zuständigen Ministern auch im nachhinein den Vorwurf nicht ersparen, daß sie mit ihrem früheren, undifferenzierten Beschluß eine derartige Aufregung und auch berechtigte Empörung überhaupt erst verursacht haben — unter den Betroffenen wie auch bei allen anderen, denen eine humane und rechtsstaatlich fundierte Flüchtlingspolitik am Herzen liegt. Liebe Kollegen und Kolleginnen, diese Verunsicherung in weiten Teilen der Öffentlichkeit wäre wohl vermeidbar gewesen.
    Kein Zweifel darf daran aufkommen, daß der allgemeine Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina aufrechterhalten werden muß.
    Etwas anders liegt die Sache bei den Kosovo-Albanern. Daß die Zuwanderung von dort zu uns besonders stark ist, hat nachvollziehbare Ursachen. Es ist seit Jahren ein Spannungsgebiet, strukturell unterentwickelt und fast ohne Zukunftsaussichten für seine Bewohner. Sie sind Repressalien ausgesetzt. Übrigens werden Asylanträge oft anerkannt. Wir verlangen keinen pauschalen Abschiebestopp, aber sehr sorgfältige Einzelfallprüfungen. Sollten die Konflikte freilich zu offenen Konfrontationen führen, stellt sich die Frage nach einem allgemeinen Abschiebestopp neu.
    Nun zu unserer Thematik, der Forderung nach einem Bleiberecht für die Kriegsdienstverweigerer und die Deserteure aus dem ehemaligen Jugoslawien. Wir haben umfassende Erkundigungen eingeholt, aus mehreren Quellen, unter anderem auch beim Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen. Fahnenflüchtige haben sowohl nach Auskunft des Auswärtigen Amtes als auch des UNHCR bei ihrer Rückkehr in Serbien und Montenegro nicht mit Gefahr für Leib und Leben zu rechnen, wohl aber mit geringfügigen Freiheitsstrafen. Ich will das nicht verniedlichen, aber es erklärt vielleicht, warum die Länderinnenminister einen generellen Abschiebestopp für die serbischen Kriegsdienstverweigerer und Deserteure zur Zeit nicht vorsehen. Es bleibt aber auch festzuhalten: In jedem Abschiebefall müssen die Betroffenen dennoch Abschiebehindernisse geltend machen können. Die Ausländerbehörden sollten verpflichtet sein, so sorgsam und so umfassend wie nur irgend möglich, ihre Informationen über die jeweilige Situation und die Schicksale zusammenzutragen und zu überprüfen.
    Ich will noch eines sagen: Ihre Entscheidung über das weitere Vorgehen gegenüber den kroatischen Flüchtlingen haben die Innenminister bei ihrer Konferenz mit einer Forderung an die Bundesregierung verknüpft, umgehend Gespräche mit der kroatischen Regierung über die Rückführung der Menschen aufzunehmen. Dabei nun soll die Bundesregierung darauf hinwirken, daß Deserteure Straffreiheit genießen und das Recht auf Kriegsdienstverweigerung beachtet wird. Bis zum 31. März sollen diese Verhandlungen abgeschlossen sein.
    Sie können übrigens mit mehr Druck und besseren Erfolgsaussichten geführt werden, wenn die Bundesregierung in der Tat zu finanziellen Hilfen für ein Aufbauprogramm bereit ist. Das muß nicht so kostenträchtig sein, Herr Lintner, wie es uns die Bundesregierung bei ihrer Ablehnung weismachen wollte. Es braucht 30 Millionen DM nicht zu übersteigen und könnte doch wertvolle Hilfe, etwa bei Reparaturen von Häusern, Telefonleitungen und der Ausstattung von Kindergärten, leisten.
    Ich muß hier eine letzte Anmerkung anbringen, auch wenn sie allmählich den Charakter der gebetsmühlenhaften Wiederholung annimmt. Wir nehmen die heutige Debatte zu dem Thema erneut zum Anlaß, die Verwirklichung dessen anzumahnen, was nach dem Asylkompromiß vereinbart war, aber immer noch nicht praktiziert wird: Ich meine, den Bürgerkriegsflüchtlingen endlich die Nutzung des entsprechenden Status möglich zu machen. Daß sie weiter in ziemlich aussichtslose Asylverfahren gedrängt werden und daß die Gemeinden ihnen sogar dazu raten müssen, Asylanträge zu stellen, damit die Kosten von den Ländern übernommen werden und nicht die Kasse der Kommunen belasten, ist und bleibt ein Mißstand und eine Mißachtung bundesgesetzlicher Regelungen.
    Wir werden nicht aufhören, dieses zu nennen und anzuprangern, bis die Bundesregierung und vor allem die Länder endlich für Abhilfe sorgen. Ich kündige deswegen für meine Fraktion schon jetzt eine parlamentarische Initiative in nächster Zeit an.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD)