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    Plenarprotokoll 12/105 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 105. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. September 1992 Inhalt: Bestimmung des Abgeordneten Hans-Ulrich Klose als ordentliches Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Hans-Jochen Vogel . . . . . . . . . . . . . 8987 A Bestimmung des Abgeordneten Hans Gottfried Bernrath als stellvertretendes Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle des aus dem Deutschen Bundestag ausgeschiedenen Abgeordneten Harald B. Schäfer (Offenburg) 8987 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung . . 8987 B Tagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheits-Strukturgesetz 1993) (Drucksache 12/3209) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksache 12/3210) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Reform des Gesundheitswesens (Drucksache 12/3226) Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 8987 D Rudolf Dreßler SPD . . . . . . . 8995 D Dr. Dieter Thomae F.D.P. . . . . . . . . 9000 C Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste 9003A, 9019D Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU 9004 D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9008 A Dr. Klaus Gollert, Minister des Landes Mecklenburg-Vorpommern 9009 D Klaus Kirschner SPD 9010D Dr. Bruno Menzel F.D.P. 9012 D Gudrun Schaich-Walch SPD 9015 A Wolfgang Zöller CDU/CSU . . . . . . 9016B Dr. Hans-Hinrich Knaape SPD 9018 C Dr. Hans-Joachim Sopart CDU/CSU . 9021 D Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . 9023 D Dr. Martin Pfaff SPD 9025 C Bernhard Jagoda CDU/CSU 9026 B Wolfgang Zöller CDU/CSU . 9027C, 9027 D Tagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Fördervoraussetzungen im Arbeitsförderungsgesetz und in anderen Gesetzen (Drucksache 12/3211) b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (Drucksache 12/3008) II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1992 Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 9029A Manfred Reimann SPD 9032 B Adolf Ostertag SPD . . . . . . . . . 9033 C Dr. Gisela Babel F.D.P. 9035 B Petra Bläss PDS/Linke Liste 9037 C Heinz Schemken CDU/CSU 9038 D Manfred Reimann SPD . . . . . 9040B Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . 9040 D Ulrike Mascher SPD 9042 A Julius Louven CDU/CSU 9043 C Regina Kolbe SPD 9044 B Tagesordnungspunkt 4 c: c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der anderweitigen Verwendung von Berufssoldaten und Beamten des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Verteidigung (Verwendungsförderungsgesetz) (Drucksache 12/3159) 9045 C Nächste Sitzung 9045 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 9047* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 9048* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1992 8987 105. Sitzung Bonn, den 11. September 1992 Beginn: 8.30 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 11. 09. 92*** Bachmaier, Hermann SPD 11. 09. 92 Dr. Blank, CDU/CSU 11. 09. 92** Joseph-Theodor Blunck (Uetersen), SPD 11. 09. 92 Liselott Böhm (Melsungen), CDU/CSU 11. 09. 92* Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 11. 09. 92 Brandt, Willy SPD 11. 09. 92 Büchler (Hof), Hans SPD 11. 09. 92* Clemens, Joachim CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 11. 09. 92 Herta Doss, Hansjürgen CDU/CSU 11. 09. 92 Feilcke, Jochen CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 11. 09. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 11. 09. 92*** Friedrich, Horst F.D.P. 11. 09. 92 Fuchs (Köln), Anke SPD 11. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 11. 09. 92*** Gattermann, Hans H. F.D.P. 11. 09. 92 Dr. Gautier, Fritz SPD 11. 09. 92 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 11. 09. 92 Göttsching, Martin CDU/CSU 11. 09. 92 Gres, Joachim CDU/CSU 11. 09. 92 Hämmerle, Gerlinde SPD 11. 09. 92 Haschke CDU/CSU 11.09.92 (Großhennersdorf), Gottfried Haungs, Rainer CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 11. 09. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Holtz, Uwe SPD 11. 09. 92*** Huonker, Gunter SPD 11. 09. 92 Janz, Ilse SPD 11. 09. 92 Jaunich, Horst SPD 11. 09. 92 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 11. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 11. 09. 92 Koppelin, Jürgen F.D.P. 11. 09. 92 Koschnick, Hans SPD 11. 09. 92 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 11. 09. 92 Günther Kretkowski, Volkmar SPD 11. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 11. 09. 92 Elke Lohmann (Witten), Klaus SPD 11. 09. 92 Lühr, Uwe F.D.P. 11. 09. 92 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lummer, Heinrich CDU/CSU 11. 09. 92* Dr. Meseke, Hedda CDU/CSU 11. 09. 92 Michels, Meinolf CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Mildner, CDU/CSU 11. 09. 92 Klaus Gerhard Müller (Wadern), CDU/CSU 11. 09. 92 Hans-Werner Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 11. 09. 92 Neumann (Bramsche), SPD 11. 09. 92 Volker Oesinghaus, Günther SPD 11. 09. 92 Opel, Manfred SPD 11. 09. 92** Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 11. 09. 92 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 11. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 11. 09. 92 Reichenbach, Klaus CDU/CSU 11. 09. 92 Rempe, Walter SPD 11. 09. 92 Reuschenbach, Peter W. SPD 11. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 11. 09. 92** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 11. 09. 92 Scheffler, Siegfried Willy SPD 11. 09. 92 Dr. Schmude, Jürgen SPD 11. 09. 92 Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 11. 09. 92 Dr. Schreiber, Harald CDU/CSU 11. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 11. 09. 92** Brigitte Schuster, Hans Paul F.D.P. 11. 09. 92 Hermann Sehn, Marita F.D.P. 11. 09. 92 Dr. Sperling, Dietrich SPD 11. 09. 92 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 11. 09. 92 Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 11. 09. 92 Vosen, Josef SPD 11. 09. 92 Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 11. 09. 92 Welt, Jochen SPD 11. 09. 92 Weyel, Gudrun SPD 11. 09. 92*** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 11. 09. 92 Wieczorek (Duisburg), SPD 11. 09. 92 Helmut Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 11. 09. 92 Simon Zurheide, Burkhard F.D.P. 11. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung *** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union 9048* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1992 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Karin Jeltsch, Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Herbert Werner (Ulm) und weiterer Abgeordneter zum Bundesverkehrswegeplan, Drucksache 12/2679, ist zurückgezogen worden. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/2101 Nm. 3.7, 3.9, 3.10, 3.14-3.19, 3.21, 3.22, 3.24, 3.25 Drucksache 12/2257 Nrn. 3.8-3.10, 3.13, 3.14, 3.16-3.18, 3.20, 3.22, 3.23, 3.25, 3.26 Drucksache 12/2315 Nr. 2.3 Drucksache 12/2520 Nrn. 3.5, 3.7 Drucksache 12/2582 Nrn. 2.2, 2.5-2.13 Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Drucksache 12/269 Nr. 2.38 Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 12/2774 Nr. 2.37
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    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich könnte genausogut sagen: Lieber Herr Reimann, warum haben Sie in den 13 Jahren Ihrer Regierungszeit nicht gleich alles so gemacht, wie Sie es anschließend für richtig befunden haben? — Der Fortschritt bewegt sich Schritt für Schritt. In der Tat kann man in der Politik nicht alles gleichzeitig erreichen. Ich behaupte auch jetzt noch: In der gesamten Sozialversicherung gibt es noch mehr als eine Maßnahme, die eigentlich nicht von Beitragszahlern
    bezahlt werden müßte, sondern durch die staatliche Gemeinschaft.

    (Manfred Reimann [SPD]: Wir stimmen Ihnen zu!)

    — Ein weiterer Grund, dieses Gesetz zu unterstützen.
    Ich meine, es müßte die Aufgabe der Sozialpolitiker insgesamt sein, die Frage zu stellen, was allgemeine Aufgabe ist, was aus dem Steuersäckel gezahlt wird — in diesem Bereich trägt jeder nach seiner Leistungsfähigkeit bei —, und was der Sozialversicherung zufällt und somit durch Beiträge bezahlt wird. Wer das vermischt, wer der Sozialversicherung immer mehr Aufgaben auferlegt, die allgemeine Aufgaben sind, mag sich als Meister des sozialen Fortschritts feiern lassen — in Wirklichkeit ist das eine Umverteilung von oben nach unten.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Wolfgang Roth [SPD] — Heribert Scharrenbroich [CDU/CSU]: Und gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland!)

    Meine Damen und Herren, wir haben für die Aussiedler 1991 von der Bundesanstalt Mittel in Höhe von 4,6 Milliarden DM in Anspruch genommen, 1992 in Höhe von 3,1 Milliarden DM. In der Tat wollen wir es in Zukunft so halten: Der Bund übernimmt für die Aussiedler, die nach dem 31. Dezember 1992 nach Deutschland einreisen, die Kosten für eine sechsmonatige Sprachförderung. Er zahlt außerdem eine sechsmonatige Eingliederungshilfe, die in Anlehnung an die Vorschriften der Arbeitslosenhilfe ausgestaltet wurde. Darüber hinausgehende Eingliederungshilfen fallen dann in die Zuständigkeiten der Länder und Gemeinden.
    Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf, dem zuzustimmen ich Sie bitte, dient der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Ich möchte auch hier noch einmal werben, gerade im Hinblick auf Westdeutschland: Der Strukturumbruch in den neuen Bundesländern ist härter und geht tiefer, als in den Arbeitslosenzahlen zum Ausdruck kommt. Die alte DDR hatte mehr als 9 Millionen Beschäftigte; jetzt sind es knapp 6 Millionen. Mehr als ein Drittel der Beschäftigten haben ihren Arbeitsplatz aufgegeben.

    (Regina Kolbe [SPD]: Verloren, nicht aufgegeben!)

    — Ja, verloren; sagen Sie es, wie Sie es wollen. Ich schildere ja ausdrücklich die Härte. Das kommt in der Arbeitslosenstatistik deshalb nicht so zum Vorschein, weil sich die einen zurückgezogen haben, andere als Pendler unterwegs sind, die Dritten als Übersiedler, und ein Teil in Arbeitsmarktmaßnahmen beschäftigt ist.
    Ich wende mich auch an die westdeutschen Kolleginnen und Kollegen. Man muß sich einmal vorstellen, was in Westdeutschland passiert wäre, wenn in zwei Jahren ein Drittel der Beschäftigten ihren Arbeitsplatz hätten aufgeben müssen. 10 Millionen Arbeitslose mehr in zwei Jahren — was wäre da los gewesen!



    Bundesminister Dr. Norbert Blüm
    Und wie hat die Bevölkerung geantwortet? 400 000 haben ABM aufgenommen; insgesamt befinden sich 900 000 Personen pro Jahr in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Die Bevölkerung hat nicht resigniert, sondern mit hohem Engagement selber Initiative entwickelt. Insofern verdient auch die Anstrengung all derjenigen, die nicht aufgegeben haben, eine große Anerkennung und die Notwendigkeit, daß wir auch in der Arbeitsmarktpolitik weiter zur Solidarität aufrufen, auch im Sinne, daß der Westen für den Osten eintritt; denn wir sind jetzt ein Deutschland.
    Die Arbeitsmarktpolitik ist, wie die Sozialpolitik insgesamt, keine Spielwiese.

    (Ottmar Schreiner [SPD]: Nein, das ist ja etwas ganz Neues!)

    — Nein, das ist ein steiniger Acker der Gerechtigkeit, auf dem viele arbeiten. All denen möchte ich — über alle Parteigrenzen hinweg — Dank sagen.
    Ich meine, wir sollten uns neben den großen ordnungspolitischen Aufbrüchen, neben den großen Gemälden der Zukunft einer Sozialpolitik der Nachbarschaft der Menschen verpflichtet fühlen. Unser Maßstab muß immer sein, wie wir den Menschen helfen. Die einen sagen, wir machten zuviel Sozialpolitik, die anderen sagen, wir machten zuwenig.

    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Wir sagen: richtig!)

    Deswegen suchen wir einen Weg, der zwei Absturzgefahren vermeidet: eine Sozialpolitik, die überbordet — die so tut, als würde sie das Geld vom lieben Gott beziehen —, und eine Sozialpolitik, die in Herzlosigkeit abstürzt.

    (Ottmar Schreiner [SPD]: In Gefahr, in größter Not bringt der Mittelweg den Segen!)

    — Der gesunde Mittelweg ist im übrigen keine Erfindung des Norbert Blüm. Den gibt es in der abendländischen Geschichte seit mehr als 2 000 Jahren. Ich rate uns für die Sozialpolitik, diesen gesunden Mittelweg beizubehalten —

    (Gerd Andres [SPD]: Das ist das gesunde Mittelmaß!)

    abseits aller hohen ideologischen Bemerkungen, immer bereit, zu fragen, wie wir den Menschen helfen können.
    Die Arbeitsmarktpolitik hat den Menschen geholfen. Sie muß Fehler beseitigen, sie muß Fehlsteuerungen beseitigen. Aber wir brauchen sie auch weiterhin. Allerdings warne ich davor — damit schließe ich —, diese Aufgabe nur der Arbeitsmarktpolitik zu übertragen. Sie ist eine der wenigen Sachen, die wirklich funktionieren. Nur bei ihr die Fehler zu suchen ist falsch. Die Arbeitsmarktpolitik kann nicht alles. Sie ist nur eine Brücke; sie kann nicht die Gesamtlast der Beschäftigungspolitik tragen. Jede Brücke ist sinnlos, wenn sie nicht an ein Ufer führt. Deshalb bleibt die Hauptaufgabe — die kann die Arbeitsmarktpolitik nicht lösen —, Arbeitsplätze zu schaffen.
    Ich glaube, daß man Bürokratien, die nur hinderlich sind, zerschlagen muß, daß man Investoren, gerade auch die kleinen, nicht von einem Schalter zum anderen schicken darf, daß man Eigentum breit streuen muß, daß man verhindern muß, daß am Ende
    des Einigungsprozesses die alten Eigentümer aus dem Westen die neuen Eigentümer im Osten sind. Das sind große Aufgaben, die nicht allein — und schon gar nicht nur mit eigenen Kräften — die Arbeitsmarktpolitik lösen kann.
    Deshalb bleibe ich dabei: Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten. Dafür steht der Begriff Solidarpakt. In einer Planwirtschaft ist die Zentrale für alles zuständig. In einer sozialen Marktwirtschaft übernehmen die Aufgaben die Tarifpartner, die Länder, die Kommunen und der Bund. Deshalb will ich die Gelegenheit nutzen, zu diesem Solidarpakt aufzurufen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, als nächstem Redner erteile ich jetzt unserem Kollegen Adolf Ostertag das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Adolf Ostertag


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesarbeitsminister hat hier soeben mit vielen Zahlen eine Art Rechenschaftsbericht seiner ach so erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik vorgelegt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Aber ich glaube, das war doch ein Stückchen Gesundbeterei,

    (Manfred Reimann [SPD]: Pfeifen im Walde!)

    die nicht darüber hinwegtäuschen kann, welch dramatisches Ausmaß die Arbeitslosigkeit inzwischen in
    dieser Republik, in Ost und West, angenommen hat.
    In dieser Situation ist es unverzichtbar, erstens bewährte Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik auszubauen und zweitens neue Instrumente hinzuzufügen, vor allen Dingen, was die Verzahnung der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik betrifft. Was der Bundesarbeitsminister soeben dazu gesagt hat, klingt gut. Aber entscheidend ist, was die Bundesregierung tut und was sie mit dieser Novelle plant.
    Sie will die Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik mit ihrem Gesetzentwurf nicht ausbauen, sondern weiter — ich sage bewußt: weiter — amputieren. Wer Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Umschulungsmaßnahmen einschränkt, wer Kurzarbeiter- und Umschulungsmaßnahmen auslaufen läßt — das alles ist geplant —, darf sich nicht wundern, daß sich die Rechnung dann in der Arbeitslosenstatistik niederschlägt; das sehen wir ja jeden Monat. Ich glaube, dieser Herbst läßt einiges Schlimme erwarten.
    Wer also bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik spart, zahlt bei der Finanzierung von Arbeitslosigkeit drauf, von den sozialen Folgekosten der Arbeitslosigkeit ganz zu schweigen. Die jüngsten ausländerfeindlichen Ausschreitungen und der Terror von rechts zeigen, welchen Sprengsatz es bedeutet, wenn die Massenarbeitslosigkeit weiter ansteigt, gerade bei jungen Menschen.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Dafür sind aber andere Ursachen maßgebend, Herr Kollege! — Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Ändern Sie mit uns das Grundgesetz! Dann wird es besser!)




    Adolf Ostertag
    — Das ist Ihr einziger Ausweg in dieser Debatte um die Arbeitsmarktpolitik. Ich glaube, das ist ein sehr trauriges Zeichen. Die Arbeits- und Beschäftigungspolitik hat in diesem Bereich eine hohe Verantwortung, der sie nachkommen muß. Hier dürfen wir nicht abbauen, nicht kürzen, sondern hier müssen wir ausbauen, um solche Ausschreitungen künftig im Keim zu bekämpfen. Wir dürfen nicht erst dann mit der Bekämpfung der Ursachen anfangen, wenn es gebrannt hat.

    (Beifall bei der SPD — Julius Louven [CDU/ CSU]: Dann sagen Sie etwas zur Finanzierung! )

    — Dazu komme ich noch.
    Ohne Rücksicht auf die dramatische Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Ost lind West hat die Bundesregierung eine Novelle zur weiteren Demontage des AFG vorgelegt. Kürzungen von 6 Milliarden DM sollen hauptsächlich in den Bereichen der aktiven Arbeitsmarktpolitik vorgenommen werden. Nach Ihrer Lesart sind sie nötig, weil sich der Bund aus der finanziellen Mitverantwortung für die Bundesanstalt verabschiedet; das ist der Kern dieser Sparmaßnahmen. Diese Regierung redet von einem Solidarpakt — soeben hat es auch der Arbeitsminister wieder getan — und kürzt gleichzeitig bei den sozial Schwächsten. Auch sich christlich nennende Parteien müßten wissen: Solidarität heißt, daß die Starken den Schwachen helfen. Diese AFG-Demontage-Novelle wird genau das Gegenteil bewirken.
    Spürbare Verschlechterungen für die Arbeitslosen und die von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen werden die Folge sein. Mindestens 100 000 werden zusätzlich arbeitslos, wenn über 1 Milliarde DM bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gekürzt werden. Schon jetzt bekommen unzählige Arbeitslose keine Chance und rutschen in die Arbeitslosenhilfe ab. Hunderttausende daraus sind schon in die Sozialhilfe gestürzt. Das ist Tatsache, vor allen Dingen in den neuen Ländern. Mittelfristig führen Ihre Vorschläge auch zu höheren Beiträgen und zu weiterem sozialen Sprengstoff.
    Wenn die Bundesregierung diese Politik fortsetzt, ist das eine Politik mit der Abrißbime. Eine AFG-Novelle, die diesen Namen verdient, muß Maßnahmen der Arbeitsbeschaffung, der beruflichen Qualifizierung und Umschulung auf hohem Niveau weiterführen. Das Altersübergangsgeld und die Kurzarbeitergeldregelung müssen sich, da sie sich bewährt haben, weiter auf hohem Niveau bewegen. Insbesondere dort liegen die positiven Ansätze der bisherigen Regelung.
    Der einzig neue Vorschlag in der Regierungsvorlage ist — der Bundesarbeitsminister hat es soeben gesagt — von der Opposition abgeguckt. Aber die Abschreibstrategen der Regierung waren bei der Formulierung des neuen § 249h AFG wohl auf einem Auge blind. Hätten sie unseren im Mai eingebrachten Antrag genau angeguckt oder bei der ersten Lesung genau hingehört, hätten sie sich manches an Formulierungskünsten sparen können. In diesem Antrag haben wir ein Strukturförderprogramm zur Schaffung von zusätzlichen 550 000 Arbeitsplätzen zur
    Verbesserung der Infrastruktur und des Umweltschutzes sowie im sozialen Bereich vorgeschlagen.

    (Heinz Schemken [CDU/CSU]: Aber ohne Deckung!)

    — Wir haben auch Finanzierungsvorschläge vorgelegt und wollen damit vor allen Dingen vollwertige Arbeitsplätze schaffen.
    Der Vorschlag der Bundesregierung hingegen ist für uns nicht akzeptabel. Die Arbeitnehmer würden nur zu 80 % beschäftigt und bezahlt. Das kann doch kein Anreiz sein! Das Lohnniveau der Ostdeutschen liegt heute nicht einmal bei 60 % des Niveaus der Westdeutschen. Noch ein Fünftel weniger als eine Bezahlung zu 80 % bedeutet in der Tat trotz Arbeit ein Absinken auf Arbeitsloseneinkommen oder auf westliches Sozialhilfeniveau. Mit zwangsweiser Teilzeitarbeit kann man auch keine vernünftigen Projekte machen. Wo bleibt da die Devise dieser Regierung, „Arbeit soll sich wieder lohnen", wenn man fürs Nichtstun genausoviel bekommt wie für sinnvolles Schaffen? Das ist doch die Frage.

    (Heinz Schemken [CDU/CSU]: Genau das ist das Problem!)

    Da die vorliegende AFG-Demontage-Novelle nicht den Herausforderungen eines verläßlichen und zukunftweisenden Instrumentariums entspricht, wird sie von uns mit aller Entschiedenheit abgelehnt.
    Meine Damen und Herren, unannehmbar ist für uns auch die Nachfolgeregelung des § 128 AFG. Viele Arbeitgeber umgehen den Kündigungsschutz — der Minister hat es gesagt. Und wir finanzieren über die Solidarkassen die Personalanpassung in den Betrieben. Aus eigener Erfahrung könnte ich Ihnen Beispiele nennen, die zeigen, daß große Unternehmen zig Millionen eingespart haben, weil seit über einem Jahr keine Nachfolgeregelung von dieser Regierung vorgelegt wurde. Auch öffentliche Unternehmen, in NRW z. B. das Kernforschungszentrum Jülich, haben sich teilweise auf Kosten der Solidarkassen saniert. Von daher ist dieses Verfahren nicht akzeptabel.
    Obwohl mehrfach angekündigt, hat es über ein Jahr gedauert, bis die Bundesregierung einen Vorschlag vorgelegt hat. Er ist jedoch nicht praktikabel und auch unsolidarisch. Ich sage das bewußt auch mit Blick auf das hochtrabende Wort „Solidarpakt". Diesen Vorschlag lehnen die Gewerkschaften ab, weil er die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr belastet als die alte Regelung, die bis vor einem Jahr Gültigkeit hatte. Er bürdet ihnen zusätzliche Lasten durch Anrechnung von Abfindungen und durch verlängerte Sperrzeiten auf. Für ältere Arbeitnehmer sollen es jetzt 35 anstatt — wie bisher — 12 Wochen sein.
    Die Arbeitgeber lehnen den Vorschlag ab, weil er überhaupt etwas kostet und weil er nach ihrer Auffassung Bedingungen des Bundesverfassungsgerichts nicht berücksichtigt. Sie sagen, daß rechtliche Auseinandersetzungen vorprogrammiert seien. — Dafür sind sie sicherlich Garant, wie unsere Erfahrungen mit dem alten § 128 AFG gezeigt haben. — Sie bezeichnen den Vorschlag als „Schnellschuß".



    Adolf Ostertag
    Wir Sozialdemokraten haben eine leicht handhabbare Lösung in Form einer Arbeitgeberumlage erarbeitet. Danach sollen alle Arbeitgeber — mit Ausnahme von Kleinbetrieben — gemeinsam für Arbeitslose ab 56 Jahren ca. 90 % der Kosten bezahlen — 90 % deshalb, weil in dieser Altersgruppe nur ca. 10 % der Fälle, in denen das Arbeitsverhältnis beendet wird, nicht im Zusammenhang mit betrieblicher Personalpolitik stehen. Das zeigt, daß private und auch öffentliche Unternehmen mit gutem Grund in die Pflicht genommen werden müssen. Das sagt auch der Bundesarbeitsminister. Mißbräuche mit der Arbeitslosenversicherung belasten den Beitragszahler in diesem Jahr schätzungsweise mit 3,2 Milliarden DM. Dieses Geld ginge durch die von uns vorgeschlagene Umlage in Höhe von 0,25 % der Lohnsumme an die Solidarkasse. Damit würde sich die finanzielle Lage der Bundesanstalt erheblich entspannen.
    Der Regierungsentwurf brächte maximal 100 Millionen DM. Er wäre ein weiteres Geschenk an die Unternehmen.
    Auch die Praktikabilität spricht klar für unseren Entwurf. Ein vergleichbares Umlageverfahren haben wir bekanntlich beim Konkursausfallgeld.
    Manche Betriebe wollen und können — zumindest in Notfällen — nicht auf das Instrument „Auflösungsverträge mit Abfindung und vorzeitigem Ruhestand" verzichten. Mit unserem Vorschlag geht das auch weiterhin. Unser Entwurf belastet die Arbeitgeber als Gruppe. Sie haben es in Zusammenarbeit mit den Betriebsräten in der Hand, die Umlage gering zu halten.
    Meine Damen und Herren, unsere Vorschläge orientieren sich einerseits an bewährten Instrumenten des Arbeitsförderungsgesetzes — wir wollen den aktiven Teil fördern —, andererseits haben wir neue Überlegungen mit unseren Anträgen eingebracht, die den Instrumentenkasten des AFG erweitern und neue Finanzierungsquellen erschließen, hin zu mehr Solidarität. Wir Sozialdemokraten reden nicht nur von Solidarität, wir wollen sie verwirklicht sehen, insbesondere mit dieser Novelle zum AFG.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)