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    Plenarprotokoll 12/144 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 144. Sitzung Bonn, Freitag, den 5. März 1993 Inhalt: Dank an den Abgeordneten Wolfgang Roth für seine langjährige Mitarbeit im Deutschen Bundestag 12411A Tagesordnungspunkt 10: a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahreswirtschaftsbericht 1993 der Bundesregierung (Drucksache 12/4330) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahresgutachten 1992/93 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache 12/3774) c) Beratung des Antrags des Abgeordneten Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Beteiligung der Betroffenen am Konzept zum Erhalt industrieller Kerne (Drucksache 12/4429) d) Beratung des Antrags des Abgeordneten Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Vorlage des Konzepts zum Erhalt industrieller Kerne (Drucksache 12/4430) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Roth, Hans Berger, Dr. Ulrich Böhme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Eine sich selbst verstärkende Rezession durch kompetente Wirtschaftspolitik abwenden (Drucksache 12/4453) Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 12373D Dr. Uwe Jens SPD 12374C, 12415A Oskar Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 12378B Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU . . . 12380A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . 12380 C Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 12384 B Peter W. Reuschenbach SPD . . . . . 12386 C Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . . 12387 B Dr. Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen . 12390A Wolfgang Roth SPD 12390D Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 12393B, 12408 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12398D Rainer Haungs CDU/CSU 12400 C Wolfgang Roth SPD . . . . . . . . . . 12403 D Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 12408 C Bernd Heim PDS/Linke Liste 12411 A Josef Grünbeck F.D.P. . . . . 12412A, 12413C Ingrid Matthäus-Maier SPD 12413 B Friedhelm Ost CDU/CSU 12414A Christian Müller (Zittau) SPD 12415 C Dr. Hermann Pohler CDU/CSU 12418B Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 12419A Ortwin Lowack fraktionslos 12420 C II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. März 1993 Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Jung (Düsseldorf), Holger Bartsch, Hans Berger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Ein gemeinsamer Europäischer Binnenmarkt braucht eine ökologisch verantwortbare Energieversorgung (Drucksache 12/3767) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Jung (Düsseldorf), Gerd Andres, Holger Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Übertragung der örtlichen Energieversorgungseinrichtungen an die ostdeutschen Kommunen (Drucksachen 12/3624, 12/4259) Volker Jung (Düsseldorf) SPD 12422 C Heinrich Seesing CDU/CSU 12424A Klaus Beckmann F.D.P. 12425C Dr. Fritz Gautier SPD . . 12427A, 12437A Bernd Heim PDS/Linke Liste 12427 C Holger Bartsch SPD 12429A Ulrich Klinkert CDU/CSU . . . . . . . 12430B Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 12432B Dr. Fritz Gautier SPD 12433 B Ulrich Klinkert CDU/CSU 12434 B Dr. Bernd Protzner CDU/CSU 12436 B Nächste Sitzung 12437 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 12439* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 11 (a — Antrag: Ein gemeinsamer Europäischer Binnenmarkt braucht eine ökologisch verantwortbare Energieversorgung; b — Antrag: Übertragung der örtlichen Energieversorgungseinrichtungen an die ostdeutschen Kommunen) Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12440* A Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 12441* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. März 1993 12373 144. Sitzung Bonn, den 5. März 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 5. 3. 93 Bachmaier, Hermann SPD 5. 3. 93 Baum, Gerhart Rudolf F.D.P. 5. 3. 93 Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 5. 3. 93 ** Bock, Thea SPD 5. 3. 93 Böhm (Melsungen), CDU/CSU 5. 3. 93 * Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 5. 3. 93 Büchler (Hof), Hans SPD 5. 3. 93 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 5. 3. 93 * Bulmahn, Edelgard SPD 5. 3. 93 Clemens, Joachim CDU/CSU 5. 3. 93 Cronenberg (Arnsberg), F.D.P. 5. 3. 93 Dieter-Julius Dempwolf, Gertrud CDU/CSU 5. 3. 93 Fuchs (Verl), Katrin SPD 5. 3. 93 Gansel, Norbert SPD 5. 3. 93 Gattermann, Hans H. F.D.P. 5. 3. 93 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 5. 3. 93 Genscher, Hans Dietrich F.D.P. 5. 3. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 5. 3. 93 Johannes Gleicke, Iris SPD 5. 3. 93 Gres, Joachim CDU/CSU 5. 3. 93 Gries, Ekkehard F.D.P. 5. 3. 93 Harries, Klaus CDU/CSU 5. 3. 93 Hasenfratz, Klaus SPD 5. 3. 93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 5. 3. 93 Hilsberg, Stephan SPD 5. 3. 93 Horn, Erwin SPD 5. 3. 93 ** Dr. Hoth, Sigrid F.D.P. 5. 3. 93 Huonker, Gunter SPD 5. 3. 93 Ibrügger, Lothar SPD 5. 3. 93 Klappert, Marianne SPD 5. 3. 93 Klemmer, Siegrun SPD 5. 3. 93 Kolbe, Manfred CDU/CSU 5. 3. 93 Kolbow, Walter SPD 5. 3. 93 ** Koschyk, Hartmut CDU/CSU 5. 3. 93 Kretkowski, Volkmar SPD 5. 3. 93 Lenzer, Christian CDU/CSU 5. 3. 93* Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 5. 3. 93 Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 5. 3. 93 Dr. Matterne, Dietmar SPD 5. 3. 93 Michels, Meinolf CDU/CSU 5. 3. 93 * Mischnick, Wolfgang F.D.P. 5. 3. 93 Müller (Pleisweiler), SPD 5. 3. 93 Albrecht Müller (Wadern), CDU/CSU 5. 3. 93 Hans-Werner Nelle, Engelbert CDU/CSU 5. 3. 93 Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 5. 3. 93 Oesinghaus, Günther SPD 5. 3. 93 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Otto (Frankfurt), F.D.P. 5. 3. 93 Hans-Joachim Pfeffermann, Gerhart O. CDU/CSU 5. 3. 93 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 5. 3. 93 Pfuhl, Albert SPD 5. 3. 93 Priebus, Rosemarie CDU/CSU 5. 3. 93 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 5. 3. 93 * Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 5. 3. 93 Susanne Rempe, Walter SPD 5. 3. 93 Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 5. 3. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 5. 3. 93 Ingrid Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 5. 3. 93 Helmut Schaich-Walch, Gudrun SPD 5. 3. 93 Dr. Scheer, Hermann SPD 5. 3. 93 * Scheffler, Siegfried Willy SPD 5. 3. 93 Schmidbauer (Nürnberg), SPD 5. 3. 93 Horst Schmidt (Dresden), Arno F.D.P. 5. 3. 93 Schröter, Karl-Heinz SPD 5. 3. 93 Schulte (Hameln),Brigitte SPD 5. 3. 93 ** Dr. Schulte (Schwäbisch CDU/CSU 5. 3. 93 Gmünd), Dieter Schwanitz, Rolf SPD 5. 3. 93 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 5. 3. 93 Christian Seibel, Wilfried CDU/CSU 5. 3. 93 Seuster, Lisa SPD 5. 3. 93 Stachowa, Angela PDS/LL 5. 3. 93 Dr. Starnick, Jürgen F.D.P. 5. 3. 93 Steinbach-Hermann, CDU/CSU 5. 3. 93 Erika Stiegler, Ludwig SPD 5. 3. 93 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 5. 3. 93 Thierse, Wolfgang SPD 5. 3. 93 Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter CDU/CSU 5. 3. 93 Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 5. 3. 93 Vosen, Josef SPD 5. 3. 93 Graf von Waldburg-Zeil, CDU/CSU 5. 3. 93 Alois Waltemathe, Ernst SPD 5. 3. 93 Welt, Jochen SPD 5. 3. 93 Wester, Hildegard SPD 5. 3. 93 Westrich, Lydia SPD 5. 3. 93 Wieczorek-Zeul, SPD 5.3.93 Heidemarie Wiefelspütz, Dieter SPD 5. 3. 93 Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 5. 3. 93 Simon Wohlleben, Verena SPD 5. 3. 93 Ingeburg Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 5. 3. 93 Zierer, Benno CDU/CSU 5. 3. 93 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung 12440* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. März 1993 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 11 (a-Antrag: Ein gemeinsamer Europäischer Binnenmarkt braucht eine ökologisch verantwortbare Energieversorgung; b-Antrag: Übertragung der örtlichen Energieversorgungseinrichtungen an die ostdeutschen Kommunen) Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der Energiepolitik bleibt viel zu tun. Nach wie vor wird der Alltag der Industriegesellschaften von einem exzessiven, verschwenderischen Energieverbrauch bestimmt, an dem unsere Mitwelt unausweichlich zugrunde geht. Die unverminderte Ausbeutung, Zerstörung und Vergiftung der natürlichen Ressourcen und der ökologischen Kreisläufe, die mit der überholten Wachstumsideologie unseres Industriezeitalters einhergehen, lassen — nicht ohne Grund — viele Menschen zweifeln, ob überhaupt noch eine Wende möglich ist. Es ist heute ein Gemeinplatz, daß eine energiepolitische Zeitenwende zur Lösung der gewaltigen Herausforderungen, welche die Umweltkrise an uns richtet, dringend notwendig ist. Die offizielle Energiepolitik aber, die der Bundesregierung, die der Energiekonzerne und nicht zuletzt die der EG-Kommission, schreckt vor dieser Jahrhundertaufgabe zurück. Gerade die Protagonisten des Status quo in der Bundesrepublik, allen voran die Bundesregierung, geben ein trauriges Bild ab. Unter dem Eindruck einer hervorragenden Arbeit der Klimaenquete verkündete die Bundesregierung im Jahre 1990 ein ehrgeiziges umweltpolitisches Ziel: 25 bis 30 % Minderung der Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahre 2005. Gut anderthalb Jahre später ging die Bundesregierung darüber noch weit hinaus und unterzeichnete auf der UNCED-Konferenz in Rio sogar ein Abkommen, das eine Stabilisierung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre als Ziel vorsieht. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als daß die Bundesrepublik Deutschland bis Mitte nächsten Jahrhunderts vollständig aus der Nutzung fossiler Brennstoffe aussteigen muß. Diesen richtungsweisenden oder besser modellhaften Zielen folgten aber bis heute keine nennenswerten Taten, im Gegenteil. Mit dem unbeirrten Festhalten an der Kernenergie demonstriert die Bundesregierung eindrücklich ihren Unwillen, an den hochgradig verschwenderischen Strukturen unseres Energiesystems Grundsätzliches zu ändern. Die Bundesregierung ist eine Innovationsbremse. Energiepolitik läßt sich natürlich nicht nur auf Klimapolitik reduzieren. Aber es ist gerade der drohende Klimaschock, in dem sowohl die Fehlentwicklungen des bisherigen Wirtschaftens der Industriegesellschaften deutlich werden, als auch die Größenordnung des erforderlichen Wandels zur Bewältigung der Probleme. Die Bundesregierung jedenfalls kann oder will ihren Beitrag zur Lösung der globalen Klimaprobleme nicht leisten. Sollte man deswegen, um die Hoffnung auf Veränderung nicht aufgeben zu müssen, auf die nächsthöhere Organisationsstufe setzen? Sollte man von der EG erwarten, was die Bundesregierung zu leisten nicht in der Lage ist? Auch das scheint vergeblich. Die energiepolitischen Vorstellungen der EG-Kommission wirken angesichts der Problemlage geradezu anachronistisch, und das, obwohl der Ansatz auf den ersten Blick plausibel zu sein scheint. Wettbewerb im Gas- und Strombereich, Aufbrechen regionaler und nationaler Monopole, Öffnung der Leitungen für Dritte — das klingt passabel. Aber das eigentliche Ziel dieser Liberalisierungspolitik, nämlich die erwünschten Preissenkungen, geht ohne neue Rahmenbedingungen in eine völlig falsche Richtung. Die angestrebten Preissenkungen schreiben die Energieverschwendung fest, unter der die Umwelt und die Gesundheit vieler Menschen heute leiden. Aber auch markt- und wettbewerbspolitisch ist diese Politik fehlgeleitet. Sollten die EG-Richtlinien Wirklichkeit werden, würde eine Entwicklung eingeleitet, die statt zu mehr Wettbewerb zu einer Konzentration der Energieversorgung auf wenige Großunternehmen in Europa hinausläuft. Die Energiekonzerne könnten mit ihren oftmals schon abgeschriebenen Großanlagen schnell den Markt beherrschen und Stellungen festschreiben. Dadurch würde nicht zuletzt auch der anstehende Vergleich zum Stromvertrag zwischen den ostdeutschen Kommunen und den westdeutschen Stromkonzernen wieder ausgehebelt. Die innovativen Impulse, die von der Rekommunalisierung der Energiewirtschaft Ostdeutschlands für ganz Deutschland und Europa ausgehen könnten, würden durch den Einstieg in den europäischen Energiemarkt in den Sand gesetzt. Völlig unterschiedliche Umweltstandards, Sicherheitsvorschriften sowie Steuern und Subventionen innerhalb Europas führen für die Energieunternehmen zu sehr divergierenden Startbedingungen. So käme eine Öffnung des Energiemarktes zu den heutigen Bedingungen in erster Linie den französischen Atomstromlieferanten zugute. Es darf nicht wahr sein, daß in Deutschland der Konsens für einen Ausstieg aus der Atomwirtschaft gesucht wird, um dann französischen Atomstrom zu importieren. Die EG-Kommission beschränkt sich mit ihren Vorschlägen zunächst auf den Einstieg mit industriellen Großkunden. Die erhalten dann allerdings Vorteile auf Kosten von Kleinverbrauchern und mittelständischen Gewerbetreibenden. Gleichzeitig läßt sich absehen, daß die EG-Richtlinien zu einem gewaltigen Hemmschuh für alle innovativen Bemühungen zugunsten einer dezentralen, effizienten Energieversorgungsstruktur werden. Unter gegenwärtigen Bedingungen wird der gemeinsame Energiemarkt die Kommunalisierung der Energieversorgung und damit vor allem die zukunftsweisende Kraft-Wärme-Kopplung, aber auch die Eigenerzeugung von Strom in Industrieunternehmen und Haushalten behindern oder sogar unterbinden. Das wäre, das wäre meine Damen und Herren, nicht nur umweltpolitisch fatal. Damit wäre auch eine der nicht eben zahlreichen Chancen zur Schaffung neuer, zukunftssicherer Arbeitsplätze in Ostdeutschland vertan. Und die Beschäftigungswirkungen einer kleinräumigen Energiestruktur sind gar nicht hoch genug einzuschätzen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. März 1993 12441* Zukunftsorientierte Energiepolitik, die Entwicklung von Energiesystemen, kann nicht länger ohne die Umwelt gedacht und konzipiert werden. Die langjährige Ökologiedebatte hat vor allem eins gezeigt: Aus ökonomischer Sicht wurde die Umweltkrise durch ein Grundübel verursacht: Viel zu niedrige Preise für den Energie- und Ressourcenumsatz. Dieser ökonomische Selbstbetrug hinterläßt heute einen Berg ökologischer Schulden gegenüber zukünftigen Generationen, der Natur, der sogenannten Dritten Welt und der eigenen Gesundheit. Deshalb ist es endlich an der Zeit, die entstehenden externen Kosten Zug um Zug den Verursachern aufzubürden. Die EG-Kommission favorisiert hierfür bekanntlich eine Lösung, die als eine Komponente die Einführung einer CO2-Steuer vorsieht. Ein solcher Vorschlag birgt die Gefahr, daß doch wieder die nachsorgenden Umweltschutzmaßnahmen in den Vordergrund treten, die technische Rückhaltung schädlicher Emissionen — letztlich trügerische Alternativen zum grundsätzlichen Wandel des Energiesystems. Im Gegensatz zu den Vorschlägen der EG-Kommission hält die Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine allgemeine Energiesteuer oder besser Primärenergiesteuer für die umweltpolitisch sinnvollere Lösung. Damit werden außer der Klimagefährdung auch die anderen ökologischen Kosten und Schäden der Energieträger vom Abbau über die Nutzung bis zur Lagerung der Reststoffe einbezogen. Nachdem nun auch die USA willens scheinen, in die Richtung eines grundsätzlichen Wandels des Energiesystems zu gehen, fallen die bisherigen Ausreden von EG und auch Bundesregierung weg. So sollte die Bundesregierung mit einer eigenen wirkungsvollen Primärenergiesteuer Zeichen und Impulse auch für die EG setzen. Obwohl die Bundesregierung seit über zwei Jahren ihre Energiepolitik auf Sparflamme kocht, ist jetzt auch in der Bundesrepublik wieder die energiepolitische Debatte in Gang gesetzt worden. Der Energiekonsens ist in aller Munde. Rückgrat eines solchen Konsenses müßte auf jeden Fall eine spürbare und stufenweise wachsende Primärenergiesteuer sein. Diese ist die effizienteste staatliche Maßnahme, um den tiefgreifenden Wandel der Energiestrukturen langfristig anzubahnen. Bei den Konsensgesprächen dreht sich bislang alles um die weitere Nutzung von Atomkraftwerken in der Bundesrepublik. Kein Tag vergeht ohne schweren Schaden, der von der Nutzung der Atomenergie ausgeht. Ich erinnere nur an die fortwirkenden Folgen der Katastrophe von Tschernobyl. Täglich werden Regionen, Nahrungsketten und Menschen weltweit bei Abbau, Verarbeitung und Nutzung des Urans schleichend vergiftet. Allein aus diesen Gründen ist es geboten, in den Konsensgesprächen schnellstmöglich den Ausstieg aus der Atomenergienutzung vorzubereiten. Der Ausstieg aus der Atomenergie mit den damit verbundenen Großkraftwerken und Verbundstrukturen beseitigt zugleich die grundlegenden Strukturhemmnisse auf dem Weg zu einer dezentralisierten, ökologisch angepaßten Energieversorgung. Die Konsensgespräche lassen eines deutlich werden: Die Atomindustrie und ihre Lobby stehen vor dem Aus. Die mit der Atomenergie verbundenen Probleme sind weder technisch noch gesellschaftlich gelöst. Die Energiekonzerne brauchen den Energiekonsens, um nicht in eine auch für sie bedrohliche, unkalkulierbare Situation hineinzuschliddern. Der einzige Konsens, der in dieser Situation erreichbar und vertretbar ist, liegt im kontrollierten, gemeinsam verantworteten Ausstieg aus der unheilvollen Nutzung der Atomenergie. Diese Richtungsentscheidung ist überfällig. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 12. Februar 1993 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen oder einen Einspruch gem. Art. 77 Abs. 3 GG nicht einzulegen. Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Wehrsoldgesetzes Gesetz zur Gewährleistung der Geheimhaltung der dem Statistischen Amt der europäischen Gemeinschaften übermittelten vertraulichen Daten — SAEG-Übermittlungsschutzgesetz — Gesetz über das Ruhen der Verjährung bei SED-Unrechtstaten (VerjährungsG) Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Bundesbauverwaltung Gesetz über gebäude- und wohnungsstatistische Erhebungen (Wohnungsstatistikgesetz — WoStatG) Gesetz zu dem Protokoll vom 9. Dezember 1991 zu der Vereinbarung vom 8. Oktober 1990 über die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe Gesetz zu dem Abkommen vom 18. Juni 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Bahrain über den Luftverkehr Gesetz zu dem Abkommen vom 22. Oktober 1991 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Rumänien fiber die Schiffahrt und den Binnenwasserstraßen Gesetz zu dem Abkommen vom 8. November 1991 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen über die Binnenschiffahrt Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und lindern In Angelegenheiten der Europäischen Union Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 12/1365 Drucksache 12/2791 Drucksache 12/3232 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/4131 Nm. 3.8-3.12 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 12/2144 Nr. 2.14
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    Rede von Volker Jung


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Beschlüsse sowohl in der Europäischen Gemeinschaft wie in unserem Lande, eine sparsame, sichere und umweltschonende Energieversorgung durchzusetzen, sind kaum noch zu zählen. Die Europäische Gemeinschaft hat sich verpflichtet, die CO2-Emissionen in den nächsten Jahren zu stabilisieren. Die Bundesregierung will bis zum Jahre 2005 eine Reduzierung um mindestens 25 % erreichen.
    In den letzten drei Jahren ist allerdings praktisch nichts geschehen, um diese Ziele zu erreichen. Im Gegenteil: In der Europäischen Gemeinschaft ist der Energieverbrauch um 200 bis 300 Millionen Tonnen auf mehr als 1,8 Milliarden Tonnen gestiegen. Der Mehrverbrauch entspricht dem Energieverbrauch Italiens in einem Jahr.
    Gegenüber 1989 sind die Ölpreise um etwa 4 Dollar pro Barrel gefallen. Sie liegen heute bei 18 Dollar. Wenn man bedenkt, daß bei der kombinierten CO2Energie-Steuer mit 3 Dollar pro Barrel begonnen werden soll, dann zeigt das, daß die europäische Energiesteuer allenfalls den Preisverfall der letzten drei Jahre ausgleichen würde.
    Dabei nehmen die Versorgungsrisiken zu. Die Importquote der EG liegt heute bei über 50 %. Rechnet man die 100prozentige Eigenversorgung Großbritanniens ab, dann liegt die Importquote der Europäischen Gemeinschaft bereits bei über 60 %.
    Die unsichere politische Weltlage erhöht nicht nur die Versorgungsrisiken beim Öl, das zu mehr als 60 % aus den OPEC-Staaten kommt; kaum kalkulierbar sind auch die Versorgungsrisiken beim Gas, das wir überwiegend aus der ehemaligen Sowjetunion beziehen; und nicht zuletzt: Die CO2-Emissionen sind in Europa nicht gesunken, sondern gestiegen. Der geringe Rückgang in Deutschland ist auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch in der ehemaligen DDR zurückzuführen, und das kann für uns keine Beruhigung sein.
    Angesichts der rezessiven Tendenzen in der Weltwirtschaft glaube ich nicht, daß wir in der nächsten Zeit starke Energiepreissprünge zu erwarten haben. Unter Klima- und Umweltschutzgesichtspunkten geben die fallenden Energiepreise also Signale in die verkehrte Richtung. Es gibt eben keinen Heilungsmechanismus der Marktwirtschaft zugunsten von Energieeinsparung, Klimaschutz und Umweltschutz.
    Deshalb ist es das Gebot der Stunde, daß die Politik gegensteuert. Davon kann aber weder in Europa noch in Deutschland die Rede sein, wenn man nach den konkreten Änderungen der Rahmenbedingungen, seien es nun solche ordnungsrechtlicher Art oder seien es solche fiskalischer Art, fragt.
    Die EG-Kommission in Brüssel hat energie- und umweltpolitische Vorschläge gemacht, die sich im Ergebnis alle im Dickicht unterschiedlicher Interessen der einzelnen Länder und der Wirtschaft verfangen haben. Durchgesetzt werden konnte so gut wie nichts. Ich erinnere an die Gemeinschaftsstrategie für weni-



    Volker Jung (Düsseldorf)

    ger Kohlendioxidemissionen und mehr Energieeffizienz, an die Vorschläge zur Deregulierung der Gas-und Strommärkte sowie an die Richtlinie zur Einführung einer Energiesteuer. Glücklicherweise hat die Kommission auch noch keinen Erfolg bei ihrer destruktiven Antikohlepolitik gehabt, die, wenn sie durchgesetzt werden würde, nicht nur unsere Importabhängigkeit vergrößern, sondern auch die Versorgungssicherheit beeeinträchtigen würde.
    Die Deregulierungsabsichten hat der Ministerrat vorerst blockiert. Die Kommission muß also neue Vorschläge vorlegen, wenn sie die Unterstützung der Mitgliedstaaten bekommen will. Zu diesem Zweck hat meine Fraktion den jetzt zur Diskussion stehenden Antrag „Ein gemeinsamer Europäischer Binnenmarkt braucht eine ökologisch verantwortbare Energieversorgung" eingebracht.
    Dabei wenden wir uns nicht prinzipiell gegen mehr Wettbewerb. Wir sind allerdings der Ansicht, daß eine gemeinsame europäische Energieversorgung nur dann verantwortbar ist, wenn sie sich in einen einheitlichen ökologischen Ordnungsrahmen einpaßt. Verfälschungen durch nationales Umweltdumping dürfen nicht mehr möglich sein.
    Nach unserer Vorstellung ist ein ökologisch verantwortbarer Wettbewerb aber nur dann möglich, wenn dem Gedanken einer Dezentralisierung der Energieversorgung stärker Rechnung getragen wird. Wir verlangen keine Kommunalisierung um jeden Preis — dem haben wir im Grunde nie das Wort geredet —; aber wir wollen die Chancen einer stärkeren Dezentralisierung der Energieversorgung ausschöpfen, um den größtmöglichen Effekt beim Umweltschutz zu realisieren. Das betrifft den zukünftigen Kraftwerkspark ebenso wie Maßnahmen zur Energieeinsparung. Ohne eine massive Ausweitung der Kraft-WärmeKopplung, die am besten auf lokaler Ebene organisiert wird, ist ein wirksamer Klimaschutz nach unserer Auffassung nicht realisierbar.
    Darum sind wir für eine Stärkung der kommunalen Energieversorgungsunternehmen und nicht für die Herausdrängung aus dem Wettbewerb, wie ihn die Durchleitungsrichtlinien zweifellos bewirken würden.
    Eine reine Wettbewerbsregelung im Strombereich hätte nach unserer Auffassung zwei negative Effekte. Erstens würde am Ende statt mehr Wettbewerb eine größere Konzentration der Energieerzeugung und -versorgung durch wenige Unternehmen entstehen. Die Ergebnisse zahlreicher Deregulierungspolitiken z. B. in den USA und in England weisen darauf hin. Zweitens würde der Umweltschutz vollständig auf der Strecke bleiben, weil es ja Absicht ist, mit der Liberalisierung des Binnenmarkts eine Senkung der Energiekosten zu erreichen. Das würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu mehr Verbrauch von Energie und nicht zu einer effizienten und rationelleren Energienutzung führen.
    Aus unserer Sicht müssen deshalb die Richtlinienentwürfe völlig überarbeitet werden. Wir warten auf Vorschläge der Europäischen Kommission, mit denen
    wirklich eine ökologisch verträgliche Entwicklung in Gang gesetzt werden kann.
    Wie sieht es nun bei uns aus? Die Koalitionsvereinbarung und der Energiebericht der Bundesregierung strotzen nur so von flotten umweltpolitischen Sprüchen, von CO2-Reduktionszielen und Klimaschutz. Bislang wurde aber praktisch kein einziges Instrument zur Erreichung dieser Ziele eingesetzt. Obwohl vollmundig angekündigt, liegt bis heute kein Entwurf für ein neues Energiegesetz vor, gibt es keine Novelle der Wärmeschutzverordnung und wird an eine Wärmenutzungsordnung nicht gedacht.
    Die Fehlentscheidung der Bundesregierung bei den Stromverträgen, die den ostdeutschen Kommunen eigenständige Versorgungsmöglichkeiten vorenthalten und dadurch erst die Verfassungsbeschwerde heraufbeschworen hat, wirkt nach wie vor als Investitionshemmnis. Wir können nur hoffen, daß der Vergleichsvorschlag des Bundesverfassungsgerichts, der an sich schon eine Ohrfeige für die Bundesregierung war, nun doch noch von allen ostdeutschen Kommunen akzeptiert wird.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Unser Antrag zur Übertragung der örtlichen Energieversorgungseinrichtungen an die ostdeutschen Kommunen, den die Regierungsparteien im Wirtschaftsausschuß — wie ich finde, mit sehr fadenscheinigen Gründen — abgelehnt haben, obwohl wir uns in der Sache doch völlig einig waren, weist nach wie vor in die richtige Richtung. Wie wir jetzt sehen, ist er nicht überflüssig geworden.

    (Heinrich Seesing [CDU/CSU]: Leider!)

    Ich möchte daher an Sie appellieren, doch noch unserem Antrag zuzustimmen, um die Kommunen in Thüringen und Sachsen dazu zu bewegen, die Verständigungslösung anzunehmen. Ich denke, Ihre Weigerung ist ein falsches Signal für die betroffenen Kommunen.
    Wir müssen den Investitionsstau in der Energieversorgung der neuen Bundesländer endlich überwinden. Ebenso wie ich seinerzeit an die westdeutschen Energieversorgungsunternehmen und an die Bundesregierung appelliert habe, daß die ostdeutschen Kommunen eine gesunde wirtschaftliche Basis und dort, wo es möglich ist, eigenständige Stadtwerke brauchen, appelliere ich heute an die thüringischen Kommunen, den Verfassungsstreit zu beenden. Die ostdeutschen Kommunen haben jetzt, nicht zuletzt durch den Erfolg der Verfassungsbeschwerde — darauf muß man ausdrücklich hinweisen —, eine echte Chance, mit ihren Stadtwerken maßgeschneiderte kommunale Energieversorgungskonzepte zu realisieren.
    Die Energieverbundgesellschaften, die ja von den westdeutschen Stromkonzernen beherrscht werden und die noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen sind, haben die Pflicht, ihre Investitionsprogramme zu realisieren. Dies wäre ein wichtiger Baustein für einen neuen energiepolitischen Konsens, den wir ja offensichtlich gemeinsam suchen.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei der SPD)






Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster spricht der Abgeordnete Heinz Seesing.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinrich Seesing


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD-Bundestagsfraktion hat in ihrem Antrag „Ein gemeinsamer europäischer Binnenmarkt braucht eine ökologisch verantwortbare Energieversorgung" beklagt, daß mit dem europäischen Binnenmarkt keine Harmonisierung der europäischen Energiepolitiken erreicht ist. Dieses Ziel wird auch nicht zu erreichen sein, wenn die SPD auf dem beharrt, was sie zur Zeit als ihre Energiepolitik ausgibt.
    Ich muß allerdings eingestehen, daß ich heute auch noch keine schlüssige Antwort weiß, wie denn diese europäische Energiepolitik letzthin aussehen könnte. Es gibt tatsächlich noch zu viele Ungereimtheiten.
    Wenn wir uns als Deutsche einer europäischen Energiepolitik nähern wollen, dann müssen wir sicher von unseren nationalen Vorstellungen ausgehen. Und gerade die könnten Hemmnisse auf einem Weg zu einer gesamteuropäischen Energiepolitik sein.
    Unsere nationale Energiepolitik wird, wie man bemerkt, wenn man sie genau anschaut, von vier oder besser fünf großen K bestimmt: Klima, Kohle, Kernenergie, Kraftstoff oder Kraftverkehr und Kasse, was ich nicht unbedingt mit Abkassieren gleichsetzen will.
    Unsere Diskussion über Energie und Umwelt hat uns zu der Forderung nach einer Energiepolitik geführt, die als Ziel die Sicherung einer umweltgerechten Energieversorgung hat. Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Ressourcenschonung sind als gleichwertig zu betrachten.
    Nicht alle Welt, auch nicht ganz Europa, versteht unsere Klimapolitik. Ich will gerne die Forderung der SPD-Kolleginnen und -Kollegen nach einer Stärkung des Klima- und Umweltschutzes zu auch unserer Forderung machen. Dabei muß aber deutlich werden, welche Stellung dieses K wie Klima in unserer Politik wirklich einnimmt.
    Über K wie Kohle werden wir uns in Europa streiten müssen. Ich wage zu bezweifeln, daß wir in allen Staaten der EG Zustimmung für unseren Wunsch erlangen, die Steinkohlenförderung in Deutschland mit hohen Subventionen aufrechtzuerhalten. Da werden wir noch gemeinsam tüchtig zu kämpfen haben, um die Beschlüsse von November 1991 durchzusetzen.

    (Klaus Beckmann [F.D.P.]: Das ist wohl wahr!)

    Und das K wie Braunkohle beschäftigt mich zur Zeit entschieden mehr als z. B. die Frage „Zugang Dritter zum Netz" . Wie denken eigentlich unsere europäischen Freunde über diese Braunkohle, wenn sie hören, daß ein zur Zeit noch leiser Chor von Stimmen statt einheimischer Braunkohle den Einsatz von Importsteinkohle verlangt.
    Das K wie Kernkraft ist Anlaß zum Streit zwischen uns. Dieser Streit wird uns sicherlich noch einige Zeit begleiten. Dennoch bin ich der Meinung, daß es des
    Schweißes der Edlen wert ist, wenn wir versuchen, zum sechsten K zu kommen, zum K wie Konsens.
    Ich will die Sache nicht zu schwer machen. Wir wollen ja nicht nur darüber reden, wie man mit Kernenergie umgehen kann und muß. Wir wollen uns ja unter Umständen auf eine zukunftgerichtete Politik festlegen. Ich sehe dafür vielleicht auch technische Lösungen.
    Ich habe das vierte K wie Kasse und das fünfte K wie Kraftstoffe oder auch Kraftverkehr nicht vergessen. Wir suchen ja ständig nach Geld, obwohl ich immer öfter den Eindruck habe, daß genug davon da ist und wir es nur nicht immer richtig ausgeben. Aber daß wir noch lange das Auto zum „Abkassieren" nutzen können, wage ich zu bezweifeln.
    Das Auto an sich haben wir in unserer Gesellschaft jetzt schon so lange verteufelt, daß immer mehr Menschen sich nur noch mit schlechtem Gewissen hinters Steuer klemmen, selbst wenn sie wirklich keine andere Verkehrsmöglichkeit haben. Noch beruhigen sie ihr schlechtes Gewissen damit, daß sie die nächsten Steuererhöhungen auf Benzin mit freudigem Herzen ertragen. Schließlich werden sie damit, wie sie hoffen, ein Schienennetz finanzieren, das nicht nur die Großstädte in Deutschland und Europa verbindet, sondern auch den ländlichen Raum erschließt. Aber daß sich die Autofahrer damit abfinden, auch noch zum Hauptzahler im Bereich CO2-Energiesteuer zu werden, wage ich zu bezweifeln.
    In dem hier diskutierten Antrag der SPD wird Kritik daran geübt, daß die EG-Kommission eine Beschränkung des Einsatzes subventionierter heimischer Primärenergieträger auf 20 und später auf 15 % der Stromerzeugung vorsieht.
    Wir müssen darauf achten, daß hier nicht immer mehr Subventionsträger entstehen. Ich halte es für eine nationale Aufgabe von hohem Rang, daß wir zunächst alles tun, damit nicht die Braunkohle zu einem Subventionsempfänger werden muß. Deswegen dürfen wir unter keinen Umständen die Braunkohle besonders in Mitteldeutschland und in der Lausitz mit Auflagen und Abgaben belasten, die die Wirtschaftlichkeit verhindern. Ich sprach schon von dem noch leisen Chor der Rufer nach Importsteinkohle statt Braunkohle. Alle finanziellen Auflagen machen die Braunkohle zu teuer gegenüber der Importkohle. Kommt es zu Energiesteuern oder -abgaben in irgendeiner Form, dann stelle ich jetzt die Frage: Ist dann der Anlaß solcher Forderungen schon wieder eine Subvention, die dann schädlich ist?
    Sicher ist, daß der Europäische Binnenmarkt für Energie uns zu einer Neuorientierung unserer Energiepolitik zwingt. Wir diskutieren den Richtlinienvorschlag zum EG-Binnenmarkt für Strom und Gas. Ziel ist es, europaweit den Wettbewerb in der Strom- und Gasversorgung nachhaltig zu beleben.
    Grundsätzlich steht die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dem Anliegen nach mehr Wettbewerb aufgeschlossen gegenüber. Über die Abschaffung von Monopolen und von Ausschließlichkeitsrechten denken wir nach, obwohl es in Deutschland keine staatlichen Lizenzen und keine Staatsmonopole wie in anderen EG-Ländern gibt. Unser nationaler Ord-



    Heinrich Seesing
    nungsrahmen verfügt auf dem Energiesektor bereits heute über viele wettbewerbliche Elemente.
    Jedoch findet auch bei uns die Versorgung von geschlossenen Gebieten statt, die durch ein Geflecht von Demarkations- und Konzessionsverträgen rechtlich abgesichert sind. Das Bundeskartellamt hat sein Vorgehen gegen Konzessionsverträge verstärkt, durch die sich die Kommunen langfristig an Versorgungsunternehmen binden.
    Zur Zeit läuft ein Musterverfahren gegen einen 1971 geschlossenen Vertrag zwischen der RWE-Energie AG und der Stadt Kleve in meinem Wahlkreis. Das Kartellamt beruft sich auf Art. 85 des EWG-Vertrags. Danach soll die Ausschließlichkeitsbindung der Stadt an das RWE aus dem Vertragstext gestrichen werden; sonst droht eine Untersagung.
    In Kleve wie in vielen anderen Orten darf nur das RWE die öffentlichen Wege nutzen. Andere Anbieter dürfen weder das bestehende Netz in Anspruch nehmen noch ein Parallelnetz errichten. Ich gehe davon aus, daß es in Zukunft diese Ausschließlichkeitsbindung nicht mehr geben wird, zumindest nicht, wenn sie für lange Zeiträume festgelegt wird. Der Stadt Kleve wird die Möglichkeit eröffnet, eine eigene Stromversorgung aufzubauen oder Strom aus den Niederlanden ins Netz zu holen oder beides zu tun.
    Es stellt sich die Frage, wie sich die stromverbrauchende Wirtschaft auf diese Gegebenheiten einstellt; denn es wird ja nicht beim Fall Kleve bleiben. Man mag die Entscheidung durch Gerichtsverfahren hinauszögern können; am Ende wird sich der EWG- Vertrag durchsetzen. Ausschließlichkeitsbindungen wird es dann generell nicht mehr geben. Die Energiewirtschaft wird gut daran tun, sich darauf einzustellen.
    Das bedeutet aber noch lange nicht, daß man mit der großen Regelungsdichte und dem bürokratischen Aufwand der EG-Richtlinien zufrieden sein darf. Wir stimmen dem auf jeden Fall nicht zu. Der vorgesehene Netzzugang Dritter und die Entflechtung integrierter Versorgungsunternehmen greifen besonders stark in bestehende Strukturen ein. Hier liegen Risiken, die gegen die Chance abgewogen werden müssen, durch Wettbewerb um Stromabnehmer Druck auf Kosten und Preise auszuüben. Wir haben hier einen kartellrechtlichen Ansatz der Durchleitungen im Einzelfall ermöglicht. Vielleicht ist das kein schlechter Ansatz für gesamteuropäische Lösungen.
    Wir werden die Probleme zu beraten und zu lösen haben. Dabei sollten wir versuchen, möglichst auf einem gemeinsamen Weg zu gehen. Energieversorgung erfordert hohe Investitionen. Diese brauchen lange Zeiträume, damit sie wirtschaftlich sind. Deswegen brauchen wir eine weit in die Zukunft blickende Energiepolitik. Es ist nur im Interesse der Menschen in unserem Lande, wenn wir da das sechste K, nämlich den Konsens, anstreben.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)