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    Plenarprotokoll 12/129 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 129. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1992 Inhalt: Bestimmung des Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, bisher ordentliches Mitglied, zum stellvertretenden Mitglied und des Abgeordneten Ulrich Irmer, bisher stellvertretendes Mitglied, zum ordentlichen Mitglied in der Gemeinsamen Verfassungskommission 11163A Wahl des Abgeordneten Gunnar Uldall zum stellvertretenden Mitglied im Vermittlungsausschuß an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg) 11163 B Erweiterung der Tagesordnung . 11163B Zusatztagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland (Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz) (Drucksache 12/3944) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dietmar Schütz, Michael Müller (Düsseldorf), Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Umweltbereich (Drucksache 12/3948) Peter Götz CDU/CSU 11163 D Otto Reschke SPD . 11166A Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste . 11168A Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. 11169 B Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 1117 1 B Otto Reschke SPD . . 11172A, 11173D Dietmar Schütz SPD 11172 D Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 11173A Rolf Rau CDU/CSU 11174 C Dieter Maaß (Herne) SPD . . . . . . . 11176A Dr. Jürgen Starnick F.D.P. . . . . . . 11177 C Dietmar Schütz SPD 11178D Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . 11180 D Klaus Lennartz SPD . . . . . . . . . . 11182 B Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU . . . 11183 C Dr. Bertram Wieczorek, Parl. Staatssekretär BMU 11184 C Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Verlängerung der Wartefristen für Eigenbedarfskündigungen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Drucksachen 12/2758, 12/3605 [neu], 12/3890, 12/3965) Hans-Joachim Hacker SPD (Berichterstatter) 11187 B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1992 Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Bereinigung von Kriegsfolgengesetzen (Kriegsfolgenbereinigungsgesetz) (Drucksachen 12/3212, 12/3341, 12/3597, 12/3891, 12/3966) Ortwin Lowack fraktionslos (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . 11188 B Zusatztagesordnungspunkt 12: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß) zu dem Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens (Drucksache 12/3980) . . 11188 C Tagesordnungspunkt 4 a: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Baumeister, Dr. Rita Süssmuth, Dr.-Ing. Dietmar Kansy, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Franz Müntefering, Peter Conradi, Gerd Wartenberg (Berlin), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie den Abgeordneten Ina Albowitz, Manfred Richter (Bremerhaven), Dr. Jürgen Starnick, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Bundesbauverwaltung (Zuständigkeitsanpassungs-Gesetz) (Drucksachen 12/3808, 12/3979) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 82 zu Petitionen (Drucksache 12/3962) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 83 zu Petitionen (Drucksache 12/3963) 11188 C Zusatztagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes (Drucksache 12/3978) Joachim Hörster CDU/CSU . 11189 B Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 11190A Manfred Richter (Bremerhaven) F.D.P. . 11190C Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . 11190D, 11191 C Ernst Hinsken CDU/CSU . . 11191B, 11192A Dr. Peter Struck SPD 11192D Tagesordnungspunkt 19: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Bemühungen der Bundesregierung, — im Rahmen der GATT-Verhandlungen zu einer Verringerung der Agrarsubventionen als auch zu einem Abbau der Importhindernisse für Agrargüter aus Entwicklungsländern zu kommen, — die EG-Nahrungshilfepolitik an entwicklungspolitischen Zielsetzungen auszurichten, — um eine Änderung des Artikels 3 der Nahrungsmittelhilfeverordnung dahin gehend, daß Nahrungsmittelhilfen entgegen der bestehenden Regelung grundsätzlich in Entwicklungsländern und nur ausnahmsweise in der EG beschafft werden (Drucksachen 12/926, 12/2016) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Roth, Dr. Norbert Wieczorek, Dr. Ingomar Hauchler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD GATT-Welthandelssystem: Freier Welthandel zur Sicherung der Leistungskraft der deutschen Wirtschaft, Integration Osteuropas in die Weltwirtschaft und Überwindung des Nord-Süd-Konfliktes (Drucksachen 12/1817, 12/1330, 12/1745, 12/2312) Dr. Rudolf Sprung CDU/CSU 11194 C Dr. Elke Leonhard-Schmid SPD 11196B Klaus Beckmann F.D.P. . . . . . . . . 11198 A Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . 11199 B Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste 11200 B Christoph Matschie SPD 11201 B Günter Marten CDU/CSU 11202 A Dr. Gerald Thalheim SPD 11203C Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi. 11204 C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1992 III Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) (Drucksachen 12/3685 [neu], 12/3973) Norbert Geis CDU/CSU 11206 C Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . 11207 A Johannes Singer SPD . . . . . . . . 11207 C Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . 11208 A Dr. Hans de With SPD 11209 C Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . 11210 A Jörg van Essen F.D.P. . . . . . . . . . 11210D Dr. Hans de With SPD . . . 11211B, 11213C Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 11211D Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11212B Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD . . . . 11212D Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 11213B Wolfgang Lüder F.D.P. (Erklärung nach § 31 GO) 11214 B Tagesordnungspunkt 21: a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 240 StGB und zur Straffreiheit für Teilnehmer und Teilnehmerinnen an Demonstrationen mit kurzzeitigen Verkehrsbehinderungen (Drucksache 12/2166) b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Wolfgang Ullmann, Ingrid Köppe, Konrad Weiß (Berlin) und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bereinigung des Strafrechts — § 240 StGB (Drucksache 12/2366) Dr. Hans de With SPD 11215B Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . 11216 B Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11216D Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU . . . . 11217 B Jörg van Essen F.D.P. . . . . . . . . 11218D Dr. Hans de With SPD . . . 11219C, 11222C Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD . . . . . 11220A Klaus-Heiner Lehne CDU/CSU . . . . . 11221 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . . 11223C Zusatztagesordnungspunkt 14: Aktuelle Stunde: Haltung der Bundesregierung in bezug auf Berufsfreiheit, Datenschutz und Hochschulautonomie in Bundesländern, dokumentiert am Beispiel des Freistaates Sachsen Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . . 11225A Dr. Michael Luther CDU/CSU 11226 B Dr. Helga Otto SPD 112273 Dr. Gerhard Päselt CDU/CSU 11227 D Torsten Wolfgramm, Parl. Staatssekretär BMBW 11228D Nächste Sitzung 11229 C Berichtigung . . . . . . . . . . . . . 11229 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 11231' A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Michaela Blunk (F.D.P.) zur Abstimmung über den Entwurf eines KronzeugenVerlängerungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 20) . . . . . . . . . . . . . . . 11231* D Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 21 (a — Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 240 StGB und zur Straffreiheit für Teilnehmer und Teilnehmerinnen an Demonstrationen mit kurzzeitigen Verkehrsbehinderungen und b — Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Strafrechts — § 240 StGB) Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11232* B Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatztagesordnungspunkt 14 (Aktuelle Stunde zur Haltung der Bundesregierung in bezug auf Berufsfreiheit, Datenschutz und Hochschulautonomie in Bundesländern, dokumentiert am Beispiel des Freistaates Sachsen) Angelika Pfeiffer CDU/CSU 11233* D Dr. Gerald Thalheim SPD . . . . . , . 11234* D Anlage 5 Ausgaben des Bundes für Forschung und Entwicklung sowie regionale Wirtschaftsförderung (in den Bereichen Verteidigung, Wirtschaft, Forschung und Technologie, Post und Telekommunikation) im Fünfjahres-Vergleich; Anzahl der in die neuen Bundesländer abgegebenen Aufträge MdlAnfr 12, 13 Drs 12/3921 Dr. Karl-Heinz Klejdzinski SPD Antw PStSekr Bernd Neumann BMFT . . 11235* B Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1992 11163 129. Sitzung Bonn, den 11. Dezember 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 128. Sitzung, Seite 11 134 B: Beim „Endgültigen Ergebnis" ist bei den abgegebenen Stimmen statt „540" „541" und bei „Nein" statt "196" „197" zu lesen. Auf Seite 11 135 B, zweite Spalte, ist bei „SPD" der Name „Angelika Barbe" einzufügen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 11. 12. 92 Brandt-Elsweier, Anni SPD 11. 12. 92 Büchler (Hof), Hans SPD 11. 12. 92 * Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 11. 12. 92 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 11. 12. 92 Peter Harry Dr. Däubler-Gmelin, SPD 11. 12. 92 Herta Dr. Faltlhauser, Kurt CDU/CSU 11. 12. 92 Dr. Feige, Klaus-Dieter BÜNDNIS 11. 12. 92 90/GRÜNE Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 11. 12. 92 Fischer SPD 11. 12.92 (Gräfenhainichen), Evelin Gattermann, Hans H. F.D.P. 11. 12. 92 Dr. Gautier, Fritz SPD 11. 12. 92 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 11. 12. 92 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 11. 12. 92 Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 11. 12. 92 Grünbeck, Josef F.D.P. 11. 12. 92 Heyenn, Günther SPD 11. 12. 92 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 11. 12. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 11. 12. 92 Homburger, Birgit F.D.P. 11. 12. 92 Dr. Hoth, Sigrid F.D.P. 11. 12. 92 Ibrügger, Lothar SPD 11. 12. 92 Jaunich, Horst SPD 11. 12. 92 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 11. 12. 92 Dr. Kübler, Klaus SPD 11. 12. 92 Dr. Laufs, Paul CDU/CSU 11. 12. 92 Leidinger, Robert SPD 11. 12. 92 Lenzer, Christian CDU/CSU 11. 12. 92 Marx, Dorle SPD 11. 12. 92 Mischnick, Wolfgang F.D.P. 11. 12. 92 Mosdorf, Siegmar SPD 11. 12. 92 Müller (Pleisweiler), SPD 11. 12. 92 Albrecht Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 11. 12. 92 Nitsch, Johannes CDU/CSU 11. 12. 92 Oesinghaus, Günther SPD 11. 12. 92 Otto (Erfurt), Norbert CDU/CSU 11. 12. 92 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 11. 12. 92 Rempe, Walter SPD 11. 12. 92 Reuschenbach, Peter W. SPD 11. 12. 92 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 11. 12. 92 Ingrid Dr. Scheer, Hermann SPD 11. 12. 92 Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 11. 12. 92 Schmidt (Nürnberg), SPD 11. 12. 92 Renate Dr. Schmude, Jürgen SPD 11. 12. 92 Dr. Schnittler, Christoph F.D.P. 11. 12. 92 Graf von CDU/CSU 11. 12. 92 Schönburg-Glauchau, Joachim Schröter, Karl-Heinz SPD 11. 12. 92 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 11. 12. 92 Steen, Antje-Marie SPD 11. 12. 92 Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 11. 12. 92 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 11. 12. 92 Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 11. 12. 92 Voigt (Frankfurt), SPD 11. 12. 92 Karsten D. Vosen, Josef SPD 11. 12. 92 Wagner, Hans Georg SPD 11. 12. 92 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 11. 12. 92 Walz, Ingrid F.D.P. 11. 12. 92 Weis (Stendal), Reinhard SPD 11. 12. 92 Welt, Jochen SPD 11. 12. 92 Wieczorek (Duisburg), SPD 11. 12. 92 Helmut Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 11. 12. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Michaela Blunk (F.D.P.) zur Abstimmung über den Entwurf eines Kronzeugen-Verlängerungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 20) *) Dem „Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz" kann ich nicht zustimmen. Folgende Gründe sind für meine Entscheidung maßgeblich: 1. Die Kronzeugenregelung hat nur sehr bedingt die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllt, denn a) die RAF-Aussteiger gehörten zur Zeit ihrer Aussagen schon seit Jahren nicht mehr zu dem terroristischen Kernbereich oder seinem Umfeld, b) ihre Aussagen bezogen sich auf Vorgänge, die lange vor dem Inkrafttreten der Kronzeugenregelung lagen, *) Vgl. Seite 11214A 11232* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1992 c) kaum einem Aussteiger wurde durch die Kronzeugenregelung die Wiedereingliederung in die Gesellschaft ermöglicht, d) der Fall des Kronzeugen Cetiner zeigt die große Versuchung zur Falschaussage. Von ursprünglich 20 von Cetiner Beschuldigten wird nur noch gegen 5 ermittelt, einer wurde in erster Instanz freigesprochen. Die anderen Verfahren wurden meist wegen Geringfügigkeit eingestellt. 2. Unter Praktikern und Wissenschaftlern der Kriminalistik herrscht verbreitetes Unbehagen über die Kronzeugenregelung, weil a) die Struktur des deutschen Strafverfahrens verändert wird, denn der Kronzeuge erscheint nicht persönlich im Prozeß, b) Kronzeuge und Gericht als gleichsam gleichberechtigte Vertragspartner fungieren, c) die Kronzeugenregelung einen „Kuhhandel" in besonders schlimmen Strafsachen darstellt, d) auch das Gericht weiß, daß es den Strafnachlaß in Wirklichkeit nicht für „Reue und Umkehr" gewährt, e) der Grundsatz der „Gleichheit vor dem Gesetz" aufgegeben wird. 3. Die Kronzeugenregelung fordert auch von dem Kronzeugen einen zu hohen Preis, denn a) der Staat verzichtet zwar auf seinen Strafanspruch, b) setzt den Kronzeugen aber der — möglicherweise tödlichen — Rache der verratenen Komplizen aus. Kein noch so wehrhaftes Zeugenschutzprogramm kann absoluten Schutz gewähren. Die bisher geringen Erfolge und die bloße Hoffnung auf bessere Ergebnisse bei der Bekämpfung des Rechtsterrorismus räumen meine starken Bedenken gegen die Kronzeugenregelung nicht aus. Deshalb lehne ich ihre Verlängerung ab. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 21 (a — Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 240 StGB und zur Straffreiheit für Teilnehmer und Teilnehmerinnen an Demonstrationen mit kurzzeitigen Verkehrsbehinderungen und b — Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Strafrechts — § 240 StGB)*) Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Die heute zur ersten Beratung anstehenden Gesetzentwürfe greifen ein Problem auf, das vor allem in den 80er Jahren Gegenstand kontroverser rechtspolitischer Diskussionen war. Anlaß hierfür waren strafgerichtliche Verurteilungen von Teilnehmern an Sitzblockaden z. B. vor *) Vgl. Seite 11224D Atomwaffendepots wegen Nötigung. Diese Verurteilungen wurden vielfach als ungerecht empfunden, weil die Betroffenen doch eigentlich für eine „gute Sache" eintraten, nämlich z. B. für den Abbau von Atomwaffen zum Zwecke der Friedenssicherung. Gestatten Sie mir dazu folgende Bemerkungen: In unserem Rechtsstaat gibt es vielfältige Möglichkeiten, sich an der politischen Meinungsbildung zu beteiligen und sich gegen Mißstände zu wenden, ohne gleichzeitig unzulässigen Zwang auf andere auszuüben. Um das ganz deutlich zu sagen: Niemand darf bestraft werden, nur weil er sich an einer friedlichen Demonstration beteiligt hat. Eine kurzfristige Verkehrsbehinderung, die als sozialadäquate Nebenwirkung einer rechtmäßigen Demonstration unvermeidbar ist, muß von unbeteiligten Passanten hingenommen werden. Das gebieten die in unserer Verfassung verankerten Grundrechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Ich meine aber, daß eine andere Beurteilung angezeigt ist, wenn eine Demonstration gerade darauf angelegt ist, die Fortbewegungsfreiheit anderer zeitweilig zu beeinträchtigen, um so die Aufmerksamkeit auf bestimmte politische Vorstellungen oder bestimmte Mißstände zu lenken. Es ist nahezu einhellige Meinung in Rechtsprechung und Rechtslehre, daß derjenige, der zusammen mit anderen Verkehrswege, Straßenbahnen oder Zu- und Durchgänge körperlich blockiert und dadurch bei dem am Passieren Gehinderten eine unausweichliche, entweder physische oder psychische, Zwangswirkung verursacht, diesen mit Gewalt zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Damit ist der Straftatbestand einer Nötigung erfüllt. Schon nach dein Gesetzeswortlaut ist eine Nötigung aber nur dann rechtswidrig, wenn die Anwendung von Gewalt oder eines anderen Nötigungsmittels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Dabei ging die frühere höchstrichterliche Rechtsprechung davon aus, daß diese sogenannte Verwerflichkeitsprüfung immer dann entbehrlich sei, wenn mit dem Mittel der Gewalt genötigt werde, weil Gewalt die Verwerflichkeit grundsätzlich indiziere. Da das Verhalten von Sitzblockierern aber nach allgemeiner Meinung als Gewalt im Sinne des Nötigungsparagraphen anzusehen ist, kam es zu zahlreichen Verurteilungen. Dem ist das Bundesverfassungsgericht in der bekannten Entscheidung aus dem Jahr 1986 entgegengetreten. Das Grundgesetz gebiete es, in jedem Fall, also auch bei Vorliegen von Gewalt, unter Berücksichtigung aller Umstände abzuwägen, ob der Einsatz des Nötigungsmittels zu dem beabsichtigten Zweck als verwerflich anzusehen sei. Der Strafrichter sei dabei aber von Verfassungs wegen nicht gehalten, die Fernziele der Demonstranten, wie z. B. die Friedenssicherung oder den Umweltschutz, zu berücksichtigen. Der Bundesgerichtshof hat in Übereinstimmung mit dieser Entscheidung im Mai 1988 klargestellt, daß Fernziele von Straßenblockierern nicht bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit, sondern ausschließlich bei der Strafzumessung zu berücksichtigen seien. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1992 11233* Damit ist diese zuvor kontrovers diskutierte Frage eindeutig beantwortet worden, so daß ein im Frühjahr 1988 erarbeiteter Referentenentwurf eines Gesetzes, der diese Klarstellung zum Inhalt hatte, vom Bundesjustizministerium nicht mehr weiterverfolgt wurde. Der in einer weiteren Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 1987 angemahnte gesetzgeberische Handlungsbedarf war danach nicht mehr gegeben. Die Bundesregierung hat in Übereinstimmung mit der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung stets die Meinung vertreten, daß Sitzblockaden strafwürdiges und strafbares Unrecht darstellen, und zwar unabhängig davon, wer sie veranstaltet oder gutheißt und welchem Zweck sie dienen. Eine ersatzlose Aufhebung des § 240 StGB, wie sie in dem Gesetzentwurf der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgeschlagen wird, kommt daher für die Bundesregierung nicht in Betracht. Der Tatbestand der Nötigung schützt die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung. Sie betrifft damit menschliches Tun in praktisch allen Erscheinungsformen. Eine Aufhebung des § 240 StGB würde diesen strafrechtlichen Schutz beseitigen. Angesichts einer Zahl von mehr als 6 100 Verurteilungen nach § 240 StGB im Jahre 1990 ergäben sich unerträgliche Strafbarkeitslücken. Beispielhaft möchte ich hierfür nur auf strafwürdige Nötigungen im Straßenverkehr, z. B. beim Erzwingen der Vorfahrt, hinweisen sowie auf Fälle aus dem sexuellen Bereich, in denen die Schwelle zum eigentlichen Sexualstrafrecht wie Vergewaltigung und sexuelle Nötigung noch nicht überschritten ist, z. B. wenn der Arbeitgeber eine Angestellte durch Drohung mit einer Kündigung dazu bringt, sich auf Intimitäten einzulassen. Welches Ziel hingegen der Gesetzentwurf der SPD letztendlich verfolgt, ist mir nicht ganz klar. Soweit nur die vom Bundesverfassungsgericht verlangte Gesamtwürdigung aller Umstände im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung bei der Nötigung konkretisiert werden soll, ist eine derartige Klarstellung entbehrlich. Die Gerichte sind bereits jetzt gehalten, die Nötigungsvorschrift in diesem Sinne verfassungskonform auszulegen. Damit will ich nicht leugnen, daß es immer noch zu divergierenden Entscheidungen kommen kann. Das liegt aber dort, wo alle Umstände eines Einzelfalles zu berücksichtigen sind, auf der Hand. Soweit mit der Neuregelung bezweckt wird, die Beweggründe des Täters bei der Frage der Rechtswidrigkeit einer Sitzblockade zu berücksichtigen, sprechen meines Erachtens mehrere Gründe gegen eine solche Lösung. Es ist kein größeres Maß an Rechtsklarheit zu erwarten. Ich sehe jedenfalls keine brauchbaren objektivierbaren Bewertungsmaßstände zur Unterscheidung zwischen ehrenwerten und sozial unerträglichen Motiven. Bestünde hier nicht letztlich auch die Gefahr, daß die politische Überzeugung der Blokkierer der inhaltlichen Kontrolle durch den Richter unterzogen würde? Ich glaube behaupten zu können, daß niemand eine derartige „Politisierung" einer allgemeinen Strafvorschrift wünscht. Mir ist darüber hinaus unklar, wie die von den Kollegen der SPD vorgeschlagene Neuregelung in die Praxis umgesetzt werden soll: Ich kann mir zwar theoretisch noch vorstellen, daß ein Gericht nach eingehender Verhandlung die Motivationslage des Angeklagten bewertet. Aber kann man dieses ernsthaft von dem Polizeibeamten vor Ort beim ersten Zugriff verlangen? Schließlich, meine Damen und Herren, sehe ich aber auch die Gefahr einer Radikalisierung der politischen Auseinandersetzung, wenn Beweggründe bei der Frage, ob sich ein Blockierer strafbar gemacht hat, eine Rolle spielen. Gewalt darf in einem Rechtsstaat kein Mittel zur Durchsetzung politischer Meinungen sein, auch nicht noch so ehrenwerter. Daher ziehe ich folgendes Fazit: Es ist sinnvoll, nach geltendem Recht Fernziele von Sitzdemonstranten ausschließlich bei der Festsetzung von Art und Höhe einer Strafe wegen Nötigung zu berücksichtigen. § 240 StGB darf nicht aufgehoben und braucht nicht geändert zu werden. Ausführungen meinerseits zu der in dem SPD-Entwurf vorgeschlagenen Amnestieregelung erübrigen sich daher. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatztagesordnungspunkt 14 (Aktuelle Stunde zur Haltung der Bundesregierung in bezug auf Berufsfreiheit, Datenschutz und Hochschulautonomie in Bundesländern, dokumentiert am Beispiel des Freistaates Sachsen)*) Angelika Pfeiffer (CDU/CSU): Wenn wir heute in der Aktuellen Stunde nach nicht unerheblichem formalem Gerangel der PDS erneut eine Angelegenheit eines neuen Bundeslandes zu diskutieren haben, sehe ich das unter folgenden Aspekten. Zuerst wird hier vordergründig ein formaljuristisches Anliegen angesprochen, das für die Betroffenen von mehr oder weniger erheblicher Bedeutung ist. Zum anderen geht es nach dem uns über Jahre in der DDR nahegelegten Motiv „wem nützt es?" um eine Selbstdarstellung der PDS als Hüter des Grundgesetzes. Ich sehe hier durchaus einen wohlbedachten Bogen von der Arbeit mit dem Stasi-Unterlagen-Gesetz in Brandenburg zu der Hochschulerneuerung in Sachsen. Lassen Sie mich zuerst auf die Unterstellung einer Verletzung des Grundgesetzes eingehen. Das von der PDS anvisierte Schreiben, eine Weisung des Staatsministers für Wissenschaft und Kunst im Freistaat Sachsen an die Rektoren der sächsischen Hochschulen und Universitäten in Personalfragen, bezog sich auf die Wiedereinstellung in einer sächsischen Hochschule, nicht aber auf die Kündigung der bestehenden Arbeitsverhältnisse. Es sollte sichergestellt werden, daß sich Personen, die sich erneut bei derselben oder einer anderen Hochschule des Frei- *) Vgl. Seite 11225A 11234* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1992 Staats Sachsen bewerben, nicht wieder eingestellt werden. Diese Schreiben wurden mit der Umschlagskennzeichnung „Persönlich" unmittelbar an die jeweiligen Rektoren gesandt. Es handelt sich um zwei Listen. In Liste 1 werden Namen von Mitarbeitern angeführt, deren Arbeitsverhältnisse nach Empfehlung der Personalkommissionen mangels persönlicher Eignung gekündigt wurden. In einigen Fällen fußt die Eintragung auch auf der Auskunft der „ GauckBehörde " zur Tätigkeit für das MfS. Außerdem enthält Liste 1 auch Namen, deren Arbeitsverhältnisse die jeweiligen Hochschulen durch Bedarfskündigung oder Aufhebungsvertrag beendeten. Liste 2 enthält Namen von Mitarbeitern, bei denen das Staatsministerium aufgrund der Zuarbeit der Personalkommissionen mangelnde persönliche Eignung sieht. Diesen Mitarbeitern wurde noch nicht gekündigt. Das Verbot der Wiedereinstellung der namentlich genannten Hochschulmitarbeiter greift nicht in deren Recht auf Wissenschaftsfreiheit ein. Durch die Weisung wird weder das Recht der genannten Personen, sich wissenschaftlich zu betätigen, noch das Recht der Verbreitung bzw. Publikation wissenschaftlicher Erkenntnisse berührt. Auch das durch Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz, 107 Abs. 2 SV gewährleistete Selbstverwaltungsrecht der wissenschaftlichen Hochschulen wird weder durch die Erteilung der Weisung noch durch den Versand der Listen verletzt. Dieses Recht auf eigenverantwortliche Wahrnehmung aller hochschulspezifischen Angelegenheiten umfaßt nicht die Personalhoheit. Nach Art. 2 GG, Art. 33 SV ist das Recht eines jeden, über die Erhebung, Verwendung und Weitergabe seiner personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen, geschützt. In dieses Recht darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden. Nach §§ 31 Abs. 7, 13 Abs. 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 sächsisches Datenschutzgesetz (DSG) war die Übermittlung aller personenbezogenen Daten zulässig, da sie für die Erfüllung der Aufgaben des Staatsministeriums und der Hochschulen notwendig war und für Zwecke erfolgte, für die die personenbezogenen Daten erhoben worden sind. Der Versand der Listen war erforderlich, da eine Wiedereinstellung nicht wirksam zu verhindern war. In einer Presseinformation des sächsischen Staatsministeriums der Justiz vom 26. November 1992 — die ich aus zeitlichen Gründen nicht ausführlicher zitieren kann — wird festgestellt, daß bei Übersendung der Liste 1 keine rechtlichen Bedenken bestehen. Bei Liste 2 wird der Zusammenhang mit der Hochschulerneuerung gesehen. Das SMWK habe sicherzustellen, „daß ein für die Betroffenen günstiger Ausgang der laufenden Kündigungsverfahren den Hochschulrektoren künftig ebenfalls mitgeteilt wird". Als rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht wird die versehentliche Mitteilung nichterfolgter Kündigungen unter Namensnennung betrachtet. Daß die Listen unbefugten Dritten bekannt geworden sind, beruhe entweder auf mangelhaften Maßnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes oder auf Dienstvergehen von Beamten. Bei kritischer Betrachtung bleiben aus meiner Sicht folgende Verfahrensunzulänglichkeiten: 1. Der Hinweis „Persönlich" hätte außer auf den Umschlägen auch auf den Schreiben selbst stehen müssen. 2. Es werden versehentlich 11 Mitarbeiter in den Listen aufgeführt, deren Arbeitsverhältnisse fortgesetzt werden können. Da sich der Minister für Wissenschaft und Kunst persönlich schriftlich bei den Betroffenen dafür entschuldigte, sollte man den Betroffenen die Chance geben, die Entschuldigung selbst anzunehmen oder abzulehnen. All dies kann kein Grund dafür sein, daß wir uns hier im Bundestag damit befassen. Warum legt also die Nachfolgepartei der SED, die PDS, Wert auf eine Behandlung hier? Naturgemäß hat sie ein feines Gespür, nein, praktische Erfahrung, mit der Erfassung und Verwertbarkeit von Personendaten. Schließlich hat sie, auch mit Hilfe von „Schild und Schwert der Partei", der Staatssicherheit, die Personenkennzahl PKZ kreiert, mit der neben den Namen alle nur denkbaren Daten jederorts — z. B. an jedem Grenzübergang und in jeder Kaderabteilung — abgefragt werden konnte. Und diese PKZ diente auch der in der DDR üblichen Berufsverbotspraxis. Hatten doch bei Bewerbungen in der Industrie und an Hochschulen z. B. sogenannte Westverwandtschaft und -verbindungen, Parteizugehörigkeit, Aufenthalte in der Sowjetunion usw. Selektionsfunktionen. Ist es nicht die Krönung von Ironie, daß jene Schöpfer von PKZ und Stasi nun sorgfältig darüber zu wachen scheinen, daß Personenrechte geschützt werden? Wer schützt hier eigentlich wen mit welchem Ziel? Wer von den durch die Stasi im Auftrag der SED Bewachten oder Geschädigten wurde denn bisher um Entschuldigung gebeten? Geben wir der SED/PDS Gelegenheit, dies offiziell — auch im Bundestag — zu tun. Dr. Gerald Thalheim (SPD): Beim Gegenstand der heutigen Debatte handelt es sich um einen Punkt, der tatsächlich in die Kompetenz der Länder fällt. Aus diesem Grunde möchte ich mich nicht in der Sache äußern. Allerdings ist einzuräumen, daß wir Abgeordneten insofern angesprochen sind, als es darum geht, in welcher Art und Weise die DDR-Vergangenheit aufgearbeitet wird. Eine zentrale Forderung der Demonstranten des Herbstes 1989 war die personelle Erneuerung der staatlichen Verwaltung und anderer öffentlicher Einrichtungen — insbesondere der Schulen und Hochschulen. Ich will nicht verschweigen, daß ich heute große Zweifel habe, ob das immer mit dem notwendigen Feingefühl erfolgt. Ich wende mich gegen pauschale Verurteilungen und Schuldzuweisungen. Vor allem wende ich mich dagegen, Lehrer und Hochschullehrer generell zu Sündenböcken des alten Systems abzustempeln. Der überwiegende Teil der Abgeordneten aus den neuen Ländern hat einen Hochschulabschluß und hat damit das gesamte Bildungswesen der ehemaligen DDR durchlaufen. Einige der Abgeordneten waren selbst im Hochschulbereich tätig. Ich wende mich jetzt dagegen, ehemalige Berufskollegen pauschal zu verunglimpfen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1992 11235* Die Zugehörigkeit zur SED allein ist ein zu schwaches Argument. Mir ist der Fall eines Lehrers aus Hohenstein bekannt, für den sich mehrere namhafte Persönlichkeiten sowie Kollegen, Schüler und deren Eltern eingesetzt haben, der aber trotzdem aus dem Schuldienst entlassen wird, weil er früher den Posten eines Schuldirektors bekleidet hat. Die pädagogische Qualifikation spielte hier offensichtlich bei der Entscheidungsfindung überhaupt keine Rolle. Zu DDR-Zeiten hat mich oftmals mehr das Mittelmaß von Hochschullehrern gestört als ihre Parteizugehörigkeit. Zu verschweigen ist natürlich nicht, daß viele mit dem Parteibuch Karriere gemacht haben. Ich halte es deshalb für richtig, in jedem Einzelfall zu prüfen, inwieweit der einzelne sich Verfehlungen schuldig gemacht hat. Zweifel habe ich auch, wenn sich heute Abgeordnete von Landtagen in den neuen Ländern zu Richtern aufspielen, die zu früheren Zeiten Parteigänger des SED-Regimes waren. Zum Beispiel war der jetzige CDU-Landtagsabgeordnete des Kreises Hainichen 16 Jahre lang Mitglied der Volkskammer der DDR. Woher nehmen Abgeordnete wie er das Recht, über andere den Stab zu brechen? Das alles sollte bedacht werden, wenn Entscheidungen über das Schicksal von Menschen — wie zur Zeit in Sachsen — getroffen werden. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Bernd Neumann auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Karl-Heinz Klejdzinski (SPD) (Drucksache 12/3921 Fragen 12 und 13): Wie hoch waren die Ausgaben des Bundes für Forschung und Entwicklung, regionale Wirtschaftsförderung (Einzelplan 14/ Verteidigung, Einzelplan 09/Wirtschaft, Einzelplan 30/Forschung und Technologie, Einzelplan 13/Post und Telekommunikation) im Fünfjahres-Vergleich insgesamt, und in welche Bundesländer wurden die Aufträge — ausgedrückt in Prozenten und in absoluten Zahlen — gelenkt? Ist die Bundesregierung in der Lage, mir mitzuteilen, wie viele Arbeitsplätze und in welchen Regionen durch die Ausgaben des Bundes, bezogen auf die obengenannten Einzelpläne neu geschaffen, erhalten oder langfristig gesichert wurden? Zu Frage 12: Die Ausgaben des Bundes für Forschung und Entwicklung (FuE) insgesamt sowie für das Bundesministerium der Verteidigung und die Bundesministerien für Wirtschaft, Post und Telekommunikation sowie für Forschung und Technologie für die Jahre 1986 bis 1990 sind in der Tabelle 1 zusammengestellt. Tabelle 2 weist die FuE-Ausgaben des Bundes für die entsprechenden Jahre in regionaler Gliederung — in absoluten Zahlen und in Prozenten — aus. Eine regionale Gliederung der FuE-Ausgaben der genannten einzelnen Ministerien in vergleichbarer Abgrenzung steht nicht zur Verfügung. Die Aufbereitung der entsprechenden Daten für 1991 (regionale FuE-Daten beziehen sich grundsätzlich nur auf IstAusgaben) ist noch nicht abgeschlossen; diese Angaben werden im Frühjahr 1993 im Bundesbericht Forschung 1993 dem Deutschen Bundestag vorgelegt werden. Anzumerken ist, daß es sich bei den FuE-Ausgaben nicht nur um „Aufträge" handelt, sondern auch und vor allem um Zuwendungen. Im Fall des Bundesministeriums für Forschung und Technologie ist der Anteil der Aufträge vergleichsweise gering, so daß auch nicht von einer „Lenkung" der Mittel in bestimmte Regionen gesprochen werden kann: Die Förderung von Forschung und Entwicklung erfolgt nicht nach regionalen Gesichtspunkten. Die regionale Wirtschaftsförderung des Bundes wird im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe (GA) „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" durchgeführt. Die Tabelle 3 enthält — ausgedrückt in absoluten Zahlen und in Prozenten — die Bundesmittel für die regionalen Aktionsprogramme der alten Bundesländer, in denen mit GA-Mitteln gefördert wird, für die Jahre 1988 bis 1992. Tabelle 4 weist die entsprechenden Angaben für die neuen Bundesländer aus (beginnend mit dem ersten Haushaltsjahr nach der Vereinigung). In Tabelle 5 sind darüber hinaus die Mittel des regionalen Sonderprogramms im Rahmen des Gemeinschaftswerks Aufschwung-Ost aufgeführt. Zu Frage 13: Ihre Frage, wieviele Arbeitsplätze und in welchen Regionen durch die Ausgaben de Bundes, bezogen auf die Einzelpläne 09, 13, 14 und 30, neu geschaffen, erhalten oder langfristig gesichert wurden, läßt sich bezüglich der Förderung in der Gemeinschaftsaufgabe (GA) „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (Einzelplan 09) beantworten. Für die regionalen Aktionsprogramme der alten Bundesländer sind gegenwärtig Angaben für den Zeitraum 1986 bis 1990 möglich. Aktuellere Angaben werden zur Zeit erarbeitet und stehen voraussichtlich zum Jahresende zur Verfügung. Für den Zeitraum 1986 bis 1990 ergibt sich folgender Stand: Land neu geschaffene gesicherte Arbeitsplätze Arbeitsplätze Schleswig-Holstein 19 200 31 700 Niedersachsen 47 200 96 900 Bremen 8 500 — Nordrhein-Westfalen 54 200 2 900 Hessen 16 600 31 600 Rheinland-Pfalz 15 400 3 700 Saarland 12 700 11 800 Bayern 64 100 201 400 Zusammen 242 500 380 000 Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft Für die regionalen Aktionsprogramme der neuen Bundesländer ergibt sich für die Jahre 1991 und 1992: 11236* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1992 1991 1992 Land neu geschaffene gesicherte neu geschaffene gesicherte Arbeitsplätze Arbeitsplätze Brandenburg 17 200 35 400 4 800 3 600 Mecklenburg-Vorpommern 13 400 19 100 11 700 6 600 Sachsen-Anhalt 39 400 30 000 30 400 14 200 Sachsen 46 900 34 300 49 200 42 900 Thüringen 42 000 2 100 32 800 3 400 Berlin 6 600 22 000 5 600 12 100 Zusammen 185 500 143 100 134 500 77 800 Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft Bezogen auf Forschung und Entwicklung kann die Bundesregierung leider keine Angaben dazu machen, wieviele Arbeitsplätze und in welchen Regionen durch die Ausgaben des Bundes bzw. der Einzelpläne 09, 13, 14 und 30 neu geschaffen, erhalten oder langfristig gesichert wurden. Empirische Untersuchungen zu dieser Frage liegen nicht vor und sind wegen der komplexen Wirkungszusammenhänge auch nicht sinnvoll durchführbar.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Jürgen Meyer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kritik an den Strafurteilen gegen Sitzblockierer wird gelegentlich in dem Satz zusammengefaßt: Die Raketen sind weg, aber die Prozesse gehen weiter.
    Wer damit allerdings die Aufforderung verbindet, die Gerichte oder der Gesetzgeber sollten nun endlich den Erfolg der friedlichen Demonstrationen durch symbolische Blockaden von Atomraketenlagern honorieren, denkt nach meiner Auffassung zu kurz. Denn die Vergabe von Prämien für politische Erfolge ist nicht Sache des Gesetzgebers. Die Strafwürdigkeit eines Verhaltens hat auch wenig mit dem mehr oder weniger glücklichen Ausgang politischer Entscheidungsprozesse zu tun. Dieser Ausgang war auch nicht das Motiv für die von meinem Kollegen Hans de With zitierte Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts an den Gesetzgeber, den Nötigungsparagraphen zu reformieren.
    Dem Gericht ging es um die Unklarheiten und Unsicherheiten der Rechtsprechung, die nach der Auffassung der obersten Richter nicht der Justiz, sondern der seit vielen Jahrzehnten auch von der Wissenschaft immer wieder kritisierten weiten Tatbestandsfassung anzulasten ist. Das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot kann zwar auch durch die Konkretisierung einer Norm durch die Gerichte erfüllt werden. Aber bis heute ist das in den Sitzblockiererprozessen nicht gelungen. Als Verteidiger in einem solchen Prozeß kann ich berichten, daß es für die Mutlangen-Demonstranten darauf ankam, bei welchem Richter des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd ihr Prozeß stattfand.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist immer so!)

    Denn der eine Richter verurteilte die vor ihm erscheinenden Angeklagten geradezu am Fließband, während sein Kollege im selben Haus wegen völlig gleichartiger Handlungen freisprach oder die Verfahren einstellte.

    (Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Unglaublich! — Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie verdächtigen doch nicht einen Richter der Rechtsbeugung! — Dr. Hans de With [SPD]: Auf diese Idee, könnten wir nicht kommen, höchstens Sie!)

    Vor welchem Richter der Prozeß stattfand, hing vor allem vom Anfangsbuchstaben des Zunamens der Hauptangeklagten ab.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das steht im GVG! — Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Der gesetzliche Richter!)

    Das war gewissermaßen die Schwäbisch Gmünder Version des geborenen Verbrechers — frei nach Lombroso.

    (Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: In Zukunft hängt es von der Gesinnung des Richters ab!)

    Ein mir bekannter Prozeß ist seit etwa sieben Jahren in nunmehr zweiter Instanz beim Landgericht Ellwangen anhängig, weil die Einzelfallprüfung, wie sie der Bundesgerichtshof und ihm folgend das Oberlandesgericht Stuttgart inzwischen verlangen, immer noch nicht abgeschlossen werden konnte.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das kommt wohl wieder auf den Richter an!)

    Woran liegt das? Herr Kollege Geis, das liegt nicht am Richter, sondern an den Strukturen und am Gesetz. Deshalb frage ich: Wie kann der Gesetzgeber entsprechend der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts helfen?
    In der Literatur und zahlreichen Verfassungsbeschwerden ist immer wieder der weite sogenannte vergeistigte Gewaltbegriff der Nötigungshandlung gerügt worden. Ich halte diesen Reformansatz im Unterschied zu unserem Kollegen Ullmann für falsch.
    Denn erstens würde ein engerer, auf die unmittelbare körperliche Zwangswirkung beschränkter Gewaltbegriff raffinierter handelnde Täter begünstigen. Herr Kollege van Essen, die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung ist ein zu hohes Rechtsgut, um es gegenüber derartigen Pressionen, wie sie gleichrangig durch die Drohung mit einem empfindlichen Übel erfaßt werden, von vornherein schutzlos zu stellen. Das tun übrigens auch vergleichbare westeuropäische Demokratien nicht.
    Zweitens zeigt die vorhin schon erwähnte Untersuchung des Freiburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, daß durch einen engeren Gewaltbegriff eindeutig strafwürdiges Verhalten — wie etwa das Bedrängen anderer Autofahrer auf der Autobahn — aus dem Nötigungstatbestand herausfallen könnte.
    Drittens und vor allem sollte es im Strafgesetzbuch keine unterschiedlichen Gewaltbegriffe geben. Das wäre aber die zwangsläufige Folge einer Einengung bei der Nötigung. Nicht zu Unrecht wird bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung häufig verlangt,

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Jetzt hält er eine Vorlesung!)

    den Gewaltbegriff eher zu erweitern.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch eine Neufassung der berühmten Verwerflichkeitsklausel, wonach die Anwendung der Gewalt zu dem ange-
    Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1992 11221
    Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

    strebten Zweck als verwerflich anzusehen sein muß, macht große Schwierigkeiten.

    (Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Ihnen vielleicht!)

    In der ersten Phase der Blockiererprozesse vertraten manche Gerichte die Auffassung, Mittel einer Sitzblockade sei das Hinsetzen auf die Straße, und Zweck sei das Anhalten der Autofahrer, weshalb die Fernziele außer Betracht zu bleiben hätten. Dieser juristisch-chirurgische Einschnitt, mit dem der eigentliche Gehalt der Handlung als einer politischen Meinungsäußerung gewissermaßen wegoperiert werden sollte, konnte sich natürlich nicht durchsetzen. Inzwischen ist weitgehend anerkannt, daß die Fernziele sehr wohl zu berücksichtigen sind, jedenfalls bei der Strafzumessung.

    (Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Allenfalls!)

    Das, verehrte Kollegen von der CDU, hat zur Folge, daß das Maß der Schuld so gering sein kann, daß das Verfahren eingestellt werden muß.
    Man könnte mm bei der Reform des Nötigungstatbestandes daran denken, am Gemeinwohl, also etwa der Friedenssicherung, orientierte Sitzblockaden anders zu behandeln als solche, die der Durchsetzung privater Interessen dienen, etwa höhere Preise für landwirtschaftliche Produkte oder eine raschere Abfertigung von Lastkraftwagen am Brennerpaß. Wir alle kennen diese Fälle. Natürlich würden im Beispielsfall die Landwirte nach einer Blockade z. B. der Europabrücke in Kehl sehr rasch geltend machen, daß ein funktionierender Agrarmarkt auch im Interesse des Gemeinwohls liege. Deshalb würde mit ökologischer Begründung auch für niedrigere Tarife bei Straßenbahnfahrten geltend gemacht werden, auch diese lägen im Gemeinwohl.

    (Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Genau das ist zu befürchten!)

    Die Strafrichter würden also zu politischen Bewertungen von Demonstrationszielen gezwungen, was wir nicht wollen.

    (Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Wir auch nicht! Das kommt durch Ihren Entwurf!)

    In Wirklichkeit war es das eigentliche Ärgernis bei den unterschiedlichen Straßenblockaden, daß die Sitzblockaden vor Atomraketenlagern schon von Polizei und Staatsanwaltschaft anders behandelt worden sind als sonstige Blockaden des Straßenverkehrs, etwa durch Landwirte. Wir wollen nicht, daß sich das durch eine Änderung der Verwerflichkeitsklausel mit anderen Vorzeichen wiederholt.
    Schließlich ist als Problemlösung immer wieder eine Amnestie verurteilter Sitzblockierer gefordert worden. Diese Lösung kann aber nur überzeugen, wenn der Gesetzgeber zuvor klarstellt, daß er derartige Formen politischer Meinungsäußerung in sozialverträglichen Grenzen nicht für strafwürdig hält.

    (Beifall bei der SPD)

    Strafwürdigkeit setzt Sozialschädlichkeit voraus.
    Daran fehlt es an unserer Überzeugung hier. Eine
    Amnestie ohne Änderung des § 240 StGB würde nur
    Altfälle lösen, aber nicht künftige Strafverfahren verhindern.
    Das von interessierter Seite vor Jahren einmal vorgeschlagene Tauschgeschäft einer Amnestie der Sitzblockierer vor Atomraketenlagern bei gleichzeitiger Amnestie der Steuersünder im Parteispendenskandal ist glücklicherweise nie zustande gekommen. Es hätte die Parteiverdrossenheit mit Sicherheit und mit Recht erheblich gesteigert.
    Aus den geschilderten Gründen setzen wir mit unserer Problemlösung dort an, wo die wesentliche Ursache der gegenwärtigen Verunsicherung der Gerichte liegt: Friedliche Demonstrationen durch Verkehrsblockaden oder kurzzeitige Störungen von Veranstaltungen liegen nämlich exakt im Schnittpunkt des Nötigungsstrafrechts einerseits und der Ausübung von Meinungsfreiheit und Versammlungs-
    und Demonstrationsfreiheit andererseits. Es handelt sich um eine besondere Fallgruppe, die einer eigenständigen Beurteilung zugefügt werden muß. Letztlich geht es darum, anzuerkennen, daß bestimmte Handlungen in einer Demokratie legitim sind, die unter anderen Verfassungsformen, die nicht von deren Verfassungsformen, die nicht von der Luft der freien Meinungsäußerung leben, durchaus konsequent verboten werden können. Das ist der Grundansatz unseres Entwurfs.
    Daß dieser Grundgedanke, in § 240 StGB besondere Fallgruppen eigenständig zu regeln, auch dem Bundesverfassungsgericht nicht fremd ist, haben wir vor zwei Tagen, zur Überraschung einiger Prozeßteilnehmer, bei der Verhandlung über das Familien- und Schwangerenhilfegesetz in Karlsruhe erfahren. Einer der Richter hat angeregt, die Nötigung der Schwangeren durch ihren Partner zum Abbruch der Schwangerschaft als besonderen und eventuell schweren Fall mit erhöhter Strafdrohung ausdrücklich zu regeln. Der Richter wies darauf hin, daß man so gerade in einem Beratungssystem die eigenverantwortliche Entscheidung der Schwangeren nach der Beratung wirksamer als bisher schützen könne. Als Vertreter des Bundestages haben wir zugesagt, diesen Gedanken in die Reformüberlegungen zur Strafbarkeit der Nötigung einzubringen.
    Schlußbemerkung: Wir haben vor kurzem in diesem Hause das Rechtspflegeentlastungsgesetz verabschiedet. Es ging uns dabei darum, die Ermittlungsbehörden und die Justiz von unnötigen Strafprozessen freizustellen. Der Gesetzentwurf, den wir heute einbringen, könnte ein weiterer Schritt sein, vor allem die westdeutschen Gerichte von dem Ballast teilweise seit vielen Jahren anhängiger Nötigungsprozesse zu befreien. Sie warten darauf; denn unsere Justiz hat wichtigere Aufgaben. Deshalb hoffen wir auf Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt dem Kollegen Klaus-Heiner Lehne das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Klaus-Heiner Lehne


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden diese beiden
    11222 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 129. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. Dezember 1992
    Klaus-Heiner Lehne
    Gesetzentwürfe ja noch im Rechtsausschuß beraten, da wir uns heute erst in der ersten Lesung befinden. Ich möchte trotzdem die Gelegenheit nutzen, schon vorab einige Aspekte anzusprechen, die meines Erachtens nach dafür sprechen, daß hier kein Entscheidungsbedarf, jedenfalls nicht im Sinne dieser Gesetzentwürfe, besteht.
    Der § 240 StGB, der Nötigungsparagraph, hat sich meines Erachtens nach in unserer Strafrechtsordnung in jeder Hinsicht bewährt. Es gibt hierzu klare Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes, zuletzt 1987, und des Bundesgerichtshofes, zuletzt 1988, die klare Richtlinien aufgestellt haben, wie der Nötigungsparagraph von der Rechtsprechung anzuwenden ist, wie der Gewaltbegriff auszulegen ist und wie man mit dem Problem der Nötigung insgesamt in unserem Lande fertig werden kann. Ich bin auch der Meinung, daß Gewalt, die über das hinausgeht, was im Rahmen des Strafgesetzbuches zulässig ist, nicht schützenswert ist, egal ob es sich um aktive oder um passive Gewaltausübung handelt und egal, aus welchem Anlaß sie verübt wurde, wenn sie nicht im Einzelfall zu rechtfertigen ist.
    Hinzu kommt, daß unser derzeitiger Nötigungsparagraph, der § 240 StGB, sich bereits selber von einer Vielzahl anderer Tatbestände im Strafgesetzbuch unterscheidet, indem er bei Erfüllung des Tatbestandes keine automatische Indizierung der Rechtswidrigkeit annimmt, sondern das besondere Instrument des Verwerflichkeitskriteriums einführt, das einer besonderen Prüfung und der Abwägung aller Umstände durch den Richter bedarf.
    Dabei haben die höchsten Gerichte eindeutig entschieden, zuletzt der BGH, daß politische Fernziele bei der Beurteilung der Verwerflichkeit und damit der Rechtswidrigkeit als unbeachtlich anzusehen sind. Lediglich bei der Strafzumessung — das ist hier richtig angesprochen worden — können sie im Einzelfall berücksichtigt werden. Aber bei der Frage der Rechtswidrigkeit — und bei Ihrem Gesetzentwurf wollen Sie ja dort ansetzen — ist es eben anders. Dies entspricht nicht dem, was die höchsten Gerichte in den letzten Jahren an Rechtsprechung entwickelt haben.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Mit der Rechtswidrigkeit hat die SPD schon bei dem § 218 Probleme!)

    Maßgeblich ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Art der Gewaltanwendung und deren unmittelbares Ziel, z. B. die Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit zu Demonstrationszwecken. Dies ist eindeutig so entschieden, und ich glaube, dies ist auch eindeutig zu verstehen. Selbst dann, wenn untere Gerichte hier oder da einmal andere Entscheidungen treffen, ist dies nichts Ungewöhnliches. Ausschlaggebend ist das, was die höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu sagt. Wir erleben zu jedem Strafrechtsparagraphen hier oder da einmal abweichende Entscheidungen unterer Gerichte, die in der nächsten Instanz entsprechend berichtigt werden.

    (Beifall des Abg. Norbert Geis [CDU/CSU])