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ID1210506200

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    Plenarprotokoll 12/105 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 105. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. September 1992 Inhalt: Bestimmung des Abgeordneten Hans-Ulrich Klose als ordentliches Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Hans-Jochen Vogel . . . . . . . . . . . . . 8987 A Bestimmung des Abgeordneten Hans Gottfried Bernrath als stellvertretendes Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle des aus dem Deutschen Bundestag ausgeschiedenen Abgeordneten Harald B. Schäfer (Offenburg) 8987 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung . . 8987 B Tagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheits-Strukturgesetz 1993) (Drucksache 12/3209) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksache 12/3210) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Reform des Gesundheitswesens (Drucksache 12/3226) Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 8987 D Rudolf Dreßler SPD . . . . . . . 8995 D Dr. Dieter Thomae F.D.P. . . . . . . . . 9000 C Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste 9003A, 9019D Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU 9004 D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9008 A Dr. Klaus Gollert, Minister des Landes Mecklenburg-Vorpommern 9009 D Klaus Kirschner SPD 9010D Dr. Bruno Menzel F.D.P. 9012 D Gudrun Schaich-Walch SPD 9015 A Wolfgang Zöller CDU/CSU . . . . . . 9016B Dr. Hans-Hinrich Knaape SPD 9018 C Dr. Hans-Joachim Sopart CDU/CSU . 9021 D Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . 9023 D Dr. Martin Pfaff SPD 9025 C Bernhard Jagoda CDU/CSU 9026 B Wolfgang Zöller CDU/CSU . 9027C, 9027 D Tagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Fördervoraussetzungen im Arbeitsförderungsgesetz und in anderen Gesetzen (Drucksache 12/3211) b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (Drucksache 12/3008) II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1992 Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 9029A Manfred Reimann SPD 9032 B Adolf Ostertag SPD . . . . . . . . . 9033 C Dr. Gisela Babel F.D.P. 9035 B Petra Bläss PDS/Linke Liste 9037 C Heinz Schemken CDU/CSU 9038 D Manfred Reimann SPD . . . . . 9040B Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . 9040 D Ulrike Mascher SPD 9042 A Julius Louven CDU/CSU 9043 C Regina Kolbe SPD 9044 B Tagesordnungspunkt 4 c: c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der anderweitigen Verwendung von Berufssoldaten und Beamten des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Verteidigung (Verwendungsförderungsgesetz) (Drucksache 12/3159) 9045 C Nächste Sitzung 9045 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 9047* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 9048* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1992 8987 105. Sitzung Bonn, den 11. September 1992 Beginn: 8.30 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 11. 09. 92*** Bachmaier, Hermann SPD 11. 09. 92 Dr. Blank, CDU/CSU 11. 09. 92** Joseph-Theodor Blunck (Uetersen), SPD 11. 09. 92 Liselott Böhm (Melsungen), CDU/CSU 11. 09. 92* Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 11. 09. 92 Brandt, Willy SPD 11. 09. 92 Büchler (Hof), Hans SPD 11. 09. 92* Clemens, Joachim CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 11. 09. 92 Herta Doss, Hansjürgen CDU/CSU 11. 09. 92 Feilcke, Jochen CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 11. 09. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 11. 09. 92*** Friedrich, Horst F.D.P. 11. 09. 92 Fuchs (Köln), Anke SPD 11. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 11. 09. 92*** Gattermann, Hans H. F.D.P. 11. 09. 92 Dr. Gautier, Fritz SPD 11. 09. 92 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 11. 09. 92 Göttsching, Martin CDU/CSU 11. 09. 92 Gres, Joachim CDU/CSU 11. 09. 92 Hämmerle, Gerlinde SPD 11. 09. 92 Haschke CDU/CSU 11.09.92 (Großhennersdorf), Gottfried Haungs, Rainer CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 11. 09. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Holtz, Uwe SPD 11. 09. 92*** Huonker, Gunter SPD 11. 09. 92 Janz, Ilse SPD 11. 09. 92 Jaunich, Horst SPD 11. 09. 92 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 11. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 11. 09. 92 Koppelin, Jürgen F.D.P. 11. 09. 92 Koschnick, Hans SPD 11. 09. 92 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 11. 09. 92 Günther Kretkowski, Volkmar SPD 11. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 11. 09. 92 Elke Lohmann (Witten), Klaus SPD 11. 09. 92 Lühr, Uwe F.D.P. 11. 09. 92 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lummer, Heinrich CDU/CSU 11. 09. 92* Dr. Meseke, Hedda CDU/CSU 11. 09. 92 Michels, Meinolf CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Mildner, CDU/CSU 11. 09. 92 Klaus Gerhard Müller (Wadern), CDU/CSU 11. 09. 92 Hans-Werner Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 11. 09. 92 Neumann (Bramsche), SPD 11. 09. 92 Volker Oesinghaus, Günther SPD 11. 09. 92 Opel, Manfred SPD 11. 09. 92** Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 11. 09. 92 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 11. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 11. 09. 92 Reichenbach, Klaus CDU/CSU 11. 09. 92 Rempe, Walter SPD 11. 09. 92 Reuschenbach, Peter W. SPD 11. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 11. 09. 92** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 11. 09. 92 Scheffler, Siegfried Willy SPD 11. 09. 92 Dr. Schmude, Jürgen SPD 11. 09. 92 Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 11. 09. 92 Dr. Schreiber, Harald CDU/CSU 11. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 11. 09. 92** Brigitte Schuster, Hans Paul F.D.P. 11. 09. 92 Hermann Sehn, Marita F.D.P. 11. 09. 92 Dr. Sperling, Dietrich SPD 11. 09. 92 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 11. 09. 92 Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 11. 09. 92 Vosen, Josef SPD 11. 09. 92 Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 11. 09. 92 Welt, Jochen SPD 11. 09. 92 Weyel, Gudrun SPD 11. 09. 92*** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 11. 09. 92 Wieczorek (Duisburg), SPD 11. 09. 92 Helmut Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 11. 09. 92 Simon Zurheide, Burkhard F.D.P. 11. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung *** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union 9048* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1992 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Karin Jeltsch, Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Herbert Werner (Ulm) und weiterer Abgeordneter zum Bundesverkehrswegeplan, Drucksache 12/2679, ist zurückgezogen worden. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/2101 Nm. 3.7, 3.9, 3.10, 3.14-3.19, 3.21, 3.22, 3.24, 3.25 Drucksache 12/2257 Nrn. 3.8-3.10, 3.13, 3.14, 3.16-3.18, 3.20, 3.22, 3.23, 3.25, 3.26 Drucksache 12/2315 Nr. 2.3 Drucksache 12/2520 Nrn. 3.5, 3.7 Drucksache 12/2582 Nrn. 2.2, 2.5-2.13 Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Drucksache 12/269 Nr. 2.38 Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 12/2774 Nr. 2.37
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Heimlich und in aller Schnelle kommt die AFG-Novelle".

    (Beifall des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD])

    An diesen Spruch auf einem Transparent zur am 17. Juni von Arbeitslosen- und Sozialhilfeverbänden initiierten Bonner Demonstration gegen Sozialabbau mußte ich dieser Tage immer wieder denken; denn angesichts des Tempos, mit dem jetzt, ohne große Einspruchsmöglichkeiten vor allem für die Betroffenen selbst, einschneidende Veränderungen des AFG durch den Bundestag abgesegnet werden sollen, ist durchaus etwas an ihm dran.
    Hinter den vorgesehenen Streichungen der Eingliederungsleistungen für Aussiedlerinnen und Aussiedler, den Einsparungen bei der Förderung von Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, den verschärften Förderbedingungen bei ABM, den Kürzungen des Einarbeitungszuschusses und beim Arbeitslosengeld sowie Leistungskürzungen bei der beruflichen Rehabilitation Behinderter verbirgt sich zweifellos eine Demontage arbeitsmarktpolitischer Instrumente, die für das hiesige Arbeitsrechts- und Tarifgefüge weitreichende Folgen haben wird.
    In dieser Novelle wird konkretisiert, was in der zurückliegenden Haushaltsdebatte von Regierungsvertretern wortreich begründet wurde: Es muß gespart, konsolidiert, dereguliert werden. Das ist Ihnen mit dieser Sparnovelle wahrlich gelungen.
    Wieder soll gerade bei den Mitteln massiv gekürzt werden, die nicht allein für Regelaufgaben vorgesehen sind, sondern für darüber hinausgehende Aufgaben wie Projekte, Modelle, Qualifizierung und Förderung ausgegeben werden könnten.
    Doch durch die beschlossene Streichung des Bundeszuschusses an die Bundesanstalt für Arbeit wird eben genau bei diesen ohnehin geringen Gestaltungsspielräumen des AFG der Rotstift angesetzt. 5,2 Milliarden DM — diese Summe ist schon oft genannt worden — sollen im nächsten Jahr bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen eingespart werden — dies angesichts weiter steigender Arbeitslosenzahlen und Millionen von Menschen, deren berufliche Perspektive ausschließlich durch eine entwickelte Arbeitsmarktpolitik aufrechtzuerhalten ist.



    Petra Bläss
    Das, meine Damen und Herren, ist kontraproduktiv und geht vor allem zu Lasten derjenigen Beschäftigtengruppen, die auf besondere Förderung und Berücksichtigung angewiesen sind, als da sind: Frauen, ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Jugendliche, Behinderte, Ausländerinnen und Ausländer.
    Dabei verteidigte die Bundesregierung noch Ende Mai in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der SPD zu Stand und Perspektiven der Arbeitsförderung die hohen Aufwendungen für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und verkündete, daß grundlegende Änderungen des AFG nicht erforderlich seien. — Wie gesagt: im Mai diesen Jahres.
    Zu diesen Worten scheint sie heute ebensowenig zu stehen wie zu ihrer damaligen Feststellung, daß sich die Herausforderungen an die Arbeitsmarktpolitik erst in dem Maße vermindern, in dem im Zuge der Umstrukturierung der Wirtschaft Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt entstehen.
    Die zweifellos unmittelbarer als manche Bonner Politiker und Politikerinnen mit der gegenwärtigen Situation vor Ort konfrontierten Arbeitsminister und Arbeitsministerinnen der neuen Bundesländer aber waren sich in ihrer Schweriner Erklärung vom 27. August einig, daß die dortige wirtschaftliche Lage eine Fortführung und Weiterentwicklung der Arbeitsförderung nötig macht, und fordern zu Recht die Rücknahme der unter kurzfristigen Sparerwägungen beabsichtigten Kürzungen.
    Sofort nach dem Bekanntwerden der 10. AFG-Novelle hatte bereits der Arbeitslosenverband verkündet, daß sie, sollte sie so verabschiedet werden, zu einer weiteren erheblichen Verschlechterung der sozialen Situation der Erwerbslosen und zu einer Verschärfung der Lage auf dem Arbeitsmarkt führen wird.
    Meine Damen und Herren, in der bereits zitierten Antwort ist die Bundesregierung der Meinung, das AFG erfülle die Anforderungen, die sich aus dem Gebot der Gleichstellung von Mann und Frau ergeben. Damit befindet sie sich nicht nur im Widerspruch zu bisherigen Bestandsaufnahmen wie der im Auftrag des niedersächsischen Frauenministeriums erarbeiteten Studie „Gleichberechtigung und Arbeitsförderungsgesetz" von Wolfgang Däubler oder den Stellungnahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kommunalen Frauenbüros und der Frauenpolitischen Runden Tische in Berlin und Magdeburg, sondern mit einer solchen Einschätzung wird auch pure Augenwischerei betrieben; denn mit den herkömmlichen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten ist es nicht gelungen, die strukturelle Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt abzubauen — nicht zu vergessen, daß es frauendiskrimierende Elemente auch im AFG selbst gibt.
    Doch laut Ministerin Merkel erhalten Frauen mit dem vorliegenden Novellierungsentwurf des AFG eine wirkungsvolle gesetzliche Grundlage für die Durchsetzung ihres Gleichberechtigungsanspruches.
    Schön, wenn dem so wäre. Zu gern hätte ich diese Einschätzung nach der Lektüre der Bundestagsdrucksache 12/3211 geteilt. Doch dazu hätte sie verbindliche Regelungen vorweisen müssen, die zum Abbau von Frauendiskriminierung führen, als da sind: Anerkennung von Kindererziehung, Pflegezeiten und ehrenamtlicher Tätigkeit, verbunden mit materieller Bewertung bestimmter Formen der Nichterwerbsarbeit durch Ergänzung der §§ 112 und 168; verbindliche Quotenregelung bei Weiterbildung und ABM, d. h. der Frauenanteil im Rahmen dieser Maßnahmen muß mindestens dem Anteil der Frauen an den Erwerbslosen entsprechen; Abschaffung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse, der Nachweispflicht betreffend Verfügbarkeit, der Bedürftigkeitsprüfung sowie der Zumutbarkeitsregelung durch Modifizierung der §§ 103, 111, 138 und 169. — Nach all dem aber habe ich in der 10. AFG-Novelle vergeblich gesucht.
    Daß unsere Frauenministerin die vorgesehene unverbindliche Absichtserklärung in § 2, wonach Frauen nunmehr entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen gefördert werden sollen, als historischen Schritt feiert, stimmt mich nicht nur traurig, es macht mich schlicht und einfach wütend.

    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Immer alles miesmachen! Man kann doch auch mal was loben!)

    Ich denke, wir Frauen sind lange genug mit solcher Art von Versprechungen vertröstet worden.
    Ich appelliere an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Stimmen Sie angesichts der dramatischen Situation auf dem Arbeitsmarkt nur einer Novellierung des AFG zu, die einen wirkungsvollen Beitrag zur Vervollkommnung arbeitsmarktpolitischer Instrumente leistet.
    Ich danke.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt das Wort unserem Kollegen Heinz Schemken.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Schemken


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Arbeitsmarktlage in den jungen Bundesländern bereitet uns allen große Sorgen. Das dürfen wir im Hause ungeteilt zum Ausdruck bringen.
    Wir wissen sehr wohl, daß insbesondere die Maßnahmen des Arbeitsförderungsgesetzes uns darüber hinweggeholfen haben, daß es nach dem Vorgang der Wiedervereinigung zu größeren Verwerfungen kam. Dies hat der Minister soeben eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht.
    Es geht hier um einen Solidarausgleich zwischen den Menschen in den alten und den jungen Bundesländern, um einen Ausgleich, der die Lage, was die Dramatik bei der Umstrukturierung angeht, sicherlich relativiert.
    Wir stellen auch fest, daß es im Arbeitsmarkt Bewegung gibt. Es wäre falsch — Herr Ostertag, Sie sprachen soeben von Starken und Schwachen —, mit Blick in die jungen Bundesländer nicht auch einmal



    Heinz Schemken
    von denen zu sprechen, die inzwischen mehr in Arbeit sind; denn auch sie müssen Ermunterung erfahren und die anderen motivieren.
    Die Zahl der Arbeitslosen, die zu Beginn des Jahres 1,3 Millionen betrug, ist auf 1,18 Millionen gesunken. Dennoch ist jeder einzelne zuviel. Wichtig ist — dies ist positiv zu bewerten —, daß hierbei auch die arbeitsmarktpolitischen Instrumente gewirkt haben: Kurzarbeit, Teilnahme an Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, Beschäftigung in ABM. Damit sind immerhin 1,8 Millionen Menschen erfaßt.
    Wir dürfen feststellen, daß trotz des Rückgangs der Zahl der Kurzarbeiter auf 300 000 die marktwirtschaftlichen Elemente gewirkt haben und dadurch die Zahl der Vermittlungen zugenommen hat. Das sind positive Signale, die bei allem Bedauernswerten — da stimmen wir überein — zu erwähnen sind.
    Der rasche Strukturwandel in den jungen Bundesländern und der Produktions- und Beschäftigungsverlust sind auf der anderen Seite für uns auch eine Herausforderung, was die Durchsetzbarkeit arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Maßnahmen angeht. Es ist ein Balanceakt. Wir müssen feststellen: Auf der einen Seite brauchen wir — wir haben ja eindrucksvolle Tage der Haushaltsdebatte hinter uns — Stabilität, auf der anderen Seite fordern wir, die Sozialpolitiker, mehr Ausgaben im sozialen Bereich, die natürlich kostenträchtig sind.
    Der Wandel in den jungen Bundesländern vollzieht sich nicht so, wie es uns auch von Experten vorausgesagt wurde. Ich sage das ganz bewußt. Experten sowohl aus Wirtschaft und Wissenschaft als auch von Seiten der Arbeitnehmerschaft, aus dem Verbandsbereich, haben Anfang 1990 Prognosen aufgestellt, die völlig anders waren, als die Wirklichkeit nachher aussah. Ich habe noch in guter Erinnerung, daß ein nicht unbedeutender Mann, nämlich Herr Necker, gefordert hat: Weniger Verwaltung; schaffen Sie Strukturen! Das hat er Anfang 1990 gesagt. Genau ein Jahr später hat er gesagt: Eine gut funktionierende Kommunalverwaltung ist mehr wert als fünf Kilometer Straße.

    (Günther Heyenn [SPD]: Kohl hat für diese Einsicht zweieinhalb Jahre gebraucht!)

    — Auch Herr Kohl ist klug genug, zu wissen, daß er nicht alles weiß, sondern daß er sich auf Fachleute verlassen muß. Ich sage das ganz bewußt.

    (Dr. Alexander Warrikoff [CDU/CSU]: Fast alles! — Günther Heyenn [SPD]: Das ist sehr relativ!)

    — Er ist klug genug, zu wissen, daß man nicht alles weiß. Ich warne vor den Politikern, die angeblich alles wissen. Diese Zeit haben wir hinter uns gebracht, den Sozialismus. Dort war es so. Dort hat man angeblich alles gewußt und nichts geregelt.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Am Ende haben sich die Funktionäre die Taschen
    vollgesteckt. Es ist, Frau Bläss, gerade der behinderte,
    der ältere Mensch auf der Strecke geblieben. Schauen
    Sie sich die Einrichtungen in den jungen Bundesländern an, was dort von uns noch nachzuholen ist.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Minister hat sehr eindrucksvoll dargestellt, daß mit einem Transfer von über 43 Milliarden DM ein Kraftakt gestartet wurde und fortgesetzt wird, der einmalig ist. Die übrigen osteuropäischen Länder — ich sage das bewußt —, die Anrainer, die dies sehen, wären dankbar und froh, hätten sie eine solche Möglichkeit des solidarischen Ausgleichs.
    Eine wichtige Frage ist auch die Qualifizierung der Menschen, weil es letztlich um die Köpfe geht. Es geht auch um das, was sich in den Köpfen vollzieht. Es ist außerordentlich schwierig, dies alles von hier aus zu beurteilen, wenn man nicht unterwegs ist. Ich unterstelle allen hier, die als Sozialpolitiker tätig sind, daß sie die Gelegenheit nutzen, sich dort einmal umzuschauen.
    Wir können nicht alles, was dort — ich sage das ganz bewußt — in 40 Jahren Planwirtschaft angerichtet wurde, mit unserer Elle messen.
    Ein weiteres positives Signal ist, daß wir junge Menschen in eine Ausbildung bringen. Es sind über 80 000 Ausbildungsplätze verfügbar. 120 000 junge Menschen suchen einen Ausbildungsplatz. Die Landesregierungen setzen positive Akzente; das darf ich hier ausdrücklich sagen. Das ist begrüßenswert. Das geschieht auch in den jungen Bundesländern. Immerhin werden damit 20 000 Ausbildungsstellen geschaffen.
    Die Bundesregierung tut über eigene Einrichtungen das Ihrige, um Perspektiven für junge Menschen zu eröffnen. Es ist ganz wichtig, daß junge Menschen erfahren, daß es zu dieser Sozialen Marktwirtschaft keine Alternative gibt, was die Zukunftschancen und den Eintritt in die Erwachsenenwelt über die Arbeit und über eine betriebliche Ausbildung angeht.
    Wir bauen auf die Zukunft, Frau Schenk, und schauen nicht in die Vergangenheit. Das halte ich für ganz wichtig.
    All das ist nur möglich, wenn wir die Wirtschaft in den alten Bundesländern flotthalten. Die Signale dort stehen auf Stagnation. Wir brauchen weiterhin die Entwicklung. Wir brauchen weiter zur Unterstützung des Bundeshaushalts und des Solidarhaushalts der Bundesanstalt für Arbeit eine Konjunktur, die sich sehen lassen kann, die etwas überbringt und etwas Schwung für die neuen Bundesländer bewirkt.
    Insofern war es wichtig, so schmerzlich dies für uns ist — Sie können mir abnehmen: auch für die Freunde der CDU/CSU-Fraktion —, diese 5,2 Milliarden DM zurückzunehmen. Wir müssen Schwerpunkte setzen. Ich meine, ein wichtiger Schwerpunkt ist z. B. das Projekt, das der Minister soeben vorgestellt hat,

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    nämlich Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Allerdings müssen entsprechende Kontrollen erfolgen — dies sage ich ausdrücklich —, damit Mitnahmeeffekte wie in anderen Bereichen, auch in den jungen Bundesländern, verhindert werden. Wir brauchen



    Heinz Schemken
    diese Maßnahme — der Minister hat es deutlich gemacht —, um im wahrsten Sinne des Wortes Altlasten zu beseitigen und um Industrieansiedlungen, Wohnungsbau und Landschaftspflege zu ermöglichen. Die Gesellschaften, die mit Unterstützung durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gegründet werden, halte ich für sehr wesentlich.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Ostertag, ich finde es eigentlich nicht ganz korrekt, die Asylfrage und diese Verwerfungen, die wir aufs schärfste verurteilen, nur mit der Arbeitslosigkeit in Verbindung zu bringen.

    (Adolf Ostertag [SPD]: Ich habe nicht gesagt: „nur"!)

    — Sie haben das zweimal sehr nachdrücklich erwähnt. Ich halte dies nicht für fair. Für uns — Sie haben uns als Christen angesprochen — ist Arbeit nicht nur das Geldverdienen, sondern sie entspricht auch der Würde des Menschen. Diese Würde ist für uns ein hoher Anspruch; das sage ich Ihnen ganz deutlich.
    Deshalb möchten wir über die Arbeitsförderung — das ist entscheidend — bewirken, daß der Mensch Chancen wahrnimmt. Auch das ist ein würdiger Ansatz, nicht nur die Versorgung auf dem Weg über die Arbeitsförderung.
    Im Hinblick darauf sind die Bildungsmaßnahmen, die hier ausdrücklich in einem Maß durchgeführt werden, wie wir sie uns in den alten Bundesländern hier und da sicherlich in dieser Größenordnung gewünscht hätten, nur zu begrüßen. Sie sind für die Menschen dort der richtige Ansatz. Sie bringen Qualifizierung, Hoffnung und Perspektiven. Nur wer sich für die Zukunft rüstet, wird bestehen.
    Frau Dr. Babel, Sie haben sicherlich zu Recht angemahnt: Wir müssen Europa und die dafür erforderliche Flexibilität berücksichtigen. Nehmen Sie uns bitte nicht übel, daß bei uns die Diskussion über das ILO-Abkommen auf sehr geteilte Meinung stößt. Das darf ich hier ausdrücklich feststellen.