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    Plenarprotokoll 12/176 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 176. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 Inhalt: Begrüßung der Präsidentin des schwedischen Reichstags, Ingegerd Troedsson, mit einer Delegation des schwedischen Reichstags 15115A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Dr. Liesel Hartenstein und Alois Graf von Waldburg-Zeil 15115 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 15115B Nachträgliche Überweisung eines Gesetzentwurfes an den Ausschuß für Verkehr . 15116 A Tagesordnungspunkt 3: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Friedensprozeß im Nahen Osten b) Vereinbarte Debatte zum Friedensprozeß im Nahen Osten in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ursula Fischer, Dr. Hans Modrow, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Zu den Verhandlungen über eine Friedenslösung im Nahen Osten (Drucksachen 12/3237, 12/5524) Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 15116C Freimut Duve SPD 15119 B Karl Lamers CDU/CSU 15120 D Jürgen W. Möllemann F.D.P. 15122 C Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste . . 15124 C Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15125B Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . 15126B Dr. Christoph Zöpel SPD 15128B Ortwin Lowack fraktionslos 15130B Tagesordnungspunkt 4: — Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung strafrechtlicher Verjährungsfristen (Drucksache 12/5613) — Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinheitlichung strafrechtlicher Verjährungsfristen (Drucksache 12/5637) — Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Wolfgang Ullmann, Ingrid Köppe, Konrad Weiß (Berlin), weiteren Abgeordneten und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung von strafrechtlichen Verjährungsfristen bei DDR-Unrechtstaten (Drucksache 12/5628) — Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Rolf Schwanitz, Robert Antretter, Angelika Barbe, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes — Verjährung von Straftaten nach §§ 234 a, 241 a StGB (. . . StrÄndG) (Drucksachen 12/4349, 12/5701) II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 Horst Eylmann CDU/CSU 15131 C Dr. Konrad Elmer SPD 15133 A Hans-Joachim Hacker SPD 15133 C Dirk Hansen F.D.P. 15134 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste 15136A, 15139B Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15137B Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste 15137D, 15143A Angelika Barbe SPD 15138C Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU 15139A Dr. Berndt Seite, Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern . . . 15139D Rolf Schwanitz SPD 15141 D, 15145 D Norbert Geis CDU/CSU 15143 B Dirk Hansen F.D.P. 15143 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 15144 B Norbert Geis CDU/CSU 15145 C Dr. Ulrich Janzen SPD 15146A Dr. Konrad Elmer SPD 15146A Tagesordnungspunkt 5: Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik: Erster Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik — 1993 (Drucksache 12/5100) Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 15146D, 15155D Rolf Schwanitz SPD 15147 C Dr. Christoph Schnittler F.D.P. . . . 15149 A Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 15149B Markus Meckel SPD . . . . 15149C, 15152 A Dr. Jürgen Schmieder F.D.P. . . . . . 15150A Hartmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU 15150 C Dr. Jürgen Schmieder F.D.P. . . . . . 15153 B Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 15154 B Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15155 B Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung (Agrarsozialreformgesetz 1995) (Drucksache 12/5700) Gertrud Dempwolf CDU/CSU 15156B Günther Heyenn SPD 15158B Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . 15158 C Ulrich Heinrich F D P 15160B Günther Heyenn SPD 15162A Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste 15163C Ulrich Heinrich F D P 15164 A Georg Gallus F D P 15164C Siegfried Hornung CDU/CSU 15165A, 15169C Meinolf Michels CDU/CSU 15165B Albert Deß CDU/CSU 15166B Hermann Wimmer (Neuötting) SPD . . 15167C Günther Schartz (Trier) CDU/CSU . . 15170D Jan Oostergetelo SPD 15172A Barbara Weiler SPD 15172D Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär BMA 15174C Hermann Wimmer (Neuötting) SPD . 15174D Barbara Weiler SPD 15175 D Tagesordnungspunkt 2 (Fortsetzung): Fragestunde — Drucksache 12/5692 vom 19. September 1993 — Vermeidung einer höheren Subventionierung der wirtschaftlichen Beratung durch Ruheständler im Vergleich zur Beratung durch aktiv tätige Berater seitens des Bundeswirtschaftsministeriums zusammen mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern MdlAnfr 20, 21 Werner Ringkamp CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 15136C, D Verhinderung neuer Subventionen für die Stahlindustrie in den EG-Mitgliedsländern MdlAnfr 22, 23 Erich G. Fritz CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 15133A, C ZusFr Erich G. Fritz CDU/CSU 15177A, D ZusFr Wolfgang Weiermann SPD 15177B, 15178B Technische Daten der bei Howaldtswerke-Deutsche Werft projektierten 5 234-TEUContainerschiffe; Projekte für Containerschiffe in Größenordnungen von 6 000 bis 8 000 TEU MdlAnfr 33, 34 Dr. Margrit Wetzel SPD Antw PStSekr Manfred Carstens BMV . 15178 D, 15179D ZusFr Dr. Margrit Wetzel SPD . 15178D, 15179 D ZusFr Carl Ewen SPD 15179 B Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 III Behebung der Probleme bei der Entsorgung des Verpackungsabfalls, insbesondere beim Recycling von Kunststoff; Förderung der Verwendung von Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen MdlAnfr 38, 39 Georg Gallus F.D.P. Antw PStSekr Dr. Bertram Wieczorek BMU 15180B,D ZusFr Georg Gallus F.D.P. . . 15180C, 15181A EG-Richtlinie über die Verbrennung ölhaltigen Sondermülls MdlAnfr 40 Dr. Harald Kahl CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Bertram Wieczorek BMU 15181 B Risse im Kernkraftwerk Isar 1; Aufstellung eines lückenlosen Überwachungsprogramms MdlAnfr 41 Horst Kubatschka SPD Antw PStSekr Dr. Bertram Wieczorek BMU 15181 C ZusFr Horst Kubatschka SPD 15181 D ZusFr Arne Fuhrmann SPD 15182A ZusFr Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD 15182B Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde betr. Begründung der Bundesregierung für ihr Fernbleiben von vereinbarten Verhandlungen am 18. September 1993 über ein Pflegegesetz Rudolf Dreßler SPD 15182 C Karl-Josef Laumann CDU/CSU 15183 C Dr. Gisela Babel F.D.P. 15184 C Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 15185 C Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15186B Friedrich Bohl, Bundesminister BK . . 15187B Rudolf Scharping, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz 15188C Dr. Peter Struck SPD (zur GO) 15191D Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU (zur GO) 15192A Allgemeine Aussprache zur Aktuellen Stunde Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 15192B Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU . . . . 15192C Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste . . . . 15193 C Dr. Peter Struck SPD 15194 A Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 15195D Ottmar Schreiner SPD 15197 C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 15198C Josef Grünbeck F D P 15199A Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU 15201B Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . 15201 C Petra Bläss PDS/Linke Liste 15202 B Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg 15210D Tagesordnungspunkt 21: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Fortführung von Unterstützungen der Bürger der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik bei Gesundheitsschäden infolge medizinischer Maßnahmen (Unterstützungsfortführungsgesetz) (Drucksache 12/4874) b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (Drucksache 12/4875) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Versicherungsunternehmen (Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz) (Drucksache 12/5587) d) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (Drucksache 12/5169) e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Änderungen des Übereinkommens vom 24. Mai 1983 zur Gründung einer europäischen Organisation für die Nutzung von meteorologischen Satelliten (n EUMETSAT" ) (Drucksache 12/5277) f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zweiten Zusatzprotokoll vom 17. November 1992 zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Republik Brasilien über den Seeverkehr (Drucksache 12/5447) g) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Änderungsprotokoll vom 6. Februar 1992 zu dem Europäischen Übereinkommen zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen (Drucksache 12/5469) IV Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 h) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1993 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1993) (Drucksache 12/5472) i) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, des Wohnungsbindungsgesetzes und anderer wohnungsrechtlicher Vorschriften (Wohnungsbauänderungsgesetz 1993) (Drucksache 12/5473) j) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ingomar Hauchler, Joachim Poß, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Abschaffung der steuerlichen Absetzbarkeit von Bestechungs- und Schmiergeldern (Drucksache 12/4104) k) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans Wallow, Dr. Ingomar Hauchler, Dieter Heistermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Vorlage eines Gesetzes für die Gründung eines deutschen Umwelt- und Katastrophenhilfswerkes (Deutsches Hilfskorps) (Drucksache 12/5045) 15203 B Tagesordnungspunkt 22: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung pflanzenschutzrechtlicher und saatgutrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 12/4990, 12/5730) b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 28. Juli 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Litauen über die Seeschifffahrt (Drucksachen 12/4690, 12/5605) c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Juli 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Dominikanischen Republik über den Luftverkehr (Drucksachen 12/4571, 12/5604) d) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. April 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Albanien über den zivilen Luftverkehr (Drucksachen 12/4472, 12/5615) e) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Einwilligung in eine weitere überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 11 12 Titel 616 31— Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit (Drucksachen 12/5091, 12/5348) f) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 23 02 Titel 686 23 (Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland am Welternährungsprogramm) (Drucksachen 12/4944, 12/5349) g) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Außerplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 06 02 — Allgemeine Bewilligungen — (apl.) Titel 68611 — Förderung der internationalen Zusammenarbeit in Asylangelegenheiten (Drucksachen 12/5109, 12/5350) h) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Unterrichtung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung über die Veräußerung der bundeseigenen Liegenschaft in Meiningen, ehemalige Stadtkaserne (Drucksachen 12/5096, 12/5351) i) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Brigitte Adler, Ernst Kastning, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Entschädigung von Besitzern ehemaliger „Kreispachtbetriebe" (Drucksachen 12/4574, 12/5352) j) Beratung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses: Ubersicht 10 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 12/5353) k) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Die Griechischen Inseln des Ägäischen Meeres; — Abschlußbericht der Kommission — Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über Sondermaßnahmen für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse zugunsten der kleineren Inseln des Ägäischen Meeres (Drucksachen 12/4555 Nr. 2.11, 12/5417) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 V 1) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu der dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 6/93 (Drucksache 12/5573) m) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 113 zu Petitionen (Drucksache 12/5643) n) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 114 zu Petitionen (Drucksache 12/5644) in Verbindung mit Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Bericht fiber die Lage der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 12/5713) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Zweiundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des BundesImmissionsschutzgesetzes (Verordnung über Immissionswerte) (Drucksachen 12/5424, 12/5718) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung: Aufhebbare Achtundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (Drucksachen 12/5207, 12/5727) Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . . 15206 C Tagesordnungspunkt 7: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vermeidung von Rückständen, Verwertung von Sekundärrohstoffen und Entsorgung von Abfällen (Drucksache 12/5672) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marion Caspers-Merk, Dr. Liesel Hartenstein, Michael Müller (Düsseldorf), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Novellierung der Verpackungsverordnung (Drucksache 12/5242) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Lennartz, Harald B. Schäfer (Offenburg), Hans Gottfried Bernrath, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Kennzeichnung von Kunststoffen (Drucksachen 12/2502, 12/4793) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Entschließungsantrag der Gruppe der PDS/Linke Liste zur Großen Anfrage der Abgeordneten Jutta Braband, Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Auswirkungen auf die Abfallentsorgung durch die Einführung des „Dualen Systems Deutschland" (DSD) (Drucksachen 12/2027, 12/2682, 12/3469, 12/5370) Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . 15208A Dr. Liesel Hartenstein SPD 15210D Steffen Kampeter CDU/CSU 15211D Steffen Kampeter CDU/CSU 15213A Birgit Homburger F D P 15214 D Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 15216C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15217B Birgit Homburger F.D.P. . . 15217C, 15222 B Dr. Gerhard Friedrich CDU/CSU . . . . 15219A Marion Caspers-Merk SPD 15220 C Dr. Klaus Töpfer CDU/CSU 15221 B Dr. Gerhard Friedrich CDU/CSU . . 15221 C Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . 15222A Tagesordnungspunkt 10: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Sofortmaßnahmen zur Durchsetzung friedlicher Verhandlungslösungen im ehemaligen Jugoslawien (Drucksachen 12/4192, 12/5306) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Lage der bosnischen Kriegsflüchtlinge (Drucksache 12/5714) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerd Poppe, Vera Wollenberger, Werner Schulz (Berlin) und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zur aktuellen Situation im Krieg in Bosnien-Herzegowina (Drucksache 12/5729) Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . . 15223 D Dr. Peter Glotz SPD 15225 D VI Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 Karl Lamers CDU/CSU 15226 B Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15226 C Freimut Duve SPD 15227 A Dr. Hans Stercken CDU/CSU 15228D Dr. Peter Glotz SPD 15229A Ulrich Irmer F.D.P. 15230 C Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15231 C Helmut Schäfer (Mainz) F.D.P. . . . 15232 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . 15232D Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . 15234 C Heribert Scharrenbroich CDU/CSU . 15235 C Tagesordnungspunkt 8: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 102 zu Petitionen (Mieterhöhung in den neuen Bundesländern) (Drucksache 12/4917) Wolfgang Dehnel CDU/CSU 15236 B Christel Hanewinckel SPD 15237 C Birgit Homburger F D P 15238 D Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 15239B Joachim Günther, Parl. Staatssekretär BMBau 15240 B Tagesordnungspunkt 9: — Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches (Drucksachen 12/3339, 12/5715) — Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Achim Großmann, Albert Pfuhl, Dr. Eckhart Pick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verbesserung des Schutzes für gewerbliche Mieter (Drucksachen 12/1488, 12/5715) Klaus-Heiner Lehne CDU/CSU 15241 C Dr. Eckhart Pick SPD 15242A Burkhard Zurheide F.D.P. 15243 B Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 15244 B Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ 15245A Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste . . . 15245 C Dirk Hansen F.D.P. 15245 D Dr. Rudolf Karl Krause (Bonese) fraktionslos 15245 D Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (Drucksache 12/5354) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 15246D Dr. Eckhart Pick SPD 15247 D Dr. Rolf Olderog CDU/CSU 15249B Dr. Olaf Feldmann F.D.P. 15250B Angela Stachowa PDS/Linke Liste . . 15251 B Klaus-Heiner Lehne CDU/CSU 15252 A Tagesordnungspunkt 12: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Waldzustandsbericht der Bundesregierung 1992 (Drucksachen 12/3845, 12/4943) b) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Egon Susset, Richard Bayha, Peter Bleser, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Günther Bredehorn, Dr. Olaf Feldmann, Ulrich Heinrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Lage und Entwicklung des Waldes und der Forstwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen 12/3987, 12/4859) 15252 D Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Schmidbauer (Nürnberg), Klaus Kirschner, Dr. Jürgen Meyer (Ulm), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Hilfe für die Opfer aus der Behandlung mit HIV-kontaminierten Blutprodukten und gesetzgeberische Konsequenzen (Drucksache 12/5513) 15253 A Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrags der Abgeordneten Siegfried Vergin, Evelin Fischer (Gräfenhainichen), Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rechtsextremismus und Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland: Fakten, Ursachen und Gegenmaßnahmen (Drucksache 12/5602) Siegfried Vergin SPD 15253 C Dr. Roswitha Wisniewski CDU/CSU . . 15254 D Wolfgang Lüder F D P 15256A Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 15257 A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 VII Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 15257 C Dr. Rudolf Karl Krause (Bonese) fraktionslos 15258 B Tagesordnungspunkt 15: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Klaus Kübler, Friedhelm Julius Beucher, Siegrun Klemmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Hilfen zur Stillegung der RBMK-Reaktoren in Rußland, der Ukraine und Litauen (Drucksache 12/4783) . . . . 15258D Tagesordnungspunkt 16: Beratung des Antrags des Abgeordneten Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Widerruf der Genehmigung des Kali-Fusionsvertrags (Drucksache 12/5386) Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste 15259B, 15264 D Dr. Hermann Pohler CDU/CSU 15261 B Manfred Hampel SPD . . . . 15262C, 15265 A Udo Haschke (Jena) CDU/CSU 15264 B Jürgen Türk F.D.P. 15265 B Manfred Hampel SPD 15265 D Dr. Nils Diederich (Berlin) SPD 15266B, 15268B Wieland Sorge SPD . . . . 15266B, 15268 C Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär BMF 15266 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste 15267C, 15268D Dr. Konrad Elmer SPD 15269 C Tagesordnungspunkt 17: Erste Beratung des von dem Abgeordneten Dr. Wolfgang Ullmann und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wahl der Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts (Drucksache 12/5375) 15270A Nächste Sitzung 15270 C Anlage i Liste der entschuldigten Abgeordneten . 15271* A Anlage 2 Behandlung zeitlich befristeter Kostenübernahmeerklärungen von Privatpersonen für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina durch bayerische Ausländerbehörden als unbeschränkt weitergeltend; augenblicklicher Rechtsstatus dieser Flüchtlinge MdlAnfr 17 — Drs 12/5692 — Uwe Lambinus SPD SchrAntw PStSekr Dr. Horst Waffenschmidt BMI 15271* C Anlage 3 Erfahrungen mit der neuen Flughafenregelung gegenüber Asylbewerbern; Anzahl der Kurz- und Normalverfahren MdlAnfr 18, 19 — Drs 12/5692 — Gernot Erler SPD SchrAntw PStSekr Dr. Horst Waffenschmidt BMI 15272' A Anlage 4 Von der Arbeitsstättenverordnung vorgesehene Mindestgröße von Büros, insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Einführung von Computer-Anlagen; Konsequenzen hinsichtlich eines beschleunigten Umzugs nach Berlin; Elektrosmog und Ozonbelastung durch modernes Bürogerät MdlAnfr 25, 26 — Drs 12/5692 — Dr. Karl-Heinz Klejdzinski SPD SchrAntw PStSekr Rudolf Kraus BMA . . 15272* B Anlage 5 Übertragung der zum Jahresende 1993 nicht abgerufenen Mittel aus dem ABMProgramm auf das kommende Jahr; Anpassung des Programms an die Erfordernisse der neuen Bundesländer MdlAnfr 27, 28 — Drs 12/5692 — Adolf Ostertag SPD SchrAntw PStSekr Rudolf Kraus BMA . . 15272* D Anlage 6 Aufnahme des Vereins zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis (VPM) in die vom Bundesministerium für Frauen und Jugend erarbeitete Broschüre über gefährliche Jugendsekten MdlAnfr 29 — Drs 12/5692 — Claus Jäger CDU/CSU SchrAntw PStSekr'in Cornelia Yzer BMFJ 15273* D Anlage 7 Zahl der Mitarbeiter der Lufthansa; Inanspruchnahme des Bildungsurlaubs seit 1990 MdlAnfr 32 — Drs 12/5692 — Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU SchrAntw PStSekr Manfred Carstens BMV 15274* A Anlage 8 Fertigstellung der Ortsumgehung Retzbach/Landkreis Main-Spessart im Zuge der B27 MdlAnfr 35 — Drs 12/5692 — Uwe Lambinus SPD SchrAntw PStSekr Manfred Carstens BMV 15274* B VIII Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 Anlage 9 Vereinbarkeit der Einstellung des Eisenbahngüterverkehrs zwischen Deutschland und Frankreich auf der Strecke WörthLauterbourg mit der Förderung des Schienenverkehrs MdlAnfr 36, 37 — Drs 12/5692 — Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD SchrAntw PStSekr Manfred Carstens BMV 15274* C Anlage 10 Vorzeitige serienmäßige Herstellung der auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt präsentierten energiesparenden und schadstoffarmen Öko-Fahrzeuge durch die Automobilindustrie MdlAnfr 42 — Drs 12/5692 — Dr. Klaus Kübler SPD SchrAntw PStSekr Dr. Bertram Wieczorek BMU 15274* C Anlage 11 Sicherstellung der weiteren Forschungsarbeit des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme MdlAnfr 43, 44 — Drs 12/5692 — Ernst Schwanhold SPD SchrAntw PStSekr Bernd Neumann BMFT 15274* D Anlage 12 Verwendung von Fahrzeug-Batterien auf Zink-Luft-Basis bei dem auf Rügen laufenden Großversuch MdlAnfr 45 — Drs 12/5692 — Horst Kubatschka SPD SchrAntw PStSekr Bernd Neumann BMFT 15275* B Anlage 13 Intervention gegen die Menschenrechtsverletzungen in Marokko MdlAnfr 46 — Drs 12/5692 — Ortwin Lowack fraktionslos SchrAntw StMin Ursula Seiler-Albring AA 15275* C Anlage 14 Einhaltung des Wirtschaftsembargos gegen Serbien und Montenegro MdlAnfr 47 — Drs 12/5692 — Claus Jager CDU/CSU SchrAntw StMin Ursula Seiler-Albring AA 15276* A Anlage 15 Auswirkung des Verbleibens von General Pinochet als Oberbefehlshaber in der chilenischen Armee auf die deutsch-chilenischen Beziehungen MdlAnfr 48 — Drs 12/5692 — Otto Schily SPD SchrAntw StMin Ursula Seiler-Albring AA 15276* B Anlage 16 Aufhebung von Sanktionen gegen Südafrika (mit Ausnahme des Waffenembargos und des Verbots der zivilen nuklearen Zusammenarbeit) MdlAnfr 49 — Drs 12/5692 — Dr. Klaus Kübler SPD SchrAntw StMin Ursula Seiler-Albring AA 15276' D Anlage 17 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/ CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 12/5701 zu Vorlagen des Tagesordnungspunktes 4 (Gesetzentwürfe zu strafrechtlichen Verjährungsfristen) . 15277* A Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 10 (Antrag: Sofortmaßnahmen zur Durchsetzung friedlicher Verhandlungslösungen im ehemaligen Jugoslawien), Zusatztagesordnungspunkt 5 (Antrag: Lage der bosnischen Kriegsflüchtlinge) und Zusatztagesordnungspunkt 6 (Antrag: Zur aktuellen Situation im Krieg in Bosnien-Herzegowina) Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . . 15277* D Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 (Waldzustandsbericht der Bundesregierung 1992; Große Anfrage: Lage und Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland) Reinhard Freiherr von Schorlemer CDU/ CSU 15278* C Simon Wittmann (Tännesberg) CDU/CSU 15279* C Marianne Klappert SPD 15280* B Jutta Müller (Völklingen) SPD 15281* D Ulrich Heinrich F D P 15283* D Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste 15285* A Wolfgang Gröbl, Parl. Staatssekretär BML 15286* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 IX Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 13 (Antrag: Hilfe für die Opfer aus der Behandlung mit HIV-kontaminierten Blutprodukten und gesetzgeberische Konsequenzen) Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . . 15287* B Dr. Hans-Peter Voigt (Northeim) CDU/ CSU 15288* C Dr. Dieter Thomae F.D.P. 15288* D Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 15289* B Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 15290* A Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 15 (Antrag: Hilfen zur Stillegung der RBMK-Reaktoren in Rußland, der Ukraine und Litauen) Dr. Klaus Kübler SPD 15291* C Klaus Harries CDU/CSU 15292* C Gerhart Rudolf Baum F D P 15293* B Dr. Bertram Wieczorek, Parl. Staatssekretär BMU 15293* D Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 17 (Gesetzentwurf zur Wahl der Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts) Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15294* B Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ CSU 15294* D Dr. Hans de With SPD 15295* D Manfred Richter (Bremerhaven) F.D.P. 15296* D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 15297* A Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ 15297* D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 15115 176. Sitzung Bonn, den 23. September 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    *) Anlage 22 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adam, Ulrich CDU/CSU 23.9.93 Becker-Inglau, Ingrid SPD 23.9.93 Börnsen (Bönstrup), CDU/CSU 23.9.93 Wolfgang Brähmig, Klaus CDU/CSU 23.9.93 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 23.9.93 Peter Harry Dr. Fischer, Ursula PDS/LL 23.9.93 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 23.9.93 Fuchs (Verl), Karin SPD 23.9.93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 23.9.93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 23.9.93 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 23.9.93 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 23.9.93 Großmann, Achim SPD 23.9.93 Janz, Ilse SPD 23.9.93 Kretkowski, Volkmar SPD 23.9.93 Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 23.9.93 Leidinger, Robert SPD 23.9.93 Lennartz, Klaus SPD 23.9.93 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 23.9.93 Elke Lühr, Uwe F.D.P. 23.9.93 Marx, Dorle SPD 23.9.93 Dr. Mildner, Klaus CDU/CSU 23.9.93 Mischnick, Wolfgang F.D.P. 23.9.93 Molnar, Thomas CDU/CSU 23.9.93 Paintner, Johann F.D.P. 23.9.93 Pfuhl, Albert SPD 23.9.93 Rappe (Hildesheim), SPD 23.9.93 Hermann Rixe, Günter SPD 23.9.93 Schily, Otto SPD 23.9.93 Schloten, Dieter SPD 23.9.93 Schmidt (Salzgitter), SPD 23.9.93 Wilhelm Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 23.9.93 Dr. Schuster, R. Werner SPD 23.9.93 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 23.9.93 Christian Dr. Stoltenberg, Gerhard CDU/CSU 23.9.93 Dr. von Teichman, F.D.P. 23.9.93 Cornelia Terborg, Margitta SPD 23.9.93 Weis (Stendal), Reinhard SPD 23.9.93 Weißgerber, Gunter SPD 23.9.93 Welt, Jochen SPD 23.9.93 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 23.9.93 Zapf, Uta SPD 23.9.93 Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Horst Waffenschmidt auf die Frage des Abgeordneten Uwe Lambinus (SPD) (Drucksache 12/5692 Frage 17): Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß Ausländerbehörden in Bayern die zeitliche Befristung von Kostenübernahmeerklärungen durch Privatpersonen für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien und Herzegowina nach Ablauf der Befristung als unbeschränkt weitergeltend behandeln, und wie stellt sich derzeit überhaupt der Rechtsstatus der genannten Bürgerkriegsflüchtlinge dar? Die Praxis der bayerischen Ausländerbehörden ist der Bundesregierung im einzelnen nicht bekannt, denn die ausländerrechtlichen Bestimmungen werden nach Artikel 83 Grundgesetz von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt. Allgemein kann ich aber folgendes bemerken: Die Innenministerkonferenz hat am 22. Mai 1992 beschlossen, daß bosnische Bürgerkriegsflüchtlinge, denen im Bundesgebiet lebende Verwandte oder Bekannte, Wohlfahrtsorganisationen oder Kirchen Unterhalt und Obdach gewähren, aufgenommen werden und eine Aufenthaltsbefugnis erhalten. Das Bundesministerium des Innern hat zu dieser Regelung sein erforderliches Einvernehmen erteilt. Darüber hinaus hat die Innenministerkonferenz auch die Aufnahme von Verwandten und Kranken sowie die Aufnahme weiterer Flüchtlinge im Rahmen einer europäischen Kontingentvereinbarung beschlossen. Im Vorgriff hierauf haben Bund und Länder sich bereits auf eine Kontingentaufnahme in der Größenordnung von rund 17 000 Flüchtlingen verständigt. Ferner gilt für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina, die die genannten Aufnahmevoraussetzungen nicht erfüllen, ein genereller Abschiebestopp. Insgesamt haben schätzungsweise mehr als 300 000 Bürgerkriegsflüchtlinge im Bundesgebiet Zuflucht gefunden. Die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen in den Fällen, in denen Private für Lebensunterhalt und Obdach einstehen, dient daher der Erweiterung der Aufnahmemöglichkeiten über die Grenzen hinaus, die durch die finanzielle Belastung der öffentlichen Haushalte, insbesondere der Sozialhilfeträger gesetzt sind. Es kann deshalb nicht hingenommen werden, daß Privatpersonen, die eine entsprechende Verpflichtung eingegangen sind, diese befristen, obwohl die Schutzbedürftigkeit der auf ihre Veranlassung aufgenommenen Flüchtlinge nach wie vor fortbesteht. Es ist daher sachgerecht, die auf diesem Weg eingereisten Bürgerkriegsflüchtlinge weiterhin im Status der Aufenthaltsbefugnis zu belassen und die einladenden Privatpersonen an ihrer Verpflichtung festzuhalten. 15272* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Horst Waffenschmidt auf die Fragen des Abgeordneten Gernot Erler (SPD) (Drucksache 12/5692 Fragen 18 und 19): Wie viele Asylbewerber sind seit Einführung der Flughafenregelung bisher nach diesen Verfahren erfaßt worden, und wie viele Asylbewerber sind dabei in das Kurzverfahren und in das Normalverfahren gelangt? In wie vielen Fällen hatten Proteste von durch die Flughafenregelung betroffenen Asylbewerbern gegen das Kurzverfahren Erfolg, und mit welchen Begründungen erhielten die Betroffenen den Zugang zum Normalverfahren? Zu Frage 18: Gegenwärtig wird die sogenannte „Flughafenregelung" nach § 18a Asylverfahrensgesetz auf den Flughäfen Frankfurt/Main, Düsseldorf, München, Hamburg und in Berlin-Schönefeld angewendet. Vom 1. Juli 1993 bis 15. September 1993 haben 716 Personen bei den Grenzbehörden dieser Flughäfen um Asyl ersucht. Wegen Anreise aus einem sicheren Drittstaat wurden 62 Personen zurückgewiesen. Von den verbleibenden 654 Antragstellern unterfielen 221 nicht dem § 18a Abs. 1 Asylverfahrensgesetz, waren also ordnungsgemäß ausgewiesen und kamen nicht aus einem sicheren Herkunftsstaat. Diese Bewerber wurden unter Gestattung der Einreise an die Aufnahmeeinrichtungen weitergeleitet. 433 Bewerber waren nach „Flughafenregelung" des § 18a Abs. 1 Asylverfahrensgesetz zu behandeln. Von diesen haben bisher 87 ihre Einreise auf gerichtlichem Weg erwirkt. Zu Frage 19: Die Begründungen sind in den schon erwähnten 87 Fällen unterschiedlich. Teils verneinten die Gerichte die Voraussetzungen für die Einstufung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet, teils wurden mögliche Abschiebungshindernisse nach § 53 des Ausländergesetzes angenommen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rudolf Kraus auf die Frage des Abgeordneten Dr. Karl-Heinz Klejdzinski (SPD) (Drucksache 12/5692 Fragen 25 und 26): Wie beurteilt die Bundesregierung die von der Arbeitsstättenverordnung vorgesehene Mindestgröße von Büroflächen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, vor allem im Hinblick auf die zunehmende Einführung von Personal-Computer-Anlagen/Rechnem, Schreibmaschinen, Telefaxgeräten, Telefonanlagen mit Speicher und Fernsehmonitoren, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus hinsichtlich einer Beschleunigung des Umzuges nach Berlin und der Schaffung der dazu notwendigen Infrastruktur? Welche Einschätzung hat die Bundesregierung gegenwärtig im Hinblick auf die Besorgnis, daß Elektrosmog und Ozonbelastung durch modernes Bürogerät (beispielsweise Ozonabsonderung durch Drucker von Computern) ernstzunehmende gesundheitliche Risikofaktoren sind? Die in der Arbeitsstättenverordnung gestellten Anforderungen an Arbeitsräume, u. a. Mindestgröße, Luftraum pro Beschäftigten und freie Bewegungsfläche am Arbeitsplatz, müssen auch bei der Einführung von moderner Bürotechnologie (PC, Telefaxanlagen usw.) erfüllt sein. Inwieweit dadurch größere Büroflächen erforderlich werden, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Über die Anforderungen an Umfang und technische Ausrüstung künftiger Büroräume in Neubauten für die Bundesbehörden in Berlin hat das zuständige Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau eine Untersuchung durchgeführt, die Studie Büro 2000. Darin sind alle maßgeblichen Anforderungen und Normen für die Planung und Einrichtung von Büroarbeitsplätzen berücksichtigt. Bei der Nutzung des vorhandenen Gebäudebestandes wird allerdings, u. a. durch entsprechende Belegungsplanung im Einzelfall zu prüfen sein, ob den vorgenannten Anforderungen an den Arbeitsplatz in vollem Umfange entsprochen werden kann oder Kompromisse geschlossen werden müssen. Die Diskussion über elektromagnetische Felder in Büroräumen beschränkt sich im wesentlichen auf Bildschirmgeräte. Umfangreiche weltweite Untersuchungen evtl. gesundheitlicher Auswirkungen dieser Felder haben keine eindeutigen Hinweise auf eine gesundheitsschädigende Auswirkung erbracht. Ich kann hierzu auf die Antwort der EG-Kommission auf die schriftliche Anfrage von Frau Christine Oddy, abgedruckt im Amtsblatt der EG Nr. C 86, S. 13 vom 26. 3. 1993, verweisen. Die Bundesregierung sieht deshalb auf diesem Gebiet keinen akuten Handlungsbedarf. Gleichwohl begrüßt sie im Interesse eines präventiven Vorgehens die Anstrengungen vieler Hersteller von Bildschirmgeräten, die Emission elektromagnetischer Felder zu minimieren. Ozon-Emissionen durch modernes Bürogerät treten ausschließlich während des Kopier- und Druckvorgangs auf, nicht im Bereitschaftszustand der Geräte. Die Belastungen an Büroarbeitsplätzen und an der Bedienungsseite der Geräte sind im Rahmen eines ausführlichen Meßprogramms ermittelt worden: Die ermittelten Werte lagen sämtlich unterhalb der Auslöseschwelle nach der Gefahrstoff-Verordnung. Es besteht also an diesen Geräten kein erstzunehmendes Gesundheitsrisiko. Dennoch empfiehlt die Bundesregierung präventive Maßnahmen zu ergreifen, wie z. B. ausreichende Lüftung der Räume, Verzicht auf Dauerarbeitsplätze in kleinen Kopierräumen und die Ausrüstung der Geräte mit Filtern. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz wird zur „Ozon-Belastung durch moderne Bürogeräte" eine Broschüre veröffentlichen, in der auf die Thematik und die Präventionsmöglichkeiten detailliert eingegangen wird. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rudolf Kraus auf die Frage des Abgeordneten Adolf Ostertag (SPD) (Drucksache 12/5692 Fragen 27 und 28): Wie beurteilt die Bundesregierung, daß trotz Massenarbeitslosigkeit ca. 350 Mio. DM zu verfallen drohen, weil die den östlichen Bundesländern im Rahmen des Sonderprogramms für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für das Jahr 1993 bereitge- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 15273' stellten Mittel nur zum Teil abgerufen werden, und ist die Bundesregierung bereit, die bis zum Jahresende nicht abgeflossenen Mittel im Interesse der arbeitslosen und von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen auf das kommende Jahr zu übertragen? Wie steht die Bundesregierung zu den Behauptungen aus der Fachöffentlichkeit, daß das ABM-Stabilisierungsprogramm wegen fehlender KoFinanzierung und restriktiver Förderbedingungen in der Praxis zu scheitern droht, und durch welche konkreten Maßnahmen will sie dieses Programm entsprechend den realistischen Erfordernissen in den östlichen Bundesländern modifizieren? Zu Frage 27: In welcher Höhe die für das ABM-Stabilisierungsprogramm des Bundes zur Verfügung gestellten Mittel nicht verausgabt werden können, kann noch nicht zuverlässig abgeschätzt werden. Allerdings kann davon ausgegangen werden, daß nicht alle für die neuen Bundesländer bereitgestellten Mittel von diesen abgerufen werden. Die Bundesregierung beabsichtigt daher auf Anregung der Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeit, eine Umschichtung der Mittel vorzunehmen: Mecklenburg-Vorpommern — dort ist die Inanspruchnahme des Programms überproportional groß — soll 10 Millionen DM zu Lasten der anderen neuen Bundesländer erhalten; weiter ist vorgesehen, 200 Millionen DM, die für die neuen Bundesländer vorgesehen waren, den alten Bundesländern zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung führt in dieser Sache zur Zeit Gespräche mit den neuen Bundesländern. Eine Übertragung der Mittel auf das kommende Jahr ist nicht vorgesehen. Das ABM-Stabilisierungsprogramm des Bundes wurde aufgelegt, um die Arbeitsämter nach dem ABM-Bewilligungsstopp der Bundesanstalt für Arbeit in die Lage zu versetzen, weitere Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu bewilligen. Der ABM-Bewilligungsstop bezieht sich nur auf das Haushaltsjahr 1993 und aus diesem Grund wurden im Rahmen des ABM-Stabilisierungsprogramms des Bundes finanzielle Mittel nur für das Jahr 1993 bereitgestellt. Die Weiterförderung der begonnenen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen über den 31. Dezember 1993 hinaus erfolgt aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit. Da die Vorbindungen bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für das Haushaltsjahr 1994 nicht das Ausmaß des Jahres 1993 erreichen werden, hat die Bundesanstalt für Arbeit 1994 wieder größeren Spielraum für Neubewilligungen. Zu Frage 28: Von einem Scheitern des Programms kann nicht gesprochen werden, wenn in den alten Bundesländern kurzfristig weitere Mittel eingesetzt werden können. Allerdings ist die Inanspruchnahme des ABM-Stabilisierungsprogrammes in den neuen Bundesländern eher zurückhaltend. Für die Inanspruchnahme des Programms ist nach Auffassung der Bundesregierung nicht die Ausgestaltung der Programmkonditionen verantwortlich. Die Lohnkostenzuschüsse aus dem ABM-Stabilisierungsprogramm des Bundes werden entsprechend der einschlägigen Bestimmungen des Arbeitsförderungsgesetzes vergeben — mit der Ausnahme, daß nur Arbeiten gefördert werden, für die ein Lohn von höchstens 2 500 DM gezahlt wird. Die Begrenzung des Lohnes auf 2 500 DM wird nach Einschätzung der Landesarbeitsämter von ABM-Trägern und ABM-Beschäftigten insgesamt akzeptiert. Da aber nicht ganz auszuschließen ist, daß diese Begrenzung ein Hindernis bei der Besetzung bestimmter Schlüsselfunktionen darstellt, wodurch im Einzelfall das Zustandekommen von großen ABM verhindert werden könnte, hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit mit Schreiben vom 19. August 1993 gebeten, in solchen Fällen von der in der Vereinbarung zur Umsetzung des Programms eröffneten Ausnahmemöglichkeit Gebrauch zu machen. Auf eine Sachkostenförderung konnte verzichtet werden, da viele ABM-Träger in den neuen Bundesländern aus Mitteln des Gemeinschaftswerkes Aufschwung Ost und der verstärkten Förderung nach dem Arbeitsförderungsgesetz inzwischen über eine ausreichende Sachmittelausstattung verfügen. Außerdem sind die Länder ihrer arbeitsmarktpolitischen Verantwortung nachgekommen und haben ergänzend eigene Sachmittelprogramme aufgelegt. Die zurückhaltende Inanspruchnahme des ABM-Stabilisierungsprogramms in den neuen Bundesländern ist nach Auffassung der Bundesregierung wohl mehr darauf zurückzuführen, daß viele laufende Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bei Verlängerung in das dritte Jahr der Förderung gehen würden und die Träger die notwendige Zusage der Übernahme der Beschäftigten in ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis nicht geben wollen bzw. können; auch bevorzugen ABM-Träger offenbar § 249 h-Maßnahmen, und kommunale Träger sind — wohl wegen anstehender Gebiets- und Strukturreformen — weniger als früher bereit, ABM durchzuführen. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Cornelia Yzer auf die Frage des Abgeordneten Claus Jäger (CDU/CSU) (Drucksache 12/5692 Frage 29): Auf welche konkreten Vorwürfe und auf welche nachweislichen Tatsachen stützt sich das Bundesministerium für Frauen und Jugend bei seiner Absicht, den Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis (VPM) e. V. in Zürich und seine in Deutschland tätigen Zweigvereine in die demnächst zu erwartende Broschüre über gefährliche Jugendsekten aufzunehmen und darin vor dem Verein zu warnen? Die Prüfung im Hinblick auf eine Aufnahme des Vereins zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis e. V. in die Informationsbroschüre über sogenannte Jugendsekten und Psychogruppen ist im Bundesministerium für Frauen und Jugend noch nicht abgeschlossen. Mit der Entscheidung ist jedoch in Kürze zu rechnen. 15274 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 Der Bund-Länder-Gesprächskreis „Sogenannte Jugendsekten und Psychogruppen" hatte sich in seiner Sitzung am 27./28. April 1993 einstimmig für die Aufnahme des VPM in die geplante Broschüre ausgesprochen. In seiner Sitzung am 16./17. September 1993 hat der Bund-Länder-Gesprächskreis seinen Beschluß vom 27./28. April 1993 noch einmal bestätigt. Der Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis hat im übrigen beim Verwaltungsgericht in Köln den Erlaß einer Einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO beantragt mit der Maßgabe, dem Bundesministerium für Frauen und Jugend zu verbieten, den Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis e. V. in die geplante Informationsbroschüre aufzunehmen. Das Verfahren läuft zur Zeit. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Manfred Carstens auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) (Drucksache 12/5692 Frage 32): Wie viele Mitarbeiter hat die Deutsche Lufthansa, und wie viele haben davon an den Möglichkeiten des Bildungsurlaubs in den Jahren 1990, 1991 und 1992 teilgenommen? Die Deutsche Lufthansa AG hatte zum Stichtag 31. Juli 1993 45 536 Mitarbeiter. Die Inanspruchnahme von Bildungsurlaub wird von der Deutschen Lufthansa AG statistisch nicht erfaßt, so daß hierzu keine Zahlen genannt werden können. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Manfred Carstens auf die Frage des Abgeordneten Uwe Lambinus (SPD) (Drucksache 12/5692 Frage 35): In welchem zeitlichen Rahmen ist beabsichtigt, die Ortsumgehung Retzbach im Landkreis Main-Spessart im Zuge der B 27 fertigzustellen, und welche Umstände haben zur zögerlichen Weiterführung bzw. zum praktischen Stillstand der bereits vor Jahren begonnenen Baumaßnahmen geführt? Aus baubetrieblichen und verkehrstechnischen Gründen war zunächst die Verlegung der Staatsstraße 2437 mit Bau einer neuen Mainbrücke herzustellen; diese Teilaufgabe ist verwirklicht. Die eigentliche Bundesstraßenverlegung kann erst nach Beseitigung des schienengleichen Bahnübergangs im Zuge der alten Staatsstraße ausgeführt werden. Ein baldiger Baubeginn wird angestrebt. Der finanzielle Spielraum hierfür im Rahmen der Haushaltsansätze und der mittelfristigen Finanzplanung wird zur Zeit geprüft. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Manfred Carstens auf die Fragen des Abgeordneten Albrecht Müller (Pleisweiler) (SPD) (Drucksache 12/5692 Fragen 36 und 37): Ist es zutreffend, daß es Planungen zur Einstellung auch des Güterverkehrs zwischen Deutschland und Frankreich auf der Strecke Wörth-Lauterbourg gibt? Wenn ja, wie vertragen sich solche Planungen mit der von der Bundesregierung propagierten Förderung des Schienenverkehrs, wenn damit die einzige wenigstens noch teilweise funktionierende Schienenverbindung zwischen dem Süden von Rheinland-Pfalz und Frankreich gekappt wird? Wegen des engen Sachzusammenhangs werden die Fragen 36 und 37 gemeinsam beantwortet: Die Deutsche Bundesbahn plant nicht, den Güterverkehr auf der Strecke Wörth-Lauterbourg einzustellen. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bertram Wieczorek auf die Frage des Abgeordneten Dr. Klaus Kübler (SPD) (Drucksache 12/5692 Frage 42): Welche ordnungspolitischen Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die deutschen Automobilhersteller zu veranlassen, ihre auf der letzten Internationalen AutomobilAusstellung in Frankfurt präsentierten energiesparenden und schadstoffarmen Oko-Prototypen nicht — wie angekündigt — erst ab 1997, sondern in nachhaltig kürzerer Zeit in Serie herzustellen und zu verkaufen? Die Bundesregierung hat immer darauf hingewiesen, daß sie die Regelung zur CO2-Minderung bei Pkw und damit auch zur Kraftstoffeinsparung auf europäischer Ebene sucht. Die Kommission der EG ist über die Pkw-Abgasrichtlinie 91/441/EWG verpflichtet, einen entsprechenden Richtlinienvorschlag vorzulegen. Sie hat gegenüber dem Umweltministerrat zugesagt, dieser Verpflichtung bis Ende dieses Jahres nachzukommen. Zur Vorbereitung ihres Vorschlags hat die Kommission die sie beratene Motor Vehicle Emission Group, in der Sachverständige aller Mitgliedstaaten und Vertreter von Industrie- und Umweltverbänden tätig sind, gebeten, die technischen Vorarbeiten für eine CO2-Regelung zu leisten. Die Gruppe will ihre Arbeiten am 23. September 1993 beenden. Der dann folgende Vorschlag der Kommission bleibt abzuwarten. Der Vorschlag wird dahin gehend zu prüfen sein, ob er dem Ziel der Bundesregierung, einen Durchschnittsverbrauch der Neuwagenflotte im Jahre 2005 von 5-6 Liter/100 km zu erreichen, gerecht wird. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Bernd Neumann auf die Fragen des Abgeordneten Ernst Schwanhold (SPD) (Drucksache 12/5692 Fragen 43 und 44): Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 15275* Wie will die Bundesregierung die weitere Forschungstätigkeit des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (FGH/ISE) in Freiburg im gleichen Umfang wie 1993 gewährleisten, wenn sie für das Jahr 1994 die erforderlichen 21,9 Mio. DM bisher noch nicht sichergestellt hat? Welche Möglichkeiten prüft die Bundesregierung, damit die Deutsche Bundes-Umweltstiftung (DBU) in Osnabrück in die Lage versetzt wird, das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (FGH/ISE) sowie andere FuE-Institute verstärkt zu fördern? Zu Frage 43: Die Förderung des Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (FhG/ISE) in Freiburg für 1993 durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) wird nicht 21,9 Millionen DM betragen, sondern sich auf etwa 11-12 Millionen belaufen. Die Förderung für 1994 durch das BMFT dürfte bei etwa 9-10 Millionen DM liegen. Die etwas geringere BMFT-Förderung von 1994 gegenüber 1993 dürfte im wesentlichen durch die erhöhte Grundfinanzierung ausgeglichen werden, die die Zentrale der FhG in den nächsten drei Jahren dem FhG/ISE zur Verfügung stellen wird. Zu Frage 44: Von seiten des BMFT wurde die Deutsche BundesUmweltstiftung (DBU) in Osnabrück wiederholt gebeten, das FhG/ISE und andere FuE-Institute verstärkt zu fördern. Die DBU hat sich grundsätzlich bereit erklärt, im Rahmen ihres Status geeignete Projekte zu fördern. Eine Reihe von Fragen zwischen dem FhG/ ISE und der DBU sind derzeit noch offen. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Bernd Neumann auf die Frage des Abgeordneten Horst Kubatschka (SPD) (Drucksache 12/5692 Frage 45): Warum werden bei dem auf Rügen laufenden Großversuch bisher keine Fahrzeuge mit Batterien auf Zink-Luft-Basis, insbesondere der von der israelischen Firma Electric Fuel Limited (EFL) entwickelten Batterie berücksichtigt, und wann wird die Bundesregierung den laufenden Versuch um entsprechende Fahrzeuge ergänzen? Das Zink-Luft-System war in dem Entscheidungszeitraum, in dem die auf Rügen zu testenden Batterie-Systeme festgelegt wurden (1991) noch nicht in der Diskussion. Erst im Laufe des Jahres 1992 wurde bekannt, daß die israelische Firma EFL ein ZinkLuft-Batteriesystem soweit entwickelt hat, daß ein Einsatz in Fahrzeugen möglich scheint. Die deutsche Automobil-Industrie hat dem BMFT bisher kein Fahrzeug mit Zink-Luft-Systemen für die Teilnahme am Rügen-Versuch angeboten, so daß die bekannten Batteriesysteme (Natrium-Schwefel, ABB; Natrium/ Nickelchlorid, AEG; Nickel/Cadmium, DAHO) der neuesten Generation auf Rügen erprobt werden. Bei der Telekom ist ab Anfang 1994 ein Versuch geplant, bei dem mehrere Fahrzeuge mit Zink-LuftBatterie im Postdienst im Raum Bonn-Köln-Aachen eingesetzt werden sollen. Es wird dabei ein Vergleich des Zink-Luft-Systems mit anderen Batteriesystemen, insbesondere mit dem Blei-Gel-System und ggf. Nickel-Cadmium- und Natrium-Schwefel-System, die gleichzeitig eingesetzt werden, angestrebt. Das Bundesministerium für Post und Telekommunikation wird über den Verlauf und die Ergebnisse des Versuchs unterrichtet. Durch die Mitarbeit des BMPT im projektbegleitenden Ausschuß des Rügen-Projektes werden die Ergebnisse des Telekom-Versuches auch von den Beteiligten des Rügen-Projektes bewertet werden. Das BMFT sieht z. Z. keine Möglichkeit, das ZinkLuft-System mit in den Großversuch aufzunehmen, da die deutschen Automobilfinnen dafür noch kein Prototypfahrzeug entwickelt haben. U. a. wären hierfür zunächst noch Fragen bezüglich der dafür erforderlichen Infrastruktur (Wiederaufladung) zu klären. Im übrigen ist die Verfügbarkeit der Zink-Luft-Batterien zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sichergestellt. Falls die Automobilindustrie den Wunsch äußert, das Zink-Luft-System mit in die Untersuchungen des Rügen-Projektes aufzunehmen, ist das BMFT dazu bereit, unter der Voraussetzung, daß keine zusätzlichen Fördermittel erforderlich sind. Anlage 13 Antwort der Staatsministerin Ursula Seiler Albring auf die Frage des Abgeordneten Ortwin Lowack (fraktionslos) (Drucksache 12/5692 Frage 46): Was ist der Bundesregierung über die von amnesty international recherchierten Menschenrechtsverletzungen in Marokko, insbesondere das „Verschwindenlassen" politischer Opponenten bekannt, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, ggf., vor allem auch unter Berufung auf die traditionelle deutsch-marokkanische Freundschaft, abzuhelfen? Die Bundesregierung hat Marokko anläßlich bilateraler Gespräche immer wieder darauf hingewiesen, daß das Schicksal der „Verschwundenen" in großen Teilen der deutschen Bevölkerung, vor allem aber bei Parlament und Bundesregierung Anlaß zu großer Sorge gibt und auf Dauer die guten Beziehungen sowie die traditionelle deutsch-marokkanische Freundschaft belastet. Marokkanische Regierungsvertreter —1993 zuletzt AM Filali — haben zu erkennen gegeben, daß sich Marokko vorrangig um eine Lösung dieses Problems bemüht. Es soll jedoch noch immer zu Eigenmächtigkeiten und Übergriffen der Vollzugsorgane kommen, die der Regierung oft lange verborgen bleiben. Die marokkanische Regierung ist sich der rufschädigenden Wirkung der seit Jahren von amnesty international angeprangerten Menschenrechtsverletzungen, insbesondere der Praxis marokkanischer Vollzugsorgane, unliebsame Häftlinge, aber auch Regimekritiker bereits vor Anklageerhebung „verschwinden zu lassen", durchaus bewußt. Marokko hat darüber hinaus erkannt, daß diese ungelöste Problematik dem Ansehen Marokkos schadet und dem Ziel einer weiteren Annäherung an die EG abträglich ist. 15276' Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 Die Bundesregierung wird sich auch in Zukunft nachdrücklich für eine weitere Verbesserung der Menschenrechtslage in Marokko einsetzen. Anlage 14 Antwort der Staatsministerin Ursula Seiler-Albring auf die Frage des Abgeordneten Claus Jäger (CDU/CSU) (Drucksache 12/5692 Frage 47): In welchem Ausmaß wird das Wirtschaftsembargo gegen Serbien und Montenegro verletzt oder umgangen, und für welche Maßnahmen zur lückenlosen Überwachung und Verschärfung des Embargos wird sich die Bundesregierung angesichts der neuen serbischen Offensive gegen Sarajevo einsetzen? Mit Sicherheitsrats-Resolution 820 vom 17. April 1993 wurden die bis dahin bestehenden Sanktionen gegen Serbien/Montenegro weiter verschärft. Kernelement des Sanktionsregimes ist ein umfassendes Handels-, Dienstleistungs- und Finanzembargo. In Umsetzung hierzu ergingen EG-Verordnung 990/93 sowie innerstaatlich die 28. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung. Diese Bestimmungen sichern die Wirksamkeit der Sanktionen in Deutschland; 291 Ermittlungsverfahren sind in diesem Zusammenhang bisher eingeleitet worden (Stand 31. August 1993). Eine wichtige Rolle bei der Sanktionsüberwachung kommt den Nachbarstaaten Serbien/Montenegros zu. Dank ihrer Anstrengungen sowie den internationalen Unterstützungsmaßnahmen ist die effektive Kontrolle der Sanktionen an den Außengrenzen Serbien/Montenegros im großen und ganzen gewährleistet. Die Bundesregierung beteiligt sich hierbei mit 15 Zollbeamten an den EG/KSZE-Sanktionsunterstützungsmissionen, die die Zollbehörden der Nachbarstaaten unterstützen sowie mit 50 Beamten und 4 Polizei- bzw. Zollbooten an der WEU-Aktion, die zur lückenlosen Durchsetzung des Embargos auf der Donau beiträgt. Anlage 15 Antwort der Staatsministerin Ursula Seiler-Albring auf die Frage des Abgeordneten Otto Schilly (SPD) (Drucksache 12/5692 Frage 48): Welchen Einfluß hat es auf die deutsch-chilenischen Beziehungen, daß General Pinochet, der für die Ermordung, Folterung und Verschleppung mehrerer tausend Menschen verantwortlich ist, immer noch Oberbefehlshaber der chilenischen Streitkräfte ist und nicht vor Gericht gestellt wurde? Die Bundesregierung hat aus ihrer Haltung gegenüber der Militärdiktatur in Chile und gegenüber General Pinochet nie ein Hehl gemacht. Die Bundesregierung arbeitet mit der aus der demokratischen Opposition gegen Pinochet hervorgegangenen Regierung Aylwin vertrauensvoll im Interesse der chilenischen Demokratie zusammen. Sie steht auf der Seite der demokratischen Regierung Chiles bei dem schwierigen Transitionsprozeß von der Miltiärdiktatur zur Demokratie. Nur die besonderen Bedingungen eines friedlichen Transformationsprozesses können erklären, daß trotz all der schweren Vorwürfe der 74jährige Pinochet noch Oberbefehlshaber des chilenischen Heeres ist. Die Verfassung von 1980 gibt ihm das Recht, bis 1996 im Amt zu bleiben. Anzumerken ist, daß Pinochet nicht Oberbefehlshaber der chilenischen Streitkräfte ist, sondern nur der Teilstreitkraft Heer. Im übrigen hat die Regierung Aylwin sich intensiv um Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen der Militärdiktatur bemüht. Erinnert sei an die Arbeit der Kommission „Wahrheit und Gerechtigkeit" sowie an verschiedene Gesetzesinitiativen, die z. T. an einer ablehnenden Mehrheit des Senats gescheitert sind. Anlage 16 Antwort der Staatsministerin Ursula Seiler-Albring auf die Frage des Abgeordneten Dr. Klaus Kübler (SPD) (Drucksache 12/5692 Frage 49): Beabsichtigt die Bundesregierung, sich im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft und der Vereinten Nationen dafür einzusetzen, daß die noch bestehenden Sanktionen gegen Südafrika mit Ausnahme des Waffenembargos und dem Verbot der zivilen nuklearen Zusammenarbeit kurzfristig aufgehoben werden, und wenn ja, wann sollen die betreffenden Sanktionen aufgehoben werden? Mit Ausnahmen des Waffenembargos (einschließlich sensitiver Ausrüstungsgegenstände für Polizei) und des Verbots der zivilen nuklearen Zusammenarbeit sind bereits alle von der Europäischen Gemeinschaft gegen Südafrika verhängten Sanktionen von wirtschaftlicher Relevanz aufgehoben worden. Noch bestehende Sanktionen der Europäischen Gemeinschaft wie Kontaktverbote im Sicherheitsbereich und Verbot militärischer Kooperation sollen nach der für Ende Oktober/Anfang November erwarteten Errichtung der ersten Stufe einer Übergangsregierung (Transitional Executive Council) in Südafrika aufgehoben bzw. überprüft werden. Die Aufhebung der von den Vereinten Nationen verhängten Sanktionen hängt ebenfalls von der Entwicklung in Südafrika ab. Sobald sich die mit der Übergangsregierung neu gebildeten Verfassungsorgane für eine Aufhebung aussprechen, wird die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern diesen Prozeß unterstützen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 15277* Anlage 17 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Freiherr Wolfgang von Stetten (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 12/5701 zu Vorlagen des Tagesordnungspunktes 4 (Gesetzentwürfe zu strafrechtlichen Verjährungsfristen) Dr. Wolfgang v. Stetten (CDU/CSU): Dem Hinausschieben des Beginns der Verjährung generell kann ich zustimmen. Verjährungen sind dafür da, um den Rechtsfrieden wiederherzustellen und — gestaffelt nach Zeitabschnitten je nach Schwere der Delikte — einen Schlußpunkt zu ziehen. Insbesondere bei Straftaten, die mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind, werden wir — wenn es tatsächlich noch einige hunderttausend werden sollten — wie von den Befürwortern der Verlängerung der Verjährungsfrist prognostiziert — einige hunderttausend Einstellungen durch die Justiz erleben. Die Betroffenen sind dann wesentlich stärker vom Rechtsstaat enttäuscht, als wenn man sie auf bestehende Verjährungsvorschriften hinweist. Was soll das im übrigen für eine Befriedigungswirkung für ein Opfer bringen, wenn es fünf, sechs oder sieben Jahre nach dem Zusammenbruch des SEDRegimes einen Nachbarn, einen Bekannten oder auch einen fremden Spitzel oder Peiniger für eine Tat der 50er, 60er, 70er Jahre noch vor Gericht zieht? Was hat sich zudem seit dem Sommer so dramatisch verändert, daß die früheren Erklärungen der Länderjustizminister und des Fraktionsvorsitzenden Dr. Schäuble zur Verjährungsfrage plötzlich nicht mehr gelten? Das waren vernünftige und fundierte Ausführungen. Wenn wir uns schon nicht zu einer Amnestie anläßlich der Wiedervereinigung durchringen konnten (wann je in der Geschichte hätte es einen besseren Anlaß gegeben als die Wiedervereinigung eines Volkes nach 40 Jahren, ohne einen einzigen Toten?) und meinten, mit der deutschen Gründlichkeit 40 Jahre vergangenes Unrecht aufzuarbeiten, dann sollten wir uns wenigstens an das bestehende Recht und die bestehende Ordnung halten und nicht — und zwar willkürlich — einen neuen Verjährungsbeginn beschließen. Wir treffen damit auch nicht nur potentielle Täter des SED-Unrechtsregimes, sondern auch jeden anderen Bürger der DDR, der sich — wenn auch nur in kleinsten Dingen — strafbar gemacht hat. Nahezu jede Tätigkeit im Rahmen der „Schattenwirtschaft" war nach DDR-Gesetzen strafbar, ob es sich um Mitnahme von Materialien aus dem Betrieb handelte (dies ist schlichtweg Diebstahl), oder um Tauschund Mauschelgeschäfte zur Erlangung von Baumaterialien handelte (auch hier lag entweder Diebstahl, Hehlerei oder Betrug vor). Wer einigermaßen überleben wollte, kam mindestens in die Grenze der Überschreitung der Gesetze, wenn er sie nicht zwangsläufig überschreiten mußte. So könnte das Gesetz zu einem Bumerang werden und zu neuen Konflikten führen, wenn der entdeckte und nunmehr angezeigte IM seinem Opfer mit einer Gegenanzeige begegnen kann. Das Gesetz dient daher nicht dem Rechtsfrieden, dient auch nicht dem Aufbau in den neuen Ländern, sondern sorgt weiterhin für Unruhe, Unsicherheit und eine hoffnungslos überlastete Justiz. Der Bürger, der heute jemanden anzeigt und miterleben muß, wie ein Verfahren über Monate und Jahre hinausgeschleppt wird, um dann doch in der Regel eingestellt zu werden, zweifelt nicht nur einmal, sondern über einen langen Zeitraum an der Justiz der Demokratie und damit an der Gerechtigkeit des Staates. Wenn wir heute sogar schon im Westen Verbrecher laufen lassen müssen, weil die Staatsanwaltschaft und Justiz ihrer Arbeit nicht mehr nachkommen, wie kann man dann als verantwortlicher Politiker die noch nicht voll aufgebaute Justiz in den neuen Ländern mit hunderttausenden von Fällen der Kleinkriminalität belasten, damit die gegebenenfalls die notwendigen Verfahren gegen die wirklich Schuldigen nicht oder nur mit jahrelanger Verzögerung durchgeführt werden? Verjährung ist auch ein Recht, auf das sich auch ein Täter jederzeit verlassen können muß. Aufhebungen von Verjährungen 10 Tage vor der Frist haben einen politischen Beigeschmack. Wir kannten im Deutschen Bundestag, als wir den Verjährungsbeginn auf den 3. Oktober 1990 festsetzten, sehr genau die Problematik der Justiz in den neuen Ländern. Wir konnten uns noch alle an die unglückseligen Verlängerungsdebatten der Verjährungsfristen der Straftaten im Dritten Reich erinnern. Dennoch haben wir bewußt so entschieden. Es gab und gibt keine Veranlassung, heute anders zu entscheiden. Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 10 (Antrag: Sofortmaßnahmen zur Durchsetzung friedlicher Verhandlungslösungen im ehemaligen Jugoslawien), Zusatztagesordnungspunkt 5 (Antrag: Lage der bosnischen Kriegsflüchtlinge) und Zusatztagesordnungspunkt 6 (Antrag: Zur aktuellen Situation im Krieg in Bosnien-Herzegowina) Dr. Barbara Höll (PDS/Linke Liste): Allen Anzeichen nach stehen die Genfer Verhandlungen zur Beendigung des schrecklichen Krieges in Bosnien vor ihrem Abschluß. Wie unterschiedlich man ihr Ergebnis auch bewerten mag, der sich abzeichnende Kompromiß — und darüber können auch die vorliegenden Anträge nicht hinwegtäuschen — ist die einzige Alternative zu den blutigen bewaffneten Auseinandersetzungen. Er gibt die Möglichkeit, das Morden und Brandschatzen zu beenden, neue Grundlagen für ein friedliches Zusammenleben der Moslems, Serben und Kroaten in Bosnien zu schaffen, Not und Elend der Menschen zu lindern und mit dem Wiederaufbau der zerstörten Wirtschaft zu beginnen. 15278* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 Entscheidend ist, daß die Waffen tatsächlich schweigen. Das ist umso notwendiger, da die Kämpfe in den von Serben bewohnten Gebieten Kroatiens ständig erneut aufflammen und sich jederzeit auf Kosovo, aber auch Mazedonien und Montenegro ausdehnen könne, was gewiß unabsehbare Konsequenzen für den gesamten Balkan und damit für Europa hätte. Der Krieg in Bosnien und die Genfer Verhandlungen haben — diesen Schluß darf man schon jetzt ziehen — gezeigt, daß der Weg zum Frieden nur über politische Lösungen, Ausgleich und Kompromiß gefunden werden kann. Versuche, mit Waffengewalt vermeintliche Interessen der eigenen auf Kosten der anderen Nationen und machtpolitische Ziele durchzusetzen, haben nur zu tausendfachem Tod und Verderben geführt. Diese Lehre gilt es, in der kroatischen Krajina ebenso zu beherzigen wie im serbischen Kosovo. Die dort liegenden akuten bzw. latenten höchst gefährlichen Konfliktherde können nur entschärt werden, wenn die Autonomie- und Minderheitenrechte der Albaner in Serbien und der Serben in Kroatien wiederhergestellt und gesichert werden und die territoriale Integrität beider jugoslawischen Nachfolgestaaten wirksam garantiert wird. Zwischen beiden Komplexen besteht offenkundig ein enger Zusammenhang, dessen Beachtung maßgeblich helfen würde, gegenseitig Ängste und Befürchtungen abzubauen. Hier erwachsen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Aufgaben, die ihrem Namen und ihren Zielen entsprechen. Und die furchtbaren Ereignisse in Bosnien vermitteln noch eine Lehre: Der Frieden in einem vom Grauen des Bruderkrieges geschüttelten Land kann nur von den betroffenen Völkern selbst wiederhergestellt werden; durch geduldige und unparteiische Vermittlung kann er befördert werden, von außen herbeigebombt werden kann er nicht. Unter keinen Umständen darf es zu einer ausländischen militärischen Intervention kommen, von der einige Politiker noch immer nicht aufgehört haben zu reden. Statt Frieden würde sie nur größeres Leid und neue Not schaffen. Allein schon die wiederholten Interventionsdrohungen und die Pläne für NATO-Luftangriffe haben in Bosnien die Kompromißbereitschaft einzelner Konfliktseiten untergraben und den Krieg verlängert. Diese Pläne gehören in den Reißwolf, an ihre Stelle müssen Konzepte der politischen Konfliktlösung über Interessenausgleich, Vermittlung und Verhandlungen gesetzt werden. Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren hat der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher vor diesem Haus erklärt, daß Deutschland im Jugoslawienkonflikt „nicht Partei für das eine gegen das andere Volk in diesem uns so eng befreundeten Land nimmt" . Die Außenpolitik der Bundesregierung folgte diesen Worten augenscheinlich nicht. Es ist nun das Gebot der Vernunft und der Friedensverantwortung Deutschlands, aktiv, vermittelnd und unparteiisch für eine schnellstmögliche Beendigung des Blutvergießens und die Gewährung der Sicherheit auf dem Balkan zu wirken. Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 (Waldzustandbericht der Bundesregierung 1992; Große Anfrage: Lage und Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland) Reinhard Freiherr von Schorlemer (CDU/CSU): Es ist richtig und wichtig, daß sich in der Legislaturperiode der Deutsche Bundestag mit der „Lage und Entwicklung des Waldes und der Forstwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland" beschäftigt. Einmal wissen wir: Herausragendes Element unserer heimatlichen Kulturlandschaften sind bewirtschaftete Wälder. Diese Wälder erbringen unverzichtbare ökonomische und ökologische Leistungen. Darüber hinaus sind die Wälder unserer Bevölkerung Stätte der Erholung. Dies ist die eine Seite. Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen belegt aber auch: Die wirtschaftliche Lage der Forstwirtschaft hat sich z. B. nach Berechnung der Testbetriebe in den alten Bundesländern 1991/92 dramatisch entwickelt. Und diese Entwicklung hält an: a) beim Staatswald (30 % des Waldanteils) -344,00 DM/ha b) beim Körperschaftswald (24 % des Waldanteils) -189,00 DM/ha c) beim Privatwald (46 % des Waldanteils) - 12,00 DM/ha Bei den Forsten in den jungen Bundesländern wird das Defizit durch erhebliche Mittel der Treuhand reduziert. Dies ist die andere Seite. Hierdurch wird sichtbar die besorgniserregende Situation der deutschen Forstwirtschaft und des Waldes. In Norddeutschland — ich beziehe bewußt Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit ein, jene klassischen Kieferregionen — sind die wirtschaftlichen Daten noch sehr viel negativer. Hier ist ein starkes Süd-Nord-Gefälle zu verzeichnen. Besonders dramatisch ist hierbei die Situation beim Schwachholz, das bei den notwendigen, den Wald stabilisierenden, Durchforstungen anfällt. Dieses Problem ist wieder bundesweit. Die Folge wird dann oft sein: Dort wo sich die Bewirtschaftung nicht mehr lohnt, findet keine Waldpflege mehr statt. Oder anders gesagt: Wenn durch die Nutzfunktion des Waldes keine oder keine nennenswerten Erträge erwirtschaftet werden bzw. bewirtschaftet werden können, ist eine für die Allgemeinheit notwendige Erreichung der Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes nicht zu erzielen. Hier geht es in erster Linie nicht um höhere Zuschüsse. Die Leistungen von Bund und Ländern im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes sind wichtige Hilfen. Nein, es geht um die Verbesserung der forstwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Erstens. So darf die Umweltgesetzgebung die Holzmärkte nicht unnötig einschränken, sondern muß dem Holz neue Verwendungsbereiche öffnen: Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 15279' Abfallgesetze und Verpackungsverordnung dürfen nicht zu Lasten des nachwachsenden Rohstoffes Holz andere Sekundärrohstoffe wie Kunststoffe einseitig favorisieren. Auch darf durch Vorrangstellung sogenannter stofflicher Verwertung der Weg zur thermischen und energetischen Verwertung nachwachsender Rohstoffe nicht versperrt werden. Der walderhaltende Frischholzeinsatz für die Papierherstellung darf nicht marktwidrig und administrativ durch Quotierung der Altpapierverwertung eingeschränkt werden. Über die geltenden Bestimmungen des Stromeinspeisungsgesetzes hinaus ist die thermische Verwertung der Schwachhölzer sowie der Abfall- und Resthölzer zu fördern und auch die umweltschonende Altpapierverstromung zu begünstigen. Zweitens. Gleichzeitig bedarf es eines gezielten Förderprogramms zur Anschubfinanzierung holzbetriebener, dezentraler und zentraler Wärme- und Energieerzeugungsanlagen: Durch Gewährung von Erstinvestitionszuschüssen sind moderne Holzheizungen im ländlichen Raum der alten und insbesondere der neuen Bundesländern zu fördern. Mittels eines Sonderförderprogramms sind Errichtung bzw. Umstellung gewerblicher, kommunaler und regionaler Heiz- und Energiegewinnungsanlagen auf Holzbasis zu unterstützen. Drittens. Dem unvergleichlich vielseitigen, menschen- und umweltfreundlichen Bau-, Konstruktions- und Werkstoff Holz sind neue Verwendungsbereiche zu erschließen und seine Einsatzmenge zu verstärken: Den Baustoff Holz noch immer diskriminierende Vorschriften sind aus den Landesbauordnungen und allen wettbewerbsnachteiligen Vorschriften zu streichen. Gerade öffentlichen Bauherrn in Stadt und Land, Architekten und Genehmigungsbehörden sind die Vorzüge des natürlichen und vielseitigen Baustoffs Holz in einer besonderen Aufklärungsaktion plausibel zu machen. Ich bitte den Deutschen Bundestag und die Bundesregierung eindringlich, die energie- und umweltpolitischen Weichen in diese Richtung vermehrter Holzverwendung zu stellen. Gleichzeitig fordere ich den Forstabsatzfonds auf, eine Holzimagekampagne zu konzipieren und in die Tat umzusetzen. Die über eine Million Waldeigentümer in Deutschland, 700 000 in den alten und 450 000 in den neuen Bundesländern, erwarten, daß die notwendigen Entscheidungen jetzt getroffen werden. Jeder Bundesbürger muß wissen: Nachhaltige Holznutzung erhält den Wald und ist Bindeglied einer unvergleichlichen Kreislaufwirtschaft. Waldwirtschaft erfolgt unter Ausnutzung der natürlichen Wachstumskräfte. Sie macht die unerschöpfliche Sonnenenergie verfügbar und schont die endlichen Rohstoffe Öl, Kohle und Gas. Im Gegensatz zu diesen fossilen Rohstoffen belastet Holzverwendung nicht die Umwelt. Im Gegenteil, sie leistet einen unersetzlichen Beitrag zum Klimaschutz und ist in jeder Beziehung umweltfreundlich. Darüber hinaus sind die heimischen Wirtschaftswälder wichtigster grüner Aktivposten unserer Kulturlandschaften. Mit einem Wort: Eine florierende Forst- und Holzwirtschaft dient gleichermaßen Wirtschaft, Gesellschaft, Natur und Umwelt. Sie ist ein wesentliches Stück Zukunftssicherung. Die rasche Klärung der Waldeigentumsverhältnisse in den jungen Bundesländern ist die entscheidende Voraussetzung für den Aufbau einer leistungsfähigen Forstwirtschaft im Osten Deutschlands. Darüber hinaus ist der Aufbau einer wettbewerbsfähigen Forstwirtschaft in den neuen Bundesländern für die gesamte Forstwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland von existentieller Bedeutung. Meine Damen und Herren, in der Nähe des neuen Plenarsaales ist auf einem großen Feldstein der Appell „ Rettet den Wald" eingemeißelt. Dies ist eine ständige Herausforderung an uns, gerade auch zur heutigen Debatte. Simon Wittmann (Tännesberg) (CDU/CSU): Zu Beginn der 80er Jahre wurde mit dem Begriff „Waldsterben" auf eine zunehmende Schädigung unserer Wälder hingewiesen. Das in der Öffentlichkeit befürchtete Waldsterben ist jedoch bisher nicht eingetreten. Die bisher beobachtete Entwicklung bestätigt die Auffassung des Forschungsbeirates „Waldschäden/Luftverunreinigungen der Bundesregierung und der Länder , wonach die sog. neuartigen Waldschäden auf einem Ursachenkomplex aus abiotischen und biotischen Faktoren zurückgehen, wobei allerdings Luftschadstoffe eine Schlüsselrolle einnehmen. Daher konzentrierten sich die Maßnahmen der Bundesregierung u. a. auf die Reduzierung der Luftschadstoffe; und wir können dabei auf beachtliche Erfolge verweisen: Für die alten Länder wurde seit 1970 eine Verringerung der CO2-Emissionen um mehr als 70 % erreicht. Bis zum Jahre 2005 kann auch unter Einbeziehung der neuen Länder eine Reduktion von ca. 5,69 Millionen t um gut 90 % auf 55 Millionen t erreicht werden. In Bayern z. B. ging der CO2-Ausstoß in Kraft- und Heizwerken vor allem durch den Einbau von Entschwefelungsanlagen gegenüber 1976 um 95 % zurück. Seit 1986 wurde auch eine Trendwende bei den Stickoxid-Emissionen, insbesondere bei den Kraftwerken und Industrieanlagen erreicht. Nach wie vor unbefriedigend ist die Verringerung der StickoxidEmissionen im Straßenverkehr und die Reduzierung der flüchtigen organischen Verbindungen. In unserem Entschließungsantrag zum Waldschadensbericht haben wir daher eine Reihe von Maßnahmen gefordert, die die Stickoxide und die flüchtigen organischen Verbindungen verringern werden: — Bei der Verabschiedung des Bundesverkehrswegeplanes haben wir mit der Vorrangstellung umweltverträglicher Verkehrsträger bei zukünftigen Investitionen ein deutliches Zeichen gesetzt. — Die emissionsbezogene Kfz-Steuer, die bei den LKWs beschlossene Sache ist, muß m. E. auch bei den PKWS zum Tragen kommen. Durch eine entsprechende Spreizung der Kfz-Steuer bei Autos werden berechenbare PKW-Kosten geschaffen. 15280' Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 Eine solche Maßnahme verändert die Nachfrage und zwingt die Industrie zum Umsteigen auf den verbrauchs- und emissionsarmen PKW. Damit wird ein marktwirtschaftlicher Rahmen geschaffen, der weit mehr wirkt, als jede Mineralölsteuererhöhung, die letztlich nur zu einer Verbesserung der Steuereinnahmen führt und ländliche Räume benachteiligt. Als Abgeordneter an der Grenze zur tschechischen Republik kann ich feststellen, daß dort mehr denn je gefahren wird, obwohl ein preiswertes Nahverkehrssystem zur Verfügung steht und obwohl der Benzinpreis verglichen mit dem Einkommen etwa das 15fache beträgt. Daher ist eine emissionsbezogene Kfz-Steuer der einzig wirksame marktwirtschaftliche Rahmen. — Einen wichtigen Beitrag kann auch der Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs leisten. Dabei sind aber in besonderem Maße auch die Bundesländer gefordert. Bayern hat hier durch das am 1. Januar 1994 inkrafttretende ÖPNV-Gesetz wieder einmal eine Vorreiterrolle in Deutschland übernommen, die man nur zur Nachahmung empfehlen kann. Eine besondere Bedeutung kommt auch der Waldpflege zu. Sie ist jedoch auf Dauer nur finanzierbar, wenn die Holznutzung weiterhin Gewinne abwirft. Die begrüßenswerte Zunahme des Papierrecyclings hat aber die Absatzlage bei Schwachholz drastisch verschlechtert. Eine Chance, diesen Markt zu beleben, liegt daher vor allem in der Energiegewinnung aus Holz. Durch die ausgeglichene CO2-Bilanz wird dadurch gleichzeitig ein positiver Umwelteffekt erreicht. Ich erwarte daher von der Bundesregierung, daß sie mit gutem Beispiel vorangeht und in bundeseigenen Gebäuden neue Heizanlagen für Holz und andere Biomasse baut. Dies wäre wohl das beste Markteinführungsprogramm in diesem Bereich. Marianne Klappert (SPD): Im Kleinreden großer Probleme hat es diese Regierung anerkanntermaßen zu einer gewissen Meisterschaft gebracht. Ihr Bericht über die Waldschäden liefert ein neuerliches Beispiel dafür, z. B. durch die euphemistische Umbenennung in „Waldzustandsbericht", in dem dann folgerichtig der Begriff „Waldsterben" als zu dramatisch auch nicht vorkommt. Aus allen Veröffentlichungen — auch aus diesem Waldzustandsbericht der Bundesregierung — lese ich aber heraus, daß die Schädigung der Wälder inzwischen ein so bedrohliches Ausmaß erreicht hat, daß wir von einer ökologischen Katastrophe nicht mehr weit entfernt sind. Was also soll diese Verharmlosung bedrohlicher Fakten? Das bringt uns in der Sache keinen Schritt weiter! Wer tadelt, der sollte sich aber auch um das Positive bemühen. Deshalb möchte ich zunächst einmal lobend anerkennen, daß uns der Waldzustandsbericht jetzt endlich in Form einer Bundestagsdrucksache als Unterrichtung durch die Bundesregierung vorgelegt wird. Damit wird eine alte SPD-Forderung erfüllt. Damit wird dem Thema „Waldschäden" — wenigstens ansatzweise — endlich die Bedeutung eingeräumt, die ihm zukommt. Der Ernährungsausschuß trägt diesem Ziel mit der Forderung Rechnung, den Waldzustandsbericht in Zukunft jährlich in Form einer Unterrichtung vorzulegen. Und wir werden dafür sorgen, daß diese jährliche Unterrichtung nicht unter stiller Anteilnahme in den Ausschüssen beerdigt wird. Allerdings erwarten wir in Zukunft ungeschminkte Bestandsaufnahmen und keine Schönrechnereien, von denen es einige in den Umweltbilanzen dieser Bundesregierung und auch in diesem Waldschadensbericht gibt: Da werden die abgestorbenen oder abgeholzten Wälder aus der Statistik herausgerechnet, nach dem schlichten Motto: Wo kein Wald ist, da ist auch kein Waldsterben. Da wird der deutliche CO2-Rückgang in den ostdeutschen Bundesländern in den Vordergrund geschoben, während die gegenläufige Tendenz im Westen verniedlicht wird. Da werden die Erfolge bei der Entgiftung der Industrieanlagen geschildert, fast ohne die Tatsache zu berücksichtigen, daß diese Erfolge durch den vermehrten Autoverkehr längst wieder aufgezehrt sind. Erfolge? — Wir würden hier ja gerne mit Ihnen gemeinsam durchschlagende Erfolge bei der Waldschadensbekämpfung bejubeln, aber es gibt sie nicht! Jahrelang haben Sie die Stabilisierung der Schäden als Erfolg verkauft. Doch selbst dieser bescheidende „Erfolg" ist Ihnen zwischenzeitlich abhanden gekommen. Unbestreitbar vergrößert sich nämlich die Schere zwischen Ihren Behauptungen und den tatsächlichen Ergebnissen. Das ist kein Horrorgemälde einer streitsüchtigen Opposition! Das ist aus Ihren Bilanzen eindeutig ablesbar! Eine Zusammenfassung der Bestandsaufnahme ergibt folgendes Bild: Erstens. Mehr als ein Viertel der Waldbäume weist deutliche Schäden auf. Und weitere 41 % sind schwach geschädigt. Mehr als zwei Drittel der Waldbäume sind also mehr oder minder krank! Zweitens. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Steigerung um 2 %. Bei den Schädigungen ist damit der höchste Stand seit 1984 erreicht. Wie wollen Sie das als Ergebnis erfolgreicher Politik verkaufen?! Es ist viel getan worden, sagen Sie. Es ist bei weitem nicht genug getan worden, kritisieren wir, und die Zahlen geben uns recht. Drittens. In einigen Regionen unseres wiedervereinigten Deutschlands ist der Befund noch dramatischer: In Süddeutschland z. B. sind mittlerweile 68 % der Wälder geschädigt, in Ostdeutschland ist der Zustand der Wälder besonders schlecht: im Erzgebirge z. B. sind bereits rund 90 % des Baumbestandes geschädigt. Kollegen und Kolleginnen: alle Schönrednerei oder -rechnerei hilft nichts: Der Patient Walt ist sterbenskrank! Und die Hauptursache dafür sind ohne Zweifel die Luftschadstoffe. Ich zitiere aus dem Waldzustandsbericht: „Luftschadstoffen kommt dabei eine maßgebliche Rolle zu" oder aus der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion: „In der Bundesrepublik Deutschland ist die Leistungsfähigkeit der Wälder ... vor allem durch Luftschadstoffe gefährdet". Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 15281 e Daß Sie das nicht noch deutlicher, noch dezidierter sagen können, verstehe ich ja. Sie würden sonst selbst Ihrer ach so erfolgreichen Umweltpolitik ein vernichtendes Zeugnis ausstellen. Und das ist wahrhaftig von keinem zu verlangen, daß er sich selbst völlig ungenügende Leistungen attestiert! Es kann auch nicht bestritten werden, daß Schwefeldioxide, Stickoxide, Ammoniak und leichtflüssige Kohlenwasserstoffe aus Industrie, Verkehr, und Landwirtschaft dabei sind, unseren Wäldern den Todesstoß zu versetzen. Das alles weiß die Regierung auch! Aber ihr fehlt der politische Wille — oder, was ebenso schlimm ist — die politische Kraft, das als notwendig Erkannte auch durchzusetzen! Wo ist das Sofortprogramm, das die verheerenden Waldschäden stoppt? Solange aus politischer Opportunität die notwendigen Maßnahmen unterbleiben, steht Ihre Politik völlig zu Recht unter dem Verdikt: absolut ungenügend! Diese Bundesregierung hat es bis heute nicht verstanden, Umwelt- und Wirtschaftspolitik sinnvoll miteinander zu verzahnen. Diese Bundesregierung hat bis heute den Konflikt zwischen Verkehr und Ökologie immer zu Ungunsten der Ökologie zu lösen versucht. Der Bundesverkehrswegeplan ist dafür ein deutlicher Beleg. Ja, diese Bundesregierung hat sogar wichtige Maßnahmen zum Klima- und damit auch zum Waldschutz mittlerweile eingestellt: die steuerliche Absetzbarkeit energiesparender Maßnahmen z. B. oder die Förderung erneuerbarer Energien und energiesparender Heizungs- und Warmwasseranlagen. Wenn Sie allein die Kraft nicht haben, sich gegen die verschiedenen Interessengruppen durchzusetzen: Zum Schutz des Waldes stärken wir Ihnen gerne den Rücken! Meine Damen und Herren, zwar braucht — nach einem Wort Lessings — der Kritiker nicht besser machen zu können, was er tadelt. Aber wir sind sowohl bereit als auch in der Lage, es besser zu machen. Oberste Priorität muß nach unserer Ansicht eine grundlegende ökologische Ausrichtung der gesamten Verkehrspolitik haben. Dazu gehört eine Reduzierung des überflüssigen Individual- und Straßengüterverkehrs ebenso wie eine erhebliche Verbesserung und Attraktivitätssteigerung des ÖPNV; dazu gehören Auflagen für die Automobilindustrie, sparsamere und emissionsärmere Fahrzeuge zu bauen; dazu gehört ein Verkehrsmanagement, einschließlich Geschwindigkeitsbegrenzungen und der verstärkten Anwendung ökonomischer Instrumente, z. B. durch Anhebung der Mineralölsteuer, diesmal aber aus ökologischen Gründen! Die Brieftasche der Bundesbürger ist doch sonst so schnell das Objekt Ihrer Begierde! Wir fordern im Bereich der anderen Emittentengruppen vor allem eine umfangreiche Förderung erneuerbarer Energien und — ebenso wichtig — ein breit angelegtes Energiesparkonzept. Ich bedauere es sehr, daß bei der Beratung des vorliegenden Entschließungsantrages der Emittent Landwirtschaft als Mitverursacher von Waldschäden herausgestrichen worden ist. Aus diesem Grunde — und nur aus diesem Grunde — wird sich die SPD in der Schlußabstimmung darüber der Stimme enthalten. Hier scheint mir nach dem Motto vorgegangen worden zu sein: weil, so schloß er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf. Das aber ist keine ehrliche Politik. Es wird ja auch von der Bundesregierung nicht bestritten, daß die Landwirtschaft mit ihrem Düngemittelaustrag und der Luftverunreinigung durch die Großtierhaltung zu den Mitverursachern der Waldschäden gehört. Eine vom Bundesumweltamt in Auftrag gegebene Forschungsarbeit hat eine deutliche Zunahme der AmmoniumEmission in den 80er Jahren festgestellt und deren Ursache hauptsächlich auf landwirtschaftliche Aktivitäten zurückgeführt. Und die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU weist darauf hin, daß — ich zitiere — „die bisher durchgeführten Maßnahmen (...) die Stickstoffemissionen aus der Landwirtschaft noch nicht wesentlich zurückgeführt" haben. Deshalb erneuere ich hier und jetzt die Forderung nach einem baldigen Erlaß der geplanten Düngemittelanwendungsverordnung gemäß den Vorgaben der EG-Nitrat-Richtlinie und die Forderung nach Förderung von Innovationen bei der Großviehhaltung und der Düngemittelausbringung unter besonderer Berücksichtigung der Vermeidung von Stickstoffbelastungen. Eine umweltverträgliche Landwirtschaft ist auch aus Gründen der Waldschadensbekämpfung dringend geboten! Und letztlich muß zur Waldschadensbekämpfung auch eine Aufforstung bzw. Wiederaufforstung von Wäldern gehören. Diese Vermehrung der Waldflächen ist dringend notwendig, um die Kohlenstoffspeicherfunktion des Waldes zu verbessern. Warum eigentlich — und damit wiederhole ich eine Frage aus der Aktuellen Stunde vom 9. Dezember 1992, und ich wiederhole sie, weil ich keine Antwort darauf bekommen habe —, warum eigentlich wird immer wieder der Wald als Flächenreserve für die Ausdehnung von Industrie- und Siedlungsflächen, für den Straßenbau und die Freizeitnutzung betrachtet? Und warum werden nicht umgekehrt verstärkt Industrie- und Landwirtschaftsbrachen der Aufforstung zugeführt? Gestatten Sie mir zum Schluß noch den Hinweis, daß in ein Gesamtkonzept zur Waldschadensbekämplung auch die verstärkte Propagierung und Förderung einer naturgemäßen Waldwirtschaft gehört, die einen artenreicheren, natürlicheren und damit auch stabileren Wald erhoffen läßt und darüber hinaus die deutliche Verbesserung der ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen der Waldwirtschaft. Meine Damen und Herren, der Zustand des deutschen Waldes ist ernst, aber noch nicht hoffnungslos. Jeder Tag aber an dem nichts geschieht, verschlimmert die dramatische Entwicklung. Lassen wir es nicht bei der Forderung: „Es muß etwas geschehen. " Tun wir endlich entschlossen das, was getan werden muß! Jutta Miller (Völklingen) (SPD): Der alljährliche Waldzustandsbericht der Bundesregierung und auch die Waldschadenserhebungen der Länder zeigen: Es fehlt uns nicht an Kenntnissen über die gesellschaftliche und ökologische Bedeutung des Waldes, es fehlt 15282" Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 auch nicht an Wissen über die Ursachen des Waldsterbens — es fehlt eindeutig am politischen Willen, die Maßnahmen zu ergreifen, die diese Entwicklung aufhalten. Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen macht ja deutlich: Der Wald hat vielfältige Funktionen zum Schutz des menschlichen Lebens und zur Aufrechterhaltung des ökologischen Gleichgewichtes der Natur. Der Wald liefert den wichtigen Rohstoff Holz, er reguliert den Wasserhaushalt, indem er Wasser speichert, er verhindert Hochwasser und Bodenerosion. Der Wald reinigt die Luft wie ein Staubfilter und dämpft den Lärm, den wir produzieren. Er ist Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen und trägt in wachsendem Maße zum Schutz des Klimas überall auf der Welt bei. Auch die Ursachen des Waldsterbens sind unumstritten. Es sind insbesondere die Luftschadstoffe Schwefeldioxid aus der Verbrennung fossiler Energieträger und die Stickoxidemissionen der Kraftfahrzeugmotoren, die in Zusammenhang mit anderen Luftverunreinigungen, z. B. Ozon und anderen Photooxidantien, die Wachstumsprozesse der Bäume beeinträchtigen. Im Zusammenhang mit der Luftverunreinigung steht auch die Belastung der Böden durch Blei, Cadmium, Zink und Quecksilber. Die Schadstoffe der Luft werden in die Böden gewaschen, hinzu kommt die landwirtschaftliche Überdüngung der Böden und auch die Gülle, die zur Versäuerung der Böden erheblich beiträgt. Hier enden auch schon die Gemeinsamkeiten zwischen Regierung und Opposition, denn was die Ursachenbekämpfung des dramatischen Waldsterbens angeht, sind wir sehr unterschiedlicher Auffassung. Die Bundesregierung glaubt ja offenbar, sie habe sich keine Fehler und Unterlassungen vorzuwerfen. In der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen heißt es an mehreren Stellen großspurig: „Die konsequente Politik der Luftreinhaltung auf nationaler und internationaler Ebene wird fortgesetzt" . Da kann ich nur sagen: Bitte nicht weiter so Deutschland! Die Politik der Bundesregierung ist zwar konsequent, leider aber auch konsequent erfolglos, wie der Waldschadensbericht 1992 zeigt. Mehr als zwei Drittel des deutschen Waldes sind krank, fast ein Drittel ist praktisch abgestorben. Die Schädigung des Baumbestandes hat gegenüber dem letzten Jahr um 5-8 % zugenommen, in Bayern sind nur noch 26 % der Bäume als gesund zu bezeichnen. Leider gehört es zu den beängstigenden Tatsachen, daß die Waldschadensberichte der Bundesregierung die katastrophale Entwicklung zum Teil noch beschönigen. Denn bereits abgestorbene Bäume tauchen in der Statistik gar nicht mehr auf. Rechnet man diese hinzu, ist bereits ein Viertel des Baumbestandes abgestorben. Warum sich der federführende Ausschuß in diesem Zusammenhang weigert, von „Waldsterben" statt „Waldschäden" zu sprechen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Wollen Sie diesen Begriff erst benutzen, wenn es keine Bäume mehr gibt, wenn also der Wald wirklich tot ist? Mitten in Europa vollzieht sich derzeit eine gewaltige Naturkatastrophe, und die Bundesregierung will uns diese Bilanz als Erfolg verkaufen und auf diesem Wege konsequent weitermachen. Da kann ich nur sagen: Ich glaube, ich steh im Wald. Der deutsche Wald schlägt Alarm. Wenn bei der Feuerwehr die Alarmglocke klingelt, werden unverzüglich und sofort Rettungsmaßnahmen ergriffen. Nicht so die Bundesregierung. Sie verabschiedet routinemäßig einen Waldzustandsbericht und läßt dann der dramatischen Entwicklung ihren Lauf. Was folgt, sind allenfalls eine Reihe medienwirksamer Ankündigungen und Versprechungen. So verkündete der Bundeskanzler, bis zum Jahre 2005 werden die CO2-Emissionen, die für den waldschädigenden Treibhauseffekt hauptverantwortlich sind um 25-30 % reduziert. Inzwischen ist lange klar, daß dieses ehrgeizige Ziel nicht eingehalten werden kann. Bundesumweltminister Töpfer erkennt sogar an, daß insbesondere der Straßenverkehr der Hauptverursacher des Waldsterbens ist. Aber wenn es im Kabinett um konkrete Maßnahmen geht, hält er sich dezent zurück. Wo bleibt z. B. Töpfers Engagement für eine radikale Wende in der Verkehrspolitik? Nun ja, das Problem des Umweltministers mit Ankündigungen und der Umsetzung seiner Versprechen ist ja hinreichend bekannt. Wo bleibt auch der Protest von Landwirtschaftsminister Borchert gegen das Sterben des Waldes? Wo bleibt sein Einsatz für konkrete Maßnahmen. Jetzt fordert der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in seiner Beschlußempfehlung die „verursachergerechte Anlastung der externen Kosten der verschiedenen Verkehrsträger, die Besteuerung von Kraftfahrzeugen gemäß umweltpolitischer Ziele sowie Konzepte zur Verkehrsvermeidung" . Ich halte dies für einen guten Ansatz. Wenn sie das wirklich wollen, werden sie unsere Unterstützung bekommen. Ich habe allerdings das Gefühl, daß hier Reden und Handeln weit auseinanderklaffen. Denn mit dem erst vor kurzem verabschiedeten Bundesverkehrswegeplan haben Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, eine wahre Betonorgie eingeleitet. Durch den ständigen Zubau von Straßen werden Sie noch mehr Verkehr produzieren. Von weniger Straßen und mehr Schienenwegen kann gar keine Rede sein. Trotz aller umweit- und verkehrspolitischer Schönrednerei: Für den Fernstraßenausbau gibt es unterm Strich im nächsten Haushaltsjahr 2,5 Milliarden DM mehr als für den Ausbau des Schienennetzes. Stichwort Anlastung der Wegekosten: Rechnet man die angekündigten Änderungen der LKW-Kraftfahrzeugsteuer und der Regional-Vignette für ausländische LKWs durch, kommt als Ergebnis dabei heraus, daß nur ein Bruchteil der tatsächlichen Wegekosten abgedeckt werden. Tatsächlich subventioniert die Bundesregierung auch weiterhin diejenigen, die die Straßen und die Natur am meisten belasten. Wo bleiben auch die Initiativen der Bundesregierung zur Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 15283' Verkehrsvermeidung? Hier ist zum Beispiel auch eine gute Informationspolitik gefragt. Anstatt 3,6 Millionen DM für die Regierungspostille „Journal für Deutschland" — welches sich dann auch noch als reines Parteiblättchen entpuppt hat — aus dem Fenster hinauszuwerfen, wäre das Geld besser angelegt für Aufklärung und Information mit dem Ziel der Verkehrsvermeidung. Wo bleibt die gesetzliche Begrenzung des Kraftstoffverbrauchs? Motoren mit einem Kraftstoffverbrauch von 3-5 Litern pro 100 Kilometer sind technisch möglich, aber werden gesetzlich nicht gefördert. Seit Jahren bestaunen Fachleute die energiesparenden Prototypen auf den Automobilmessen. Falls dies keine Öko-Alibi-Autos sind, frage ich mich, warum sie nicht endlich auf unseren Straßen zu sehen sind. Das Schicksal unseres Waldes ist zweifellos mit unserer zukünftigen Verkehrspolitik verbunden. Erfolge bei der Luftreinhaltung durch die Einführung des Katalysators wurden durch die Zunahme des Verkehrs, höhere Geschwindigkeiten und stärkere Motoren zunichte gemacht. Das gleiche Auseinanderklaffen zwischen Reden und Handeln sehen wir aber auch in der Energiepolitik. Die Bundesrepublik liegt mit einem jährlichen Energieverbrauch von 480 Millionen Tonnen SKE an fünfter Stelle in der Welt. Unser Pro-Kopf-Energieverbrauch ist dreimal so hoch wie der des Weltdurchschnitts. Die Bundesregierung sieht auch in der Beantwortung der Großen Anfrage durchaus die Gefahr der Klimaänderung und deren destabilisierende Einflüsse auf unsere Wälder. Sie registriert sehr wohl, daß wir uns mit der bisherigen Klimapolitik weiter in eine Katastrophe bewegen, weil immer mehr Bäume absterben. Aber das ist kein Grund für sie, ihre Politik zu ändern. Auch in diesem Abschnitt hier heißt es lapidar: „Die Bundesregierung wird ihre Anstrengungen auf diesem Gebiet konsequent fortführen". Ja welche Anstrengungen denn? Schauen wir doch mal rein in den aktuellen Haushaltsentwurf des Bundeswirtschaftsministers! Insgesamt sind für Aufklärung und Beratung bezüglich Energiesparen und rationelle Energieverwendung lächerliche 22,8 Millionen DM vorgesehen. Obwohl erheblicher Beratungsbedarf in den neuen Bundesländern besteht, liegt der Ansatz seit Jahren in dieser Höhe. Die Sanierung der ostdeutschen Fernwärme wird wie 1993 mit 150 Millionen DM gefördert. Im Westen passiert überhaupt nichts, obwohl die gekoppelte Erzeugung von Strom und Wärme die wichtigste Maßnahme zur CO2-Reduktion ist. Im Bereich Energiesparen erneuerbare Energien wurden die ohnehin schon kargen Mittel gekürzt. Forschung im Bereich der Kohletechnik, z. B. Effizienzverbesserung, wurde vollends aufgehoben. Es hat keinen Wert, wenn die Bundesregierung auf internationalen Konferenzen wie der in Rio salbungsvolle, jedoch unverbindliche Klimakonventionen zur Rettung der Regenwälder unterschreibt. Diese wirken auch unglaubwürdig, solange wir die Entwicklungsländer zum Schutz der Wälder auffordern, während wir unseren Schwarzwald tatenlos absterben lassen. Es hat auch keinen Zweck, eine Experten-Kommission nach der anderen ins Leben zu rufen, wenn deren Expertise ignoriert wird. Die Enquete-Kommission zum Schutz der Erdatmosphäre hat dargelegt, daß in Deutschland mindestens 50 % des Energieverbrauchs eingespart werden kann. Seit Vorlage dieses Berichtes sind zweieinhalb Jahre vergangen. Die Bundesregierung hat nicht reagiert. Die SPD hat ein Programm zur Förderung von Energiesparen und erneuerbaren Energien in Höhe von 5 Milliarden DM vorgeschlagen. Darin enthalten ist die Einsparung von Energie in Gebäuden und in der Industrie, der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, die Sanierung und der Ausbau der Nah- und Fernwärme sowie Sonderabschreibungen und Investitionszuschüsse zur Markteinführung erneuerbarer Energiequellen. Das ist doch der richtige Ansatz. Darüber kann man doch reden. Aber solange Töpfer und Rexrodt die Verhandlungen über einen Energiekonsens blockieren, können wir unsere Waldschadensberichte so lange ins Regal stellen, bis wir kein Holz und somit kein Papier mehr haben, um die wertlosen Berichte zu drucken. An dieser Stelle möchte ich Kritik auch an die Landwirtschaftsexperten richten. Die Rolle der Landwirtschaft als Mitverursacher von Waldschäden hat meine Kollegin Marianne Klappert ja schon hinlänglich beleuchtet. Nur eins möchte ich abschließend noch sagen: Mich hat die dazu gefundene Formulierung im vorliegenden Beschlußantrag ziemlich entsetzt. Hier wurde eine Lobbyistenmeinung aufgenommen, die mit der Realität nichts zu tun hat und mir selbst die Enthaltung zu diesem Beschlußantrag ziemlich schwer macht. Ulrich Heinrich (F.D.P.): Wald ist nicht nur unser größter nachhaltiger Rohstofflieferant sondern leistet auch vielfältigste Beiträge zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Hervorheben möchte ich hier die Bereiche Grundwasserschutz, Klimaschutz, Bodenschutz, Landschaftsschutz, Biotop- und Artenschutz, aber auch den Immissionsschutz. Darüber hinaus leistet Wald für unsere vielfach gestreßte Zivilisationsgesellschaft einen unverzichtbaren Beitrag als Erholungs- und naturnaher Freizeitraum. Aus diesen vielfältigen Funktionen wird mehr als deutlich, daß uns die Lage des Waldes nicht gleichgültig sein darf. Der Zustand des deutschen Waldes hat sich im vergangenen Jahr, da gibt's keine Schönfärberei, verschlechtert, in Teilbereichen sogar sehr drastisch. Angesichts seiner unverzichtbaren Leistungen müssen wir uns vehementer als bisher der gesellschaftlichen Herausforderung stellen, die sich aus dem sich verschlechternden Zustand des Waldes ergibt, besonders aus Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen. So ist der Anteil der deutlich geschädigten Bäume um zwei Prozentpunkte auf 27 Prozent gestiegen. Ohne erkennbare Schäden sind demnach nur noch 32 Prozent der Bäume, 41 Prozent zeigen schwache Schäden. Regional und zwischen den einzelnen Baumarten ergeben sich zwischen diesen Totalwerten allerdings zum Teil erhebliche Unterschiede. Die am stärksten betroffene Baumart ist inzwischen die Buche mit deutlichen Schäden auf 15284 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 38 Prozent der Fläche, gefolgt von Eiche, Fichte und Kiefer. Die Ursachen der neuartigen Waldschäden sind vielschichtig. Eine maßgebliche Rolle kommt dabei allerdings weiterhin den Luftschadstoffen zu. Die von der Bundesregierung bisher eingeleiteten Maßnahmen vor allem zur Verringerung von Luftschadstoffen sind richtig. Gerade hier ist viel geleistet worden, die weiterhin stetige Zunahme der Waldschäden zeigt jedoch, daß die Anstrengungen in vielen Bereichen intensiviert werden müssen. Auf die aus meiner Sicht wesentlichen Bereiche möchte ich im folgenden eingehen. Die Verringerung der Luftschadstoffe muß dabei eine Daueraufgabe bleiben. Darüber hinaus müssen wir unser Augenmerk aber auch auf andere Bereiche ausdehnen: Ein gesunder Wald erfordert auch eine gesunde Forstwirtschaft. Gerade die Forstwirtschaft steht jedoch derzeit durch die Nachwirkungen der Sturmschäden und den enormen Preisverfall auf dem Holzmarkt vor großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Derartige Störungen des Marktes schlagen unmittelbar voll auf die Einnahmen der Forstbetriebe durch. Im weitgehend liberalisierten Holzmarkt gibt es nämlich keine Regel- und Ausgleichsmechanismen wie in der Landwirtschaft, sondern lediglich Sonderhilfen im Rahmen der Bewältigung außergewöhnlicher Kalamitäten (z. B. Stürme). So begrüßenswert die Wahrung des freien Marktes aus Sicht der F.D.P. auch ist, so darf sich die Gesellschaft dennoch nicht aus der Verantwortung stehlen. Hinzu kommt, daß das bei der Waldbewirtschaftung anfallende Schwachholz derzeit in der Papierherstellung keinen ausreichenden Einsatz mehr findet. Der im Sinne der Kreislaufwirtschaft ja zu begrüßende erhöhte Einsatz von Altpapier in den letzten Jahren darf nicht dazu führen, daß nachhaltige Forstwirtschaft in Deutschland zunehmend unrentabel wird. Besonders deutlich wird dies derzeit in den neuen Bundesländern, wo jeder Hektar des sich überwiegend in staatlicher Hand befindlichen Waldes den Steuerzahler rund 300 DM kostet. Gesamt betrachtet zeigt sich also, daß ein auf der einen Seite begrüßenswertes Umweltbewußtsein mit derartigen Konsequenzen in anderen Bereichen in die ökologische Sackgasse führt. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff mit vielfältigen technischen und chemischen Verwendungsmöglichkeiten, der dringend einer stärkeren Berücksichtigung bedarf. Umweltbewußtsein darf nicht dort aufhören, wo ein PVC-Boden billiger ist als ein Holzfußboden. Dies gilt im übrigen auch für die öffentliche Hand. Lassen wir Herrn Behnisch also doch auch mal loben: Die starke Berücksichtigung des Baustoffes Holz im medienträchtigen Plenarsaal wird hoffentlich noch so manchen Architekten inspirieren. Und die Redner allemal. Aber auch angesichts der mit dem Treibhauseffekt verbundenen Klimaänderung und dem zunehmenden Stellenwert von Ökobilanzen rückt die Verwendung von Holz als umweltpolitische Maßnahme für einen Ersatz bisheriger Bau- und Verpackungsmaterialien immer mehr in den Vordergrund. Durch einen verstärkten Einsatz könnte die nationale CO2-Bilanz enorm entlastet werden. Der ökologisch notwendige verstärkte Einsatz von Holz im energetischen Bereich setzt aber voraus, daß bei einer Einführung der geplanten europaweiten CO2-Steuer Brennholz, Holzkohle und Verarbeitungsprodukte aus Holz mit dieser Steuer nicht belastet werden. Um das sehr ehrgeizige Ziel der Senkung des CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2005 um bis zu 30 Prozent zu erreichen, ist also ein ganzes Bündel von Maßnahmen notwendig. Zur Beseitigung und teilweisen Wiederaufforstung der geschädigten Wälder sind enorme finanzielle Aufwendungen erforderlich. Tatsache ist, daß ein erheblicher Teil der für die Waldschäden verantwortlichen Luftschadstoffe durch den Automobilverkehr verursacht werden. Ich halte es daher für erforderlich, den Autofahrer zur Finanzierung der durch den Automobilverkehr entstehenden ökologischen Schäden mit heranzuziehen. Auch hier muß das Verursacherprinzip Einzug halten. Es geht nicht an, daß die ökologischen Folgen unserer grenzenlosen individuellen Mobilität allein von der Forstwirtschaft getragen werden. Ich schlage daher im Rahmen der Mineralölsteuererhöhung die Abzweigung eines Waldpfennigs pro Liter Treibstoff vor. Die Einnahmen sollten in einen Waldfond fließen und zweckgebunden zur Finanzierung von forstlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Waldschäden eingesetzt werden. Mit einer derartigen Forderung stehe ich im übrigen nicht alleine da. Auch der Bundesgerichtshof hat entschieden, daß er neuartige Waldschäden dem Grund nach für entschädigungswürdig und entschädigungsbedürftig hält. In erster Linie aus ökologischen Gründen, aber auch zur langfristigen Entlastung der Agrarmärkte halte ich zudem eine drastische Ausweitung der Erstaufforstungsflächen für notwendig. Die Rahmenbedingungen durch die ab 1993 erhöhten Aufforstungsprämien sind hierzu optimal. Gebremst wird jedoch auf Landes- und kommunaler Ebene. Die Gründe liegen meist in der Uneinigkeit der am Verfahren beteiligten untereinander. Dies sind in der Regel: die Forst-, die Landwirtschafts-, die Natuschutzbehörden und -verbände und die Gemeinden. Ich halte es daher für dringend erforderlich, daß die Länder in Zusammenarbeit mit den Gemeinden in ihrem Zuständigkeitsbereich im Rahmen eines forstwirtschaftlichen Gesamtkonzepts großflächig Flächen ausweisen, auf denen einer Aufforstung grundsätzlich nichts im Wege steht. Durch die Bildung derartiger Aufforstungsblöcke entfällt die leidige und zeitraubende Einzelfallprüfung. Es sei noch einmal deutlich hervorgehoben: Hier will keiner die letzten Täler im Schwarzwald aufforsten. Es geht um standortgerechte Aufforstung, die zudem eine ökologische Bereicherung teilweise intensiv genutzter Agrarlandschaften bedeutet. Aus meinen Ausführungen wird ersichtlich, daß ich den Schutz unserer Wälder nicht für eine ausschließliche Aufgabe von Bundesregierung und Waldbesitzern erachte. Waldschutz und -erhaltung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe! Hier trägt jeder einzelne Verantwortung, und jeder kann durch sein Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 15285* Tun und Verhalten mithelfen und dazu beitragen, daß unser Wald auch für nachfolgende Generationen den gleichen Stellenwert behält wie für uns. Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) (PDS/Linke Liste) Die PDS/Linke Liste hält das heutige Thema für außerordentlich wichtig, weil die Sicherung der unentbehrlichen Funktionen der Wälder in Natur und Gesellschaft lebensnotwendig ist. Im einzelnen habe ich folgende Bemerkungen. Erstens. Der Waldzustandsbericht wird von der Statistik der großen Durchschnittszahlen dominiert. Aber jeder weiß: Hinter Durchschnittszahlen verbergen sich mehr oder weniger große Extreme. Sie können Trends aufzeigen, aber zugleich Probleme verschleiern. Wenn zum Beispiel auf 51 Textseiten nur eine halbe Seite unter der Überschrift „Waldschäden in den Hauptschadgebieten" eingeordnet ist und dann noch nicht einmal etwas Konkretes ausgesagt wird, offenbart sich ein Mangel der Schadenserfassung. Offenbar ist in Problemgebieten eine Untersetzung der Inventur durch die Verkleinerung des verwendeten Rasters notwendig, um stärker an zu lokalisierende Ursachen heranzukommen. Zweitens bedauere ich, daß im Bericht viel zu wenig zu den Verursachern der neuen Waldschäden steht. Folglich bleiben die künftigen Handlungsschwerpunkte der Bundesregierung allgemein und unverbindlich. Beispielsweise wird von der Verringerung der Stickstoffoxid- und anderen Emissionen aus dem Straßenverkehr gesprochen. Aber auch in Zukunft setzt die Bundesregierung auf die Straße statt auf die Schiene, und wir im Osten spüren schmerzlich, daß die westdeutsche Gigantomie der Supermärkte außerhalb der Ortslagen trotz warnender Stimmen nicht aufgehalten wurde. Ein Kurswechsel zu einer Wirtschaftspolitik, die ökologisch Unabdingbares vor den Profit stellt, ist nicht erkennbar. Drittens. Die Antwort auf die Große Anfrage und noch deutlicher die jüngste Anhörung zum Entwurf des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes zeigen: In den neuen Ländern soll mit Macht die Eigentumsstruktur von vor 1945 restauriert werden. Dazu sind alle Mittel recht. Um den Wert der ostdeutschen Wälder herabzumindern, ist im Journal der Bodenverwertungs- und Verwaltungs GmbH Nr. 3/4 vom Juni von einer „Kahlschlagswirtschaft" der Vergangenheit die Rede, die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände spricht von „teilweise erheblich ausgeplünderten" Beständen usw. Der Verkaufswert der Forstfläche soll im Interesse der Alteigentümer minimiert, oder — was auf das Gleiche hinausläuft — der angestrebte grundgesetzwidrige Naturalausgleich erhöht werden. Der Bericht des BML vom 6. November 1991 „Zur aktuellen Lage und Perspektive der Forst- und Holzwirtschaft in den neuen Ländern" widerlegt diese Zweckpropaganda. Dort heißt es, daß der Einschlag der DDR von ca. 4 Kubikmeter je Hektar und Jahr den Verhältnissen in der alten Bundesrepublik entsprach. Der mit 200 Kubikmeter um ein Drittel niedrigere Hektar-Gesamtvorrat in den neuen Ländern sei weitestgehend standortbedingt. Als Hauptargument für eine rasche Reprivatisierung und Neuprivatisierung der Wälder wird der jährliche Zuschuß der Treuhandanstalt für den in ihren Händen befindlichen Wald von 270 DM je Hektar herangezogen. Auch der Landeswald mache nur Verlust. Das stimmt! Konkret minus 242 DM Reinertrag je Hektar. Aber laut Agrarbericht betrug das Minus in den westlichen Staatsforsten sogar 343 DM. Zur Aufrichtigkeit würde gehören, zu berücksichtigen, daß die Lage in der Ost-Forstwirtschaft alles andere als normal ist. Zum Beispiel steht im Agrarbericht, daß im Osten lediglich 1,6 Kubikmeter je Hektar Holzbodenfläche eingeschlagen wurden gegenüber 5,2 Kubikmetern im Westen. Was das für die Wirtschaftlichkeit bedeutet, wird klar, wenn man bedenkt, daß die Forstbetriebe 80 bis 90 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Holzverkauf realisieren. Zur Wahrheit gehört auch, daß die defizitäre Lage der Forstwirtschaft ein gesamtdeutsches Problem ist. Aber im Osten wird sie durch den Verfall der Holzindustrie wesentlich verschärft. Sie bringt weniger als 50 Prozent ihrer alten Kapazität. Zwei Drittel des Sägeholzeinschnittes kommen aus den Altländern; Rundholz-Dumping-Importe aus Polen. Der Holzhandel ist fest im Griff westdeutscher Händler. Da ist kaum Platz für Ost-Holz. Hinzu kommt: Die Zellstoffindustrie ist weg, die Plattenproduktion minimiert. Das Ausschalten der Konkurrenz ging reibungslos. Oder empfindet es jemand als normal, daß der Anteil Ost am gesamtdeutschen Umsatz der holzverarbeitenden Industrie laut Agrarbericht unter 5 Prozent lag, während der Anteil der ostdeutschen Waldfläche an der gesamtdeutschen 29 Prozent beträgt? Offensichtlich ist: Die Kreise, die aus angeblicher Sorge um die Staatsfinanzen nach rascher Privatisierung rufen, wollen die ostdeutsche Holzmarktsituation nutzen. Denn so billig wie heute kämen sie nie wieder zu Wald. Die Lösung ist nicht eine Dumping-Privatisierung der Wälder, sondern der schrittweise Aufbau einer leistungsfähigen Holzindustrie. Viertens fehlt noch immer eine vernünftige Regelung der Altschulden, des Preußenwaldes und des Wertausgleiches für ehemals in LPG eingebrachte Waldparzellen. Im Ministeriumsbericht wurde beim Wertausgleich — wie schon bei den verlorenen Inventarbeiträgen — auf das noch ausstehende Entschädigungsgesetz verwiesen. Heute wissen wir, daß der Regierungsentwurf keine diesbezügliche Regelung enthält. Eine solche Politik der Vertröstungen und Versprechungen wird im Osten sicher nicht endlos toleriert werden. Fünftens vermisse ich in der Großen Anfrage und Antwort jegliche Aussage zu den sozialen Problemen des erheblichen Abbaus von Forstarbeitern im Zuge der Umstrukturierung in Ostdeutschland. Es wäre meines Erachtens dringlich, recht bald eine Analyse vorzulegen, wieviel von ihnen eine neue Beschäftigung gefunden haben, wieviel in der Arbeitslosigkeit 15286* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 versanken und welche Perspektive gerade diesen Menschen seitens der Bundesregierung geboten wird. Wolfgang Gröbl, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Wald und Forstwirtschaft sind in einer sehr schwierigen Lage. Die wirtschaftliche Situation der Waldbesitzer ist derzeit durch eine unbefriedigende Absatz- und Erlössituation gekennzeichnet, während die ökologische Stabilität des Waldes weiterhin vor allem durch Schadstoffeinträge beeinträchtigt ist. Die Forstbetriebe leiden unter niedrigen Holzpreisen und rückläufiger Nachfrage beim Holzverkauf. Hauptursachen sind immer noch die Auswirkungen der Sturmkatastrophen von 1990, der weitere Schadholzanfall durch Insektenschäden in der Folge der Stürme sowie die Billigeinfuhren aus Skandinavien und den osteuropäischen Ländern. 90 % der Einnahmen von Forstbetrieben stammen aus dem Holzverkauf. Bei gleichzeitig stetig gestiegenen Aufwendungen kommt es zu abnehmenden Reinerträgen bis in den Defizitbereich, derzeit auch in den Privatbetrieben. Die Bundesregierung hat unmittelbar nach der Sturmkatastrophe von 1990 gemeinsam mit den Ländern ein Sonderhilfsprogramm gestartet. Das Programm ist mit insgesamt 600 Millionen DM dotiert und wird je zur Hälfte vom Bund und den Ländern finanziert. Es läuft noch bis einschließlich 1995. Die Forstbetriebe werden durch dieses Programm bei der Schadensbeseitigung, insbesondere der Wiederaufforstung mit standortgerechten Laubbäumen, wirksam unterstützt. Die Holzpreise kann die Bundesregierung allerdings kaum beeinflussen. Die Holzmärkte sind frei, und das ist gut so. Reglementierungen kämen möglicherweise Substituten von Holz zugute. Freie Holzmärkte kommen auch unseren Holzexporten zugute. Das zeigt sich ganz besonders bei Kalamitäten wie nach den Stürmen vor 31/2 Jahren. Wir fordern allerdings von unseren Handelspartnern, auf unsere Märkte Rücksicht zu nehmen. Mit solchen Hinweisen, vor allem an unsere skandinavischen Partner, haben wir auch Verständnis gefunden. Wichtig ist, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Verwendung von Holz weiter zu verbessern. Als der klassische nachwachsende Rohstoff besitzt Holz erhebliche ökologische Vorteile. Das gilt für Rohstoffgewinnung, Verarbeitung, Recycling und Entsorgung. Diese Vorteile müssen marktwirksam werden. Wissenschaftlich fundierte Ökobilanzen sollten seine Vorzüge gegenüber konkurrierenden Produkten klarstellen. Den Vorschlag zur Einführung einer EG-weiten CO2-Energiesteuer begrüße ich. Konsequenterweise muß Holz von dieser Steuer ausgenommen sein. Damit werden seine Umweltvorteile zu einem Marktvorteil. Bei der Novellierung des Abfallgesetzes muß bei Holz und Holzprodukten vom Vorrang der stofflichen vor der thermischen Verwertung abgewichen werden. Das gleiche gilt für den Bereich der Verpackungen. Die verstärkte energetische Nutzung von Holz und mehrfach wiederverwendetem Altpapier muß zu einer spürbaren Entspannung im Schwachholzbereich führen. Die Bundesregierung fördert in einem Modellversuch eine Reihe von Biomasse-Heizkraftanlagen, darunter eine Anlage, die ausschließlich mit Holz befeuert wird. Hier wird dann die energetische Verwertung von Holz demonstriert. Was das Stammholz betrifft, sind die Bundesländer aufgefordert ihr Baurecht nach holzfreundlichen Vorschriften zu durchforsten. Wertvoll für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von Holz ist die Errichtung des Forstabsatzfonds. 1994 wird der Absatzfonds eine Imagekampagne starten, die vor allem mit dem waldschädlichen Irrglauben aufräumen soll, Holzverwendung schade dem Wald. „Baum ab — nein danke" ist ein Wald-Killer, kein Wald-Retter. Die Produktion von Holz — ebenso wie die Bereitstellung der unverzichtbaren Wohlfahrtsfunktionen des Waldes — setzt gesunde, leistungsfähige Wälder voraus. Die ökologische Stabilität der Wälder aber ist in weiten Teilen gefährdet, ja vielfach bereits erheblich beeinträchtigt. Schadstoffeinträge spielen dabei eine wesentliche Rolle. Diese Lage ist für uns nicht akzeptabel. Um hier gegenzusteuern, haben wir eine breite Palette von Luftreinhaltemaßnahmen ergriffen. Bei einzelnen Schadstoffen, insbesondere beim Schwefel, haben wir großen Erfolg gehabt. Dies reicht aber nicht. Es bedarf jetzt der Reduzierung der Emission von Stickstoffverbindungen. Ich wäre glücklich, wenn es uns gelänge, den Anteil der PKWs in Deutschland mit geregeltem 3-Wege-Katalysator von jetzt ca. 40 % möglichst kurzfristig auf 100 % anzuheben. Ich möchte an dieser Stelle all denen danken, die durch die Entwicklung und Umsetzung neuer Technologien oder durch ihr persönliches Verhalten zu dem schon erreichten Fortschritt beigetragen haben. Ich denke hier besonders an Forschungsarbeiten der Wissenschaftler, aber auch an die hohen Investitionen der Wirtschaft. Wenn die in den letzten Jahren bei der Luftreinhaltung erreichten Erfolge im Waldzustand heute noch nicht sichtbar werden, so liegt das an der immer noch zu hohen Schadstoffbelastung, an der natürlichen Reaktionsträgheit der Ökosysteme, in denen sich die langjährige Depositionen angesammelt haben und sicher auch an den Einwirkungen vielfältiger anderer biotischer und abiotischer Faktoren auf den Wald. Es kann also keinesfalls Entwarnung gegeben werden. Den von neuartigen Waldschäden betroffenen Forstbetrieben wird im Rahmen der von Bund und Ländern gemeinsam getragenen Gemeinschaftsaufgabe geholfen, die Wälder zu stabilisieren bzw. wiederaufzubauen. Bodenschutzkalkung, Vor- und Unterbau sowie Wiederaufforstung sind hier die wichtig- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 15287 e sten geförderten Maßnahmen. Dafür wurden seit 1984 456 Millionen DM Fördermittel ausgegeben. Für forstliche Maßnahmen standen in der Gemeinschaftsaufgabe 1992 141 Millionen DM an Bundes- und Landesmitteln zur Verfügung. Der Vergleich mit dem Jahr 1983 (45 Millionen DM) zeigt, daß die forstliche Förderung in den letzten zehn Jahren erheblich verstärkt worden ist. Ein weiterer Förderschwerpunkt ist bei der standortgerechten Erstaufforstung ehemals landwirtschaftlich genutzter Flächen gesetzt. Die seit 1993 verbesserte Erstaufforstungsprämie kann Land- und Forstwirten bis zu 20 Jahre lang gewährt werden. Sie kann je nach Bodengüte des aufgeforsteten Ackers oder Grünlandes bis 1 400 DM je Hektar und Jahr betragen. Danach besteht nach unserem Dafürhalten nunmehr ein ausreichender ökonomischer Anreiz für die Erstaufforstung. Gleichzeitig ist sichergestellt, daß die Erstaufforstung den Zielen der Raumordnung und Landesplanung entsprechen. Denn jede Erstaufforstung ist genehmigungspflichtig. Nicht nur wegen der damit verbundenen Umweltleistungen, sondern auch wegen des wirtschaftlichen Nutzens und der Erholungseignung für die Bevölkerung wird besonderer Wert auf die Begründung und Pflege naturnaher Wälder gelegt. Die Schaffung bzw. Erhaltung möglichst naturnaher Wälder ist forstpolitisches Ziel der Bundesregierung. Darauf wird sich in Zukunft die forstliche Förderung noch weiter ausrichten. Dadurch soll langfristig die ökologische Stabilität der Wälder verbessert und sollen zugleich die Waldbesitzer in die Lage versetzt werden, bei verminderten Produktionsrisiken gleichbleibend hohe Erträge zu erwirtschaften. Der Empfehlung des Ernährungsausschusses, den jährlichen Waldzustandsbericht der Bundesregierung künftig dem Deutschen Bundestag vorzulegen, wird die Bundesregierung gerne folgen. Ebenso halte ich die Unterrichtung des Bundestages über die Lage des Waldes und der Forstbetriebe durch einen eigenständigen Waldbericht einmal pro Legislaturperiode für eine gute Sache. Doch alle Berichte werden nichts an der Tatsache ändern, die lautet: Nur ein ökologisch und ökonomisch gesunder Wald kann die Wohlfahrtswirkungen erbringen, die wir alle vom Wald erwarten. Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 13 (Antrag: Hilfe für die Opfer aus der Behandlung mit HIV-kontaminierten Blutprodukten und gesetzgeberische Konsequenzen) Horst Schmidbauer (Nürnberg) (SPD): Was hat sich verändert zwischen dem 4. November 1971 und dem 23. September 1993? Ich helfe Ihnen gerne nach: Am 4. November 1971 hat der Deutsche Bundestag — einstimmig — das Gesetz zur Contergan-Stiftung verabschiedet, heute, am 23. September 1993 sind wir erst am Anfang der Bewältigung der größten deutschen Arzneimittel-Katastrophe. 1971 ging es um die Hilfe für 2 200 Contergan-geschädigte Kinder, 1993 geht es auch um mehr als 2 000 Menschen; meist Menschen mit der Bluterkrankheit, aber auch Menschen wie Sie und ich, Menschen, die nach Verkehrsunfällen, bei Operationen oder bei Geburten Spritzen zur Stillung von Blutungen bekamen, die AIDS-verseucht waren. 1971 sah man ein: Man konnte nicht den Ausgang einer jahrzehntelangen Prozeßserie abwarten, um den betroffenen Kindern zu ihrem Recht zu verhelfen, 1993 sieht man das nicht ein: Die Betroffenen müssen um die Hilfestellung und den Schutz des Staates betteln. 1971 konnte man sicher sein, daß die Hilfe bei den Contergan-geschädigten Kindern noch rechtzeitig ankam, 1993 muß man fürchten, daß die Hilfe zu spät kommt und es den noch lebenden Opfern so geht wie den bereits vierhundert Verstorbenen. 1971 war man sich klar, daß der finanzielle Rahmen für 2 200 Kinder mindestens 150 Millionen DM — davon 50 Millionen DM vom Bund — umfassen mußte, 1993, also 22 Jahre später, glaubt die Koalition, mit 10 Millionen DM, davon 2 Millionen DM vom Bund, das Problem für mehr als 2 000 Erwachsene lösen zu können. Über diesem Koalitions-Angebot, dem sogenannten „Einstieg in eine Lösung", stehen Fragezeichen über Fragezeichen. Wer garantiert für was? Wo bleibt die Verbindlichkeit für die kommenden Jahre? Oder wird hier nicht ein ungedeckter Scheck auf die Zukunft ausgestellt? 1971 schaffte das Gesetz die Voraussetzung dafür, daß den Kindern lebenslängliche Renten von damals 450 und heute etwa 900 DM monatlich gezahlt werden konnten, 1993 schafft unser Antrag die Voraussetzung für lebenslange Renten von monatlich bis zu 2 000 DM. 1971 konnten die Opfer zwischen einer Rente oder einem Entschädigungsbetrag wählen, 1993 schaffen wir mit unserem Antrag die Voraussetzungen zur Wahlmöglichkeit zwischen Rente und einmaliger Kapitalentschädigung. Mit den Mitteln des Koalitionsantrags kann man höchstens ein Taschengeld bezahlen. 1971 erzeugte eine engagierte Elternschaft und eine aufgebrachte Öffentlichkeit den notwendigen Handlungsdruck, 1993 geht es um mehr als 2 000 Menschen, die aus Angst vor Diskriminierung ihrer eigenen Person oder ihrer Familie nicht den öffentlichen Druck erzeugen können. Diese Situation, diese Ängste dürfen nicht länger ausgenutzt werden. Die Betroffenen und auch wir von der SPD haben sehr wohl bemerkt, daß es endlich Bewegung in der Sache gibt. Wir sehen sehr wohl, daß Sie unseren Rat befolgen. Wir sehen sehr wohl, daß Sie im Ansatz Aufgeschlossenheit zeigen. Wir erkennen an, daß Sie jetzt einsehen: Sie müssen zu Ihrer Verantwortung stehen, Sie müssen den ersten Schritt machen, Sie müssen Durck auf die Pharmaindustrie und deren Versicherungen machen. Vergessen wir nicht: 1971 gab es eine Lösung, die von den Betroffenen akzeptiert wurde, 1993 sind wir von einer solchen Lösung noch meilenweit entfernt, 1993 werden sich die Betroffenen nicht ein zweites Mal mit einem Almosen abspeisen lassen. Für meine Fraktion bringe ich den Geschäftsordnungsantrag ein, unseren Antrag an die zuständigen Ausschüsse zur Beratung zu überweisen. Helfen Sie 15288' Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 mit, daß diese Beratungen ohne Zeitverzögerung möglich sind. Nutzen Sie die Zeit, meine Damen und Herren von der Koalition, um die Rahmenbedingungen so zu gestalten, daß wir nach den Beratungen gemeinsam einen nationalen Hilfsfonds schaffen können. Übersehen Sie nicht, daß mit der ConterganStiftung eine Meßlatte geschaffen wurde! Aber wir haben auch gelernt: Gelernt, daß wir mehr tun müssen, als die Not zu lindern. Gelernt, daß wir alles tun müssen, um die Wiederholung einer solchen Arzneimittel-Katastrophe zu verhindern. Wir wollen hier nicht in der Vergangenheit bohren, obwohl sicher vieles klärungsbedürftig bleibt. Ich habe den Bericht des Gesundheitsministers an den Gesundheitsausschuß vom 30. November 1992 über die Infektionsgefährdung mit HIV durch Blutprodukte nochmals aufmerksam durchgesehen. Bei dem Versuch der Rechtfertigung der Gesundheitsbehörden zeichnet er das Bild eines hilfs- und handlungsunfähigen Bundesgesundheitsamtes, eines Amtes, das zwar will, aber nicht kann! Müßten Sie nicht mit uns gemeinsam ziehen, wenn wir sagen: Wir wollen ein starkes Bundesgesundheitsamt, wir wollen ein handlungsfähiges Bundesgesundheitsamt, wir wollen die Auflagenbefugnisse des Arzneimittelinstitutes und des Paul-Ehrlich-Institutes erweitern, damit das Amt bereits bei Anfangsverdacht wirksame Maßnahmen ergreifen kann und nicht erst, wenn der Schaden eingetreten ist. Wir wollen deshalb den Schutz des Patienten im Arzneimittelgesetz stärken. Wir wollen im Schadensfall eine Beweislastumkehr zum besseren Schutz der Patienten. Wir wollen eine Schmerzensgeldregelung im AMG. Wir wollen bei Blut- und Plasmaprodukten eine Chargenprüfung und Chargendokumentation einführen. Mit Ihrem Entwurf einer AMG-Novelle bleiben Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, jedoch im Ansatz stecken, anstatt konsequent die Lehren aus der Katastrophe zu ziehen. Aber eine Novelle des AMG, die auf halbem Weg stehen bleibt, wird es mit uns nicht geben, weder hier noch im Bundesrat! Unser Antrag fordert drittens den sofortigen Aufbau einer nationalen Eigenversorgung mit Blut und Plasma. Wir wollen weg von 1 Million Liter Plasma-Import pro Jahr. Wir wollen auch weg von Sammelstationen à la Hamburg! Dort unterhält in der Nähe des Hauptbahnhofs — also im Drogenmilieu — ein bekannter Plasmahersteller sein Plasmapheresezentrum. In unmittelbarer Nähe von Bahnhöfen anderer deutscher Großstädte macht es die Konkurrenz genauso! Aus dem Hamburger Plasmapheresezentrum wurde jetzt bekannt, daß ein Drogenabhängiger über Jahre hinweg Dauerspender war. Wir dachten, daß uns das Beispiel USA erspart bliebe. Wir dachten nicht, daß solche Einrichtungen bei uns geschaffen würden. Wir dachten nicht, daß eine solche Spender-klientel bei uns gepflegt wird. Wir dachten nicht, daß das BGA hier tatenlos zusieht. Der Hamburger Fall signalisiert drigenden Handlungsbedarf. Er signalisiert, daß wir mit dem Aufbau einer Eigenversorgung nicht mehr warten dürfen. Wir sehen ja, daß die Regierung in diese Richtung plant. Doch bei dem Tempo, das sie dabei vorlegt, sind wir auch im Jahre 2000 noch nicht am Ziel. Weiter lehrt das Hamburger Beispiel, welche Risiken wir uns einkaufen. Deshalb sagen wir: Kein Geschäft mit dem Blut! Ich höre schon wieder die alte Klage: Mit ehrenamtlichen Spendern, mit unentgeltlichen Spenden können wir aber unseren Eigenbedarf nicht decken! Sollten wir denn wirklich in Deutschland eine geringere Spendenbereitschaft haben als in Schweden, Finnland oder Belgien? Nein! Aber es gibt Gründe dafür, warum die Spender bei uns wegbleiben: weil wir versäumt haben, die Spendenbereitschaft gesellschaftlich zu organisieren; weil wir versäumt haben, für eine gesellschaftliche Anerkennung und Wertstellung der Spender zu sorgen; weil wir versäumt haben, das Schicksal der Menschen zu vermitteln, die auf Blut- und PlasmaSpenden angewiesen sind; weil wir versäumt haben, die Risiken unserer Importabhängigkeit öffentlich bewußt zu machen; weil es eine Schande ist, wenn wir uns weiterhin unsere Versorgung auf Kosten Dritter „erkaufen"; weil wir den Spendern nicht die Garantie geben können, daß mit ihrer Spende kein Geschäft gemacht wird. Im Klartext: Wir brauchen Organisationen, die nicht für Profit, sondern für Solidarität und Eigenverantwortung stehen. Wir brauchen Organisationen mit gläsernen Taschen. Ohne gläserne Taschen schaffen wir keine Akzeptanz, keine Bereitschaft zur Spende. Ich denke, die Ziele unseres Antrages sind klar: Teil 1: Helfen, Teil 2: Lernen und Teil 3: Handeln! Dr. Hans-Peter Voigt (Northeim) (CDU/CSU): Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion spricht sich mit Nachdruck dafür aus, daß sich die Bundesregierung an der Bildung eines Fonds zur Unterstützung der durch mit HIV kontaminierten Blutprodukten infizierten Bluter beteiligt. An diesem Fonds müssen sich neben der Versicherungswirtschaft auch die pharmazeutischen Firmen und die Organisationen beteiligen, die für den Vertrieb von Blut bzw. für die Herstellung von Blutprodukten die Verantwortung tragen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist bereit, über eine Änderung des Arzneimittelgesetzes mit der Opposition zu verhandeln, wenn dadurch die Arzneimittelsicherheit in dem Sinne verbessert werden kann, wie es in dem Antrag der SPD formuliert worden ist. Uns allen ist bewußt, daß die bisherigen Entschädigungsleistungen für die mit HIV infizierten Bluter nicht ausreichend sind und einer deutlichen Verbesserung bedürfen. Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Die Lage der mit HIV-kontaminierten Blutprodukten behandelten Patienten ist in der Tat äußerst schwierig. Deshalb haben wir bereits vorletzte Woche in der Haushaltsrede klargemacht, wie wichtig es ist, daß die Politik hier ihre Handlungsfähigkeit beweist. Den Menschen muß möglichst unbürokratisch geholfen werden, und dies möglichst schnell. Dem Vorwurf, man warte so lange ab, bis sich die Sache von selbst erledigt, muß entschieden entgegengetreten werden. Die Bestrebungen, mit der Pharmaindustrie und den Versicherungen zu einer Einigung in dieser Angelegenheit zu kommen, werden beschleunigt vorangetrieben. Es ist überhaupt keine Frage, daß die F.D.P.-Fraktion die Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 15289' Bereitstellung des entsprechenden Anteils aus dem Bundeshaushalt ausdrücklich begrüßt. Ich denke auch, wir müssen allen Beteiligten klarmachen, daß die Bundesregierung einen solchen Fonds für unbedingt notwendig hält. Der Pharmaindustrie und den Versicherungen muß deutlich gemacht werden, daß wir auf ihre Mithilfe ohne jedes Schuldeingeständnis zählen, weil diese Menschen die solidarische Hilfe brauchen. Was die Vorschläge zur Änderung des Arzneimittelgesetzes anbelangt, so wird man die im Antrag gemachten Vorschläge nochmals gründlich überprüfen müssen. Es stellt sich z. B. die Frage, inwiefern man Arzneimittelhersteller auch dann zur Verantwortung ziehen kann, wenn sie von einer Gefahrenquelle für die Patienten noch gar nichts ahnen können. Heute sind wir natürlich alle schlauer. Jeder weiß, welche tödliche Gefahr das HIV-Virus darstellt. Lange Zeit war das jedoch nicht bekannt. Bei allen Bestrebungen, Haftungsregelungen zu verschärfen, muß das immer mitbeachtet werden. Auch den Vorschlag, die Auflagenbefugnisse der Gesundheitsbehörde zu erweitern, werden wir eingehend insbesondere dahin gehend diskutieren, ob hierdurch das was geschehen ist, hätte vermieden werden können. Vor dem Hintergrund dessen, was passiert ist, und der weiter bestehenden Gefahr, daß durch Blut oder durch Blutplasma HIV-Viren übertragen werden, ist eine Prüfung, ob die nationale Eigenversorgung mit Blut und Blutplasma möglich ist, zu begrüßen. Das Bundesministerium für Gesundheit hat in einem Bericht an den Gesundheitsausschuß des Deutschen Bundestages aufgezeigt, daß die Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu Schweden, den Niederlanden und Großbritannien eine wesentlich höhere Importabhängigkeit bei Blutplasma aufweist. Dem muß nachgegangen werden. Bevor konkrete Maßnahmen ergriffen werden können, muß allerdings klar sein, daß es tatsächlich gelingt, die Selbstversorgung mit Blut und Blutplasma für die bundesdeutsche Bevölkerung sicherzustellen. Andernfalls müssen wir nach alternativen Möglichkeiten suchen, das Infektionsrisiko auch bei Importen auszuschalten oder zumindest drastisch zu reduzieren. Es hilft einem Schwerverletzten nicht, wenn die in Selbstversorgung gewonnenen Blutkonserven für ihn nicht mehr ausreichen oder die Faktor-VIII-Produktion — solange es noch nicht gelingt, die gesamte benötigte Menge gentechnisch herzustellen — zurückgefahren werden muß. Wir können sicherlich nicht alle Risiken ausschließen und beherrschen. Was wir jedoch tun müssen, ist, alles Menschenmögliche zu unternehmen, damit dieses Risiko minimiert wird. Wir werden uns eingehend in den Ausschußsitzungen mit dieser Frage zu beschäftigen haben. Dr. Barbara Hall (PDS/Linke Liste): Es ist jetzt über ein Jahrzehnt her, daß die bisher größte Arzneimittelkatastrophe dieses Landes ihren Anfang nahm. Durch Blutgerinnungspräparate — hergestellt überwiegend aus Blutplasma US-amerikanischer Herkunft — sind in den alten Bundesländern in der ersten Hälfte der 80er Jahre etwa 2 000 an der Bluterkrankheit leidende Patienten mit dem AIDS erregenden Virus infiziert worden. Damit sind 80 % der auf eine ständige Behandlung angewiesenen Bluter betroffen. Ein Teil ihrer Ehe- und Sexualpartner ist ebenfalls infiziert, und etwa 400 Bluter sind bereits an AIDS verstorben. Betroffen sind aber nicht nur Bluter, die die Medikamente regelmäßig erhalten müssen, sondern auch Menschen, die einmalig im Zusammenhang mit Operationen, Geburten oder anderen medizinischen Eingriffen Gerinnungspräparate verordnet bekommen haben. Bei ihnen wird die Infektion mehr oder weniger zufällig entdeckt. Wieviele Menschen dieses Schicksal erlitten haben und noch erkranken werden, ist nicht genau bekannt. Insgesamt handelt es sich um ein an menschlicher Tragik und persönlichem Leid kaum zu überbietendes Geschehen, das seit Mitte der 80er Jahre den Betroffenen in seinem ganzen Ausmaß zunehmend bekannt und bewußt wurde. Wer angesichts dieser Situation gedacht hatte, nach gründlichen Analysen werden rasch notwendige Schlußfolgerungen gezogen und erforderliche Maßnahmen durchgeführt, sieht sich arg enttäuscht. Obwohl offensichtlich wurde, daß sowohl auf Seiten der Hersteller wie auch der zuständigen staatlichen Aufsichtsbehörden schwerwiegende Versäumnisse und Fehlbeurteilungen vorliegen, die nicht zuletzt auch auf eine unzureichende Gesetzeslage zurückzuführen sind, ist nichts Substantielles geschehen. Bis heute sind als richtig und notwendig erkannte staatliche Sicherheitsmaßnahmen auf der Grundlage des geltenden Rechts nicht durchsetzbar. Ich erwähne hier nur die fehlende staatliche Chargenprüfung, die nicht ausreichende Chargendokumentation oder die fehlende Auflagenbefugnis der Behörden hinsichtlich des jeweils sichersten Virusinaktivierungsverfahrens. Es ist gewissermaßen ein Skandal noch innerhalb dieses Skandals: Bis heute sind in diesem Lande keine Garantien dafür geschaffen worden, daß sich nach menschlichem Ermessen eine ähnliche Katastrophe nicht wiederholen kann. Aber es kommt fast noch schlimmer: Bald wurde klar, daß bei einer Arzneimittelkatastrophe dieser Größenordnung und dieser Verursachungsform der bestehende gesetzliche Rahmen auch für die notwendigen Entschädigungsleistungen und Unterstützungen bei weitem nicht ausreichend ist. Das bisherige Ergebnis dieses Zustandes — so unglaublich das auch klingen mag — lautet: Bis heute haben die Betroffenen, ihre Angehörigen und Hinterbliebenen keine auch nur annähernd adäquaten Entschädigungen bekommen, es sei denn, man will die Almosen, die ihnen die Versicherungen der PharmaIndustrie gezahlt haben, als solche werten. Auch die Bundesregierung blieb jahrelang untätig, obwohl es zumindest über eine bestehende große moralische und soziale Verpflichtung des Staates gegenüber den Opfern keinerlei Zweifel geben kann. Daß Minister Seehofer in dieser Frage jetzt begonnen hat zu handeln, verdient Respekt und volle Unterstüt- 15290' Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 zung. Es bleibt allerdings die Frage, warum es erst der in den Jahren 1992/93 amtierende Gesundheitsminister ist, der etwas tut, so wie es überhaupt empörend und unverständlich bleibt, daß eine Regierung vor dem Hintergrund eines solchen tragischen Geschehens, wie es hier zur Debatte steht, erst auf hartnäkkiges Drängen der Opposition handelt. Der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion findet unsere Zustimmung und Unterstützung. Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit: Genau vor 14 Tagen — bei den Beratungen zum Etat des Bundesgesundheitsministeriums — habe ich zu einer humanitären Hilfsaktion für all jene aufgerufen, die durch Blutprodukte HIV-infiziert worden sind. Und ich sage heute noch einmal: Wir müssen jenseits aller Paragraphen unserer sozialen Verantwortung gerecht werden und diesen Menschen, die großes Leid zu tragen haben, jede mögliche Hilfe zukommen lassen. Das Schicksal der durch Blutprodukte HIVInfizierten kann und darf uns nicht unberührt lassen. Und insofern, meine Damen und Herren von der SPD, sind wir uns einig: Das oberste Gebot der Stunde ist die Hilfe für die Betroffenen. Sie alle wissen, daß Abgeordnete aller Fraktionen die Forderungen der Hämophilieverbände unterstützt haben. Sie kennen alle auch unsere monatelangen intensiven Bemühungen, durch Gespräche mit der Pharmaindustrie und der Versicherungswirtschaft zu konkreten Ergebnissen zu kommen. Dies war bisher leider ohne Erfolg. Jeder zeigte mit dem Finger auf den anderen, keiner war bereit, den ersten Schritt zu tun. Meine Damen und Herren, mit diesen endlosen Diskussionen muß jetzt endlich Schluß sein. Und deshalb unterstütze ich nachdrücklich einen Antrag der Koalitionsfraktionen auf Einstellung von 2 Millionen DM im Etat 1994 als Starthilfe für einen Hilfsfonds. Das soll ein Anfang sein. Ich erwarte, daß Beiträge der Industrie, der Versicherungswirtschaft, des Roten Kreuzes und auch der Bundesländer hinzukommen. Unser Konzept sieht folgendermaßen aus: Die Firmen der Pharmaindustrie und der Versicherungswirtschaft, die Blutspendedienste des Deutschen Roten Kreuzes aber auch Bund und Länder beteiligen sich mit Beiträgen an einem Hilfsfonds, der zivilrechtlich organisiert ist. Aus diesen Beiträgen werden monatliche Renten an aidserkrankte Betroffene gezahlt. Jährliche Mittel in Höhe von 10 Millionen DM sind mindestens erforderlich, um die aus humanitären Gründen notwendige angemessene Hilfe zu leisten. Wir haben in unseren Gesprächen und Verhandlungen, die wir mit der Pharmaindustrie und anderen Beteiligten seit Monaten geführt haben, auch sondiert, ob eine große Lösung, wie sie den Erwartungen der Betroffenen entspricht, zu realisieren ist. Leider war das nicht der Fall. Es hat sich herausgestellt, daß nicht alle Forderungen erfüllt werden können. Ich sehe aber durchaus Chancen, daß wir jetzt mit unserem Lösungsansatz erfolgreich sind. Dazu brauchen wir aber bald konkrete Zusagen. Die Bereitschaft, die zwei Firmen signalisiert haben, reicht noch nicht aus. Daß die Zeit drängt, wissen wir. Wir haben es auch in unseren Verhandlungen von Anfang an deutlich gemacht. Es darf keine Zeitverzögerungen geben. Deshalb setzen wir uns für eine privatrechtliche Lösung ein, die schnelle und unbürokratische Hilfe ermöglicht. Eine öffentlich-rechtliche Lösung dagegen würde eine weitere erhebliche Zeitverzögerung bedeuten. Schon allein deshalb halte ich dies für den falschen Weg. Und ich möchte hier noch einmal ganz klar sagen: Ein Beitrag des Bundes an dem Hilfsfonds ist — ebenso wie es die Beiträge der anderen sind — keine irgendwie rechtlich begründete Entschädigung. Es hat keine Versäumnisse seitens der staatlichen Zulassungsbehörde gegeben. Es wurde nach jeweils neuestem Kenntnisstand unverzüglich gehandelt. In meinem Bericht an den Ausschuß für Gesundheit zur HIV-Infektionsgefährdung durch Blutprodukte sind ausführlich die von Jahr zu Jahr, zum Teil auch von Monat zu Monat zunehmenden Erkenntnisse über die Krankheit AIDS und die jeweils auf ihrer Grundlage getroffenen Sicherheitsmaßnahmen dargestellt worden. Daraus wird deutlich, daß das Bundesgesundheitsamt durchgängig dem jeweiligen Stand des Wissens entsprechend gehandelt hat. Lassen Sie mich dazu einige Punkte aus der vollständig im Bericht wiedergegebenen Chronologie der Ergebnisse herausgreif en: — Bereits 1982, nach Bekanntwerden der ersten Informationen, unterrichtete das Bundesgesundheitsamt darüber im Bundesgesundheitsblatt unter der Fragestellung „Unbekannter Krankheitserreger als Ursache von tödlich verlaufenden Immundefekten?". — Im September 1983 wurde vom Bundesgesundheitsamt ein Stufenplanverfahren zu Faktor VIII eingeleitet. Eine öffentliche Sondersitzung unter Vorsitz des BGA-Präsidenten mit breiter fachlicher Diskussion fand am 14. November 1983 statt. — 1984 wurden die Aussagen zu Indikationen und Nebenwirkungen in der Packungsbeilage durch Bescheid des BGA geändert. Ich nenne nur die Stichworte strenge Indikationsstellung und der Hinweis bei den Nebenwirkungen, daß in seltenen Fällen Infektionskrankheiten durch die Übertragung von Erregern bisher unbekannter Natur ausgelöst werden können. Konkret wurden genannt „z. B. Erreger der Hepatitis-Non-A/-Non-B und des ,erworbenen Immundefektsyndroms' (AIDS)". Pharmazeutische Unternehmer wurden zudem verpflichtet, angewandte Inaktivierungsverfahren zu deklarieren. — 1985 wurde der neue Antikörpertest, sobald er zur Verfügung stand, verbindlich vorgeschrieben. Das zeigt, ich wiederhole es noch einmal: Es wurde jeweils nach neuestem Kenntnisstand gehandelt. Und ich halte es für moralisch äußerst fragwürdig, pauschal anderes zu behaupten, dann aber keine Fakten auf den Tisch zu legen: Wer behauptet, es habe Versäumnisse gegeben, es seien Dinge verschwiegen worden, der soll dies konkret belegen. Ich habe dazu schon Anfang des Jahres aufgerufen. Bis heute ist dies Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 15291' nicht geschehen. Außer pauschalen Behauptungen nur heiße Luft! Das, meine Damen und Herren, halte ich für unverantwortlich. Natürlich wissen wir heute viel mehr. Aber — und daran führt kein Weg vorbei —Anfang der 80er Jahre hatten wir die heutigen Kenntnisse nicht. Damals waren die Ursachen der AIDS-Erkrankung wissenschaftlich strittig und weder HIV als Erreger von AIDS entdeckt noch eine Möglichkeit gegeben, um den Nachweis von HIV in Blut und Blutprodukten zu führen. Und wer heute etwas anderes behauptet, der handelt tatsächlich gegen besseres Wissen. Meine Damen und Herren, in meinem Bericht an den Gesundheitsausschuß sind nicht nur die Fakten ausführlich dargestellt, darüber hinaus habe ich weitere Maßnahmen zu einer weiteren Reduzierung des Restrisikos sich über Blutprodukte zu infizieren, angekündigt. Dazu gehört als zentrales Ziel, bei der Versorgung mit Blut und Blutprodukten eine Selbstversorgung zu erreichen. Das in diesem Bericht angekündigte Gutachten zu diesem Thema, ein Vergleich dreier europäischer Länder, liegt nun vor mit dem Ergebnis, daß die Selbstversorgung im Bereich Vollblut bei uns — abgesehen von Engpässen in der Ferienzeit — erreicht ist. Anders sieht es dagegen bei Blutplasma aus: Im Vergleich zu Schweden, Niederlande und Großbritannien haben wir hier eine wesentlich höhere Importabhängigkeit. Aufgrund dieses Ergebnisses verhandeln wir nun mit dem Deutschen Roten Kreuz, den staatlichen und kommunalen Blutspendediensten, der Pharmazeutischen Industrie und Ländervertretern über ein konkretes Programm zur Selbstversorgung mit Blutplasma mit einem festen Zeitplan. Dabei stehen folgende Maßnahmen im Vordergrund: — der Ausbau der Plasmapherese, das heißt der Abtrennung des Plasmas und Rückführung des Restblutes bei der Spende, — eine möglichst weitgehende Auftrennung der Blutbestandteile, unter Nutzung von Verfahren mit einer hohen Ausbeute; — die verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten zur optimalen Nutzung aller Blutbestandteile. Wir haben inzwischen Vertreter des Blutspenderwesens, der Ärzteschaft, der Industrie und die Länderexperten an einen Tisch gebracht. Es ist wichtig, daß sich alle Beteiligten über die neusten Entwicklungen informieren und Ergebnisse austauschen. Das Bundesgesundheitsamt hat inzwischen in einem neuen Stufenplanverfahren festgelegt, daß Blut- und Plasmaspenden für 6 Monate in Quarantäne genommen werden, wenn sie für Produkte bestimmt sind, die nicht mit Inaktivierungsverfahren behandelt werden können. Die Betroffenen sind hierzu um Stellungnahme gebeten worden. Meine Damen und Herren, soweit zu den kurzfristigen Maßnahmen. Mittelfristig wird die Importabhängigkeit im Blutplasmabereich durch die Verwendung von gentechnisch hergestellten GerinnungsfaktorVIII-Produkten deutlich abnehmen. Ein erstes Präparat ist in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen. Bei diesen gentechnisch hergestellten Präparaten ist die Gefahr einer Übertragung von HIV-Viren ausgeschlossen. Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 15 (Antrag: Hilfen zur Stillegung der RBMK-Reaktoren in Rußland, der Ukraine und Litauen) Dr. Klaus Kübler (SPD): Heute liegt Ihnen ein SPD-Antrag vor, bei dem ich hoffe, daß er von allen Fraktionen mitgetragen werden kann. Spätestens seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 weiß die Weltöffentlichkeit, wie gefährlich die veralteten, mit schwerwiegenden Sicherheitsmängeln behafteten und störanfälligen Reaktoren des TschernobylTyps, die sogenannten RBMK-Reaktoren, sind. Mit dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme haben sich die nuklearen Gefahren für die Bevölkerung und Natur nicht nur der osteuropäischen Länder, sondern ganz Europas nicht verringert, sondern noch dramatisch erhöht: Ständig erreichen uns Meldungen über neue Störfälle und neuerdings auch über katastrophale finanzielle Schwierigkeiten. Zuletzt erklärte der Vizepräsident des russischen Energiekonzerns Energoatom, es fehle den Kernkraftwerken ganz allgemein an Geld, ihr Personal zu bezahlen, die notwendigen Wartungsarbeiten durchzuführen und die erforderlichen Ersatzteile zu beschaffen. Hinzu kommt, daß die politische Situation in Rußland und der Ukraine sich auf eine Null-Situation zubewegt. Es ist ein Skandal, daß bei dieser katastrophalen Gesamtsituation die RBMK-Reaktoren am Netz bleiben. Das Katastrophenszenario könnte sich kein Horrorschriftsteller besser ausdenken! Es ist schon eine gespenstische, kafkaeske Situation, daß diese unberechenbaren atomaren Zeitbomben der RBMK-Reaktoren, 15 an der Zahl, weiter ticken: in Rußland, der Ukraine und in Litauen. Die in allen diesen Staaten nach wie vor als einzige mächtig gebliebene und weiterhin sehr aktive Atomlobby konnte bisher alle Stillegungsbemühungen erfolgreich vereiteln. So legte das ukrainische Parlament in der nationalen und demokratischen Euphorie nach dem Augustputsch 1991 den Unglücksreaktor von Tschernobyl vorläufig still und beschloß seine endgültige Abschaltung bis Herbst 1993. Die ukrainische Regierung schloß sich dem an. Doch die Euphorie der Unabhängigkeitsphase verflog rasch, die alte Garde erholte sich von ihrem Schrecken und behauptete die Kommandohöhen, gerade in der Energiewirtschaft. Bereits Ende 1992 wurden zwei Blöcke von Tschernobyl wieder ans Netz gehängt, jetzt haben wir bereits den Herbst 1993, und vom Abschalten ist keine Rede mehr. Ganz offensichtlich setzen Staat und Energiewirtschaft wieder voll auf Kernenergie aus RBKMReaktoren, Tschernobyl inclusive. 15292' Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 Dabei ist der Weiterbertrieb der RBMK-Kernkraftwerke nach Auffassung der großen Mehrheit der internationalen Atomexperten weder unter wirtschaftlichen, technischen, ökologischen noch politischen Gesichtspunkten zu verantworten: Energiewirtschaftlich dürfte der gefährliche Atomstrom aus den RBMK-Reaktoren in Rußland und der Ukraine nicht mehr gebraucht werden. Durch den katastrophalen wirtschaftlichen Einbruch während und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erzeugen die betroffenen Länder Überkapazitäten. Jede Art von Investitionen in die RBMK-Reaktoren sind deshalb Fehlinvestitionen. Technisch sind sich die Experten einig, daß eine „Nachrüstung" der RBMK-Reaktoren ebenso teuer wie schwer kontrollierbar ist und keine ernst zu nehmenden Erfolgsaussichten besitzt. In ökologischer wie in ökonomischer Hinsicht blokkiert das Festhalten an den alten, ineffizienten Großtechnologien in der Energiewirtschaft die Hinwendung zu einer effizienteren, moderneren und umweltverträglicheren Energieerzeugung. Alle für Nachrüstung in den RBMK-Reaktoren eingesetzten Mittel würden beispielsweise viel sinnvoller zur Instandsetzung der Gas- und Ölleitungssysteme verwandt. Hier geht den GUS-Ländern mehr Energie verloren, als alle Kernreaktoren jemals produzieren könnten! Insgesamt werden die Energieeinsparpotentiale in Rußland, der Ukraine und Litauen auf 40 Prozent geschätzt, wesentlich mehr als die 15 Prozent Energieerzeugung aus Kernkraftwerken. Politisch stützt sich die Verlängerung des RBMKBetriebs auf die weiterhin mächtige Atommafia und damit die alte Nomenklatura, die inzwischen in scheinbar marktwirtschaftlichem Gewande ihre alten Geschäfte weiterführt. So trägt die Unterstützung der RBMK-Reaktoren mit bei zur Schwächung der demokratischen und zur Stärkung der alten undemokratischen Kräfte in den instabilen Staaten der GUS. So sprechen alle Argumente dafür, die „tickenden atomaren Zeitbomben" der RBMK-Reaktoren so schnell wie möglich abzuschalten und zugleich den betroffenen Ländern Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, bei der Steigerung der Effizienz, beim Energieeinsparen und beim Auf- und Ausbau regnerativer Energien, anstatt ebenso teure wie schwer kontrollierbare „Nachrüstungsprogramme" für RBMK-Reaktoren aufzulegen, die man nicht substantiell „sicherer" machen kann. Der Bundesrepublik als politisch und wirtschaftlich bedeutendstem Nachbarn Osteuropas und darüber hinaus als größtem Geberland fällt hierbei eine besondere Verantwortung zu: Die Bundesregierung hat die Verbindungen und Möglichkeiten, um gemeinsam mit den westlichen Partnern auf die Regierungen Rußlands, der Ukraine und Litauens einzuwirken. Wir gehen dabei davon aus, daß die Sicherheit der Energieversorgung auch für die Bundesregierung höchste Priorität hat. Es muß Einigkeit darüber herrschen, daß alles getan werden muß, um ein zweites Tschernobyl zu verhindern! Mir ist aber keine neue Initiative der Bundesregierung zur Abschaltung von Tschernobyl bekannt. Ich fordere den Bundesumweltminister auf, alles in seinen Möglichkeiten stehende zu tun, gegebenenfalls auch den Bundeskanzler einzuschalten, daß Tschernobyl abgeschaltet wird. Die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag fordert deshalb in ihrem Antrag die Bundesregierung auf: erstens, sich insbesondere in Verhandlungen mit den Staaten, in denen RBMK-Reaktoren betrieben werden, für eine unverzügliche Stillegung dieser RBMK-Reaktoren einzusetzen, zweitens keine Nachrüstungshilfen für die RBMKReaktoren zu geben, sondern beim Aufbau einer modernen und sicheren Energieversorgung mitzuwirken. Klaus Harries (CDU/CSU): Vor fünf Monaten war eine Delegation von Kollegen dieses Hauses, die in der Enquete-Kommission Klimaschutz mitarbeiten, u. a. in Moskau und im Erdgas- und Ölfördergebiet am Ob in Sibirien. Die Ergebnisse dieser Reise waren beeindruckend, aber negativ. So haben die sehr offenen Gesprächspartner in Moskau ein Sofortabschalten der RBMK-Kraftwerke in Rußland, der Ukraine und Litauen aus volkswirtschaftlichen Gründen abgelehnt. Im sibirischen Erdgas und Erdölfördergebiet waren die dortigen Umweltprobleme erschrekkend zu erleben, insbesondere aber auch, wie mit den Ressourcen Erdgas und Erdöl verschwenderisch umgegangen wird. Hier werden wertvolle und auch devisenbringende Rohstoffe für die Energieherstellung unverantwortlich, aber auch mangels Kapital in den Boden oder in die Atmosphäre fahrlässig eingeleitet. Wir haben damals einstimmig in der EnqueteKommission beschlossen, die Bundesregierung zu bitten, den G-7-Gipfel zu nutzen, um hier eine internationale Aktion einzuleiten. Der Bundeskanzler hat dem Vorsitzenden der Enquete-Kommission darauf jetzt mitgeteilt, daß die Anregung aufgegriffen und Gespräche nicht nur auf staatlicher Ebene, sondern insbesondere mit deutschen Industrie- und Wirtschaftsbetrieben geführt worden seien. Er müsse aber darauf hinweisen, daß immer noch wenig attraktive und unzuverlässige Investitionsbedingungen bestünden. Die Russen bauen also auch hier Hindernisse auf, die deutsche Hilfe erschweren, wenn nicht sogar verhindern. Die Katastrophe von Tschernobyl wirkt nach. Sie ist in keiner Weise zu verniedlichen und zu verharmlosen. Die Bundesrepublik Deutschland ist seinerzeit verstärkt in Teilgebieten radioaktiv belastet worden. Auf die unglaublichen Zerstörungen, Verletzungen und Todesfälle in der Ukraine will ich hier nur kurz hinweisen. Von der fortdauernden Gefährlichkeit der in Rußland, der Ukraine und in Litauen Strom herstellenden 15 RBMK-Reaktoren wissen wir. Der Bundesumweltminister war nach der Katastrophe von Tschernobyl im übrigen einer der ersten, der im Interesse unseres Landes, aber auch im Interesse der dortigen Gebiete die Kooperation mit Verantwortlichen suchte und Verträge abschließen konnte. Wir leisten seitdem finanzielle Hilfe: Deutschland einmal für Ausbildungszwecke und für Hilfen zur Unterstüt- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 15293' zung der Aufsichtsbehörden. Darüber hinaus gibt es eine Kooperation mit der EG. Wissen muß man nur, und man kann es auch der Opposition nicht oft genug sagen, daß wir weder innerhalb der EG noch in Rußland bei den dort Verantwortlichen irgend etwas befehlen können. Es mag nicht jeder glauben, aber es ist so: Rußland und die Ukraine sind souverän. Sie entscheiden allein, was in ihren Gebieten zu investieren und zu tun ist. Dort ist man für die Energieversorgung und für das Schicksal der 15 RBMK-Reaktoren verantwortlich. Die Russen und Ukrainer weisen insbesondere darauf hin, daß die RBMK-Reaktoren die umliegenden Industrie- und Wohngebiete ganz überwiegend mit Strom zu versorgen haben. Eine Sofortabschaltung führt zu wirtschaftlichen und sozialen Katastrophen. Ich füge hinzu: Das Chaos in Rußland würde vergrößert. Die Opposition ist, das zeigt der hier vorliegende heutige Antrag, von utopischen Vorstellungen beherrscht. Trotz der Souveränität der Nachfolgestaaten resignieren wir dabei überhaupt nicht. Die Bundesregierung ist in andauernden Verhandlungen mit den Nachfolgestaaten und mit der EG. Da eine sofortige Abschaltung nach der Entscheidung der Nachfolgestaaten nicht gewollt ist, wird in vertretbarer Weise nachgerüstet. Dabei wird nicht nachgelassen, darauf hinzuweisen, daß RBMK-Modelle älterer Bauart kurzfristig abzuschalten sind. Es gibt darüber hinaus Kooperation über neue Energiekonzepte. Diese Arbeiten und diese Kooperation deckt sich mit dem, was ich eingangs gesagt habe und was die Enquete-Kommission „Klimaschutz" angeregt hat. Diese Überlegungen dienen dazu, mittel- bis langfristig neue Energiekonzepte für die GUS-Staaten zu finden. Es hilft uns nicht, wenn wir Illusionen nachlaufen. Wir müssen pragmatisch und realistisch handeln. Das bedeutet auch — und das geschieht —, daß wir auf Gefahren mit Nachdruck hinweisen. Wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe. Wir sind hier im Rahmen des Möglichen auf dem richtigen Weg. Gerhart Rudolf Baum (F.D.P.): Die SPD-Fraktion bringt nichts Neues, keine neuen verwendbaren Anregungen, keine Forderungen, denen die Bundesregierung nicht seit Jahren schon nachgekommen wäre. Die SPD geht außerdem von Vorstellungen aus, die sich ohne Zustimmung der souveränen Staaten Osteuropas nicht verwirklichen lassen. Die SPD setzt sich über die dortigen wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten hinweg, die leider nicht über Nacht überwunden werden können. Wir haben in diesem Hause wiederholt nachdrücklich festgestellt, daß die Reaktoren in Rußland, insbesondere die RBMK-Reaktoren, eine große Gefahr sind — ich meine, die größte Umweltgefahr, die wir zur Zeit haben. Auf Betreiben der Bundesregierung war das Thema auf der Tagesordnung des Weltwirtschaftsgipfels 1992. Ein solidarisches internationales Vorgehen wurde in Angriff genommen von den G-7- und den G-24-Staaten. Das ist nicht Ausdruck der Zustimmung zum Weiterbetrieb, sondern das Bemühen um mehr Sicherheit, wenn schon nicht abgeschaltet wird. Die Bundesregierung beteiligt sich an diesen international koordinierten Hilfsprogrammen. Es handelt sich zunächst um ein Kurzfristprogramm. Dieses enthält die Verbesserung der betrieblichen Sicherheit aller Anlagen, die technischen Verbesserungen und die Verbesserung der Kontrollmechanismen. Es gibt dann ein mittel- und langfristiges Programm, das u. a. die Nachrüstung der Kernkraftwerke jüngerer Generation enthält, auf die aus der jeweiligen volkswirtschaftlichen Sicht von den osteuropäischen Staaten nicht verzichtet wird, ob wir das nun wollen oder nicht. Wir unterstützen also die Politik, in Osteuropa RBMK-Reaktoren auf Dauer zu betreiben, nicht. Wir versuchen mit der gegebenen Situation fertigzuwerden. Alle — insbesondere aber die älteren 5 RBMKReaktoren — sollten frühestmöglich abgeschaltet werden. Herr Töpfer hat unsere volle Zustimmung, wenn er auf eine endgültige Außerbetriebnahme der Blöcke I und III von Tschernobyl drängt. Dort tickt eine Zeitbombe. Das sollte auch bei der Beratung des Bundeshaushalts bedacht werden. Die Bundesregierung hat bei diesem Thema von Anfang an international eine Meinungsführerschaft übernommen und darf jetzt bei ihrem finanziellen Engagement im Haushalt '94 nicht im Stich gelassen werden. Wir müssen auch die Kooperation allgemein auf dem Felde der Energiepolitik mit Osteuropa verstärken. Das heißt Modernisierung von Kohlekraftwerken, Förderung von Wasserkraft und alternativer Energie. Die internationalen Fonds dazu sollten auch von der deutschen Wirtschaft genutzt werden können. Dr. Bertram Wieczorek, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Die Bundesregierung lehnt den Antrag des Abgeordneten Dr. Klaus Kübler und anderer, sowie der Fraktion der SPD „Hilfen zur Stillegung der RBMK-Reaktoren in Rußland, der Ukraine und Litauen" ab. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß weder die zur Abstimmung vorgelegten Feststellungen noch die Aufforderungen neue realistische Maßnahmen zeigen, die die Bundesregierung nicht in internationalem Schulterschluß in Angriff genommen hätte oder die ihr nicht bekannt wären. Im Gegenteil besteht der Verdacht, daß durch den Antrag der Anschein geweckt werden solle, die Bundesregierung würde Rußland, die Ukraine und Litauen unterstützen, ihre RBMKReaktoren auf Dauer zu betreiben. Das muß ich energisch zurückweisen. Vielmehr weise ich auf die Beantwortung der Frage des Abgeordneten Karl-Josef Laumann (CDU/CSU) — nachzulesen in der Drucksache 12/4236 — hin. In dieser Frage wurde von der Bundesregierung gefordert, daß auf Grund der sicherheitstechnischen Bewertung der RBMK-Reaktoren, die jeweils unterschiedliches Sicherheitsniveau aufweisen, „alle — insbesondere aber die älteren 5 — RBMK-Reaktoren deshalb zum frühestmöglichen Zeitpunkt endgültig abgeschaltet werden". Der Bundesumweltminister hat anläßlich seines Besuches in der Ukraine am 9. und 10. Juni 1993 weiterhin auf eine endgültige Außerbetriebnahme der Blöcke 1 und 3 des Kernkraftwerkes Tschernobyl gedrängt und wird 15294* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 dies auch weiterhin tun. Die Bundesregierung hat aber — auch zusammen mit anderen Regierungen — keine Verfügungsgewalt über Abschalttermine. Solidarische internationale Hilfsprogramme auf dem Gebiet der kerntechnischen Sicherheit, an denen sich die Bundesregierung beteiligt, haben u. a. zum Ziel, für die verbleibende Restzeit die Sicherheit aller Kernkraftwerke zu verbessern; Analysen für die Umstrukturierung der Energieversorgung zu erstellen und entsprechende Hilfestellungen zu leisten; wirksame behördliche Kontrollmechanismen aufzubauen, Sachverständige zu schulen und den regulatorischen Bereich zu unterstützen; diejenigen Kraftwerke mit Druckwasserreaktoren jüngerer Generation der Baulinien WWER-440/213 und WWER-1000, nicht der RBMK-Reaktoren (sogenannter Tschernobyl-Typ), nachzurüsten, auf die aus der jeweiligen volkswirtschaftlichen Sicht zunächst verzichtet werden kann. Kurzfristige technische Mindestverbesserungen für die jeweils verbleibende Betriebsrestzeit bei RBMKReaktoren dürfen nicht als Zustimmung zum auf Dauer ausgelegten Weiterbetrieb der RBMK-Reaktoren gewertet werden. Die international auf breiter Basis geleistete Hilfe für alle Reaktoren sowjetischer Bauart wird von der Bundesregierung insbesondere als Selbsthilfe zur dauerhaften Verbesserung der nuklearen Sicherheit und als Ausgangsbasis zur längerfristigen Verbesserung der Energieversorgungsstruktur gesehen. Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 17 (Gesetzentwurf zur Wahl der Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts) Dr. Wolfgang Ullmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zwei eklatante Widersprüche gibt es in unserer Republik zwischen Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit. Der eine ist der zwischen Art. 21 Abs. 1 Grundgesetz und zwischen § 1 Parteiengesetz; der andere die Art und Weise, wie § 6 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes die Bestimmung aus Art. 94 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes auslegt und anwendet. Beide Tatbestände haben insofern etwas miteinander zu tun, als das Parteiengesetz den Parteien, denen das Grundgesetz eine Mitwirkung bei der öffentlichen politischen Meinungsbildung einräumt, die uneingeschränkte Dominanz über dieselbe zubilligt. Und im Bundesverfassungsgerichtsgesetz wirkt sich das dergestalt aus, daß die in der Verfassung vorgeschriebene Direktwahl über ein im Gesetz eingeführtes Wahlmännergremium dem Parteienproporz der zur Zeit der Wahl laufenden Legislaturperiode ausgeliefert und in eine indirekte verwandelt hat. Außerdem haben die bei diesem Verfahren den Parteien zugefallenen Richter- bzw. RichterinnenStellen als eine Art Gewohnheitsrecht beinahe so etwas wie ein Planstellensystem entstehen lassen. Die Parteien erheben den Anspruch, für bestimmte Richter bzw. Richterinnen-Stellen potentielle Nachfolger oder Nachfolgerinnen zu präsentieren. Damit aber wird der vom Grundgesetz beabsichtigte demokratische und föderale Charakter der Richterwahl parteipolitisch überfremdet. Der von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegte Lösungsvorschlag für dieses Problem bleibt so nahe wie möglich an dem traditionellen Rechtszustand und modifiziert ihn nur an den folgenden Punkten durch eine Reihe von Änderungen am Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Sie sehen vor, daß jeder der beiden Senate aus j e 4 Richtern und Richterinnen zu bestehen hat. Sie müssen als persönliche Mindestbedingung über einen anerkannten Hochschulabschluß verfügen oder die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz besitzen. Sie dürfen keinem der in Art. 94 Abs. 1 genannten Gremien angehören, müssen aber mindestens 5 Jahre vor ihrer Wahl aus diesem ausgeschieden sein. Gewählt werden sie nach der im Grundgesetz vorgesehenen direkten Wahl durch Bundestag und Bundesrat. Aber im Unterschied zu dem jetzt üblichen Verfahren sollen Wahlvorschläge durch einen vom Bundestag nach Verhältniswahlrecht zu wählenden Ausschuß von 12 Mitgliedern aufgestellt werden. Vor der Wahl ist mit den Vorgeschlagenen eine öffentliche Anhörung durchzuführen. Die entscheidende Frage an diesen Gesetzentwurf ist natürlich die nach seiner Verfassungskonformität. Ich glaube kaum, daß die Öffnung des Amtes des Bundesverfassungsrichters/-richterin in dieser Hinsicht problematisiert werden kann. Eher entspricht es dem Charakter des demokratischen Verfassungspatriotismus, gerade das Verfassungsrecht nicht zur Domäne einer spezialisierten Zunft einengen zu lassen, sosehr es immer der Bearbeitung auf wissenschaftlichem Niveau bedürfen wird. Auch den Wahlvorbereitungsausschuß und die vorgesehene öffentliche Anhörung als einfachgesetzliche Regelungen wird man kaum anfechten können. Am ehesten dürfte die Quotierung der Senate einem verfassungsrechtlichen Einspruch begegnen. Aber warum soll der Gesetzgeber nicht eine Bestimmung nach Art. 1 Ziffer 1 des Entwurfes treffen dürfen? Ihrem materiellen Inhalt nach kann ich in ihr keinen Widerspruch zu Art. 33 Abs. 1 und 2 Grundgesetz sehen. Die hier anderer Meinung sind, denen möchte ich entgegenhalten: Daß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diesen Antrag einbringen, ist auch eine Folge davon, daß trotz aller Bemühungen der Gemeinsamen Verfassungskommission die von Art. 146 Grundgesetz neuer Fassung und Einigungsvertrag Art. 5 geforderte Gesamtreform unserer Bundesverfassung bis auf weiteres als gescheitert angesehen werden muß. Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Der vorliegende Gesetzentwurf ist schlichtweg aus Verärgerung über die Aufhebung des Gesetzes über die Neugestaltung von Schwangerschaftsabbrüchen durch das Bundesverfassungsgericht erfolgt. Das ist Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 15295' politisch zu kurz gesprungen und kann keinen Erfolg haben. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in über 40 Jahren bewährt und unseren demokratischen Aufbau begleitet und die Verfassung bewahrt. Wenn das Verfassungsgericht zu einer Art oligarchischen Nebenregierung erwuchs, so liegt dies auch an den Politikern, die viel zu häufig versuchen, politische Entscheidungen der Mehrheit durch ein Verfassungsgerichtsurteil zu kippen. Dieser Versuchung sind alle Parteien zu oft und zu schnell erlegen. Dabei hat das Verfassungsgericht es meines Erachtens häufig versäumt, mehr auf das politische Mandat zu verweisen und Anträge zurückzuweisen. Das Grundgesetz soll keine politische Fessel sein, sondern einen verfassungsrechtlichen Rahmen geben, innerhalb dessen die Regierung und das Parlament einen weiten Ermessensspielraum haben sollten. So erlag das Verfassungsgericht seinerseits der Versuchung, in Gesetzgebungsverfahren einzugreifen, um verfassungsrechtlich Wünschenswertes durchzusetzen, obwohl weder ein Ermessensfehlgebrauch noch ein Verfassungsverstoß vorlag bzw. ein Gesetz nur hart die Grenze der Verfassungsmäßigkeit schrammte, ohne sie zu überschreiten. Wir mögen das bedauern oder nicht, aber ändern können wir das mit Sicherheit nicht mit einer neuen und anderen Besetzung und Wahl der Richter. Es wird ja wohl niemand auf die Idee kommen, an der Unabhängigkeit der Richter zu rütteln. Viel einfacher wäre es, die jeweiligen Oppositionen nehmen demokratische Mehrheitsentscheidungen hin und „rennen" nicht gleich nach Karlsruhe. Die Vorschläge des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN liegen nun völlig neben der Sache, weil sie Vorschriften enthalten, die neben einer schlechten Auswahlmethode die Qualität der zukünftigen Verfassungsrichter herabsetzen. Die Einführung von „Quotenfrauen" wird ganz sicher die Qualität nicht erhöhen und den Anforderungen an das höchste Richteramt nicht gerecht. Nicht daß es Quoten nicht schon gäbe! Ich erinnere hierbei an das Jugendschöffengericht, wo jeweils eine Frau und ein Mann ehrenamtliche Richter sind oder auf anderer Ebene beim Arbeitsgericht, wo je ein Arbeitnehmervertreter und Arbeitgebervertreter als Beisitzer fungieren. Beim höchsten Gericht sollte man davon absehen, unabhängig davon, daß es sehr selten frauen- oder männerspezifische Entscheidungen gibt, die speziell Frauen und Männer betreffen. Auch die allgemeine Aufweichung der Qualifikationsvoraussetzungen durch Zulassung aller Hochschulabsolventen kann nicht ernstgemeint sein. Wenn schon ein Amtsrichter der Befähigung zum Richteramt bedarf, sollten die höchsten Richter — die Verfassungsrichter — mindestens eine solche Qualifikation nachweisen. Anderes können nur Gruppen fordern, die wie die GRÜNEN aus einer Verfassung einen soziologischen Warenhauskatalog machen wollen, der dann möglichst auch noch von Soziologen soziologisch verbrämt ausgelegt werden soll. Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz hat sehr bewußt einen vernünftigen Wahlmodus festgelegt, der den Wahlgremien des Bundestags und Bundesrates einen großen Spielraum einräumt. Dabei stellt das Bundesverfassungsgerichtsgesetz sicher, daß mit jeweils drei Richtern pro Senat, die aus den höchsten Gerichten der Bundesrepublik stammen müssen, auch der richterliche Sachverstand dieser höchsten Gerichte vertreten ist. Im übrigen verbleibt es richtigerweise bei zwei Gremien, den Wahlmännern des Bundestages und den zuständigen Gremien des Bundesrates, geeignete Frauen und Männer aus dem rechtlichen, wirtschaftlichen und politischen Bereich mit qualifizierter Zweidrittel-Mehrheit zu wählen. Dies ist auch nicht — wie in der Begründung völlig unqualifiziert behauptet — ein Planstellenkarussell, wo — ich zitiere: „unter anderem altgediente oder auch nicht mehr so erwünschte Parteivertreterinnen oder Parteivertreter untergebracht werden". Dies ist schon eine unverschämte Mißachtung für die derzeit beim höchsten Gericht amtierenden Richter, die alle durchweg hochqualifiziert sind. Diese Auswahl ist auch nicht erfolgt in — ich zitiere —„Geheimgremien", sondern naturgemäß wie bei politischen Entscheidungen üblich, unter verantwortlichen Politikern, die gegebenenfalls dann von den Wahlmännergremien gebilligt oder nicht gebilligt wurden. Dr. Ullmann, Sie sind Verfasser dieses Gesetzentwurfes, Sie sollten sich bei den derzeitig amtierenden Richterinnen und Richtern für diese Entgleisung entschuldigen. Völlig unverständlich ist die Forderung, Politikern aus dem Deutschen Bundestag, dem Landtag oder Regierungsmitgliedern oder hohen Parteiamtsmitgliedern (was ist ein hohes Parteiamt?) erst fünf Jahre nach ihrem Ausscheiden aus diesen Ämtern den Zugang zum höchsten Richteramt zu ermöglichen. Dies ist eine diskriminierende Abqualifikation und Ausgrenzung und ist nicht nur geschmacklos, sondern sicher auch verfassungswidrig. Die öffentliche Auswahl — und damit Anprangerung und Bloßstellung — müssen wir unseren zukünftigen Richtern am Bundesverfassungsgericht unter allen Umständen ersparen. Die oft entwürdigenden und bloßstellenden Prozeduren bei der Besetzung der höchsten Richterämter in den USA können nur abschrecken und sind unter keinen Umständen nachahmenswert. Herr Dr. Ullmann, Sie sollten sich auch einen Grundsatz hier im Hause versuchen anzugewöhnen — den wir zugegebenermaßen auch manchmal verletzen: Gesetze sollten nur dann geändert werden, wenn eine Not vorliegt. Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz hat sich bewährt. Ihr Entwurf eines Gesetzes zur Wahl der Richter und Richterinnen des Bundesverfassungsgerichts ist daher in vollem Umfang abzulehnen. Dr. Hans de With (SPD): Der Kern des hier in Rede stehenden Entwurfs, nämlich der § 6, war bereits wortwörtlich Teil des Gesetzentwurfs der Fraktion der Grünen vom 20. März 1987. Es gab hierzu vor fast genau sechs Jahren, am 16. Oktober 1987, eine ausführliche Erste Lesung und ein umfängliches Anhörungsverfahren im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages. Dieser Entwurf wollte damals wie heute eine Befragung der Bewerberinnen und Bewerber in Form eines öffentlichen Anhörungsverfahrens 15296* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 sowie die Wahl der Verfassungsrichterinnen und -richter durch das Bundestagsplenum. Ergänzend zu damals wollen Sie heute nicht nur den Fraktionen, sondern auch den Gruppen des Deutschen Bundestages gewisse Rechte einräumen. Hinzugekommen ist im Vergleich zu 1987, daß in jeden Senat Männer und Frauen in gleicher Anzahl gewählt werden müssen, die Richterinnen und Richter das 35. Lebensjahr vollendet haben müssen — jetzt gilt das 40. —, nunmehr Richterinnen und Richter werden kann, wer einen anerkannten Hochschulabschluß vorweisen kann. Die alleinige bisherige Voraussetzung für das Amt, nämlich die Befähigung zum Richteramt, entfällt also. Und schließlich soll Richterin und Richter beim Bundesverfassungsgericht in Zukunft nur werden, wer seine eventuelle Mitgliedschaft in einem Parlament oder den Vorsitz oder die Geschäftsführung in einer Partei fünf Jahre hinter sich hat. Was die alten Vorschläge anlangt, so kann ich mich auf das beziehen, was ich schon vor sechs Jahren gesagt habe: Das öffentliche Anhörungsverfahren in den Vereinigten Staaten — seit geraumer Zeit auch dort umstritten — hat seinen Grund darin, daß dort der Präsident die Richter ernennt und so für seine Amtszeit und die seiner Nachfolger ohne weiteres Gegengewicht die Zusammensetzung des Supreme Court bestimmen kann. Nur durch das öffentliche Anhörungsverfahren wird eine Barriere errichtet. Damit geht allerdings einher, daß durch die heutige Medienvielfalt und die entsprechende Medienkonkurrenz Bewerberinnen und Bewerber sehr erheblich beschädigt werden können. Bei uns ist die Barriere die Zwei-Drittel-Mehrheit, die eine Verständigung der großen Kräfte notwendig macht und dadurch Tendenzen „zur Mitte hin" unterstützt. Was schließlich die Frage anlangt, ob nicht schon nach dem derzeitigen Wortlaut des Gesetzes im Bundestagsplenum entschieden werden müßte, ist darauf hinzuweisen, daß das Grundgesetz durchaus die Unterscheidung zwischen Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit der Wahl kennt, der derzeitige Wortlaut auf keinen geringeren als auf Adolf Arndt zurückgeht und deshalb hier wohl nicht das Plenum, sondern das Wahlgremium gemeint war. Dennoch wiederhole ich auch hier: Bei einer Wahl durch das Bundestagsplenum würde die Gewichtigkeit des Bundesverfassungsgerichts im Bewußtsein der Öffentlichkeit stärker werden, für mehr Transparenz gesorgt und auch den Gruppen Mitbeteiligung eingeräumt. Was die neuen Vorschläge anlangt, so stößt Ihre Kritik an der Unterbeteiligung der Frauen bei uns auf offene Ohren. Entsprechende Vorschläge zur Änderung des derzeit mißlichen Zustandes — in jedem Senat steht eine Frau sieben Männern gegenüber — gibt es auch bei uns. Für die übrigen Vorstellungen können wir uns nicht erwärmen. Warum sollte die Altersgrenze von 40 auf 35 Jahre gesenkt werden? Natürlich kennen wir die traditionelle Kritik am Juristenmonopol. Nur: Die Leute mit der Befähigung zum Richteramt müssen noch lange nicht ihren gesunden Menschenverstand und ihren Mutterwitz verloren haben. Schließlich stößt es bei uns auf absolutes Unverständnis, wenn niemand mehr unmittelbar aus einem Parlament oder aus einer Parteispitze als Richterin oder Richter gewählt werden kann. Das Bundesverfassungsgericht steht schon von seiner Einrichtung als Verfassungsorgan her der Politik nahe. Schaut man sich das Bundesverfassungsgerichtsgesetz an und liest dort nach, welche Art von Streitigkeiten es zu entscheiden hat, dann wird vollends offenbar, daß in Karlsruhe über hochpolitische Dinge geurteilt werden muß. Es hat bisher noch keinem Senat geschadet, daß er um Personen bereichert wurde, die unmittelbare Erfahrung aus den Parlamenten und Parteien einzubringen imstande waren. Mir scheint, daß Ihr Vorschlag allzu sehr diktiert ist von einer Distanzierung sogenannter gutbürgerlicher Kreise von Parlament und Politik, die wir uns im wohlverstandenen Interesse unserer Demokratie nicht zu eigen machen sollten. Wir sind gleichwohl bereit, auch die Vorschläge zu prüfen, denen wir beim ersten Lesen mit Skepsis begegnen. Immerhin sollten wir bei allem folgendes nicht vergessen: Seit Bestehen des Bundesverfassungsgerichts, seit dem Jahre 1951, erfreut sich dieses über die Jahre hinweg des höchsten Ansehens, mag uns auch — je nachdem woher wir kommen — die eine oder andere Entscheidung mißfallen. Das ist normal. Niemand, auch ein Gericht nicht, kann es jedem recht machen. Und auch Gerichte und unser höchstes Gericht sind nicht frei von Fehlern. Diese über die Jahrzehnte andauernde Anerkennung durch eigentlich alle Kreise der Bevölkerung läßt sich schwerlich dadurch erklären, daß der Wahlmodus so schlecht sei. Das heißt, das Wahlsystem hat sich doch wohl ganz gut bewährt. Das schließt überhaupt nicht aus, daß wir von Zeit zu Zeit nach Verbesserungen suchen müssen. Das schließt aber auch nicht aus, daß die gewählten Richterinnen und Richter von Zeit zu Zeit einen selbstkritischen Maßstab an sich selbst anlegen. So manches Wort aus Karlsruhe wird von der Bevölkerung nicht verstanden. Das Gericht spricht eine wirklich eigene Sprache. Manche gesellschaftlichen Wertmaßstäbe und Entwicklungen finden nur ungenügend oder spät Eingang in die Rechtsprechung dieses Verfassungsorgans. Erinnert sei an das Selbstverständnis der Frau sich selbst und dem werdenden Leben gegenüber. Und erinnert sei an die Überbetonung der Pressefreiheit gegenüber dem Persönlichkeitsschutz des betroffenen Einzelnen. Manfred Richter (Bremerhaven) (F.D.P.): Zu dieser späten Stunde Reden zu Protokoll zu geben ist sicher eine adäquate Handhabung unserer Geschäftsordnung. Nach einem Arbeitstag von 16 Stunden zur späten Mitternacht vor ermüdetem Haus zu wichtigen Themen sprechen zu müssen, das widerspricht schon dem Geist der Genfer Konvention. Dennoch habe ich als Parlamentarischer Geschäftsführer der F.D.P.- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 15297' Fraktion bei diesem Zu-Protokoll-Geben ein ernstes Problem: Der Redner unserer Fraktion befindet sich im Streik. Dabei hätte Detlef Kleinert dem Hause wahrlich etwas zu sagen. Etwa, was er davon hält, gerade bei der Wahl der Bundesverfassungsrichter die juristische Qualifikation zur Nebensache verkommen zu lassen. Und wer Detlef Kleinert kennt, der weiß, mit welch rhetorischer Eleganz er das Haus von seiner, von unserer zweifellos richtigen Haltung überzeugt hätte. Und all das in freier Rede, wie es unsere Geschäftsordnung idealtypisch vorsieht. Und genau das ist mein Problem. Eine freie Rede kann man nicht zu Protokoll geben. Deshalb müssen Sie mit mir und meinem bescheidenen Beitrag vorliebnehmen, der immerhin die Funktion erfüllen mag, dem Hause mitzuteilen, aus welchem Grunde wir im Protokoll den wichtigen Beitrag Detlef Kleinerts nicht finden. Ich wünsche abschließend dem Hause viele Abgeordnete von der rhetorischen Kompetenz meines Kollegen Kleinert; gewiß würden die Debatten dann interessanter, vielleicht auch straffer, und es wäre möglicherweise entbehrlich, bis in die späte Nacht Debatten zu führen. Dr. Uwe-Jens Heuer (PDS/Linke Liste): Der vorliegende Gesetzentwurf zielt hinsichtlich der Frauenquote auf größere Gleichstellung; hinsichtlich des Wahlverfahrens der Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichtes auf größere Transparenz und hinsichtlich der Öffnung des BVG für Nichtjuristen auf größere Lebensnähe einer ansonsten ziemlich abgehobenen Institution. Insofern wären es sicher bedenkenswerte Schritte in eine richtige Richtung. Gleichwohl wäre auch bei Annahme dieser Vorschläge das grundsätzliche Problem nicht gelöst, daß das BVG in die Rolle des Neben- oder sogar des Übergesetzgebers hineingerät oder hineingedrängt wird oder sich selbst hineindrängt. Mir ist natürlich bewußt, daß Verfassungsgerichtsbarkeit immer im Spannungsfeld von Recht und Politik agieren muß. Aber wenn die Entscheidungen des BVG selbst zunehmend den Rang von Verfassungsnormen annehmen, wenn politische Entscheidungen nicht mehr vom Bundestag und von der Regierung getroffen werden, wenn — wie der Vizepräsident des Berliner Verfassungsgerichtshofes Erhart Körting zutreffend in der Frankfurter Rundschau geschrieben hat (30. Juni 1993) — das BVG „wie ein durch eine Notverordnungsbefugnis ermächtigter Reichspräsident selber Übergangsrecht setzt — ohne parlamentarische Beratung, ohne parlamentarischen Kompromiß und ohne öffentliche Beratung", dann besteht wohl wirklich die Gefahr einer oligarchischen Richterherrschaft, die antidemokratisch ist. Ich meine, daß für ein am Prinzip der Volkssouveränität orientiertes Staatswesen die Unterordnung des gewählten Parlaments unter ein zwar politisch agierendes, aber politisch nicht verantwortliches Verfassungsgericht nur schwer erträglich ist. Aus diesem Grunde sieht der Verfassungsentwurf der PDS/Linke Liste vor, daß die vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Normenkontrollbefugnis verworfenen Gesetze dadurch Rechtskraft erlangen können, daß sie vom Bundestag innerhalb von 120 Tagen eine ausdrückliche Bestätigung durch die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erfahren. Aus diesem Grunde halte ich auch die in dem vorliegenden Entwurf beabsichtigte Öffnung des BVG für Kandidaten, die nicht Juristen sind, für eine originelle Idee, die aber das BVG seiner Rolle als Gericht noch weiter entkleidet und es noch stärker in die Rolle eines politischen Organs drängt. Allein deswegen scheint mir dieser Vorschlag problematisch, aber wir sollten darüber diskutieren. Die paritätische Besetzung der Senate des BVG mit Frauen und Männern ist eine Forderung, die in meiner Partei ebenfalls stark diskutiert wird und die vieles für sich hat. Hinsichtlich des Wahlverfahrens der Bundesverfassungsrichterinnen und -richter ist es höchste Zeit, die grundgesetzlich vorgesehene Wahl durch den Bundestag aus dem Halbdunkel irgendwelcher Fraktionsarbeitsgruppen, deren rechtliche und politische Legitimation zumindest höchst zweifelhaft ist, herauszuführen. Bereits das Bundesverfassungsgerichtsgesetz hat die Intention des Verfassungsgebers, dem BVG durch die unmittelbare Wahl durch den Bundestag eine höhere Legitimation zu geben, verwässert. Die schon für sich bedenkliche Regelung der indirekten Wahl durch das Wahlmännergremium des § 6 BVGG wird durch die Praxis der „Arbeitsgruppe", durch die Nichtöffentlichkeit des Vorgangs noch potenziert und ist der zentralen Stellung des Bundesverfassungsgerichts im politischen System dieses Landes völlig unangemessen. Also auch in dieser Frage halte ich den vorliegenden Entwurf für unterstützenswert. Allerdings führt die gegenwärtige Regelung, daß die Wahl einer Mehrheit von zwei Dritteln bedarf mit einer gewissen Notwendigkeit zu der bekannten Kungelei der beiden Großparteien. Aus diesem Grunde hielte ich eine Wahl mit der einfachen Mehrheit der Mitglieder des Hauses für zumindest bedenkenswert. Rainer Funke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Nachdem wir erst vor kurzer Zeit, nämlich am 17. Juni 1993, das Fünfte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht in zweiter und dritter Lesung beschlossen haben und dieses Gesetz seit dem 11. August 1993 in Kraft ist, beschäftigen wir uns heute erneut mit dem Bundesverfassungsgericht. Anlaß ist der Gesetzentwurf der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Wahl der Verfassungsrichterinnen und -richter. Das Wahlverfahren ist im Fünften Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht nur am Rande angesprochen worden; es hat seinerzeit bei der Bezeichnung der Wahlgremien einige — wohl notwendige — sprachliche Korrekturen gegeben. Der vorliegende Gesetzentwurf ist demgegenüber grundsätzlicher Art, im übrigen aber in einigen Teilen auch nicht neu. Identische Vorschläge zu einer unmittelbaren Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts durch den Bundestag in seiner Gesamtheit 15298' Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. September 1993 — und nicht durch den vom Bundestag gewählten Wahlausschuß — sowie zur öffentlichen Anhörung der Bewerber fanden sich schon im Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN vom 20. März 1987. Dieser Gesetzentwurf ist seinerzeit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD abgelehnt worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen möchte ich insoweit nur auf den Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages vorn 19. Januar 1990 verweisen. In diesem ist herausgestellt, daß sich das bisherige Wahlverfahren bewährt habe und die demokratische und parlamentarische Legitimation des Wahlgremiums, das zu Beginn jeder Legislaturperiode durch den Bundestag gewählt wird, ausreichend sei. Die öffentliche Anhörung von Bewerbern bringe erhebliche Nachteile mit sich, die im Ergebnis die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Bundesverfassungsgerichts in Frage stellen. Die damalige Bewertung gilt unverändert auch gegenüber dem nunmehr erneut eingebrachten Entwurf. Soweit vorgeschlagen wird, die Anforderungen an die Qualifikation der Verfassungsrichter zu ändern und nicht mehr die Befähigung zum Richteramt zu fordern, sondern auch einen sonstigen Hochschulabschluß ausreichen zu lassen, ist dies wohl unter der Rubrik „Kuriosa" zu verbuchen. Eine abgeschlossene juristische Ausbildung ist für die konkrete Entscheidungsfindung im Bundesverfassungsgericht unverzichtbares Minimalerfordernis an die richterliche Qualifikation. Aber auch soweit der vorliegende Gesetzentwurf Neues enthält, lehnt ihn die Bundesregierung ab. Das Bundesverfassungsgericht ist ein Gericht, in dem es um die Entscheidung von Rechtsfragen geht; die Argumentation erfolgt anhand rechtlicher Kriterien. Dies bedeutet zugleich Objektivität der Entscheidung und fördert daher ihre Überzeugungskraft und Akzeptanz; nicht zuletzt trägt dies auch zu dem hohen Ansehen bei, das das Bundesverfassungsgericht in unserer Bevölkerung und auch in der Welt genießt. Wir werden auf die juristische Qualifikation sämtlicher Verfassungsrichter auch deshalb nicht verzichten können, weil verfassungsrichterliche Arbeit in der Regel Kenntnisse des Rechtssystems und der juristischen Argumentation voraussetzt: Der weit überwiegende Teil der zu bearbeitenden Verfahren betrifft Urteilsverfassungsbeschwerden, bei denen der Bürger vorangegangene gerichtliche Entscheidungen angreift. Die Bearbeitung dieser Verfahren, die zunächst bei jedem Richter als Berichterstatter selbständig erfolgt, wäre kaum noch zu bewältigen, wenn nur ein Teil der Verfassungsrichter über eine juristische Ausbildung verfügen würde. Im übrigen können auch solche Richter in das Bundesverfassungsgericht gewählt werden, die zwar die Befähigung zum Richteramt besitzen, aber darüber hinaus über praktische Erfahrungen in nicht primär juristisch geprägten Berufen verfügen. Auch die Altersgrenze von 40 Jahren für die Wahl zum Bundesverfassungsrichter sollte beibehalten werden. Die Tätigkeit als Verfassungsrichter setzt ein gewisses Maß an Lebens- und Berufserfahrung voraus. Sie ist für die Ausübung dieses höchsten Richteramtes unabdingbar. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht zudem vor, die beiden Senate des Bundesverfassungsgerichts je zur Hälfte mit Frauen und Männern zu besetzen. Selbstverständlich ist es wünschenswert, daß in den Senaten des Bundesverfassungsgerichts — wie in anderen öffentlichen Ämtern und Funktionen auch — mehr Frauen als bisher vertreten sind. Dabei geht es nicht um die Durchsetzung des Geschlechterproporzes als Selbstzweck, sondern um die Notwendigkeit, auch in wichtigen Positionen die besondere Sichtweise von Frauen zur Geltung zu bringen. Allerdings hat die Bundesregierung stets die Ansicht vertreten, daß dieses Ziel nicht durch die Festschreibung einer Quote, wie sie der Gesetzentwurf vorsieht, erreicht werden soll. Zudem ist zu berücksichtigen, daß die Richter des Bundesverfassungsgerichts zu wählen sind. Eine normative Festlegung auf ein bestimmtes Geschlecht würde der Legitimationsfunktion eines demokratischen Wahlverfahrens widersprechen; für das Wahlgremium sollen nicht mehr als die unabdingbar notwendigen Vorgaben gemacht werden. Wir müssen vielmehr unser Augenmerk darauf richten, innerhalb des bisher praktizierten Auswahlverfahrens mehr qualifizierte Frauen für dieses Richteramt vorzuschlagen und zu wählen. Abschließend möchte ich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bemerken, daß nicht bestimmte Ereignisse oder bestimmte Entscheidungen, die der persönlichen Meinung zuwiderlaufen, zum Anlaß genommen werden sollten, das Wahlverfahren der Richter des Bundesverfassungsgerichts in Frage zu stellen. Dieses Wahlverfahren — ich habe eingangs darauf hingewiesen — hat sich in mehr als 40 Jahren bewährt. Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, dieses Verfahren zu ändern.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Siegfried Vergin


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Werte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Politische Entscheidungen haben dazu beigetragen, daß heute Gewalt und Rechtsextremismus bedrohlich und unübersehbar geworden sind. Rechtsextremismus, zunehmende Gewalttätigkeit und Gewaltbereitschaft, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sorgen für Schlagzeilen im In- und Ausland.
    Für diese Entwicklung und ihre Folgen tragen Politikerinnen und Politiker Mitverantwortung, die die zahlreichen warnenden Stimmen in der Vergangenheit ignoriert haben. Wer so tut, als wären Gewalt und Rechtsextremismus völlig überraschend über uns hereingebrochen, der ist bestensfalls schlecht informiert oder blind und taub.

    (Beifall bei der SPD)

    Warnungen gab es genug. 1960 bereits lag dem Deutschen Bundestag ein Weißbuch zu antisemitischen und neonazistischen Vorgängen vor, herausgegeben von der Bundesregierung.
    1981 veröffentlichte Sinus in Heidelberg eine Studie, die deutlich zeigte, wie groß und verfestigt die Verbreitung rechtsextremistischen Gedankengutes in der Bundesrepublik schon war.
    1983 verhinderte die Bundesregierung die schon vereinbarte Sinus-Studie zur Fremdenfeindlichkeit in der Bundesrepublik, weil Deutschland ja nicht fremdenfeindlich sei.
    1987 legte die sogenannte Gewaltkommission ihren Bericht vor, einen umfassenden Bericht mit sehr vielen sehr konkreten Vorschlägen und Handlungsanleitungen.
    In all den Berichten und auch in den nicht genannten Berichten und Studien steckt viel Arbeit, Arbeit für den Papierkorb, für das Bücherregal.
    Umfangreiche Forschungsergebnisse über die Ursachen von Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit liegen auch für die gegenwärtige Situation vor. Leider sind auch sie bisher nicht dazu genutzt worden, schnell und sichtbar zu handeln. Im Juni 1993 hat das Bundesministerium für Frauen und Jugend eine Analyse über die Täter vorgelegt, die so gar nicht zu dem paßt, was die Bundesregierung so gern verbreitet. Die jugendlichen Mörder und Brandstifter sind nicht — so wörtlich — asoziale Elemente, wie der Bundeskanzler das einmal glauben machen wollte. Es sind ganz normale Jugendliche. Die Sozialarbeiter sprechen von Normalos.
    Konkrete Programme wurden von der Bundesregierung aus der Studie des Ministeriums meines Wissens noch nicht abgeleitet. Aus all den Berichten, Untersuchungen und Empfehlungen, die nicht parlamentarisiert wurden, wurden keine ausreichenden Konsequenzen gezogen. Sie wurden ad acta gelegt.
    Ausmaß und Folgen der Gewalttätigkeit rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Täter haben jetzt dafür gesorgt, daß das Thema auf der Tagesordnung stand und auch heute steht. Das reicht aber nicht. Das Thema muß den Deutschen Bundestag und alle Abgeordneten nicht nur dann beschäftigten,



    Siegfried Vergin
    wenn Mord, Totschlag und Brandstiftung Angst und Entsetzen verbreiten.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Im übrigen sieht man u. a. an der Uhrzeit des heutigen Tages, die für diese Debatte gewählt wurde, daß das Erschrecken offensichtlich das Zentrum der Politik nicht wirklich getroffen hat.
    Eine politische Kursänderung ist dringend erforderlich. Das, was wir bisher als Zwischenbericht der sogenannten Offensive gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit kennen, ist dürftig. Die Große Anfrage der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit, Neonazismus und Gewalt blieb bisher ohne Antwort — seit März. Die Bundesratsinitiative des Landes Niedersachsen zum Verbot der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ruht seit dem 29. April 1993.
    Ist in Deutschland wirklich nichts passiert? Spinnen alle die, die etwas bemerkt haben? Das Gespräch, das der Bundeskanzler am 27. September mit einer Vielzahl von gesellschaftlich relevanten Vertretern über die anstehenden Probleme führen will, war längst überfällig. Ich hoffe sehr, daß die Regierung im Anschluß daran mit handhabbaren Konzepten an die Öffentlichkeit treten wird.
    Wenn die Mörder von Solingen und die Brandstifter von Rostock und Dolgenbrodt glauben, daß sie die Probleme lösen, die Politiker aus Unfähigkeit oder Feigheit nicht lösen können oder wollen, dann tragen wir alle, meine Kolleginnen und Kollegen in diesem Parlament, und dann trägt vor allem die Bundesregierung dafür ein hohes Maß an Verantwortung.
    Mehr oder weniger hilflose Reaktionen müssen endlich durch verläßliche, durchschaubare und kontrollierbare politische Programme ersetzt werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir dürfen uns Handeln und Entscheidungen nicht von Gewalttätern und rechten Demagogen diktieren lassen und nach dem großen Erschrecken über Mord- und Brandanschläge lediglich nach härteren Strafen und schärferen Gesetzen rufen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, nur wenn die Daten und Fakten vorliegen und auch zur Kenntnis genommen werden, können wir entscheiden, wohin der Kurs gehen soll. Darum beantragt die SPD-Bundestagsfraktion einen jährlichen umfassenden Bericht über die Entwicklung von Rechtsextremismus und Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland. Der jährliche Verfassungsschutzbericht reicht nicht aus. Er sagt nichts über die Ursachen von Gewalt und Rechtsextremismus aus, er sagt nichts über die Maßnahmen und notwendigen politischen Entscheidungen.
    Der Bericht, den wir fordern, soll verläßliche Grunddaten und Fakten liefern, mit denen wir arbeiten und entscheiden können. Sie sollen bei der Abschätzung von möglichen Folgen helfen und dafür das Handwerkszeug liefern. Wir brauchen die regelmäßige Beobachtung von Entwicklungen, wir brauchen eine regelmäßige Kontrolle der Wirkung politischer Maßnahmen, wir brauchen eine bessere Durchschaubarkeit und Nachvollziehbarkeit von Politik.

    (Beifall bei der SPD)

    Ein jährlicher Bericht ist jetzt schnell nötig. Er wird, wie uns die Ursachenforschung lehrt, notwendig bleiben. Wir sollten uns auf diese Langzeitaufgabe einstellen.
    Die Auseinandersetzung mit Gewalt und Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft muß aus den Amtsstuben der Beamten in die Öffentlichkeit gebracht werden. Die politisch Verantwortlichen müssen ihre Entscheidungen und ihre Politik auf den Prüfstand stellen: Wie hat sich die Situation verändert? Wo ist etwas geschehen? Waren die Maßnahmen erfolgreich? Warum waren sie nicht erfolgreich? Natürlich geht es nicht darum, nur zu fragen: Was macht die Familie, was macht die Schule, was machen die Medien? Diese Perspektiven muß der Bundeskanzler endlich verlassen, auch wenn sie so schön bequem sind.
    Wir müssen wissen: Wie sieht die Sozialpolitik aus? Welche Folgen ergeben sich daraus? Was hat die Jugendpolitik gemacht, welche Erfolge zeigen sich? Wo hat sie versagt? Wie sieht die Wohnungsbaupolitik aus? Was hat die Arbeitsmarktpolitik erreicht? Welche Folgen hat die Steuerpolitik? Wie sieht die Bildungspolitik aus?
    Wir müssen fragen und antworten: Welche Folgen hatten die jeweiligen politischen Entscheidungen für das Individuum und für unsere Gesellschaft? Wo haben sie dazu beigetragen, Rechtsextremismus und Gewalt zurückzudrängen? Wo wurde rechten Parolen auch durch leichtfertige populistische Reden und Einlassungen von Politikerinnen und Politikern Vorschub geleistet?

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Wer die Bestandsaufnahme, die Analyse und die Kontrolle verweigert, nimmt in Kauf, daß vermeintliche Sachzwänge entstehen, die den Nährboden für rechtsextremistische Führer und rechte Parolen bilden können. Niemand, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird sich in Zukunft damit herausreden können, er hätte nichts gewußt oder sie hätte nichts gesehen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächste Frau Kollegin Professor Roswitha Wisniewski.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Roswitha Wisniewski


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zunahme der Gewalt gehört zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Weltweit sind die Berichte über Gewalttaten und Verrohung alarmierend. Man kann sich fragen, ob wir zurückfallen in Barbarei und Unkultur, die doch nach jahrhundertelangen Bemühungen und trotz erschreckender Rückfälle einigermaßen überwunden schienen. Natürlich ist für uns Deutsche das



    Dr. Roswitha Wisniewski
    vermehrte Auftreten von Gewalttätern mit rechtsextremistischen Attitüden besonders beunruhigend.
    Eine Umfrage des Allensbacher Instituts zeigt denn auch, daß in Deutschland die gesellschaftliche Abneigung gegen Rechtsextremisten an der Spitze aller Gruppenablehnungen steht; sie beträgt 77 %. Man will Rechtsextremisten nicht zu Nachbarn haben.
    In Frankreich dagegen rangiert die Abneigung gegen Trinker, 50 %, und Drogenabhängige, 44 %, vor der gegenüber Rechtsextremen, 33 %, obwohl dieses Problem auch in Frankreich eine herausragende Rolle spielt.

    (Dr. Gregor Gysi [PDS/Linke Liste]: Was ist das für eine Rechtfertigung?)

    Lichterketten, Massendemonstrationen, aber auch Wahlergebnisse haben ebenfalls gezeigt, daß Rechtsextremismus in der deutschen Bevölkerung keinen verbreiteten Rückhalt hat. Dennoch ist natürlich das, was geschehen ist, unverzeihbar und alarmierend.
    Zu dieser ablehnenden Haltung der Bevölkerung werden auch die vielfältigen Initiativen der Parlamente, Regierungen und Parteien beigetragen haben. Ich nenne nur die „Offensive gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit„ der Bundesregierung, die Leitlinien zur inneren Sicherheit des Berliner CDUParteitags vom September diesen Jahres, ähnliche Beschlüsse der CSU und die Anhörung des Deutschen Bundestages zur politisch motivierten Gewalt in Deutschland vom April 1993, deren Ergebnisse jetzt umgesetzt werden.
    Die wichtigsten parlamentarischen Vorhaben und Forderungen sind in einer Initiative der CDU/CSUBundestagsfraktion gegen Gewalt und Extremismus zusammengestellt. Ich hebe hervor: Betonung wertorientierter Erziehung,

    (Zuruf von der SPD: Was für Werte?)

    breite Aufklärungskampagnen in der politischen Bildung, Konzepte zur Eindämmung von Gewalt an den Schulen, sozialpädagogische Betreuung von Tätern; aber auch: Änderung des Jugendstrafrechts, damit Täter ab 18 Jahren nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden; Verschärfung von Jugendstrafen bei Gewalttaten, damit der Schutz der Bevölkerung vor schweren Straftaten verbessert wird; Erweiterung der Haftgründe bei schweren Mißhandlungen und schwerer Brandstiftung; Strafverschärfung bei Körperverletzung, die nicht geringer als Eigentumsdelikte bewertet werden darf.

    (Zuruf von der SPD: Genau das falsche Mittel!)

    Beide Bereiche der Abwehr gegen die Zunahme von Gewalt sind notwendig. Unverzichtbar sind die Rückbesinnung auf wertgerichtete Erziehung und die Aufklärung über die Gefahren, die von Ideologien von rechts wie von links ausgehen.

    (Lachen bei der SPD)

    Ebenso notwendig ist aber auch eine Überprüfung unserer teilweise allzu milden Strafgesetzgebung und Strafverfolgung. Denn täuschen wir uns nicht: Wenn — was man doch feststellen kann — Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund in diesem Jahr, 1993, gegenüber 1992 um 15 % bis 20 % zurückgegangen sind, so verdanken wir das wohl vor allem der vorzüglichen Arbeit der Polizei, die nach den spektakulären Brandanschlägen auf Ausländer die Täter schnell ergreifen und vor Gericht stellen konnte. Ich glaube, daß dafür den Polizeibeamten unser aller Dank und Anerkennung gebührt.
    Deswegen sind zusätzlich zu der dringend notwendigen Neubesinnung bei der Erziehung strafrechtliche Maßnahmen unverzichtbar. Denn auch sie tragen ja zur Erziehung bei, weil sie Nachdenklichkeit und Abschreckung bei Tätern und im gesellschaftlichen Umfeld erzeugen.
    Es gibt offensichtlich wachsenden Bedarf für diese harte Sprache, weil viele Täter anders nicht erreichbar sind. Eine Untersuchung von Jürgen Scheurer hat ergeben, daß fast 77 % der rechtsextremistischen Gewalttäter männliche Jugendliche und Heranwachsende sind, und zwar zu über 90 % junge Berufstätige, Lehrlinge und Schüler, selten Arbeitslose; das sind nur 9,6 %. Die meisten haben Hauptschulabschluß; etwa die Hälfte fällt durch Allgemeinkriminalität auf; eine starke Rolle spielen der Alkohol — zu 65 % — und die diffuse Abneigung gegen Ausländer; ebenfalls 65 %. Rechtsextremistischer Einfluß wurde bei 46,3 % festgestellt.
    Wenn man dies analysiert, ergibt sich der Eindruck, daß diese jungen Menschen offenbar zu unkontrollierten Gewaltausbrüchen neigen, die — das wird ja in manchen Untersuchungen sehr deutlich — geradezu als Vergnügen empfunden werden, und daß sie bisweilen in rechtsextremen Parolen ihren diffusen Haß gegen alles ihnen Fremde mit ideologischen Pseudobegründungen versehen. Diese jungen Menschen zu Einsicht, Umkehr und Selbstdisziplin zu führen, muß natürlich mit allen Mitteln versucht werden.

    (Zuruf von der F.D.P.: Sehr richtig!)

    Dabei muß der Schutz der Bevölkerung aber ebenso als höchstes Ziel gesehen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der vorliegende Antrag der SPD greift eine EGInitiative auf und fordert von der Bundesregierung jährliche Berichte über Rechtsextremismus und Gewalt, offenbar über das hinaus — Herr Vergin sagte es eben schon —, was der Verfassungsschutzbericht ohnehin bietet. Mit dem Antrag soll offenbar versucht werden, durch statistische Angaben die Grundlagen für Analysen und Gegenmaßnahmen zu verbessern. Der kleine Beitrag dazu hier mag vielleicht eine interessante Variante sein. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmt der Überweisung an die Ausschüsse zu. Dort werden wir sicherlich darüber zu diskutieren haben, wie man einen solchen jährlichen Bericht, wenn er denn notwendig erscheint, sinnvoll gestalten kann.
    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)