Rede von
Klaus
Kirschner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Seehofer, dem, was Sie zur gesetzlichen Krankenversicherung und zum Gesundheitsstrukturgesetz gesagt haben, kann ich zustimmen. Wir haben nach den vorliegenden Finanzdaten der gesetzlichen Krankenversicherung für das erste Halbjahr 1993 allen Grund, den Erfolg des Gesundheitsstrukturgesetzes, das wir gemeinsam erarbeitet und verabschiedet haben, herauszustellen.
Aber lassen Sie mich das Folgende auch kritisch anmerken: Nach dem gemeinsamen Willen von CDU/ CSU, SPD und F.D.P. sollen mit dem Gesundheitsstrukturgesetz eine finanzielle Entlastung und damit die notwendige Beitragsstabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung auf sozial verträglichem Niveau erreicht werden. Bisher bin ich davon ausgegangen, daß alle Parteien des Lahnsteiner Kompromisses und die Bundesregierung selbst dafür Sorge tragen, daß der gesetzlichen Krankenversicherung keine weiteren Belastungen aufgebürdet werden. Nun, ich habe mich offensichtlich getäuscht; denn der Bundesfinanzminister macht schon wieder einen Verschiebebahnhof zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung, sprich: der Sozialversicherung schlechthin, auf.
In einer Phase der Konsolidierung der Finanzen im System der sozialen Krankenversicherung bürdet die Bundesregierung diesem Sozialversicherungszweig für 1994 eine Mehrbelastung von mehr als 200 Millionen DM auf, ohne daß damit Leistungsverbesserungen für die Versicherten verbunden wären. Herr Kollege Seehofer, Sie haben selber darauf hingewiesen — dabei haben Sie unsere volle Unterstützung —, daß gesamtstaatliche Aufgaben nicht der Sozialversicherung auferlegt werden dürfen. Deshalb ist es unverständlich, daß für die werdenden Mütter jetzt das Schwangerschafts- und Mutterschaftsgeld gekürzt werden soll
— ich komme ja darauf — bzw. daß der Bund sich aus der Verantwortung stiehlt, zu Lasten der Beitragszahler. Ich denke, das geschieht in einem Feld, in dem der Staat ausdrücklich gefordert wäre.
Bereits in der Vergangenheit wurde es der gesetzlichen Krankenversicherung überlassen, die Leistungen der Mutterschaftshilfe zur Verfügung zu stellen. Lediglich mit einem Pauschbetrag von 400 DM je Leistungsfall beteiligte sich der Bund an den Mutterschaftsaufwendungen der sozialen Krankenversicherung. Nun sollen diese 400 DM von seiten des Bundes auch noch gestrichen werden. Fürwahr, eine weitere familienpolitische Großtat der Bundesregierung, die doch sonst immer den Wert der Kinder für unsere Gesellschaft betont. Ich denke, hier wird deutlich, wie weit Reden und Handeln auseinanderklaffen. Man hat den Eindruck, Kinder dürfen alles; nur dürfen sie kein Geld kosten.
Vertreter der Koalition reden im Hinblick auf die Sozialversicherungssysteme — dies betone ich; hören Sie bitte genau zu —, was die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft anbelangt, von zu hohen Lohnnebenkosten, verschieben aber immer wieder — an diesem Beispiel wird es deutlich — gesamtstaatliche Aufgaben in die sozialen Sicherungssysteme, mit der Folge, daß dies die Beiträge in die Höhe treibt. Ich frage Sie nach der Solidität dieser von Ihnen entfachten Diskussion zur Höhe der Lohnnebenkosten. Diese Antwort müssen Sie doch hier einmal geben.
— Wenn der Präsident es zuläßt.