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ID1210501400

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    Plenarprotokoll 12/105 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 105. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. September 1992 Inhalt: Bestimmung des Abgeordneten Hans-Ulrich Klose als ordentliches Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Hans-Jochen Vogel . . . . . . . . . . . . . 8987 A Bestimmung des Abgeordneten Hans Gottfried Bernrath als stellvertretendes Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle des aus dem Deutschen Bundestag ausgeschiedenen Abgeordneten Harald B. Schäfer (Offenburg) 8987 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung . . 8987 B Tagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheits-Strukturgesetz 1993) (Drucksache 12/3209) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksache 12/3210) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Reform des Gesundheitswesens (Drucksache 12/3226) Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 8987 D Rudolf Dreßler SPD . . . . . . . 8995 D Dr. Dieter Thomae F.D.P. . . . . . . . . 9000 C Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste 9003A, 9019D Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU 9004 D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9008 A Dr. Klaus Gollert, Minister des Landes Mecklenburg-Vorpommern 9009 D Klaus Kirschner SPD 9010D Dr. Bruno Menzel F.D.P. 9012 D Gudrun Schaich-Walch SPD 9015 A Wolfgang Zöller CDU/CSU . . . . . . 9016B Dr. Hans-Hinrich Knaape SPD 9018 C Dr. Hans-Joachim Sopart CDU/CSU . 9021 D Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . 9023 D Dr. Martin Pfaff SPD 9025 C Bernhard Jagoda CDU/CSU 9026 B Wolfgang Zöller CDU/CSU . 9027C, 9027 D Tagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Fördervoraussetzungen im Arbeitsförderungsgesetz und in anderen Gesetzen (Drucksache 12/3211) b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (Drucksache 12/3008) II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1992 Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 9029A Manfred Reimann SPD 9032 B Adolf Ostertag SPD . . . . . . . . . 9033 C Dr. Gisela Babel F.D.P. 9035 B Petra Bläss PDS/Linke Liste 9037 C Heinz Schemken CDU/CSU 9038 D Manfred Reimann SPD . . . . . 9040B Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . 9040 D Ulrike Mascher SPD 9042 A Julius Louven CDU/CSU 9043 C Regina Kolbe SPD 9044 B Tagesordnungspunkt 4 c: c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der anderweitigen Verwendung von Berufssoldaten und Beamten des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Verteidigung (Verwendungsförderungsgesetz) (Drucksache 12/3159) 9045 C Nächste Sitzung 9045 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 9047* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 9048* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1992 8987 105. Sitzung Bonn, den 11. September 1992 Beginn: 8.30 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 11. 09. 92*** Bachmaier, Hermann SPD 11. 09. 92 Dr. Blank, CDU/CSU 11. 09. 92** Joseph-Theodor Blunck (Uetersen), SPD 11. 09. 92 Liselott Böhm (Melsungen), CDU/CSU 11. 09. 92* Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 11. 09. 92 Brandt, Willy SPD 11. 09. 92 Büchler (Hof), Hans SPD 11. 09. 92* Clemens, Joachim CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 11. 09. 92 Herta Doss, Hansjürgen CDU/CSU 11. 09. 92 Feilcke, Jochen CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 11. 09. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 11. 09. 92*** Friedrich, Horst F.D.P. 11. 09. 92 Fuchs (Köln), Anke SPD 11. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 11. 09. 92*** Gattermann, Hans H. F.D.P. 11. 09. 92 Dr. Gautier, Fritz SPD 11. 09. 92 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 11. 09. 92 Göttsching, Martin CDU/CSU 11. 09. 92 Gres, Joachim CDU/CSU 11. 09. 92 Hämmerle, Gerlinde SPD 11. 09. 92 Haschke CDU/CSU 11.09.92 (Großhennersdorf), Gottfried Haungs, Rainer CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 11. 09. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Holtz, Uwe SPD 11. 09. 92*** Huonker, Gunter SPD 11. 09. 92 Janz, Ilse SPD 11. 09. 92 Jaunich, Horst SPD 11. 09. 92 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 11. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 11. 09. 92 Koppelin, Jürgen F.D.P. 11. 09. 92 Koschnick, Hans SPD 11. 09. 92 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 11. 09. 92 Günther Kretkowski, Volkmar SPD 11. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 11. 09. 92 Elke Lohmann (Witten), Klaus SPD 11. 09. 92 Lühr, Uwe F.D.P. 11. 09. 92 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lummer, Heinrich CDU/CSU 11. 09. 92* Dr. Meseke, Hedda CDU/CSU 11. 09. 92 Michels, Meinolf CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Mildner, CDU/CSU 11. 09. 92 Klaus Gerhard Müller (Wadern), CDU/CSU 11. 09. 92 Hans-Werner Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 11. 09. 92 Neumann (Bramsche), SPD 11. 09. 92 Volker Oesinghaus, Günther SPD 11. 09. 92 Opel, Manfred SPD 11. 09. 92** Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 11. 09. 92 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 11. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 11. 09. 92 Reichenbach, Klaus CDU/CSU 11. 09. 92 Rempe, Walter SPD 11. 09. 92 Reuschenbach, Peter W. SPD 11. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 11. 09. 92** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 11. 09. 92 Scheffler, Siegfried Willy SPD 11. 09. 92 Dr. Schmude, Jürgen SPD 11. 09. 92 Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 11. 09. 92 Dr. Schreiber, Harald CDU/CSU 11. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 11. 09. 92** Brigitte Schuster, Hans Paul F.D.P. 11. 09. 92 Hermann Sehn, Marita F.D.P. 11. 09. 92 Dr. Sperling, Dietrich SPD 11. 09. 92 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 11. 09. 92 Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 11. 09. 92 Vosen, Josef SPD 11. 09. 92 Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 11. 09. 92 Welt, Jochen SPD 11. 09. 92 Weyel, Gudrun SPD 11. 09. 92*** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 11. 09. 92 Wieczorek (Duisburg), SPD 11. 09. 92 Helmut Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 11. 09. 92 Simon Zurheide, Burkhard F.D.P. 11. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung *** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union 9048* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1992 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Karin Jeltsch, Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Herbert Werner (Ulm) und weiterer Abgeordneter zum Bundesverkehrswegeplan, Drucksache 12/2679, ist zurückgezogen worden. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/2101 Nm. 3.7, 3.9, 3.10, 3.14-3.19, 3.21, 3.22, 3.24, 3.25 Drucksache 12/2257 Nrn. 3.8-3.10, 3.13, 3.14, 3.16-3.18, 3.20, 3.22, 3.23, 3.25, 3.26 Drucksache 12/2315 Nr. 2.3 Drucksache 12/2520 Nrn. 3.5, 3.7 Drucksache 12/2582 Nrn. 2.2, 2.5-2.13 Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Drucksache 12/269 Nr. 2.38 Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 12/2774 Nr. 2.37
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Christina Schenk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Frau Präsidentin!. Meine Damen und Herren! Das Wort „Gesundheitswesen" scheint seit einigen Jahren nicht mehr denkbar zu sein ohne das Wort „Kostenexplosion" . Ich meine, daß dies eine irreführende Beschreibung für das Problem ist, um das es hier geht: die stetig größer werdende Diskrepanz zwischen Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung, die, wie hier heute schon öfter erwähnt, bereits Anlaß zu mehreren Reformversuchen gegeben hat. Diese Diskrepanz muß nicht nur abgebaut werden, sondern die Finanzierung des Gesundheitswesen muß endlich auf eine solide Basis gestellt werden. Ich glaube, da besteht sogar Konsens.
    Hierzu ist jedoch eine Analyse nicht nur der Ausgabenseite, sondern auch der Einnahmenseite erforderlich. Der Begriff Kostenexplosion, der in den gesundheitspolitischen Diskussionen nahezu inflationär gebraucht wird, verweist jedoch ausschließlich auf den Anteil der Ausgaben und dient, wie ich meine, allzu offensichtlich dem Zweck, die Verantwortung, die der Bund für die Deckung des Defizits der gesetzlichen Krankenversicherung übernehmen muß, zu ignorieren.
    Die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung sind in erster Linie abhängig von der demographischen Entwicklung und auch von der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Bei herrschender Massenerwerbslosigkeit und gleichzeitig drastischem Anstieg des Anteils älterer Bürger und Bürgerinnen kann das Versorgungsniveau nur dann gehalten und die Beitragsstabilität nur dann gewährleistet werden, wenn sich der Bund an den Kosten des Gesundheitswesens beteiligt und wenn zugleich eine wirklich aktive Arbeitsmarktpolitik betrieben wird.
    Allein mit Hilfe marktwirtschaftlicher Instrumentarien, wie es in dem vorliegenden Reformpaket vorgeschlagen wird, ist das Problem nicht zu lösen. Man muß endlich zur Kenntnis nehmen, daß es Bereiche gibt, die man nicht zum marktwirtschaftlichen Selbstläufer machen kann, zumindest so lange nicht, wie der Begriff Sozialstaat noch eine Bedeutung haben soll.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS/Linke Liste)

    An der Bereitschaft, Steuergelder auch für Zuschüsse zur Kostendeckung im Gesundheitswesen zu verwenden und vor allem einen grundlegenden Strukturwandel vorzunehmen, wird sich messen lassen, was einer Regierung die Gesundheit der Barger und Bürgerinnen wert ist.
    Das jetzt vorgelegte Reformkonzept enthält in seinen beiden Teilen weder einen Hinweis darauf, daß der Bund nunmehr in die Verantwortung genommen wird, noch Überlegungen zu einer Einnahmenerhöhung der gesetzlichen Krankenversicherung über die Ausdehnung der Versicherungspflicht, sondern konzentriert sich allein auf die Reduzierung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung und läßt
    dabei den eigentlich kostentreibenden Faktor noch unberührt. Nicht nur die High-Tech-Methoden, der Arzneimittelverbrauch, die Nachfrage nach ärztlicher Betreuung oder die Zahl der Ärzte sind kostenbestimmend und gehen in die Bilanz der gesetzlichen Krankenversicherung ein, sondern die Struktur des Gesundheitswesens selbst mit seinem Zwang zur Niederlassung und seinem Honorarsystem, das die ärztliche Behandlung zu einem betriebswirtschaftlichen Vorgang macht und darüber hinaus noch den apparativen Einsatz überdurchschnittlich bewertet, muß zwangsläufig zu einer Beschleunigung der Kostenentwicklung führen.
    An dieser alles entscheidenden Stelle jedoch greift das Reformkonzept nicht. Es beschränkt sich allein darauf, insbesondere die Kranken zur Kasse zu bitten. Dahinter steckt die verleumderische Legende von der Verantwortungslosigkeit der Patienten und Patientinnen, die angeblich dazu führt, daß sie Medikamente in unglaublichen Mengen konsumieren wollen, daß sie wegen jeder Bagatelle zum Arzt laufen, daß sie ein überzogenes Anspruchsdenken haben und daß sie sich um die eigene Gesundheitsvorsorge nicht scheren. Wie anders soll man sonst die Rufe von seiten der Versicherungsträger und — wen wundert es denn in diesem Hause noch? — auch von seiten der PharmaIndustrie interpretieren, die einen Bewußtseinsumschwung bei den Versicherten fordern und dies dadurch fördern wollen, daß die Versicherten an den Ausgaben, die zur Behandlung ihrer Krankheiten erforderlich sind, prozentual beteiligt werden?
    Hinter solch einem Denken steckt nicht nur Zynismus gegenüber den Kranken, insbesondere gegenüber den chronisch Kranken, sondern auch noch der Grundirrtum, daß Gesundheit monokausal bedingt sei und allein vom persönlichen Verhalten abhänge. Nicht das Verhalten der Versicherten ist in erster Linie die Ursache für die Finanzierungsprobleme des Gesundheitswesens, sondern die Strukturdefekte eben dieses Gesundheitswesens.

    (Dr. Walter Franz Altherr [CDU/CSU]: Die Ärzte sind es mal wieder, ich weiß!)

    Der zweite Teil der Seehoferschen Reform trägt zwar die Bezeichnung Gesundheits-Strukturgesetz und wird als Strukturverbesserung verkauft, leistet aber eben genau das nicht, sondern bleibt auf der monetären Ebene stecken. Die notwendige grundsätzliche Reform des Gesundheitswesens degeneriert also wieder nur zur notdürftigsten Schadensbegrenzungs- und Reparaturgesetzgebung, die zudem mit extremen sozialen Ungerechtigkeiten verbunden ist, der Qualität der Versorgung schadet und letztendlich die Divergenz zwischen Einnahmen und Ausgaben nicht dauerhaft aufheben wird, da eben die treibenden Momente der Kostenentwicklung nicht eliminiert werden. Es scheint, als ob entweder die Lüge oder die Selbsttäuschung nun endgültig zum konstitutiven Moment der Politik dieser Regierung geworden ist.
    Eine Bemerkung zu den Einnahmen der Krankenversicherung: Es ist sozialpolitisch nicht begründbar, warum in einem Sicherungssystem, welches sich auf Solidarität gründet und auch gründen muß, wenn es human und sozial sein soll, die Besserverdienenden nicht auf ihr gesamtes Einkommen Beiträge entrich-



    Christina Schenk
    ten. Die Bemessungsgrenze sollte gestrichen werden.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)

    Die Familienversicherung sollte sich auf minderjährige Kinder beschränken. Beamte und Selbständige sollten in das Krankenversicherungssystem grundsätzlich einbezogen werden.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)

    Ein Wort zu den Ausgaben: Es greift zu kurz, wenn die Aufwendungen der Kassen für Arzneimittel dadurch gedämpft werden sollen, daß künftig Zuzahlungen auch für Festbetragsmedikamente geleistet werden, die dann auch noch jährlich dynamisiert werden. Das ist schlichtweg unsozial.
    Die entscheidenden Einsparmöglichkeiten liegen an einer ganz anderen Stelle. Die Preise für die Produkte der deutschen Pharmaindustrie liegen im europäischen Vergleich an der Spitze.

    (Dr. Walter Franz Altherr [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! Im Mittelfeld!)

    Hier muß mit Preisreglementierungen eingegriffen werden, nicht mit Budgetierung und Malus-Regelungen, die die ärztliche Behandlung sachfremden Zwängen aussetzen und geeignet sind, das Vertrauen der Hilfesuchenden in Aussicht auf bestmögliche Behandlung zu zerstören.
    Der entscheidende Punkt bei den Ausgabenbegrenzungen liegt jedoch im Honorarsystem. Eine simple Deckelung der Einkommen der Ärzte und Ärztinnen, wie das Seehofersche Konzept sie vorsieht, ist nicht die Lösung. Solange jeder einzelne Handgriff abrechenbar ist, sind die Patientinnen und Patienten zwangsläufig der Gefahr überflüssiger Untersuchungen und Verschreibungen ausgesetzt, zumal das Prinzip der Niederlassung dazu verleitet und zum Teil auch dazu zwingt, sich die Gewinne selbst zu organisieren. Es ist höchste Zeit, über Alternativen zum Einzelleistungsvergütungssystem nachzudenken, z. B. über die Zahlung von Pauschalbeträgen pro Patient bzw. Patientin.
    Auch das eklatante Mißverhältnis in der Bewertung technisch-operativer Leistungen einerseits und der Bemühungen um individuelle und angemessene Beratung und Aufklärung sowie um die psychosomatischen Aspekte einer Behandlung andererseits muß dringend abgestellt werden. Die Materialschlacht in den Arztpraxen wird durch das gegenwärtige Honorarsystem geradezu provoziert; da braucht man sich doch über die steigenden Kosten nicht zu wundern.
    Auf der anderen Seite werden Ärzte und Ärztinnen, die die Medizintechnik nicht exzessiv einsetzen wollen oder auf Grund ihrer Spezialisierung nicht können, in ungerechtfertigter Weise benachteiligt. Ich meine, auch über Alternativen zum Niederlassungsprinzip muß endlich nachgedacht werden. Dazu liegen vielfältige Erfahrungen in der Ex-DDR, d. h. in Ostdeutschland, vor.

    (Dr. Klaus-Dieter Feige [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Polikliniken!)

    Der Grundfehler liegt doch gerade in der alleinigen Steuerung durch Profitinteressen. Ausgerechnet das
    soll nun auch die ausschließliche Grundlage der Krankenhausfinanzierung werden. Demnächst soll in diesem Bereich in gleicher Weise verfahren werden wie mit dem öffentlichen Wohnungsbau. Ich sage Ihnen: Auf lange Sicht werden sich auch hier die kurzfristigen Spareffekte der öffentlichen Hand ins Gegenteil verkehren. Das gilt vor allem für die Krankenhäuser in Ostdeutschland, die durch ihren erheblichen Investitionsbedarf unter der geplanten Umstellung der Krankenhausfinanzierung am meisten leiden werden.
    Ein weiterer Punkt, der zur Kosteneinsparung beitragen könnte, wäre, dafür zu sorgen, daß die Kassen auf vergleichbarer Basis in einen Wettbewerb zueinander treten können. Nur wenn ein Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen vorgenommen wird, wird die Qualität des Managements erst vergleichbar. Dies würde sich dann direkt auf die Beitragshöhe auswirken können.
    Von alledem ist im Reformpaket nicht die Rede. Das hier vorgelegte Konzept ist de facto die Aufkündigung der Solidargemeinschaft zwischen Gesunden und Kranken. Die Regierungskoalition beschreitet mit ihrer rigorosen Ökonomisierung der Sozialpolitik weiter ihren einseitigen und zutiefst unsozialen Weg der Reprivatisierung und Individualisierung der Daseinsvorsorge,

    (Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    an dessen Ende die völlige Demontage des Sozialstaates stehen kann, wenn hier nicht entschlossen Widerstand geleistet wird.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS/Linke Liste)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächstes spricht der Sozialminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Klaus Gollert.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Gesetzespaket zur Gesundheitsreform leistet die Bundesregierung einen mutigen, wenn auch umstrittenen Beitrag, um die dramatische Ausgabenentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu stoppen. Es gibt hier eindeutigen Handlungsbedarf.
    Ich ergreife heute als Sozialminister eines neuen Landes und als Arzt eines solchen Landes das Wort vor allem für die Belange der neuen Länder. Dort war die Situation der Kassen bisher noch vergleichsweise stabil. Die Explosion der Kosten im Gesundheitswesen und die damit verbundenen Probleme kommen allerdings auch auf uns schneller zu, als uns lieb ist. Bereits für das Jahr 1992 wird ein Defizit von rund 2 Milliarden DM für die Krankenversicherung vorausgesagt.
    Es zeichnet sich bereits jetzt ab, daß bei ungebremster Kostenentwicklung auch in den neuen Ländern die Beitragssätze längerfristig angehoben werden müssen. So sinnvoll und notwendig deshalb Maßnahmen zur Kostendämpfung schon heute sind, so müs-



    Minister Dr. Klaus Gollert (Mecklenburg-Vorpommern)

    sen sie jedoch in den neuen Ländern besonders sensibel vorgenommen werden.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie der Abg. Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU])

    Die neuen Strukturen des Gesundheitswesens müssen sich erst einmal allmählich etablieren. Dieser Prozeß ist noch lange nicht abgeschlossen.
    Es gibt in den neuen Ländern einen enormen strukturellen und investiven Nachholbedarf. Dieser muß kompensiert werden, bevor das kostendämpfende, marktwirtschaftliche Instrumentarium des neuen Gesetzes greifen kann.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wir können nicht erwarten, daß mittel- oder langfristig ein gleich hohes Niveau bei der gesundheitlichen Betreuung erreicht wird, wenn man heute von einem vollkommen unterschiedlichen Niveau startet und dennoch in gleicher Weise Einsparungen vornimmt. Die neuen Länder sind deshalb auch perspektivisch auf die Solidarität Gesamtdeutschlands angewiesen. Diese muß sich bei der Gewährung von Investitionshilfen für Krankenhäuser, durch Ausnahmeregelungen, durch Schonfristen und durch Übergangslösungen, die im vorgesehenen Gesetzesvorhaben berücksichtigt werden sollten, bewähren,
    Bei allem Grundkonsens mit den Plänen der Bundesregierung sollten aus der Sicht der neuen Länder doch folgende Forderungen bedacht werden: Bei der stationären Versorgung ist die Aufhebung des Selbstkostendeckungsprinzips grundsätzlich richtig, setzt aber eine qualitativ und quantitativ funktionstüchtige Krankenhausstruktur voraus. Hier gibt es erheblichen Nachholbedarf vor allem bei Bausubstanz und Ausstattung der Krankenhäuser. Solange diese Niveauunterschiede zu den Altländern nicht annähernd beseitigt sind, können unsere Krankenhäuser überwiegend nicht kostendeckend arbeiten.
    Neben den Ländern sind auch der Bund und andere Kostenträger an der Finanzierung der dringend notwendigen Investitionen zu beteiligen. Es sind Anreize für den Einsatz privaten Kapitals zu schaffen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. Dr. Walter Franz Altherr [CDU/CSU])

    Bei der ambulanten ärztlichen Versorgung dürfen erreichbare und absehbare Erfolge nicht durch restriktive Maßnahmen gefährdet werden. Ich nenne nur drei Beispiele.
    Beim Zahnersatz besteht in der Bevölkerung immer noch ein enormer Nachholbedarf. Die Aufspaltung in Regel- und Wahlleistungen muß deshalb zur Zeit in den neuen Ländern befristet ausgesetzt werden.
    Die Zuzahlungen der Patienten müssen moderat gehandhabt werden. Im Vorfeld der Beratungen konnte durch die Einführung gleicher Einkommensgrenzen für Ost und West bei der Zuzahlung für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel viel für die neuen Länder getan werden. Bei der Zuzahlung für Krankenhausaufenthalte sollte unseres Erachtens ebenfalls eine Härtefallregelung aufgenommen werden.

    (Dr. Walter Franz Altherr [CDU/CSU]: Das ist nicht logisch!)

    — Doch.
    Mit der Einführung von Altersgrenzen für die Kassenzulassung dürfen keine falschen Zeichen gesetzt werden. Die Garantie, die Zulassung mindestens 15 Jahre behalten zu können, ist bereits ein Zugeständnis an die neuen Länder. Wegen der hohen Kosten bei der Neueinrichtung von Praxen halte ich eine Schonfrist von 20 Jahren bis zum Erreichen der Altersgrenzen für angemessen.
    Meine Damen und Herren, alle neuen Länder, auch Berlin und Brandenburg, hatten im Vorfeld der Beratung gute und konstruktive Gespräche mit dem Bundesgesundheitsminister. Es gab im Krankenhausbereich viel Konsens. Eine Verweigerungshaltung der SPD, wie sie sich im Bundesrat in dieser Woche angedeutet hat, ist deshalb fehl am Platz.
    Für die neuen Länder setze ich darauf, daß die bisherige Gesprächsbereitschaft der Bundesregierung auch im weiteren parlamentarischen Verfahren aufrechterhalten wird.

    (Dr. Walter Franz Altherr [CDU/CSU]: Jawohl, das wollen auch wir!)

    Gestatten Sie mir noch ein letztes Wort zur Regionalisierung der Krankenkassen, wie sie von vielen Ländern gefordert wird. Nach wie vor lehne ich diese ab,

    (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Ein mutiges Wort eines Landesministers!)

    wenn sie wirtschaftsschwache Länder zugunsten wirtschaftsstarker Länder benachteiligt, wenn sie auf Grund unterschiedlicher Finanzierungsmöglichkeiten in den Ländern unterschiedliche Niveaus der Versorgung mit Gesundheitsleistungen bewirkt und wenn sie zu einer Zerschlagung funktionsfähiger Krankenkassen führt.
    Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)