Rede von
Dr.
Sigrid
Hoth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir fast auf den Tag genau vor einem Jahr in diesem Hause über den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten debattierten, herrschte große Unsicherheit über die weitere Entwicklung der EG-Agrarreform und über den Ausgang der GATT-Verhandlungen. Die erfolgte Verständigung auf die Eckwerte einer Reform der gemeinsamen EG-Agrarpolitik war eine wesentliche Voraussetzung, um im Streit mit den USA, aber auch mit den anderen Exporteuren von Agrarprodukten einen Kompromiß erzielen und die Gefahr eines Handelskrieges bannen zu können.
Von dieser Stelle aus fordere ich alle Gegner des Kompromisses auf, nicht auf Grund kurzfristiger, egoistischer oder nationaler Überlegungen die sich auf Grund des Kompromisses bietende Chance zur Wiederbelebung der Weltkonjunktur zu versäumen.
Dabei geht es doch nicht darum, die Bauern der Industrie zu opfern. Auch wenn dieser Vorwurf häufig zu hören und zu lesen ist, so wird er deswegen doch nicht berechtigter.
Unstreitig ist doch, daß wir auf einen erfolgreichen Abschluß der Uruguay-Runde angewiesen sind,
um — nicht nur in Deutschland — eine Rezession abzuwenden.
Dies ist nicht zuletzt deshalb erforderlich, um der Landwirtschaft auch in Zukunft mit beträchtlichen Finanzmitteln einen sozialverträglichen Strukturwandel zu ermöglichen.
Wer einen Abschluß der GATT-Verhandlungen mit dem ausschließlichen Hinweis auf die Lage der Landwirtschaft zu blockieren versucht, vergißt zudem, daß die Agrarpoliltik ein Bestandteil allgemeiner Wirtschaftspolitik ist. Er vergißt, daß eine Regierung die Verantwortung für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung trägt. Er vergißt, daß die Öffnung der Märkte am dringendsten für die Länder der sogenannten Dritten Welt vonnöten ist. Einerseits Entwicklungshilfe in Milliardenhöhe an diese Länder zu zahlen, darüber zu reden, wie man die Zuwanderungsströme regulieren kann, und andererseits Entwicklungschancen für diese Länder ungenutzt zu lassen, ist für mich einfach unehrlich.
Zum hoffentlich endgültigen Abschluß der Verhandlungen mit den USA nur noch ein Satz: Nicht zuletzt die Kritik der Bauern hier wie dort ist Anzeichen dafür, daß ein Kompromiß gefunden worden zu sein scheint, der allen Seiten erhebliche Abstriche an den eigenen Positionen abverlangte, der aber gerade deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, von allen Seiten tragbar sein sollte.