Rede:
ID1217102200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 9
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. nunmehr: 1
    5. der: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Hans: 1
    8. Peter: 1
    9. Schmitz.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/171 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 171. Sitzung Bonn, Dienstag, den 7. September 1993 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Rolf Koltzsch und Dr. Hans Stercken 14683 A Verzicht der Abgeordneten Dr. Harald Schreiber, Wolfgang Roth und Gerhard O. Pfeffermann auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 14683 B Eintritt der Abgeordneten Walter Schell, Kurt Palis, Christa Lörcher und Wolfgang Erler (Waldbrunn) in den Deutschen Bundestag 14683 B Benennung des Abgeordneten Dr. Uwe Jens als ordentliches Mitglied im Infrastrukturrat beim Bundesminister für Post und Telekommunikation 14683 B Benennung des Abgeordneten Dietrich Austermann zum Mitglied im Verwaltungsrat der Deutschen Ausgleichsbank . . 14683 C Erweiterung der Tagesordnung 14683 D Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1994 (Haushaltsgesetz 1994) (Drucksache 12/5500) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1993 bis 1997 (Drucksache 12/5501) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms — 1. SKWPG — (Drucksache 12/5502) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms — 2. SKWPG — (Drucksache 12/5510) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz) (Drucksache 12/5630) Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 14684 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 14694 D Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 14702 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 14707 B Ingrid Matthäus-Maier SPD . 14708A, 14718B Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14708C, 14720B Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . . 14712B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14715 A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. September 1993 Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/ CSU 14716D Joachim Poß SPD 14721 A Hans H. Gattermann F.D.P. . 14722C, 14728 D Hermann Rind F.D.P. 14724 A Joachim Poß SPD 14724B, 14726C Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/CSU 14726 A Detlev von Larcher SPD 14726D Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14730B Georg Gallus F.D P 14730 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 14731 B Nächste Sitzung 14732 C Berichtigung 14732 Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14733* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. September 1993 14683 171. Sitzung Bonn, den 7. September 1993 Beginn: 14.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 167. Sitzung, Seite III, linke Spalte: Bei Anlage 2 ist hinter dem Namen „Bodo Seidenthal" der Name „Dr. Fritz Gautier" sowie „SPD" einzufügen. Auf Seite 14416D ist in Zeile 1 hinter dem Namen „Bodo Seidenthal" der Name „Dr. Fritz Gautier" sowie in der Klammer zusätzlich das Wort „beide" einzufügen. Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bartsch, Holger SPD 7. 9. 93 Becker (Nienberge), SPD 7. 9. 93 Helmuth Dr. Blunk (Lübeck), F.D.P. 7. 9. 93 Michaela Börnsen (Bönstrup), CDU/CSU 7. 9. 93 Wolfgang Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 7. 9. 93* Clemens, Joachim CDU/CSU 7. 9. 93 Ebert, Eike SPD 7. 9. 93 Dr. Fischer, Ursula PDS/LL 7. 9. 93 Fischer (Hamburg), Dirk CDU/CSU 7. 9. 93 Dr. Gautier, Fritz SPD 7. 9. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 7. 9. 93 Jaunich, Horst SPD 7. 9. 93 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Koschnick, Hans SPD 7. 9. 93 Kretkowski, Volkmar SPD 7. 9. 93 Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 7. 9. 93 Michels, Meinolf CDU/CSU 7. 9. 93* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 7. 9. 93* Opel, Manfred SPD 7. 9. 93** Pfuhl, Albert SPD 7. 9. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 7. 9. 93 Dr. Riedl (München), CDU/CSU 7. 9. 93 Erich Dr. Scheer, Hermann SPD 7. 9. 93* Seiler-Albring, Ursula F.D.P. 7. 9. 93 Stachowa, Angela PDS/LL 7. 9. 93 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 7. 9. 93 Gert Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 7. 9. 93 *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Werner Schulz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mitten in der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit steht die Bundesregierung vor einer paradoxen Situation. Sie muß den Haushalt konsolidieren und gleichzeitig die Konjunktur ankurbeln. Mit dem vorgelegten Haushaltsentwurf und seinen Begleitgesetzen wird sie beiden Zielen nicht gerecht, sondern verfehlt diese gründlich.
    Nun sollen die Schwächsten der Gesellschaft das bezahlen, was die Stärksten bisher schuldig geblieben sind. Ihr Beitrag wurde zwar häufig beschworen, doch bisher nicht im mindesten eingefordert. Die Finanzpolitik folgt einem Dreisatz aus Irrtum, Illusion und Schwindel.
    Noch im März hat der Bundeskanzler erklärt, daß
    mit dem Solidarpaktergebnis die Finanzgrundlagen für die vor uns liegenden Jahre bis 1995 und darüber gesichert sind.
    Der Haushaltsentwurf beweist hingegen: Die öffentlichen Finanzen sind weiterhin zerrüttet. Zwar hat der Solidarpakt — eine Wortschöpfung ohne Grundsubstanz — die Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern neu geregelt, doch haben die alten Bundesländer vor allem ihre Eigeninteressen verteidigt.
    Die SPD war der Auffassung, daß sie mit ihrer Vorleistung zur großen Koalition die Verschlechterung von sozialpolitischen Ansprüchen ausgeschlossen hätte. Ihr ach so geschickter Verhandlungsführer Scharping

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Nur kein Neid, Herr Kollege!)

    ist noch nicht einmal auf den pfiffigen Gedanken gekommen, sich genau das von der Bundesregierung garantieren zu lassen.
    Jetzt erfolgt der unsoziale Nachschlag, der damals schon als „Solidarpakt II" im Gespräch war. Wer das beklagt, sollte zumindest sagen, daß er über den Tisch gezogen worden ist — eine Art bayerischer Kampfsport, der sich nach der Vereinigung ausgebreitet hat und in dem der Finanzminister, der nicht mehr —

    (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Fingerhakeln heißt das!)

    — Fingerhakeln heißt das, jawohl, und in dieser Disziplin ist, glaube ich, Theo Waigel Träger des schwarzen Gürtels.
    Erst jetzt wird der vermeintliche Solidarpakt deutlich. Ein Konsolidierungsprogramm jagt das nächste. Das Regierungsprogramm ist ein einzigartiger Konsol.

    (Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Was ist das?)

    — Das ist ein Staatsschuldschein, — wenn Sie das nicht wissen sollten.
    Das föderale Konsolidierungsprogramm hat die Finanzmisere nicht beendet. Im Gegenteil: Die Staatsverschuldung steigt, der Handlungsspielraum des Staates verengt sich. Bereits heute zahlt der Finanzminister jede achte Steuermark an seine Gläubiger. In den nächsten Jahren wird die gesamte Neuverschuldung für die Zinsen alter Schulden draufgehen.
    Jetzt schließt sich der Teufelskreis einer schwindelerregenden Finanzpolitik. Der Anfangsbetrug „deutsche Einheit auf Pump und auf Kosten der Sozialversicherung" hat eine finanzielle Kettenreaktion ausgelöst. Der einzige Trumpf, der dieser Regierung noch bleibt, ist die Hoffnung auf Konjunkturbelebung. Nun mag ja der Glaube manches bewegen, nur Schuldenberge hat er bisher noch nicht versetzt.
    Der Entwurf des Bundeshaushalts 1994 ist das verheerende Zwischenergebnis einer finanzpolitischen Mißwirtschaft. Er ist sozial unausgewogen, verschärft die Rezession und wälzt die Kosten auf die Kommunen ab. Was hier vorliegt, ist kein Haushaltssicherungsgesetz, sondern ein Gesetz, das auf dem Rücken der am Boden Liegenden ausgetragen wird.
    Drei Jahre nach der Währungsunion beginnt der Kanzler zu ahnen, daß die Einheit die zuvor bestandenen Strukturschwächen der Wirtschaft nur verdeckt hat. Nach dem dolce vita einer liederlichen Schuldenpolitik folgen nun die Verzweifelungsakte hektischer Betriebsamkeit.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr gut!)

    Die Arbeitslosigkeit hat katastrophale Ausmaße erreicht. Sie ist, allen Ablenkungsversuchen zum Trotz, das Problem Nummer eins, an dem viele andere Probleme hängen.
    Aber was kümmert das diese Regierung in ihrer selbstverschuldeten Finanzklemme? Sie kürzt die Arbeitslosenunterstützung, befristet das Arbeitslosengeld und bekämpft damit die Arbeitslosen anstatt die Arbeitslosigkeit.
    Geplant ist die statistische Bereinigung, indem der wachsende Sockel der Dauerarbeitslosigkeit in die Sozialhilfe umgesetzt wird. Die gleichzeitige Beschneidung der Sozialhilfeleistungen aber vertieft die Spaltung der Gesellschaft — eine wohl dauerhaft bleibende historische Leistung der Regierung Kohl. Hier winkt schon der Kanzler Brüning oder läßt grüßen. Ich denke, das ist schon vergleichbar.
    Für die Pflegeversicherung sollen die Kranken aufkommen. Die Löcher im Haushalt sollen die Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger stopfen. Gleichzeitig werden von Bundesregierung und SPD-regierten Ländern Steuersenkungen für Unternehmen beschlossen, getreu dem barmherzigen Motto der christlich-liberalen Koalition: Wer reich ist, dem wird gege-



    Werner Schulz (Berlin)

    ben; wer wenig hat, dem wird auch das noch genommen.
    Kein Bluff wird ausgelassen. Jetzt wird mit einem faulen Trick die unsoziale Sparpolitik am Bundesrat vorbeigeschlenzt. Es führt offenbar nichts daran vorbei: Im zustimmungspflichtigen Teil werden die Länder vor die Wahl gestellt, die Sozialhilfekürzungen zu akzeptieren oder den ohnehin bedürftigen Kommunen große Finanzlasten aufzubürden.
    Nach wie vor werden die Haushaltsrisiken verharmlost oder ausgeblendet. Das für 1993 angenommene Bruttoinlandsprodukt nähert sich mehr einem Wunschtraum als der Wirklichkeit. Die nächste Korrektur der Steuereinnahmen ist vorhersehbar. Der ministeriöse Erblastfonds, die außenwirtschaftlichen Gewährleistungen mit Ausfallrisiko, die Defizite von Bundesbahn und Reichsbahn, die steigenden Lasten der Bundesanstalt für Arbeit und die schwebenden Verfahren „Konzernhaftung Treuhand", „Rentenausgleichszahlung" und „Lufthansa-Privatisierung" bilden ein explosives Gemisch für den vom Rotstift gezeichneten Bundeshaushalt.
    Da ich gerade von Unterschlagungen rede: Der Sammelsuriumsbericht zum Standort Deutschland verschweigt, daß auch die Finanz- und Steuerpolitik zu einer Schwächung der Standortbedingungen geführt hat. Seit Jahren werden zur Verschleierung der finanziellen Notlage die Sozialversicherungen für die Alimentierung Ostdeutschlands zweckentfremdet. Allein 1993 werden 50 Milliarden DM aus den Kassen der Arbeitslosen- und Rentenversicherung für die Transfers aufgebracht. Da liegt der Grund für den Anstieg der Lohnnebenkosten. Auch da hat die Bundesregierung die Probleme, die sie heute beklagt, selbst mitverursacht.
    Das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit ist mit der deutschen Einheit aus den Fugen geraten. Jetzt wakkelt der soziale Friede; ein von Regierung und Unternehmern allzuoft unterschätzter Standortvorteil. Am Rande dieser Gesellschaft rumort es. Die Benachteiligten stemmen sich gegen die Endgültigkeit ihres Schicksals. Auch rücksichtslose Ausgrenzung, Perspektivlosigkeit und Lebensentwertung schlagen gewaltsam zurück. Andererseits fehlt es nicht an Willen, Fleiß und Ideen. Die Menschen in den neuen Bundesländern, das Gros der Arbeitslosen in Ost und West, die sind bereit, die Ärmel aufzukrempeln, falls ihnen die Regierung Kohl nicht vorher das letzte Hemd ausgezogen hat.
    Kein Zweifel: In Anbetracht der strapazierten Kassen und der enormen Anforderungen für den Aufbau Ost gilt strikte Sparsamkeit. Doch diese Regierung spart zuwenig und zudem am falschen Fleck.
    Während die Haushalte der Arbeitslosen und der Sozialhilfeempfänger schrumpfen, wachsen der Haushalt von Bundespräsidialamt, Bundeskanzleramt und Bundestag. Justiz, Innenpolitik und Gesundheit erhalten zwar in allen Staatsreden mehr Bedeutung — wir werden das morgen hören —, aber demnächst auch weniger Geld. Auch Bildung und Wissenschaft verlieren an Gewicht. Innerhalb der OECD liegen wir mit diesen richtungsweisenden Ausgaben bereits an 22. Stelle.
    Die zukunftsbestimmenden Etats Forschung und Entwicklungshilfe kommen ebenfalls an die kurze Leine des Finanzministers. Was nützt da die Feststellung von der verschlafenen Innovation oder die Beteuerung, daß die Fluchtursachen bekämpft werden müssen? Wer Forschungsmittel einfriert, muß sich nicht über die geistige Schockfrostung wundern. Wer den Geldfluß in die Zwei-Drittel-Welt drosselt, erhöht den Einwanderungsdruck in die Bundesrepublik.
    Die mehrfach versprochene Subventionskürzung findet wieder nicht statt. Die Befristung von Subventionen bleibt ebenfalls eine unverbindliche Absichtserklärung. Nach wie vor gilt: Die einzige Wirtschaft, die unter dieser Regierung Konjunktur hat, ist die Cliquenwirtschaft. Diese Regierung findet keine Einsparmöglichkeiten, weil sie auf sozialen Abwegen ist. Dabei gäbe es im eigenen Verantwortungsbereich genügend. Allein das „Journal für Deutschland", neu herausgegeben, kostet 3,2 Millionen DM: Eine glanzlose Politik auf Hochglanzpapier wird hier teuer verkauft.
    Nach drei Jahren Bundestag ist mir bewußt, daß die Opposition Forderungen stellen kann, die nichts, aber auch gar nichts bewirken. Unsere Forderungen liegen seit den Sozialpaktgesprächen auf dem Tisch: Ökosteuern, Arbeitsmarktabgabe, Investitionshilfeabgabe, Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Eintreibung von Steuerrückständen, EG-weite Regelung der Zinssteuer, Einsparungen im Rüstungsetat, Wegfall von Subventionen und Steuervergünstigungen, verkehrswertgerechte Vermögensbewertung, Abschöpfung von Bodenspekulationsgewinnen usw. Damit könnten ein solider Haushalt ohne Sozialkürzungen, der Aufbau Ost, ein zukunftsträchtiges Energie- und Infrastrukturprogramm und ein zweiter Arbeitsmarkt finanziert werden. Doch Kooperation ist in diesem Parlament nicht gefragt.
    Was wir tun können, ist, Klarheit zu vermitteln, daß die Lebenslüge über die Kosten der deutschen Einheit, der unterbliebene Lastenausgleich die meisten teuer zu stehen kommt. Die Gewinner der deutschen Einheit bleiben unberührt. Sie haben den mühelosen Reibach längst auf der hohen Kante liegen oder profitabel im Ausland investiert.
    Vor annähernd 20 Jahren hat die CDU die „neue soziale Frage" entdeckt. Die Regierung Kohl hat sie nun übersichtlich und einseitig entsorgt. Wenn diese Regierung nach Leistung bezahlt werden sollte, dann müßte sie ab heute Schlechtwettergeld bekommen. Denn seit dem eitlen Sonnenschein der Wiedervereinigungsfeier steht sie im Regen, und das ist wahrlich kein goldener.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS/Linke Liste)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Hans Peter Schmitz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Peter Schmitz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Schulz, ich habe bei Ihrer Rede gedacht: Wo mag der Herr wohl leben? — Jedenfalls nicht in Deutschland.

    (Zurufe von der SPD)




    Hans Peter Schmitz (Baesweiler)

    Ein zweiter Punkt, der mir aufgefallen ist: Wenn Sie sich wirklich sachlich, inhaltlich mit der Geschichte beschäftigt hätten, würden Sie diesen Vergleich mit der Brüningschen Politik mit Sicherheit so nicht ziehen. Ich halte ihn historisch für falsch. Sachlich ist er eh falsch.
    Meine Damen und Herren, klar ist — und daran geht überhaupt kein Weg vorbei —: Wir müssen feststellen, daß die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im letzten halben Jahr erheblich schwächer verlaufen ist, als wir dies zu Anfang des Jahres noch erwarten konnten. Trotz der ersten Anzeichen einer Stabilisierung der Wirtschaftslage ist derzeit noch nicht absehbar, inwieweit die Konjunkturkrise, in der wir uns zweifellos befinden, zurückgeht. Darüber hinaus hat der Konjunktureinbruch die vorhandenen strukturellen Defizite — das kommt eigentlich zuwenig zum Ausdruck — deutlich sichtbar werden lassen. Sie müssen gerade jetzt entschlossen angepackt werden. Darauf werde ich in meinen Ausführungen noch eingehen.
    Diesen veränderten Rahmenbedingungen tragen der vom Bundesfinanzminister heute eingebrachte Entwurf des Bundeshaushalts 1994 sowie das Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramm der Bundesregierung und die entsprechenden Gesetzentwürfe Rechnung.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Im Nehmen seid ihr immer gut!)

    Der konjunkturelle Einbruch hat zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit und somit zu einer erheblichen Steuermindereinnahme bei einem gleichzeitig entsprechend höheren Zuschußbedarf der Bundesanstalt für Arbeit geführt. Im laufenden Haushalt haben wir über 25 Milliarden DM Anstieg der Nettokreditaufnahme auf 67 Milliarden DM hinnehmen müssen. Für das laufende Jahr hat es keine andere Alternative gegeben, als die konjunkturbedingte Deckungslücke durch eine entsprechende Erhöhung der Nettokreditaufnahme zu finanzieren. Ich denke, das ist völlig unstreitig. Ebenso unstreitig muß es aber auch sein, daß die jährliche Nettokreditaufnahme in dieser Größenordnung auf Dauer gesehen nicht vertretbar ist. Da sind sich wohl alle Seiten des Hauses einig.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Insofern ist es nicht nur konsequent, sondern auch zwingend geboten gewesen, daß die Bundesregierung neben dem Entwurf des Haushalts 1994 zum Abbau struktureller Defizite auch ihr Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramm mit einem Entlastungsvolumen für den Bund bei den Einnahmen und bei den Ausgaben von 21 Milliarden DM für das Jahr 1994, das auf 28 Milliarden DM ansteigt, und das für die öffentlichen Gesamthaushalte ein Entlastungsvolumen von jährlich 25 bis 35 Milliarden DM erbringt, vorgelegt hat.
    Damit werden die Voraussetzungen für eine kontinuierliche Rückführung der Nettokreditaufnahme geschaffen, wie dies im Finanzplan vorgesehen ist. Wir haben das ehrgeizige Ziel, die Nettokreditaufnahme bis 1997 auf 38 Milliarden DM zurückzuführen. Ich halte dies für wichtig und erstrebenswert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ohne die Realisierung dieses Konzepts würde die Nettokreditaufnahme im Jahr 1994 nicht auf dem diesjährigen Niveau gehalten werden können. Sie würde mit Sicherheit steigen.
    Wer, meine Damen und Herren von der Opposition — wir haben das heute wieder festgestellt —, so vehement gegen die heute eingebrachten Gesetzentwürfe herzieht, der sollte sich nicht immer darauf beschränken, zu sagen, wogegen er ist, sondern er sollte klipp und klar erklären, wie seine eigenen Alternativen aussehen.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Haben wir gemacht!)

    Jedenfalls — Frau Matthäus-Maier, ich werde mir den Katalog noch einmal zu Gemüte führen — in der ersten Durchsicht habe ich keine sehr ernst zu nehmenden Vorschläge bei Ihnen gefunden.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Haben wir Ihnen doch alles schriftlich vorgelegt! 20 Milliarden!)

    — Das ist sehr nett. Das werden wir dann prüfen.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Das hätten Sie schon längst prüfen können!)

    Im Gegenteil, was in den letzten Tagen und Wochen und auch heute aus Ihren Reihen zu hören war, hat nichts mit Einsparen zu tun, aber viel mit zum Teil sehr unnützen Mehrausgaben, z. B. die wiederholte Forderung nach Beschäftigungsprogrammen. Die haben Sie schon während Ihrer Regierungszeit soundso oft angekündigt und vorgelegt. Sie haben nichts anderes gebracht, als Geld gekostet, und nichts Nennenswertes bewirkt. Diese Programme sind verpufft. Sie waren heiße Luft, mehr nicht.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein, finde ich, bemerkenswertes Zitat aus der „Frankfurter Rundschau", die Ihnen bekanntlich nähersteht als uns, vom 26. August dieses Jahres vortragen:
    An den Vorschlägen, wie und wofür der Staat mehr Geld ausgeben sollte, hat es noch nie gefehlt. Wenige Tage vor dem Start der Haushalts- und Spardebatten in Bundestag und Bundesrat mangelt es denn auch nicht an Wünschen aus den Reihen der SPD, wo überall Bonn nicht kürzen oder zusätzlich draufsatteln sollte.
    An dieser Feststellung hat sich nichts geändert, auch heute in der Debatte nicht. Dein habe ich nichts hinzuzufügen.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Das ist der Fehler, daß Sie da aufhören! Lesen Sie doch weiter vor!)

    Das öffentliche Erscheinungsbild in den letzten Wochen entspricht dem auch. In den letzten Monaten und Wochen sind sie auch in der Haushalts- und Finanzpolitik einfach konzeptlos gewesen. Der Kollege Dreßler und andere aus Ihren Reihen äußern die Befürchtung, wir würden uns da — so wörtlich — totsparen. Wem in der jetzigen Situation aber nichts anderes einfällt, als die vorhandenen strukturellen Defizite durch immer weitere Ausdehnung des öffentlichen Korridors oder, wenn sie so wollen, der Nettokreditaufnahme zu finanzieren, der muß sehr genau



    Hans Peter Schmitz (Baesweiler)

    wissen, daß dies nicht nur den Spielraum für dringend benötigte private Investitionen einschränkt. Er provoziert vielmehr, daß er eine höhere Zinsquote, höhere Leitzinsen, eine höhere Inflationsrate bekommt und den Handlungsspielraum der Bundesbank entscheidend einschränkt. Damit würde im Grunde genommen jedwede konjunkturelle Entwicklung abgewürgt werden.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Sie reden gezielt an unseren Vorschlägen vorbei!)

    — Wenn man Ihre Vorschläge einmal genau prüft, stellt man fest, daß genau das drin ist, was ich eben gesagt habe: Konjunkturprogramm noch und noch, Vorschläge zur Ausgabenpolitik. Aber wenn man mit Ihnen einmal über die Vorschläge für Einsparungen zur Stabilisierung unserer wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse reden will, ist nichts vorhanden. Insofern bleibe ich bei der Feststellung, die ich eben getroffen habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Detlev von Larcher [SPD]: Das ist falsch! Da hilft auch das Klatschen nicht!)

    Auch an weiteren Vorschlägen — ich bin gespannt, was nachher Kollege Poß hier verkünden wird — über das hinaus, was geplant worden ist, haben Sie aus Ihren Reihen nichts anderes als Steuererhöhungen gefordert. Das ist Gift — das wissen Sie selber — für die Konjunktur. Es ist nicht vertretbar.
    Auch die Abgabenquote — das ist schon mehrfach ausgeführt worden; der Finanzminister hat das dankenswerterweise noch einmal festgeklopft — und die Staatsquote sind uns zu hoch.