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ID1212403100

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    Plenarprotokoll 12/124 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 124. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 26. November 1992 Inhalt: Begrüßung einer Delegation des Sejm der Republik Polen unter Leitung des Vizemarschalls des Sejm, Herrn Dr. Jòzef Zych . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10607 A Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Rudolf Müller (Schweinfurt) . . 10607 B Begrüßung einer Delegation des Kulturausschusses der Ungarischen Nationalversammlung . . . . . . . . . . . . . . . 10641 D Tagesordnungspunkt III: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksachen 12/3000, 12/3541) Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft (Drucksachen 12/3509, 12/3530) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt III 25: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1993 (ERPWirtschaftsplangesetz 1993) (Drucksachen 12/3331, 12/3538, 12/3750) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt III 26: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Verwaltung des ERP-Sondervermögens (Drucksachen 12/3332, 12/3751) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt III 27: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zum Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) vom 8. Juni 1967 für die Jahre 1989 bis 1992 (13. Subventionsbericht) (Drucksachen 12/1525, 12/2503) Dr. Nils Diederich (Berlin) SPD . . . . . 10608 A Rudi Walther (Zierenberg) SPD . . . . 10610A Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 10611A Dr. Nils Diederich (Berlin) SPD 10611D, 10631C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 10613 B Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD . . 10613D Josef Grünbeck F.D.P. . . . . 10614D, 10638A Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste 10616C Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . 10618 B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1992 Johannes Nitsch CDU/CSU 10620C Wolfgang Roth SPD 10623 A Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU . . . 10623C Michael Glos CDU/CSU 10623D Herbert Lattmann CDU/CSU . . . . 10624 C Josef Grünbeck F D P 10626B Anke Fuchs (Köln) SPD 10626B Matthias Wissmann CDU/CSU . . . 10626C Johannes Nitsch CDU/CSU 10627 D Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . 10629A Ingrid Matthäus-Maier SPD . 10630A, 10635D Karl Stockhausen CDU/CSU . . . . . 10630 C Otto Schily SPD . . . • . . . . . . • . 10630D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . 10634 B Hans Martin Bury SPD . . . . . . . . . 10636D Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10638C Rainer Haungs CDU/CSU . . . . . . . . 10639A Dr. Ulrich Briefs fraktionslos . . . . . . 10640D Namentliche Abstimmung . . 10641 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . 10645 C Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr (Drucksachen 12/3512, 12/3530) Ernst Waltemathe SPD . . . . 10642A Wilfried Bohlsen CDU/CSU . . . . . . . 10647 D Werner Zywietz F.D.P. . . . . . . . . . 10650A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 10652B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . 10654 A Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 10656 B Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . 10657 B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . 10659 A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz (Drucksachen 12/3507, 12/3530) in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 12/3519, 12/3530) Dr. Hans de With SPD 10660A Michael von Schmude CDU/CSU . . . 10662D Franz Müntefering SPD . . . . . . . 10664 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. . 10666A Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste 10667 A, 10668 C Gerhard Reddemann CDU/CSU . . . . 10668B Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 10668 C Gerhard Reddemann CDU/CSU . . 10669A Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 12/3510, 12/3530) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt III 32: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Sielaff, Brigitte Adler, Ernst Kastning, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Zur bilanziellen Entlastung von landwirtschaftlichen Unternehmen in den neuen Ländern (Drucksachen 12/2317, 12/3234) Ernst Kastning SPD . . . . . . . . . . . 10670 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . 10674 B Ernst Kastning SPD . . 10676C, 10681C Dr. Sigrid Hoth F.D.P. . . . . . . . . . 10677 B Jan Oostergetelo SPD . . . . . . . . . 10677 D Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste . . . . . . . . . . . . . . . 10679 A Ignaz Kiechle, Bundesminister BML . . . 10680C Ingrid Matthäus-Maier SPD 10683 C Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Drucksachen 12/3522, 12/3530) Thea Bock SPD . . . . . . . . . . . . . 10684 B Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU 10685D Dieter Pützhofen CDU/CSU 10688 A Dr. Nils Diederich (Berlin) SPD . . . . 10688C Thea Bock SPD . 10688D, 10692B, 10698A Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 10691B, 10694C Dr. Walter Hitschler F.D.P. . . . . . . . 10693 A Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 10694D, 10697A Dr. Rudolf Karl Krause (Bonese) CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10696 C Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau . . . . . . . . . . . . . . . . 10697A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1992 III Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 12/3516, 12/3530) Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . 10699 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 10703A Michael von Schmude CDU/CSU . . . 10703 D Dr. Emil Schnell SPD 10706 A Dr. Sigrid Hoth F D P 10706 B Otto Schily SPD 10707C Karl Diller SPD 10708A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 10708 C Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10709D Joseph Fischer, Staatsminister des Landes Hessen 10711B Dr. Sigrid Hoth F.D P 10713 B Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU 10714D, 10718B Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 10717D Ulrich Klinkert CDU/CSU (Erklärung nach § 31 der GO) 10718C Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie (Drucksachen 12/3523, 12/3530) Dr. Emil Schnell SPD 10719B Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . 10722 C Werner Zywietz F D P 10725 D Ingeborg Philipp PDS/Linke Liste . . 10727 B Dr. Heinz Riesenhuber, Bundesminister BMFT 10728A Dr. Emil Schnell SPD . . . . . . . . 10728B Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für Post und Telekommunikation (Drucksachen 12/3513, 12/3530) Arne Börnsen (Ritterhude) SPD 10731 C Manfred Kolbe CDU/CSU 10733 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU 10735A Jürgen Timm F D P 10735 C Peter Paterna SPD 10736 D Dr. Christian Schwarz-Schilling, Bundesminister BMPT 10738 C Dr. Peter Struck SPD 10741A Haushaltsgesetz 1993 (Drucksachen 12/3590, 12/3591) Christoph Matschie SPD 10741 D Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 10742 D Dr. Peter Struck SPD 10743A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 10744A Tagesordnungspunkt III 38: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses: Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksachen 12/3100, 12/3541, 12/3759) 10745 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . 10745D Berichtigung 10746 Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 10747* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1992 10607 124. Sitzung Bonn, den 26. November 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    10746 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 26. November 1992 Berichtigung 122. Sitzung, Seite 10383 C: In der Rede des Abgeordneten Lowack muß ab der dritten Zeile der Satz richtig lauten: „Am 8. September dieses Jahres hat der Bundesfinanzminister eine von ihm vielbeachtete Rede gehalten." Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 26. 11. 92 Böhm (Melsungen), CDU/CSU 26. 11. 92 * Wilfried Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 26. 11. 92 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 26. 11. 92 Peter Harry Clemens, Joachim CDU/CSU 26. 11. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 26. 11. 92 ** Ganseforth, Monika SPD 26. 11. 92 ** Gattermann, Hans H. F.D.P. 26. 11. 92 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 26. 11. 92 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 26. 11. 92 Gries, Ekkehard F.D.P. 26. 11. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 26. 11. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Holtz, Uwe SPD 26. 11. 92 Homburger, Birgit F.D.P. 26. 11. 92 Ibrügger, Lothar SPD 26. 11. 92 Kolbe, Regina SPD 26. 11. 92 Kretkowski, Volkmar SPD 26. 11. 92 Kubatschka, Horst SPD 26. 11. 92 ** Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 26. 11. 92 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 26. 11. 92 Klaus W. Marx, Dorle SPD 26. 11. 92 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 26. 11. 92 ** Müller (Pleisweiler), SPD 26. 11. 92 Albrecht Oesinghaus, Günther SPD 26. 11. 92 Rempe, Walter SPD 26. 11. 92 Reuter, Bernd SPD 26. 11. 92 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 26. 11. 92 Ingrid Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 26. 11. 92 Dr. Seifert, Ilja PDS/LL 26. 11. 92 Dr. Sperling, Dietrich SPD 26. 11. 92 Vosen, Josef SPD 26. 11. 92 Welt, Jochen SPD 26. 11. 92 Wettig-Danielmeier, Inge SPD 26. 11. 92
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    Rede von Johannes Nitsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte damit gerechnet, daß mein Kollege Roth vor mir spricht, aber ich nehme auch diese Reihenfolge gerne an.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Der Roth kneift! — Wolfgang Roth [SPD]: Die Präsidentin hat entschieden!)

    Die Gruppe der Abgeordneten aus den neuen Bundesländern in unserer Fraktion hat im Sommer in Erfurt eingehend darüber beraten, wie wir die Attraktivität des Industriestandortes Deutschland im Ganzen erhalten und weiterentwickeln können. Von unserem Programm sind sehr wichtige Impulse auf die Politik ausgegangen. Ich darf daran erinnern, daß aus dem Programm, das wir „Wohlstand im Osten entwikkeln, im Westen sichern" genannt haben, auch der Solidarpakt hervorgegangen ist. Wir haben ihn damals „Pakt der Vernunft für den Aufbau Ost" genannt. Ich glaube, daß es sehr wichtig ist, daß wir in der Debatte über den Einzelplan 09 überprüfen, wie dieses Programm insgesamt gewirkt hat.
    An erster Stelle des Erfurter Papiers stand die Überlegung, mit welchen Strukturkonzepten der Entindustrialisierung der neuen Bundesländer begegnet werden kann. Die entscheidende Voraussetzung für einen anhaltenden Aufschwung im Osten ist die Sicherung der industriellen Kerne. In diesen industriellen Kernen müssen die Einkommen erarbeitet werden, die es erlauben, die Finanztransfers aus den alten Bundesländern in Zukunft abzubauen.
    Wie die fünf wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute in ihrem Herbstgutachten 1992 zu Recht feststellten, ist die befürchtete Entindustrialisierung der ostdeutschen Wirtschaft in der Tat weit fortgeschritten. Ich zitiere:



    Johannes Nitsch
    Vom ursprünglichen Produktionsniveau des ostdeutschen verarbeitenden Gewerbes ist nur ein Drittel übriggeblieben. Es gibt viele Unternehmen, die den Umstellungsprozeß bislang nicht gemeistert haben und vermutlich weiter schrumpfen werden oder die Produktion ganz einstellen müssen. Kritisch ist die Lage insbesondere bei den Unternehmen, die stark von den Exporten in die Sowjetunion abhingen. Die Lieferungen sind hier weiter gesunken, und die Erwartung einer baldigen Belebung — auch im Vertrauen auf weitere Hermesbürgschaften — ist einer Ernüchterung gewichen. In der Industrie dürften noch rund 100 000 Arbeitsplätze und damit jeder zehnte vom Export nach Osteuropa und in die GUS abhängig sein.
    Soweit das Gutachten.
    Diesen zentralen Punkt für den Aufschwung Ost und für die Menschen in den neuen Bundesländern hat der Bundeskanzler engagiert aufgegriffen und zu seiner persönlichen Sache gemacht. Das ist genau das — davon bin ich überzeugt —, was der Osten jetzt braucht. Die neuen Länder, die Treuhandanstalt, die Gewerkschaften, die Verbände und die Unternehmen selbst müssen jetzt ein Konzept erarbeiten, das die noch vorhandenen Industriekerne erhält. Wir hoffen und wünschen, daß sich mit diesen Ergebnissen aus den Gesprächen zum Solidarpakt ein Programm entwickeln läßt, das genau das leistet. Dafür steht eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung, die fast alle schon in der alten Bundesrepublik angewendet worden sind.
    Wir haben im Erfurter Programm einige genannt; andere sind im Laufe der Diskussion hinzugefügt worden. Ich erwähne Umsatzsteuerpräferenzen auf der Basis der Wertschöpfung in den neuen Ländern und Lohnzuschüsse für bestimmte Zeiträume. Es wird jetzt Sache der Regierung sein, die geeigneten Instrumente auszuwählen, sie anzuwenden und die noch ausstehenden Entscheidungen zu treffen. Diese sollten jetzt, sollten zumindest sehr bald getroffen werden. Der Herr Bundeskanzler hat gestern in einem anderen Zusammenhang einen Termin genannt: bald, mindestens vor Weihnachten. Ich sehe das auch so. Ich weiß natürlich, daß das nicht so einfach sein wird.
    Einen weiteren wichtigen Ansatz sehen wir in der sogenannten Als-Ob-Privatisierung. Hierbei geht es darum, daß Treuhandbetriebe, die sanierungsfähig sind, in ihrer Umstrukturierung in einem mittelfristigen Prozeß abgesichert werden. Dabei ist aber ganz wichtig, daß dem Management der Unternehmen möglichst viel Handlungsfreiheit vor Ort eingeräumt wird, um die nötigen unternehmerischen Entscheidungen zu treffen. Die Sicherheit für marktorientierte unternehmerische Konzepte und Entscheidungen ist zu schaffen, und die Befreiung der betroffenen Unternehmen von der Blockade zur Aufnahme unternehmensnotwendiger Kredite bzw. zur Gewährung von Bürgschaften ist herbeizuführen. Mit einer solchen schrittweisen Privatisierung werden wir auf dem angestrebten Weg sicher vorankommen.
    Hierher gehört auch ganz wesentlich die Erhaltung der anwender- und industrienahen Forschung. Gerade eine breite Produktinnovation ist zur Erreichung wettbewerbsfähiger Produkte, die bei uns hergestellt werden sollen, wesentlich. Die noch vorhandenen 5 000 F- und E-Spezialisten in den 40 Forschungs-GmbHs und weitere Spezialisten in den noch vorhandenen Treuhand-Unternehmen — vor allem im Bereich der Chemie — müssen eine Chance bekommen, aus eigener Kraft wirtschaftlich zu bestehen und zu beweisen, was sie können.

    (Zustimmung bei der SPD und dem BONDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Dazu müssen sie gleichwertige Startbedingungen einhalten. Alle Restriktionen, die ihre Überlebensfähigkeit in Frage stellen, wie Nichteigentum an Immobilien und Altschulden, sind als erstes rasch zu beseitigen. Dazu gibt es ein Votum der Kommission „Wiederaufbau neue Bundesländer" unserer Fraktion, das auch in unserer Leipziger Beratung durch die Treuhand und die Fraktion unterstützt wurde. Leider sind wir hier etwas in Verzug geraten.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Wir haben auch schon viel durchgesetzt!)

    Ich bitte die Regierung, auf den weiteren terminlichen Ablauf unmittelbar Einfluß zu nehmen. So werden wir dann auch die 200 Millionen DM, die wir in diesem Bereich zusätzlich zur Verfügung stellen, effizient einsetzen können.

    (Dr. Nils Diederich [Berlin] [SPD]: Würden Sie einräumen, daß die Regierung allzulange gewartet hat? — Gegenrufe von der CDU/ CSU: Nein!)

    Einen erheblichen und dauerhaften Anstoß für die Belebung innerer Antriebskräfte im Osten und besonders für den Aufbau eines Mittelstandes ist von einem Aufschwung der Bauindustrie, insbesondere des Wohnungsbaus, zu erwarten. Der Bedarf hier ist riesig groß; die Hinterlassenschaften des alten Regimes machen dies überdeutlich.
    Nach einer Umfrage des Gesamtverbandes der Wohnungswirtschaft bei seinen Mitgliedsunternehmen, die rund 3,2 Millionen Wohnungen bewirtschaften, stehen knapp 4 % der Wohnungen „infolge baulicher Schäden" leer. In Dresden ist ein gravierender Verfall wertvoller Wohnungssubstanz zu verzeichnen.
    Ein besonders schwieriges Problem sind die Altschulden, die sich am Ende unseres Zinsmoratoriums auf 51 Milliarden DM belaufen werden. Für die Bürger in den neuen Bundesländern stellt ihre Wohnung angesichts der schwierigen Anpassungs- und Umstellungsprobleme einen besonders hohen persönlichen Wert dar. Deshalb ist eine Regelung der Altschuldenfrage äußerst dringend.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. KlausDieter Feige [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Wir können nicht warten, bis über die unterschiedlichen Rechtsauffassungen verbindlich entschieden worden ist. Auszugehen ist dabei vom Auftrag des Einigungsvertrages, die Privatisierung von Wohnungen voranzutreiben, und zwar in freier Entscheidung der Mieter. Das ist sicherlich eine Entscheidung vieler Menschen für das Privateigentum.



    Johannes Nitsch
    Die Altschuldenregelung sollte deshalb zunächst im Zusammenhang mit der Privatisierung der Wohnungen erfolgen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Ausweitung des Verfügungsrahmens für den Wohnungsbau auf 800 Millionen DM ist ein guter Anfang für den Aufschwung der Bauwirtschaft in diesem Bereich. Äußerst wichtig ist auch die Aufstokkung des KfW-Kreditprogramms auf 30 Milliarden DM.
    Lassen Sie mich noch einige weitere Punkte nennen, die aus dem Erfurter Programm Eingang in den Haushalt und in die Gesetzgebung gefunden haben:
    Erstens: die 20%ige Investitionszulage für ortsansässige Unternehmer für Investitionen bis zu 1 Million DM, beschränkt auf das verarbeitende Gewerbe und das Handwerk. Darüber sind wir ganz besonders im Hinblick auf den entstehenden Mittelstand erfreut. Wir versprechen uns hiervon auch bessere Voraussetzungen für die Kreditnahme unserer kapitalschwachen Unternehmer. Wir denken, daß sich die Banken im Hinblick auf diese großzügige Investitionszulage den Menschen bei uns gegenüber etwas entgegenkommender verhalten werden.
    Zweitens: die Verlängerung des Eigenkapitalhilfeprogramms um weitere zwei Jahre.
    Drittens: die Aufstockung der Mittel für die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur.
    Viertens: die doch zur Anwendung kommenden Möglichkeiten von Mietkauf und Pachtkauf für Treuhand-Unternehmen.

    (Dr. Klaus-Dieter Feige [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommt das jetzt im Nachtragshaushalt, oder wann kommt das?)

    Fünftens. In diesem Zusammenhang wird auch geprüft werden, inwieweit Möglichkeiten geschaffen werden können, Immobilien aus Mietkauf- oder Pachtkaufunternehmen voll beleihungsfähig zu machen, also volle Eigentümerrechte einzuräumen.
    Sechstens. Die Investitionspauschale wird, wenn sie nicht in Geld kommt, im Hinblick auf die Kommunen zumindest daraufhin zu prüfen sein, inwieweit die Freistellung der Kommunen von Gegenfinanzierungen analog dem Verfahren beim Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz möglich ist.
    Siebentens. Mit dem in der nächsten Woche vom Kabinett zu verabschiedenen Artikelgesetz werden wichtige Rechts- und Verwaltungsvereinfachungen in Gang gesetzt, die eine wesentliche Voraussetzung für den Aufschwung bei uns sein werden. Hier werden die Erfahrungen, die wir aus den Verkehrsprojekten zur deutschen Einheit gewonnen haben, auf weitere Gebiete ausgedehnt.
    In diesem Zusammenhang muß ich unserem Kollegen Günther Krause ein ganz großes Dankeschön dafür sagen, daß er sich damals in dieser Frage in diesem Hause hat durchsetzen können. Das ist wohl einer der Punkte, bei dem sich Erfahrungen aus dem Hinzukommen der neuen Bundesländer auch für die alten Bundesländer fruchtbringend auf den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt auswirken werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nicht vergessen werden dürfen in diesem Zusammenhang auch — das liegt uns ja ganz besonders am Herzen — die Verdoppelung der Mittel für die Überbrückungsfinanzierung zur Erhaltung der Kulturlandschaft, die ebenfalls Bestandteil unseres Programms war, und die erwähnten zusätzlichen 200 Millionen DM für die industriellen Forschungseinrichtungen. Ich darf hier noch einmal das Junktim zu dem herstellen, was ich bereits gesagt habe: Herr Minister, ich wäre Ihnen äußerst dankbar, wenn wir mit der Regelung der Immobilien- und Altschuldenfrage, nachdem wir zunächst den 30. September anvisiert hatten, in diesem Jahr noch zu Rande kämen.
    Den letzten Punkt, die zusätzlichen Mittel für den Wohnungsbau, die Städtebauförderung und die Ausweitung der KfW-Kredite auf 30 Milliarden DM, habe ich bereits genannt.
    Insgesamt ist das eine gute Bilanz, zumal da nicht realisierte Punkte weiterhin auf der Tagesordnung stehen.
    An dieser Stelle muß ich noch auf die Erklärung Ihres Kollegen Schwanitz vom Anfang dieses Monats eingehen, die mich einfach ein bißchen enttäuscht hat. Er hat das Erfurter Programm als in wesentlichen Punkten gescheitert bezeichnet.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das ist wahr!)

    — Das ist wohl nicht wahr.

    (Dr. Nils Diederich [Berlin] [SPD]: Doch!)

    Es wäre für die Menschen bei uns sicher besser gewesen, wenn wir das Erreichte so dargestellt hätten und uns gemeinsam um das noch nicht Erreichte kümmerten und bemühten.
    Einen wesentlichen Punkt noch zum Schluß. Die Zeit — nicht nur meine jetzt hier — für die Umsetzung dieses Programms und des Programms zur Erhaltung der Industriekerne drängt wirklich. Ein halbes Jahr wäre viel zuviel. Ich hatte schon einen Zeitpunkt genannt.

    (Dr. Nils Diederich [Berlin] [SPD]: Stimmen Sie mit mir darin überein, daß das schon vor einem Jahr hätte kommen müssen?)

    — Ich wäre sehr erfreut gewesen, wenn es so gekommen wäre.

    (Beifall des Abg. Dr. Nils Diederich [Berlin] [SPD])

    Alle aus dem Solidarpakt zu finanzierenden Aufgaben müssen bald auf den Tisch, möglichst noch vor Weihnachten. Den Nachtrag zum Haushalt müssen wir sofort nach dem Abschluß der Gespräche zum Solidarpakt auf den Tisch bekommen, damit beim Wiederaufbau der neuen Bundesländer wertvolle Zeit nicht ungenutzt verstreicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)






Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster spricht der Abgeordnete Wolfgang Roth.

(Dr. Nils Diederich [Berlin] [SPD]: Putz den Laden hier mal ein bißchen auf, Wolfgang!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin, ich habe den Eindruck, wir fühlen uns hier im Wasserwerk verdammt wohl.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste — Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Im neuen Plenarsaal tagt demnächst der Ältestenrat!)

    Jetzt möchte ich noch etwas sagen, was wahrscheinlich auch Sie unterstützen werden.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich möchte mit der Präsidentin und mit Ihnen reden. Ich könnte mich ja auch umdrehen.
    Frau Präsidentin, ich finde es schrecklich, wie der Herr Architekt Behnisch in diesen Tagen geschmäht wird. Er ist wirklich einer der großen Architekten der Nachkriegszeit.

    (Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Aber einer der schlechten Baumeister!)

    Wer beispielsweise seinen Zeltbau in München gesehen hat — da gab es übrigens auch Schmähungen — und den Bau heute sieht, der merkt, was dieser Mann geleistet hat. Er hat in meinem Wahlkreis auch eine Schule gebaut.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

    Die heißt erfreulicherweise „Fritz-Erler-Schule". Der Namensgeber ist übrigens mein Vorgänger in meinem Wahlkreis. Das ist ein großartiges Gebäude, das in die Kulturgeschichte eingegangen ist.
    Ich sage Ihnen: Was er da drüben gebaut hat, wird jenseits der Kleinlichkeiten und Dümmlichkeiten dieser Tage ebenfalls in die Kulturgeschichte Deutschlands eingehen.

    (Beifall bei der SPD — Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Das glauben aber nur Sie!)

    Meine Bitte ist, etwas sorgsamer damit umzugehen.
    Übrigens: Ich schmähe auch nicht die Techniker und die Ingenieure des Hauses, die für die Anlage dort verantwortlich sind. Auch Sie haben das Beste gewollt. Ich habe ein bißchen Angst, daß vielleicht in Japan manche über uns lachen. Aber man kann nicht Ingenieure und Techniker aussparen, wenn man auf der anderen Seite in der Weise gegen den Architekten vorgeht.
    Das ist meine Meinung. Wer da nicht mitmachen will, der wird irgendwann in der gleichen Ecke stehen wie die Kritiker des Zeltbaus in München.

    (Wilfried Bohlsen [CDU/CSU]: Wären wir im neuen Plenarsaal geblieben, dann hätten wir das jetzt nicht gehört!)